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Rr. 118
Montag den 28. Mai 1982
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96. Jahrgang
„Grausame Wirklichkeit"
Und nichts anderes ist tatsächlich, wie Reichsminister a. D. Schiffer sagte, das deutsch-polnische Abkommen über Oberschlesien, das am 15. Mai in Gens von dem deutschen und polnischen Bevollmächtigten (Ochlowsk i), unter dem Vorsitz des Präsidenten Calonder feierlich unterzeichnet worden war. Dieser Akt sei der letzte Akt einer Tragödie.
Gewiß ein furchtbares Trauerspiel, wie es ungerechter und schamloser noch keinem Volk zugemutet wurde, aber auch ein Trauerspiel, welches das deutsche Volk bei dem massenhaften Unglück, das ihm widerfahren ist, merkwürdig rasch vergessen hat. Wie schwer haben es die Franzosen mit dem Verlust von Elsaß-Lothringen genommen! Es ging kein nationales Fest, kein vaterländisches Ereignis vorüber, in Paris nicht und in der Provinz nicht, da wurde an die beiden „geraubten" Provinzen erinnert und die Rache der Volksseele leidenschaftlich aufgepeitfcht. —
Und wir? Auch wir haben uns zwei Jahre und mehr gegen den geplanten Raub gutdeutschen und ur- deutschen Landes gewehrt. Wir haben uns wie eine Bärin um ihre Jungen gewehrt, gegen den französischen Sachwalter Lerond und seine himmelschreienden Parteilichkeiten, gegen den polnischen Räuberhauptmann Korfanty und seine zügellosen Banden. Um als am 21. März vorigen Jahres die wackeren Obsr- schlesier zu zwei Drittel ihre Stimmen für Deutschland abgaben und als Lloyd George kurz daraus am 14. Mai im englischen Parlament für unser „gutes sechshundertjähriges Recht" eintrat und dabei meinte, inan dürft mit Deutschland kein „unehrliches Spiel" treiben, sonst könnte es einmal mit Recht sagen: „Ihr verlangt unsere Ehre und unsere Verpflichtung, was habt Ihr mit der Euren gemacht?", kurz als alles das geschah, da hofften wir mit gutem Grund, daß endlich uns Gerechtigkeit werde.
Aber weit gefehlt! Der Völkerbundsrat. dem Brianl und Lloyd George, weil uneins untereinander, deu Schiedsspruch zuschoben, entschied für Polen und gegen Deutschland. Es war ein Fehlspruch schlimmster Art Wider alle Billigkeit und Gerechtigkeit, wider alle Vernunft und Natur, ja sogar in handgreiflicher Mißachtung klarer Vertragsbestimmungen schlug der Völkerbund eine Grenzlinie vor, die die größten Teile der Kreise Ratibor.Rybnik. Carno- w i tz und Lublinitz. ganz Pleß und die Städte Kattowitz und Königshütte mit den dazu gehörigen Landkreisen Polen zusprach.
Es ging damals ein einziger Schrei der Entrüstung durch ganz Deutschland. Am 10. Mai hatten wir die wahnsinnige Wiedertzutmachungsschuld von 132Milliarden Goldmark auf uns genommen, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Wir sollen zahlen und zahlen, endlos zahlen, und dann verstopft man uns eins der aller ergiebigsten Einnahmequellen. Mehrere hun-- derttausende Deutsche. Fleisch von unserem Fleisch und Blut von unserem Blut, echt deutsche Volkstsile, reiht man weg von dem Volkskörper, mit dem sie organisch zusammengswachsen waren.
Und doch stand klipp und klar im Versailler Vertrag: Für die neue Grenzlinie sei „sowohl der von den Einwohnern ausgedrückte Wunsch, wie auch dis geographische und wirtschaftliche Lage der Ortschaften" zu berücksichtigen.
gerade nicht geschehen ist. fühlte der hoch- weise Volkerbundsrat recht wohl und daher schlug er zu seinem Spruch als<>Verbesserungsnachtrag sogenannte „wirtschaftliche Maßnahmen" vor, „um die Fortdauer des wirtschaftlichen Lebens Oberschlesiens nach der Teilung zu „sichern" und auf ein Mindestmaß die Schwierigkeiten des Uebergangs zu beschränken." —
Liegt nicht in diesem Zusatz die allerbeste und beißendste Kritik des Fehlspruchs von Genf? Wird nicht damit eben zugegeben, daß die neue Grenzlinie einen lebensgefährlichen Schnitt in den engverwachsenen Organismus des Industriegebiets bedeutet? Und nun eben um die große Gefahr des raschen Absterbens der unnatürlich' getrennten Teile zu verhüten, sollte^eine Schonzeit von 15 Jahren gewährt werden. Es sollten Uebergangsbestimmungen wegen den zerteilten Eisen- bahnstrecken/der gesetzmäßigen Zahlungsmitlesi'des ungehinderten Verkehrs mit Rohstoffen, unvollendeter
Fabrikaten und Grubenerzeugnissen, der Fortführung der Sozialversicherung und der Arbeitsverträge zwischen beiden Parteien getroffen werden. Für alle diese Maßnahmen sei ein Abkommen zwischen Deutschland und Polen zu vereinbaren. Und hiefür wurde nun eine „Gemischte oberschlesische Kommission", zu gleichen Teilen aus Deutschen und Polen bestehend, mit einem vom Völkerbund bestimmten neutralen Vorsitzenden eingesetzt. —
Nun eben diese Kommission hat am 15. Mai ihre Arbeit beendet. Wiederholt hatte es den Anschein, als ob in verschiedenen Punkten, so namentlich in der Ent- eignungs- und in der Schulsprachenfrags, keine Einigung erzielt werden könnte, und daß deshalb, wie vorgeschrieben war, der neutrale Präsident Calonderden Schiedsspruch fällen müßte. Aber zu guter letzt wurde man doch einig.
Dis Einzelheiten des Abkommens sind noch nicht bekannt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Polen, dessen Vertreter sich sehr befriedigt aussprach, besser abgsschnitten hat als Deutschland. Doch sei dem, wie ihm wolle. Eines bleibt bestehen: Wir werden Oberschlesien nicht vergessen. „Der Rechtsvorbehalt, den wir gegen diesen Zwang ausgesprochen haben", soll Schisser bei der Unterzeichnung gesagt haben, „bleibt unberührt. Er kann durch die Unterschrift nicht in Frage gestellt werden, dis ich unter dieses Abkommen setze, die Millionen von Heimattreuen Deutschen von ihrem Mutterland trennt und uns das Herz zerreißt."
Oberschlesien ist für uns ein zu erlösendes Land geworden. Was wir verloren haben, darf nicht verloren bleiben. Auch sür das geraubte Oberschlesien schlägt, will's Gott, nicht in allzuferner Zukunft die Stunde der Heimkehr in's große deutsche Vaterhaus.
W. l-I.
Zur Kriegsschuld Rußlands
Wenn sich auch niemals ein fester Zeitpunkt für den Beginn aller jener Ereignisse bestimmen läßt, die schließlich zum Ausbruch des Kriegs führten, so ist es für Jeden, der die russische Außenpolitik in den verhängnisvollen Jahren von 1808—1914 verfolgte, klar, daß dis Krisis nach der Einverleibung von Bosnien und der Herzegowina durch Oesterreich den Auftakt zum Weltkrieg bildete.
Wie immer in der Geschichte Rußlands spielten auch hier Frauen eine verhängnisvolle Rolle. Wie so oft in der langen Ueoerlieferung der Dynastie Romanoff überwog die Gesühlspolitik die des klaren Verstands und der Nützlichkeit, und wie immer, wenn Frauen sich in Politik mischen, spielten Ränke. Eitelkeit und Ehrgeiz ihre ver- hängnisvolie Rolle.
Auch 5 swolsky. für den der Titel eines .Hofmeisters des allerhöchsten Hofs" kein leerer Klang war, stand nicht abseits von der Salonpolitik und bewegte sich viel in Kreisest, der Großfürstin Anastasia Nikolajewna. Diese Dame, die Tochter des Königs von Montenegro und Gemahlin des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch, sah ihre Aufgabe darin, einen Kreuzzug gegen Oesterreich-Ungarn und Deutschland zu predigen und die großserbische Propaganda zu fördern. Ihre Anhänger wühlten ständig in Paris und am Hof ihrer Schwester, der Königin von Italien, in Rom: ihrem Baker sandte sie laufend politische Berichte nach Cetinje, so daß man in Montenegro und in Belgrad stets wußte, wie straff man im Augenblick den Bogen gegen Deutschland nnd Oesterreich spannen durfte. Auf der deutschen und österrekchift.'-cn Botschaft sah man diesem Treiben mit zuviel Gelassenheit zu.
Lin Gegengewicht im gewissen Sinn zum Salon der Großfürstin Anastasia Nikolajewna bildete das Palais der Großfürstin Elena Pawlowna, der Gemahlin. des Großfürsten Wladimir, in dem österreichische und deutsche Diplomaten oft empfangen wurden: aber der politische Einfluß !>er Wladimirowitschi war ein geringer und konnte nicht als Gegengewicht gegen die Ränke der beiden montenegrinischen Prinzessinnen in die Wagschale geworfen werden.
Frau Iswolsky und Frau Lhonjakowa, die Gemahlin des Borsitzenden der dritten Duma, wurden an die Spitze eines Komitees gestellt, das zum Schutz Serbiens und der! Balkanslawen gebildet wurde. Diese Bereinigung trat sffen für .Großserbien" ein, setzte sich mit tschechischen und cnthenischen Politikern in Berbindung, sammelte Gelder, die gegen österreichische Staaksinkeressen und zum Unterhalt von Geheimagenten benutzt wurden.
Die erste politische Größe war Skolypin. Er war zwar dem Kriegstreiben abhold, aber auch er huldigte dem Grundsatz, wie die meisten Leiter der inneren russischen Politik in aufgeregten revolutionären Zeiten, daß es gut sei, durch einen äußeren Anlaß die inneren Krankheiten Rußlands abzulenken.
Wenn es in Rußland in beiua aus die ankere TWttiiK
auch Heine öffentliche Meinung im europäischen Sinn gab, so leistete dis Presse in der dünnen, aber schließlich' doch maßgebenden Oberschicht der Gebildeten sehr viel zur Verhetzung."" In der Vorgeschichte des Kriegs spielte die «No- woje Wremja" Suworins eine geradezu verhängnisvolle Rolle. Sie besaß einen Einfluß auf den Gang der Politik, wie vielleicht keine andere Zeitung in Europa. Englisches und französisches Geld floß massenhaft in die Kassen der russischen Presse, während die deutsche Gegenströmung entweder ganz aussehte oder knauserte.
Die liberalen Gruppen der Kadetten samprelken sich um die DRjetsch", deren Herausgeber und Chefredakteur Miljukoff eine große Rolle in der russischen Politik
iplelte. Die blinde Deukschenhetze machte die . Rjetsch* nicht mit, aber sie war auch alles andere als deutschland- freundlich. )Die Einkreisungspolitik Eduard VII. fand ihre volle Billigung und die Kriegsvorbereitnngen Rußlands wurden von ihr gutgeheißen. Alle bedeutenden Kadettenführer waren der Entente ergeben und Gegner einer deutsch- russischen Annäherung. Ihr guter Wille hätte vielleicht den Krieg vermeiden helfen können, sie haben ihn nicht besessen.
Zu der politischen Hetze kamen bald ernste militärische Rüstungen. Russische Artillerie ging nach Serbien und Montenegro und russische Generalstabsoffiziere bereisten offen den Balkan und im geheimen Oesterreich-Ungarn.
Schließlich gelang es dem russischen Ministerium des Aeußern, den Balkanbund zusammenzuschweißen, dessen Front sich deutlich gegen die Türkei und gegen dia deutschen Interessen richtete. Deutschland aber bewies dadurch, daß es treu an der Seite Oesterreichs blieb, seinen unerschütterlichen Friedenswillen. Denn hätte Deutschland Krieg führen wollen, so hätte es ihn 1903 mit Sicherheit Hegreich geführt, darin bestand nirgends" rin Zweifel, und es hätte dies Unglück von 1918 vermieden.
Eins RGichsZrgLMisHlisn ver
Technischen IloShttfe?
Man sendet uns folgende uns bemerkenswert erscheiusrche Anregung, die wir unserem Leserkreis gern vermitteln!
Zn den vielen nach der Revolution entstandenen nn» täglich neu entstehenden nützlichen und überflüssigen Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden und privaten Gim» richtnngen gehört als wirkliche WohHwhrtseinrich» tung die Technische Nothilfe. Den wis- derholten Beweis ihrer Lebensnotwenoigteit, aber auch! ihrer Lebensfähigkeit, brachte sie bei den letzten Streiks der Eisenbahner und der Berliner städtischen Arbeiter. Sie war die bessere Hilfe der Negierung zur Beendigung der Streiks, denn die Zerstörer des Ausbangedankens, welche mit ihrem Einsln-st auf nichtdenkende Massen alle Existenz- undElst-bens- bedu.g.:,:gen vernichten wollten, vielen Kranken, Alten und Bn-nn -rii Le-ll'nssadc» abgeschnilken hatten, verloren die Mo.hll über ihre Gefolgschaft, welcher die vorher! nicht geahnte' Iirberwindiing der Schwierigkeilen und läglich tieferes Eingreifen in ihr eigenes Arbeitsfeld mehr Furcht einflößte, wie di« angedrohte Entlassung.
Ein großzügiger Ausbau der Technischen Nothilfe ist der dringendste Wunsch aller denkenden Menschen. Trotz der Schwierigieilci!, welche seitens der Partei und Gewerkschafts- organisaiionen gewacht werden dürflcu, nnd welche ja auch s. Zt. in der bekannten Aussvrache im Reichstag bereits deutlich zu Tage traten, schlage man vor, den Ausbau zu einer Landes- oder Reichsorganisalion vorzunehmeu. Da nun die Erfahrung gelehrt hat. daß bei allen gewerkschaftlichen und sogenannten politischkn Streiks ein großer, oft der größere Teil der Streikenden nur gezwungenerweise und mißmutig teilnahwen, zum Teil ai-S persönlichen oder familiären, wirtschaftlichen Gründen, zum Teil selbst aus der Einsicht der Unsinnigkeit der Streiks heraus, so ist möglichst die gesamte Arbeiterschaft für diesen Gedanken zu gewinnen. Selbstverständlich sollen auch hier, wie bei so zahlreichen anderen segensreichen Einrichtuw«, die Anhänger des sogenannten Kommunismus Früchte genießen dürfen aus verständlichen Gründen, jet-och nicht Mitglieder dieser Ausbauorgauisatiou sein; auch sonst gilt es, wie wir beispielsweise bei den Einwohncnvrsirr»! in kritischen Tagen gelernt haben, zu sieben. Durchaus abeist der Parteigeist auszuschließen und nur an den dem Deut schen innewohnenden Geist der Nächstenliebe zu appelliere* dann es leben glücklicherweise noch genug alte Ideale im denk - scheu Volke. Den Gegnern einer derartigen Organisation sei gesagt, daß eine Regierung, ganz gleich, welcher politischen Verfassung, ob Republik oder Monarchie, den Gegnern ei »es geordneten. Zustandes eine Kraft entgegensetzen muß und im Interesse seines Volkes nicht Gruppen und Grüppchen besondere Konzessionen machen kann, welche zum Untergang vc» Staat und Volk führen, und die Streikrecht und Aufba»- Pflicht durcheinander werfen. In der Schaffung dies« Reichsorganisation, sofern Parteigeist und Bürokratismus strikt außen bleibt, Liegt meines Erachtens nach ein <-wertvoller GrundaedanL? kh- Ä^bmr desE"Vate»tz landes. w L.