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Nr. 102
Gegründet 1«S Zaachnccher Rs.2L
Druck und B-rlag von ». W Zatser (Karl Zatser) Nagold. Veramworlttch für die Schrif tlctmng «. Noschm ann.
"" Mittwoch den 3. Mai 1922
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SS. Jahrgang
Der Kampf um das Saargehret
Clemenceau hat es in den Friedensverhandlungen in Versailles durchgesetzt, daß das L>aargebiet von einem noch gar nicht fest bestimmten Zeitpunkt an 15 Jahre lang durch die Franzosen besetzt werde, worauf die Bevölkerung durch eine Abstimmung entscheiden könne, ob sie zu Deutschland oder zu Frankreich gehören wolle.
In diesen 15 Jahrdn will Frankreich die außerdeutsche Welt davon überzeugen, daß das Saargebiet Mchichtlich und wirtschaftlich zu Frankreich gehöre. Mit der ihm eigenen Kühnheit meldete Clemenceau bereits in Versailles geschichtliche Rechte auf das Saar- gebiet an. Er konnte das nur tun, weil er wußte, daß draußen in der Welt sich niemand um die Geschichte des Saarlands kümmern würde. Was half der Einspruch der Saarländer selbst, die sofort erklärten, das Saarland ist nie zu Recht französisch »gewesen? Neun Jahrhunderte war es ein selbständiges deutsches Fürstentum, dann wurde es zur Zeit der französischen Revolution 1801 gewaltsam Frankreich einvsrleibt, kam aber be- 1815 wieder zu Deutschland. Will Frankreich diese 14 Jahre Zwangszugehörigkeit als geschichtliches Recht bezeichnen, das stärker sein soll als eine tausendjährige natürliche Zugehörigkeit zum Deutschtum? Große Hoffnungen setzt man wohl selbst in Paris nicht aus diese geschichtlichen Anrechte. Um so größere aber ans die Wirkungen der Zeit von 1 5 Iahren bis zur Abstimmung. Frankreich hofft, daß diese Zeit genüge, um das Saargebiet so unter wirtschaftlichen Druck zu nehmen, daß es vollkommen in französische Abhängig- reit gerät. Alle Voraussetzungen dazu sind bereits ge- schas,en worden. Mit Hilfe des Völkerbunds ist dis Saaroevölkerung politisch vollkommen entrechtet woroen. Das Land hat keine Volksvertretung, sondern rü?" /<-. cr r enP Negierung gegeben, in der französischer Einfluß maßgebend ist, und man hat ein Schsin- g arlamem, nicht erwaylt, sondern ernannt, in dem voraussichtlich nur willige Handlanger der Frauioieu üben dürfen. Deutsch fühlende Bewohner des SEgebiNs hat man massenweise ausgewiesen. Auf diese Weise hat mau dis Stimmung geschaffen, die es den Franzosen erlaubt, sich alles leisten zu können. Von den noch im Saargebiet wohnenden Deutschen hat das Franzossn- tum nicht mehr viel zu befürchten, weil es diese Deutschen wirtschaftlich ganz in seiner Hand hat, denn deren Existenz hängt vom guten Willen der Franzosen ab, so daß die Saardeutschen zu allem stillhalten müssen. Das soll kein Vorwurf sein. Das Deutschtum hat wahrhaftig nichts davon, wenn die Saardeutschen etwa an Ort und Stelle sich gewaltsam auflehncn wollten, der Erfolg wäre nur, daß sie ihres Eigentums beraubt und des Landes verwiesen würden, um Platz für Franzosen zu machen. Das wollen die Herren in Paris ja gerade. Die im Saargebiet lebenden Deutschen müssen daher stillhalten, um an Ort und Stelle bleiben zu können. Aber fünfzehn Jahre stillhalten, um am Tag der Abstimmung aus dem Posten zu sein, das bedeutet ein großes Heldentum für unsere dsmsche Sache, und wir müssen den Brüdern an der Saar dieses Opfer sehr hoch anrechnen. An uns aber ist es, ihnen die 15 Jahre hindurch immer und immer wieder zu zeigen, daß E treu zu ihnen stehen.
Wie können w i r nun den Saardeutschen die Treue halten? Mit grausamer Kaltblütigkeit versuchen die Franzosen die wirtschaftliche Lage der Saarländer zu untergraben. Der Valutaunterschied zwin- , ich ^ uFrankundMarkist ihnen das willkommene Auttel dazu. Man vergegenwärtige sich das Nebeneinander der beiden Währungen! Ein Beispiel mag es erläutern. Ein Gymnasialdirektor in Saarbrücken, der in den Ruhestand treten mußte, erhält als Pension jährlich 16 000 -A. Die Bergwerke, die ja in französischen Besitz übergegangen sind, bezahlen ihre Arbeiter in Franken, und ein Steiger erhält eine monatliche Löhnung, die in Mark umgerechnet, über 25 000 Mark wert -ist. Ein Bergarbeiter bezieht also ein Monatsgehalt, das weit höher ist, als die Jahrespension eines Gymnasiallehrers. Und überall, wo sie können, zwingen die Franzosen die Saarbevölkerung zur Annahme der iFrcmkenwährung. Da sie die Gruben in ihrem Besitz, haben, ist auch die gesamte Industrie und sind die Gemeinden von ihren Kohlenliefsrungen abhängig. Die Franzosen bewilliasn ibnen nicbt eher Koblen. als bis
dis betreffenden Industriellen und Gemeindevertretungen der Frankenwährung ihre Konzession - gemacht haben. Und viele haben da schon nachgeben müssen. So kann man sich vorstellen, welche Verwüstungen im Privatleben mit der Zeit durch diesen Zwiespalt der Wäh- rvg hervorgerufsn werden. Die Benachteiligung der Markempfänger ist allgemein. Die Sarregierung hat nicht nur in Post und Eisenbahn Frankentarife einge- führi, bis für Martbesitzer schier unerschwingliche Hohe erreichen/sie hat auch bei Festsetzung der'^teuerfrelen Einkommens die Mark schwer benachteiligt. Das steuerfreie Einkommen wurde für Frankensmpsünger aus 6000 Franken, für Markempfänger auf' 45 000 At festgesetzt. b Da aber 5009 Franken etwa 150 000 Al wert sind, erkennt man wieder die bewußte Benachteiligung der Markempfänger. Riesengewinne locken, wenn man den Franzosen zu Willen ist. Not und Entbehrung sind das Los, wenn man sein Deutschtum hoch hält. Wer kann diesen Kampf auf die Dauer bestehen? Die Franzosen haben die Zeit für sich. Wenn es so weiter geht wie jetzt, dann sind nicht 15 Jahre nötig, dann ist das Saargebiet viel früher reif für die französische Ernte. Auch die deutschfühlenden Saarländer können sich wirtschaftlich einfach nicht halten. Hier ist der Punkt, wo wir den Brüdern an der Saar zeigen müssen, daß wir treu zu ihnen stehen. Alle, die durch die Frankenwährung in Not geraten, müssen Hilfe aus dem' unbesetzten Deutschland bekommen. Jeder, der es kann, muß nach besten KräftenJeben. Wir dürfen unsere Saardeutschen nicht im Stiche lassen, wik müssen dafür sorgen, daß sie am Abstimmungstag in 15 Jahren noch auf ihrem Posten sind. Die Zeit ist heute die stürksts-Waffe der Franzosen, und nur de^einmütige Wille des gesamten deutschen Volks kann die Saardeut- schsn vor dem Untergang im Franzosentum bewahren.
WM
Artikel 203 des von Deutschland Unterzeichneten Friedensvertrags bestimmt: „Alle Bestimmungen über Landhser, Seemacht und Luftfahrt, fürderen Durchführung eine zeitliche Grenze festgesetzt ist, sind von Deutschland unter Ueberwachung von VerbaNds-Äusschüssen durchzuführen. die zu diesem Zweck von den beteiligten Hauptmächten besonders ernannt werden". Auf Grund dieses Artikels trägt Deutschland seit dem sogenannten Friedensschluß die Last der militärischen Ueberwachungs- komm issionen, die ihm neben ungeheuren, die Finanzschwierigkeiten des Reichs vermehrenden Ausgaben eine völlige politische und wirtschaftliche Auskundschaftung durch den Feindbünd und diesem die Möglichkeit gebracht haben, mit unprüsbaren, aber amtlich beglaubigten Organen eine Propaganda zu treiben und, gestützt auf ein durch sie gezüchtetes Spitzel- und Lan desverrätertu m, stets neue Erpressungen gegen Deutschland auszuüven. Im Reichstag hat Reichskanzler Dr. Wirth unlängst daraus hingewiesen, daß die von Deutschland zu tragenden Kosten für zwei Generäle dieser Kommission nicht weniger betragen als die gesamten Aufwendungen im Reichshaushalt für Reichspräsidenten, Reichskanzler und sämtliche Neichsminister zusammen. Dieser Hinweis auf die ungeheuerlichen Zustände vor aller Welt hat zweifellos dazu beigetragen, daß in der Note der Botschafter-Konferenz an den deutschen Botschafter in Paris vom 14. April 1922 in Bezug auf die zukünftige militärische Ueberwachung Deutschlands Vorschläge gemacht werden, die die vorgesehene Ersparnis für Deutschland betonen, im übrigen ccher rechtswidrig sind und eine Vergewaltigung Dsutschlanid bedeuten.
Die befristeten Punkte des Friedensoertrags, deren Neider- wachung allein zugestanden wurde, sind durchgeführt. Nur wegen einzelner nebensächlicher Punkte bestehen noch Meinungsverschiedenheiten. Sie sind hervorgerufen dadurch, daß General Nolletim Auftrag Frankreichs sich das Recht anmaßt, Forderungen zu stellen, die im Friedens - vertrag nicht begründet sind. In einzelnen Fällen hat er selbst dadurch die rechtzeitigeAusführung berechtigter Maßnahmen verhindert. Bis zum ersten Oktober 1922 könnten und müßten alle diese Punkte restlos erledigt sein. Damitverschwind etjeder rechtliche Boden einer ferneren militärischen Ueberwachung Deutschlands durch eine ständige Kommission jedweder Form auf deutschem Boden.
Es ist begreiflich, daß der Botschasterrat unter Frankreichs Führung, nicht gern das Opfer dieser seiner Organe und ihres vorbezeichneten politischen und wirtschaftlichen Nutzens der vorschreftenden Zeit bringt. Mit einschmeichelnden- Worten verlangt daher die Note des Botschafterrats, daß an die Stelle der rechtlichen, nickt mehr a u f r s ck t K verbal-
.tenden Ueberwachungskornmissionen eine „Garantiskonimission" tritt, die, an Umfang zwar kleiner, die Aufgaben, der Ueberwachungskommissionen fortführen soll. Auch soll der Vorsitz der Franzosen und der überwiegende Einfluß durch die Stimmenzahl ihnen und den Belgiern verbleiben. Ms Aufgabe der Militär-Garantiekommission wird bezeichnet, daß es den verbündeten Mächten die, Sicherheit vebenhsolle, daß die Bestimmungen des Vertrags von Versailles über das Landheer gewissenhaft beobachtet werden. Dieses Recht ist aber durch Deutschland im Friedens- Vertrag nicht zugestandön worden. Die Rechtslage wird weiter dadurch verschoben, daß die Abberufung der Ueberwachungskommissionen zum 1. Oktober von der Annahme Des Garantiekomites abhängig gemacht wird. Der deutschen Regierung soll im Weigerungsfall die Schuld zugeschoben werden, wenn sie das im Friedensvertrag nicht begründete Ansinnen auf Duldung der Garcmtiekommission zurückweist: es soll der Welt dann ein „Recht" vorgetäuscht werden, daß die Ueberwachungskommissionen in Deutschland bleiben.
Ueber die Frage einer finanziellen Entlastung Deutschlands ist die Angelegenheit jetzt weit hinausgewachsen. Was Deutschland an Kosten erspart würde, kann ihm jederzeit wieder in anderer Form für Entschädigungs- leistungen abgepreßt werden, gerade nrit der Begründung, daß ja Deutschland durch Einschränkung oder Fortfall der Kosten für die militärische Ueberwachung eine fühlbare Entlastung seines Staatshaushalts erfahren habe.- Noch weniger als auf geldlichem Gebiet würde aber Deutschland in anderer Richtung entlastet. Gibt es sein Einverständnis zu dem Borschlag der Botschafterkvnferenz, so beugt es sich, ohne durch den Friedensvertrag dazu verpflichtet zn sein, einer zeitlich und sachlich unbegrenzten Ueberwachung
Daraus, daß die verbündeten Hauptmächte überhaupt den Vorschlag unterbreitet haben, und aus «dem Inhalt ihrer Note geht hervor, wie schwach ihre rechtliche Stellung für die Fortdauer einer militärischen Ueberwachung in Deutschland ist, und daß sie selbst die Schwäche ihrer Stellung kennen. Von der deutschen Regierung muß deshalb erwartet werden, Laß es für sie keine andere Antwort gibt als das Verlangen, die militärischen Ueberwachungskommissionen spätestens zum 1. Oktober restlos abzube- bie Ablehnung des Vorschlags, an ihre Stelle eine .Militärgarantiekommission treten zu lassem Deutschland hat im Bersailler Vertrag nnr eine zeitlich eng begrenzte Ueberwachung zugestanden und die Be- di gangen für die Dauer erfüllt. Es wäre ein ungeheueres Preisgeben unseres Rechts, würde die deutsche Regierung sich einer Dauerkontrolle unterwerfen, aus die der Versailler Friedensvertrag dem Feindbund nickt die - Berechtigung gibt.
Von der Konferenz irr.Genua
Vertagung der Konferenz.
Genua, 2. Mai. U. T. erfährt, der tschechoslowakische Ministerpräsident Benesch habe die Vertagung der Konferenz allf 5 Monats wegen ihrer ungenügenden wirtschaftliche» Vorbereitung beantragt.
Hie Lloyd George — hie PolncarL
Paris, 2. Mai. Die Abteilung der Rechtssachverständkgen der Entschädigungskommission hat in ihrem Bericht über den Vertrag von Rapallo gesunden, daß Deutschland durch diesen Vertrag die Artikel 236, 248 und 260 des Vertrags von Versailles verletzt hat. (Die Rechtsgelehrten der Konferenz von Genua konnten bekanntlich eine solche Verletzung nickt ent. decken.)
Der schlaue Poincare
London, 2. Mai. „Daily Chronicle" meldet: Vor Vertretern der englischen Presse erklärte Poincare, er hoffe, daß der Tag niemals kommen werde, wo Frankreich allein (gegen Deutschland) Vorgehen müsse. Er habe keineswegs die Absicht, die Konferenz von Genua zu Hintertreiben. Frankreich werde unbedngt daran festhalten, daß Rußland seine Vor- kriegsschuldeu anerkenne und heimbezahle: bezüglich der während des Kriegs aufgenommenen Schulden Rußlands sei er Zugeständnissen nicht abgeneigt. Er sehe keine Veranlassung, den Obersten Rat vor Anfang Juni einzuberufen. Zu dieser Zeit werden die Verbündeten wißen, ob Deutschland die Frist zur Erfüllung der ihm von der Entschädigungskommission auferlegten Forderungen eingehalten habe. (Es ist zu bemerken, daß die Vorkriegsschulden von Rußland in Frankreich gemacht wurden, während die eigentlichen Kriegsschulden hauptsächlich in englischem Geld bestehen.)
Die vorsichtigen Russen.
Genua, 2. Mai. Einem Vertreter Reviers erklärte Tschit- scherin)Oes scheine, daß die Verbandsregierungenodie von Rußland benötigte Anleihe (angeblich zwei Milliarden Dollar- nur geben wollen, um die ausländischen Unternehmungen in Rußland wieder unter,mbrinaen. Dj» Sowietreaieruna werde