Stuttgart.30. April. Immer noch Landflucht. Die Abv-Aentler und Baumgärtner (B.B.) haben folgende Kleine Anlage an den Landtag gerichtet: „Die Verordnung zu^Be- hedung des Arbeitermangels in der Landwirtschaft ist entgegen den dringenden Wünschen der Landwirte durch Annahme eines sozialdemokratischen Antrags im Reichstag aufgehoben worden. Die Landwirte werden von allen Seiten bestürmt, die Produktion zu vermehren, sie sind auch bereit, an dem Hilfswerk der Landwirtschaft mitzuarbeiten. Dies ist aber nicht möglich bei der fortgesetzten Abwanderung insbesondere jugendlicher Arbeitskräfte in die Industrie und bei den großen Schwierigkeiten, für die landwirtschaftlichen Arbeiten die nötigen Arbeitskräfte zu bekommen. Darunter leiden insbesondere solche Betriebe, die Milchwirtschaft und Viehzucht treiben/ Sind der Regierung diese Schwierigkeiten bekannt und ist sie bereit, im Jntzeresse der Volksernährung für rasche Abhilssmahnahmen Sorge zu tragen?"
Stuttgart, 1. Mai. Vom Landesverband der Po! izeibeamten. Die vom Verband durch Vermittlung des Württ. Bea-mtenbunds mit der Staatsregierung geführten Verhandlungen über verschiedene Fragen haben zu einer befriedigenden Erledigung geführt.
Stuttaark. 1. Mai. Die Maifeier. Bei trübem Himmel und kühler Witterung nahm die Kundgebung der Vereinigten Gewerkschaften und des Ortskartells des Afa- Bundes auf dem Marktplatz einen geordneten Verlauf. Die Zähl der Teilnehmer betrug 15—20 000. Chorgesang der Arbeitersänger leitete die Feier ein. Von drei Punkten aus sprachen Redner zu dm Massen, der Gesandte Karl Hilde n b r a n d-Berlin, die Reichstagsabg. Frau Ziegler- -Heilbronn und der Gewerkschaftsführer Simon Krauß- Stuttgart. Nach einem weiteren Chorgesang bildete sich ein Umzug mit mehreren Musikkapellen und zahlreichen Vereinsund röten Fahnen. Auch Kindergruppen fehlten nicht. Sie trugen zum Teil Tafeln mit Aufschriften, wie: „Gebt freie Bildung!" usw.
Württ. Kriegerbund. Am Sonntag den 30. April fand im Bürgerm-use-um in Stuttgart eine Sitzung des Gesamtvorstands des Württ. Kriegerbunds statt, in der die Vorbereitungen für den diesjährigen Bundestag am 17- und 18. Juni tn Öehringen beraten wurden. Die Mitgliederzahl hat sich im vergangenen Jahr von 130 000 auf 110 000 erhöht. An Unterstützungen für Kameraden oder deren Hinterbliebene wurden im abgelaufenen Jahr 222 266 verteilt.
Die Württ. Jägervereinigung, die am 9. März gegründet wurde, veranstaltet am 7. Mai, vormittags 11 Uhr, im Stadtartensaal in Stuttgart eine allgemeine Versammlung von iägern und Jagdliebhabern. Die Vereinigung bezweckt die gemeinsame Wahrung der Jagdinteressen gegenüber der Umgestaltung der Jagdverhältnisse in der neuen Zeit. In Württemberg kommen etwa 10 000 Jäger in Betracht.
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Eine neue Großwasserkraftanlage in Baden
Der Südwestdeutschs Kanalverein hat zum Zweck einer besseren Versorgung Mittelbadens, besonders der Kreise und Städte Offen bürg, Baden-Baden und Karls- ruhemit elektrischer Kraft einen Plan einer Grohwasserkraft- anlage im Gebiet der Kinzig und Wolf ausgearbeitet. Nach der im Dezember v. I. aufgestellten Berechnung sind hierzu 160 Millionen Mark Baukosten erforderlich. In Anbetracht der Ueberlastung des Murgwerks, der Schwierigkeiten in der Kohlenzufuhr und der hohen Kohlenpreise wäre die Durchführung solcher Unternehmungen an sich wünschenswert, bei der jetzigen ungünstigen finanziellen Lage konnte der Kreisausschuß in seiner letzten Sitzung indessen dem Plan nicht näher treten. Dagegen soll der Triberger Plan, der eine Talsperre und 1 Kraftwerke vorsteht, zur Ausführung kommen. Die Baukosten sind auf 135 Millionen Mark veranschlagt
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Allerlei
Heinrich Schliff. In der Stille seiner Schwarzwälder Heimat, Hallwangen bei Freudenstadt, beging am 28. April der schwäbische Dichter Heinrich Schaff seinen 60. Geburtstag. Die Stadt Stuttgart hat ihm aus diesem Anlaß eine Ehrengabe iiberreichen lassen. Schliff, 1862 in Stuttgart geboren, war Schüler Fr. Th. Wischers. Er vertauschte dann das Polytechnikum mit der Kunsthochschule. In München nahmen sich Defregger. Paul Heyse und Hermann v. Lingg seiner an. Der Prinzregent bot ihm durch Kauf von Aquarellen die Mittel zu Studienreisen. Von seinen nicht zahlreichen Werken ist Las bei Albert Langen in München erschienene Gedichtbuch „Abseits" Feinschmeckern lieb geworden, ebenso wie sein „Im Waldstift" betiteltes Werk, in dem sich Schaff als einer der eigenartigsten Dichter seiner engeren schwäbischen Heimat offenbart. Während des Kriegs entstanden Aphorismen „Im Zeichen der Stunde". Den Maler und Zeichner Schaff hat die bei Piper in München von Prof. Julius Baum herausgegebene „Mein Gehölz" betitelte Mappe mit Silberstiftzeichnungen, deren Originale jetzt die Stadt Stuttgart erwarb, bekannt gemacht.
Intimes von Tschitscherin. Gleich am ersten Tage der Konferenz in Genua ist ein Mann iu den Vordergrund getreten, der dort schon heute nächst Lloyd George am meisten beachtet und besprochen wird: Georg Wasstlitjewsch Tschitscherin, der Führer der russischen Abordnung, der bei seiner ersten Rede mit Barthou, dem Vertreter Frankreichs, aneinan- dergeriet und auch bereit- mit dem rumänischen Ministerpräsidenten Braten» die Klinge kreuzte. Das Reden ist sonst nicht seine starke Seite gewesen. Entsprechend seiner anspruchslosen äußeren Erscheinung höflich und bescheiden, besitzt Tschit- scherin, wie Lenin, einer der wenigen führenden Bolschewisten rein russischen Geblüts, nicht das selbstbewußte Auftreten und die hinreißende Beredsamkeit wie Sinowjew (Apfelbaum), Trotzki (Bronstein) und Radek (Sobelsohn). Er ist der Mann der feingeschliffenen Noten. Gleich Lenin, der eigentlich Ul- janow heißt und den revolutionären Namen seine« unter Alexander Hl. gehenkten Bruders annahm, stammt Tschitscherin, der seinen Namen beibehielt, aus altem russischem Adel. Auch seine schärfsten Gegner müssen seine persönliche Unantastbarkeit zugestehen. Er war schdn unter dem alten Regime, dem er kurze Zeit im Auswärtigen Amt diente, ein innerlich überzeugter Sozialist und verzichtete sogar auf einen bedeutenden Erdgrundbesitz. Wie viele seiner politischen Kampfgenoffen lebte er lange tn der Fremde, nach der ersten russischen Revolution auch längere Zeit in Berlin, wo er im Jahre
Neubestellungen
auf den „Gesellschafter" werden immer noch entgegengenommen.
1908 wegen Führung eine« falschen Namens auSgewiesen wurde. In den ersten Jahren de« Weltkrieges entfaltete er eine umfassende sozialistische Werbearbeit in England. AIS die Bolschewiken im November 1917 an« Ruder gelangten, schlug seine Stunde. Durch Vergeltungsdrohungen erreichten sie, daß der inzwischen in London verhaftete Tschitscherin nach Rußland zurückkehren durfte. Nach dem Abschluß de» Friedens von Brest-Lttowsk ernannte Lenin an Stelle des ungestümen Trotzki den biegsameren Tschitscherin zum VolkSkom- missär des Auswärtigen. Als solcher hat er eine hohe staatSmännische Begabung bekundet. Ein unermüdlicher Arbeiter, hat er während seiner Amtstätigkeit mehr diplomatische Schriftstücke verfaßt als irgend ein anderer Minister des Auswärtigen und in der Absendung von Noten einen Rekord aufgestellt, der kaum je überboten werden wird. Tschitscherin, der auch die deutsche, französische und englische Sprache beherrscht, wird sicher auf der Konferenz von Genua auch weiterhin eine führende Rolle spielen.
— Europa« Untergang. Während man eben dabei ist, auf der Konferenz von Genua Mittel und Wege zu beraten, um das aus den Fugen gegangene alte Europa wieder einzurenkcn, erhebt ein Gelehrter aus der neuen Welt seine Stimme, um mit kühler Sachlichkeit die Zwecklosigkeit dieses Beginnenszu erklären. Der Vulkanologe Dr Milton A. Nobles behauptet nämlich nicht mehr und nicht weniger, als daß die neue Eidbebenperiode, die mit dem 15 März in Europa eingesetzt habe, zum Untergang eine» großen Teils dieses Kontinents führen werde. Er denkt an neue Tätigkeit des Vesuvs und des Aetna in Italien und führt au«, daß das ganze Vulkanische Gebiet, das von Island über Italien bis nach Asien reiche, eine zusammenhängende Einheit sei und daß der tzecla aus Island in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn der 4000 Kilometer entfernte Vesuv Lava hrrausschleudert. Dr Nobles, der aus der Windrichtung das Auftreten von Erdbeben Voraussagen will, sieht sehr schwarz ln die Zukunft unseres Erdteils. Er behauptet steif und fest, daß in der nächsten Zeit Erdbeben aur- brechen werden, infolge deren große Gebiete in Europa verschwinden und neue Kontinente entstehen werden. Für seine Landsleute aber hat er beruhigende Nachrichten auf Lager. Die Erschütterungen würden zwar in den Vereinigten Staaten empfunden werden, aber es sei nur tiir große Gebäude zu befürchten, die zusammevstitrzen könnten: Die Struktur des Landes werde nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
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Württ. Landestheater
Großes HauS. 2. Mai S. 3: Orpheus und Eurydike . M Ahr). — 3. S. 1: Faust I (51L-10). — 4. S. 1: ! äust II (516—10). — 5. S. 4: Othello (616—916). —
6. Sommernachkskraum (6—916). — 7. S. 7: Rosa vom Lie- besgarken (616—10). — 8. S. 6: Faust I (516—10).
Kleines Haus. 1. Raub der Sabinerinnen (716—10). —
2. S. 2: Das Postamt. Er ist an allem schuld. Der Heirats- ankrag (7—10). — 3. Hochzeit des Figaro (7—1016). —
4. S. 7: Don 3uan (7—10. Dis Karten Großes Haus gelten kür Kleines Haus). — 5. S. 5: Das Postamk. Er ist an allem schuld. Der Heiratsantrag (7—10). — 6. Wildschütz (716 bis 1016). — 7> Morgenfeier: Brahms (1116—1216). Das Post- amt. Er ist ÄN allem schuld. Der Heiraksankrao (7—916). —
T> Tanzabend (716—916).
-HandelsnachrichLen
Dollarkurs vom 1. Mal: 282,36 Mark.
Der Werl der Mark im Auslande. Für 100 wurden Ende vor. Woche bezahlt: in Zürich 1.81 (vor dem Kriege: 125.40) Fr., neu, Stockholm 1.38 (88.80) Kronen, Wien 2830 (117.80 Kronen, Prag 18 375 (117.80) Kronen, London 1.91 (97.80) Schilling, New- ,york 0.35 (23.80) Dollar, Paris 3.84 (125.40) Francs, Rom 6.67 123.45 Lire.
Sluklgarker Börse, 1. Mai. Der Verlauf der heutigen Börse war für die Börsenbesucher keine Aeberraschung. Wie nicht anders zu erwarten war, verkehrte man m sehr ruhiger Haltung mit Rücksicht auf den heutigen 1. Mai, wo an verschiedenen auswärtigen Börsen nicht gearbeitet wurde. 5m großen ganzen haben sich die vorwochigen Kurse gehalten, sowohl auf dem Renken- wie Aktienmarkt. Württ. Bereinsbank.
Deutschlands ZuckervorrRe. Nach amtlichen Berechnungen haben Deutschlands Gesamivorräke an Zucker anfangs März rund 12,30 Millionen Zentner betragen (gegen 13,72 und 9,30 Millionen Zentner in der entsprechenden Ze.t der beiden Borjahre).
Flugpost nach Rußland. Vom 1. Mai an wird ein wöchentlich zweimaliger Flugdienst Königsberg—SmolenkS—Moskau eingerichtet und zur Flugpostbeförderung benutzt. Der Zeitgewinn be- trägt gegenüber gewöhnlicher Postbeförderung ungefähr 4 Tage. Die Flugpost befördert nur gewöhnliche und eingeschriebene Briefe und Postkarten für ganz Rußland. Als Flugzuschläge werden für Postkarten, sowie für je 20 Gramm der Briefe 8 »K neben den gewöhnlichen Auslandsgebühren erhoben.
Märkte
Bolinger Schweinemarkk, 1. Mai. Zugeführk wurden 125 Stück Miichschweine. Der Handel war lebhaft. Alles wurde verkauft. Der Preis für das Stück betrug 7001—-1400 -Zt.
Mrochkelfingen i. Hohenz., 1. Mai. Preisrückgang auf dem Biehmarkt. Der letzke Bieh- und Schweinemarkt war kehr, gut beschickt, -er Handel aber flau, well die Käufer zurück- hielten --Junge Tiere, die wenige Tage vorher noch mit 8—9000 bezahlt wurden, wurden um 5—6000 abgegeben. Milchschweine die bisher zu 2000 pro Paar bezahlt wurden, kosteten 1200 bi« 1300 Mark
Hopfenmarkt Nürnberg, 29. April. Bei recht ruhigem Geschäsbs- gang wurden in der abgelaufenen Woche nur 25 Ballen umgesetzt, und Zwar Hallertauer zu 18 000-19 090 -K, Belgier zu 13 000 bis 14 000 -K, Elsässer zu 17 200 -1t.. Die Preise erfuhren keine Ber- Lnderung. Zugefahren wurden 50 Ballen meist fremde Hopsen. .SchBestimmung ruhig. ,
Cannstatt, 30. April. Markkverbok. Die Abhaltung des Bieh- und Schweinemarkts in Cannstatt am 3. Mai ist durch dt« Etadkdirekkion Stuttgart wegen Seuchengefahr verboten worden. Es findet also an diesem Tage nur der Kübler- und Holzwarenmarkt statt.
Zorn inersprossen-weg!
Leidensgefährtinnen teile unentgeltlich mit, auf welch fache Weise ich meine Sommersprossen gänzlich beseitigte Frau Elisabeth Ehrlich, Frankfurt a. M. 888 Schließfach 47.
Letzte Drahtnachrichten.
Mißstimmung gegen den P oflmi niste r Berlin, 1. Mai. Bekanntlich trägt sich Reichspostminister' Giesberts mit der Absicht, demnächst neue recht erhebliche Portoerhöhungen einzuführen. In den Kreisen der Reichstagsabgeordneten regt sich jedoch erheblicher Widerstand, und man darf annehmen, daß bei den kommenden Beratungen über den Haushaltsplan des Reichspostministeri- ums scharfe Worte fallen werden. Auch wird an den stellenweise unhaltbaren Zuständen im Postbetrieb starke Kritik! geübt. U. a. wird ein Fachminister verlangt werden. (Eies- berts ist bekanntlich gelernter Bäcker. D. Schr.)
* Waffenfund
Berlin, 1. Mai. Im Keller eines Hauses in Berlin-- Schmargendorf wurden von der Polizei 11 Kisten Karabiner,, 153 Kisten Kartuschenhülsen, 17 Kisten mit Handgranaten,, 1 Kiste mit gefüllten Maschinengurten, 13 Trommeln Maschinengewehrmunition, 2 Kisten Jnfanteriemunition und 23 Kisten mit Geräten aller Art beschlagnahmt. Der Hausbesitzer hatte den Keller an einen Händler vermietet-
Der Papst für den wahren Frieden Rom, 1. Mai. In einem Schrecken an den Kardinal Gasparri drückt Pius XI. den lebhaften Wunsch aus, den wahren Frieden in der Welt wieder hergestellt zu sehen« und freue sich, daß die starken Hindernisse, die anfänglich eins allgemeine Verständigung unmöglich zu machen schienen, beseitigt seien- Die Rückkehr zu den Gesetzen der Vernunft, die sicherlich die göttliche Ordnung seien, würde für Sieger und Besiegte und besonders für die armen Völkerschaften am äußersten Ende Europas (die Hungernden in Rußland) von größteiss'Vorteil sein. Mögen sich alle in christlichem Geist und wechselseitigem Wohlwollen vereinigen für das gemeinsame Wohl.
Letzte Kurzmeldungen.
Der polnische Bevollmächtigte in Genf überreichte Calonder eine Note über die oberschlestschen Unruhen.
Die Maifeier in Berlin nahm im allgemeinen einen ruhigen Verlauf.
-In Jena kam eS gestern vormittag zwischen kommunistischen Arbeitern und der studentischen Verbindung „Germania" zu einer schweren Schlägerei, in dsrcn Verlaus das Burschenschaftsbaus von den Arbeitern.gestürmt wurde. Die Polizei mußte schließlich zur Räumung schreiten.
Nach der „Roten Fahne" ist zum Soivjetgesandten in Berlin der ukrainische Ministe:piästdent Rakowski au ersehen, als künftiger deutscher Gesandter tn Moskau Fre; rr v. Maltzahn. der Leiter der Ostabteilung im Auswärtigen Amt.
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