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Nr. 88
Gegründet 1826 Fernsprecher No. 29.
Druck und Berlag von S. W Zaiser (Karl Zatfer) Nagold. Verantwortlich sür die Schriftleirung «. Noschmann.
"" Samstag den IS. April 1922
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96. Jahrgang
Sie heutige Nummer umfaßt 8 Seiten.
Ostern — Auferstehen.
p Ja die Glockenklänge, die Ostern einläulen, mischen sich zum ersten Male nach 7 Jahren Töne mit einem friedlichen Charakter. Verlierer der Völker der Erde haben sich in Genua zusammengesunden, um über den Wiederauivau Europas zu beraten. Auch das Deutsche Reich hat Delegierte zu der Tagung enrsandt und der Reichskanzler hat bereits in einer beifällig aufgenommenen Rede das Wort ergriffen. Die Konferenz von Genua dürfen wir als eine Osteryoffnung für die sich jetzt fast acht Jahre bekriegenden Völker vezeichnen, denn auch in den 3 iog. Frieüensjahren wurde Krieg geführt, wenn nicht mit den Waffen, so doch mrr anderen Mitlein. Und wenn die Vernunft zu Ostern in Genua einziehen sollte, wäre es nicht zuletzt von Nutzen für eme Medergenesnng unsireS Vaterlandes, Ein deutsches Ostern, ein deutsches Auferstehcn, kann uns auch Genua nicht bringen, Zas werden wir überhaupt nicht von außen erhol en können; das wird nur kommen, wenn jeder einzelne Deutsche seme vaterländische Pflicht tut, wenn ec nach'Krösus! an der eigenen Vervollkommnung arbeitet, den Fanatismus und den Egoismus in jeder Form uns seinem Herzen verbannt und ftart dessen den Gemetnstnn, den sozialen Willen und dis Duldsamkeit gegen Andersdenkende pflegt. Erst wenn jeder einzelne Deutsche sein Ostern erlebt hat, kann es für unser Volk und Vaterland ein Wiederaufftehen nach dem schweren Falle geben.
Fühlungnahme in Genua.
Wesentliches können diese ersten Tage der Konferenz nicht zu Tage fördern. Daran ändert auch nichts, daß es gelun gen ist. den französischen Widerstand gegen eine programmatische Eröffnungsrede Lloyd Georges zu überwinden. Auch Lmyd George muß zuerst einmal die Worte zum Verbergen dessen, was er wirklich denkt benutzen. Eins mißtrauische Verschlossenheit gegeneinander, ein langsames, vorsichtiges Tasten nach den Blößen des Gegners, das ist immer das Zeichen solcher Eröffnungstage.
Man rastet. G uppenbildurrgen künden sich an und vollziehen sich. Deutschland scheint bestimmt zu sein, mit Rußland in einer Front zu stehen. Sie sitzen auch im Saal § an einem Tisch, allerdings durch dis Länge des ganzen Raumes voneinander getrennt. Zwilchen ihnen Neutral«. Von diesen wieder der Schwede dem Russen am nächsten. Zusall des Alphabets! Gewiß, und doch em Zusall. der symbolischer Eigenart nicht entbehr!. Bon den Neutralen ist Schweden ohne Zweifel die aktivste Kraft. Wenn auch von Bern aus die Einladungen für die Vorkonferenz der Neutralen ergingen, so ist doch in Schweden am allsrfrühesten der Gedanke auf- gegriffen worden, daß zwischen den am Kriege nichtdeleilig- len, aber durch den F-ieLen unsäglich geschädigten Staaten eine Solidarität bestehe, die eine gemeinsame Interessenvertretung erheische. Es wird darauf ankommen, ob diese Vertretung unbekümmert um da« Sltrnruuzein Frankreichs und nichtachtend aller wohlfeilen Beschwichtigungsphrasen den Mut findet, rundweg die Wahrheit heranszusagen, und den Finger auf die Wunde zu legen, an der Europa krankt. In Bern hat ts offenbar an diesem Mut gemangelt. DaS Gerücht will wissen, daß Holland — überhaupt nur zögernd in Bern erscheinend und dann nur zweitklassig vertreien — sich dazu hergegi-ben habe, unier dem Einfluß der E tente einen Druck auszvüben, um die Neutralen von der Bildung eines Blocks abzubrik-gsn. Was nickt geworden ist kann darum doch noch werden. Das hängt von der Entwicklung ab, die die Konferenz nimmt. Sie ein Stück vorwärts zr treiben, dafür genügt schon die Resolution, die von neutraler Seite vorgebracht werden soll und die ähnlich wie der Brief der Bank von England an Herrn Raihsnau die Tatsacke festste!!:, daß Deutschland auf eine Anleihe fln Auslände nicht rechnen kann, solange nicht die Rkparationsfrage geregelt ist. Repa- rationSfrage. Darüber darf nicht gesprochen werden, also sagt man „Stabilisierung der deutschen Mark" und meint daS Verbote!!^. Au, dis Bezeichnung kommt es nickt an, nur auf die Meinung.
Die Meinung von den Möglichkeiten der Konferenz hat sich offenbar an On und Stelle gebessert. Trotzdem wird man gut tun. keinerlei Illusionismus Raum zu geben " Der Wiederaufbau Rußlands, das ist in erster Linie die Frage, die alle Teilnehmer am meisten interessiert, weil sie um die Frage des Wiederaufbaues Deutschlands doch herumgehrn müssen, wie die Katze um den heißen Brei, da es das Genna-Memorandum des Weliherrschers Poincare nun einmal so verlangt. Die Russen arbeiten mit Hochdruck. Sie haben ein bestimmtes Ziel und wissen, was sie wollen. Anerkennung der Sowjetregierung, das ist ihnen das Wichtigste; das übrige können st- ruhig dem Geschäftsgeist der Krämer aller Länder überlasse». Der wird schon dafür sorgen, daß die russische Kuh so weit wieder gemästet wird, wre es nötig ist, damit sie Milch geben kann. Wie viel Zeit dazu gehört, darüber scheinen tu Genua allerdings nur ziemlich unklare Vorstel
lungen zu herrschen. Verständlich und politisch durchaus richtig, daß die russischen Delegierten keinerlei Anstalten machen, diese Vorstellungen zu klären.
Wissen die Deutschen, was sie wollen? Sie wüßten eS schon, wenn es ihnen nicht verboten wäre. Sie sind loyal, diese Deutschen und die Welt lacht über ihr Verstiegensein. Lacht sie zu Unrecht? Herr Werth hat Bände von Denkschriften mitgedracht. Er hält eine Rede, die wunderschöne Worte enthält von Völkerversöhnung. Wellwtrtfchaftsverknüpfung und Erfüllungswlllen. Er meinr es aufrichtig und ehrlich. Werden auch die andern es ehrlich meinen?
Das Memorandum über den Wiederaufbau Rußlands.
- DaS bescheiden „Memorandum" genannte Dokument, das Lloyd George in Genua Tschitscherin überreichte, ist die erste authentische Festlegung der Absichten der alliierten Großmächte gegen Rußland. Rußlands Verpflichtungen sollen durch eine russtiche Schuldenkommisston und ein gemischtes Schiedsgericht festgestsllt werhen, Umfang und Rückzahlung aller Schulden, die zwischen der russischen und fremden Regierungen seit August 1914 entstanden sind, sollen durch gemeinsam festzvstel- lender Beträge als erledigt gellen. Ein Satz der Denkschrift weist für dl- Beschaffung der Zahlungsmittel ani Deutschland und bedeutet indirekt dre Forderuna nach dem Verzicht Rußlands auf Zahlung der alliierten Regierungen für Schäden,
' die sie Rustland durch die Interventionskriege seit 1918 ver- s ursacht haben. Das Memorandum stellt fest, daß der wirt- i fchaftliche Wiederaufbau Rußlands ohne Mithilfe des fremden Kapitals und der fremden Unternehmungen unmöglich ! ist, Dte russische Regierung muß daher die Aktionsfreihetr der industriellen Operationen versichern. Dis russische Regierung muß außerdem dte finanziellen Verpflichtungen der vorherigen russischen Regierungen, also die Verpflichtungen der zaristischen Regierung n. der Regierurig von KerenSki anerkennen. Ferner muß die russisch» Regierung die Verantwortlichkeit sür die durch die Leichtfertigkeit der Svwjsiregrecung Den fremden Staatsbürgern in Rußland zugeiüglen Schäden übernehmen. DaS Maß der Verantwortlichkeit der russischen Reaierung wird durch eine spezielle Kommission für Rußlands Schulden und durch einen aufzu stellen den gemischten Gerichtshof festgesetzt. Die Verpflichtungen aller Art der anderen Regierungen gegenüber Rußland werden durch Ausgleich mir der Srwjst- rsgierung und durch Festsetzung eines einzigen Durchschnittsbetrags liguidierr. Damit würde das Recht der einzelnen russischen Staatsbürger auf eine Entschädigung für dte durch den Wrangel- schen und Kollschakschen Feldzug erlittenen Schäden Wegfällen. Die Schulden der rufst chen Regierung werden durch kündbare Obligationen ersitzt. AlS Garantie werden die künftigen Ein künfte und Etnkunsikguellsn Rußlands dienen, und zwar ins zum 1. November 1927. Die Zinsen werden konsolidiert. Die russische Regierung muß sich auf dre entsprechende Regelung der Rechtspflege verpflichten. Die fremden Staatsbürger können frei in Rußland ein- und auStreten und die russische Regierung darf nur solche Maßnahmen aufstellen, die den Paßmaßnahmen der anderen Staaten entsprechen. Die frem- ! den Staatsbürger dürfen nicht auf den Militärdienst verpflichtet werden und man kann sie auf Zwangsanlagen nicht verpflichten. Die Postzensur, Telephon- und Telegrophenzen- sur müssen adgeschafft werden. Freier Handel muß überall herrschen. Die fremden Arbeiter müssen mit den russischen Arbeitern gleichgestellt werden. Keinen fremden Staatsbürger darf man ohne Intervention seiner Konsuls verhaften oder bei ihm Haussuchungen vornehmen. Strafurteile können auch nur mit vorherigem Einverständnis des Konsuls voll zogen werden. Politische Proz-ssi können nur Landesverweisung des fremden Staatsbürgers nach sich ziehen. Die Löhne müssen durch Kommissionen festgesetzt werden. Wenn mit der russischen Regierung auf dieser Basis eine Einigung erreicht werden kann, so wird die russische Regierung ohne weiteres de jure anerkannt und sür die Unterzeichnung von Verträgen fähig erklärt.
Angebliche Ablehnung des Wiederaufbanoorschlags durch Rußland.
Genua, 13. April. Die Denkschrift der Londoner alliierten Sachverständigen-Konferenz wurde der russ. Delegation gestern übergeben. Gut eingewethte und der russischen Delegation sehr nahestehende Persönlichkeiten glauben behaupten zu können, daß die russische Delegation die Forderungen der Londoner Resolutionen im allgemeinen zurückweisen wird. Au« anderer gut unterrichteter Quelle verlautet: Die russische Delegation habe dx Facta, als dem Präsidenten der Konferenz, bereits mttgeteilt, daß sie die Resolution der Londoner Sachverständigen-Konferenz nicht als Bast« zu den weiteren Verhandlungen annehnsin könne.
Was sür den Mittelstand geschehen mntz.
Die Mittelstandsnothilse schickt ^ns folgende beherzigenswerte Darlegungen:
ES ist ln den letzten Jahren viel von Not unseres Volkes geredet worden, auch manchmal, wo keine vorhanden war.
Wir können versichern und genau Nachweisen, daß in weitesten Kressen des Mittelstandes bitterste Not herrscht. Sie tritt nur vielfach nach außen hin nicht in Erscheinung. Mit einer einmaligen Gabe ist natürlich solchen armen Volksgenoffen nicht geholfen. Es sollte ihnen nunmehr eine zweite kräftige Beihilfe gewährt werden.
Sodann zeigt sich immer mehr das Bedürfnis, alte, aüein- strhende Leute des Mittelstandes in Rentner- und Altersheimen unterzubringen. Diese Leute sind nicht mehr in der Lage, eine eigen- Haushaltung zu führen. Es ist auch unzweckmäßig und unwirtschaftlich, wenn sie in einer Zwei- oder Drei-Zimmerwohnung sitzen und vielleicht, hilfsbedürftig, wie sie sind, zur Besorgung der Haushaliungsgeschäste noch ein Dienstmädchen o?er eine MonatSfrau halten müssen. Wenn sie in Heimen unlcrgebracht werden können, wie viele Wohnungen würden dadurch im ganzen Lande fretgemacht werden ? Die bestehenden Heime des Landes sind aber auf Jahre hinaus besetzt. Deshalb ist cs eine notwendige Aufgabe der Mittelstands Nothtife ebenso wie der Kleinrentnerhüfe, die Errichtung oder den Ausbau von solchen Heimen zu fördern. Es ist sehr erfreulich, daß Gem-inoen uno Bezirke de« Landes von sich aus schon an den Bau und die Erweiterung von Bürgerheimen und Altersheimen herangetreten sind. Solche Gemeinden und Ami^kö-perschaften sollten in diesem Bestreben tatkräftig unterstützt werden können. Noch schwieriger als die Frage der Errichtung von Heimen ist aber dte Frage, den jetzigen u. künftigen Insassen solcher Heime die Unterkunft in diesen dauern^ zu ermöglichen. Die Verpflegungskosten solcher Heime w> rden naturgemäß auch höher. Die AnstaltS- leitungen g.chen bei der Erhöhung der Verpflegungssätze sehr schonend vor, aber ganz können sie die Erhöhung nicht umgehen. Verpflegungssätze von 4—6000 im Jahre, wie sie gegen» wärttg noch bestehen, lassen sich nicht lange mehr aufrecht erhalten. Für die einzelne Frau im Altersheim, die vielleicht noch 20000 oder 30000 Vermögen bat, sind jedoch schon die jetzigen niederen Sätze zu hoch. Vielfach zahlen Verwandte einen Teil des Verpflegungsgeldes, doch hat dies auch seine Grenzen. In andern Fällen fehlen derartige Verwandte. Wie nieoerdrückend und peinigend ist es für viele Insassen von Heimen, Tag und Nacht darüber nachg:Übeln zu müssm, ob und wie lange noch sie das Verpflvgungsgeld aufbringen können, und ob sie nicht doch noch am Schluffe ihres Lebens der Armenpflege zur Last fallen. Dissen bedrängten Volksgenossen kann dadurch geholfen werden, daß man ihnen Zuschüsse zu den Verpflegungsgeldern gewährt. Um dies aber im ganzen Lande durchführen zu können, braucht man viel Geld. ES wäre ein vollständiger Irrtum, wollte man annehmen, daß die Kleinkapitalrentnerhiife allein diese Not beheben könnte und die MittelstandSnothilfs Überflüssig machen würde. Viele bedürftige Mittelständler fallen nicht unter den Begriff des Kleinkapitalrentnerk, weil sie nicht mehr über ein Vermögen von 15000 oder eine JahreSrente von 600 verfüg:». ES wäre unverantwortlich, wenn man deshalb diesen Angehörigen des Mittelstands mcht betstehen würde. St» sind ja noch schlimmer daran, als die eigentlichen Klemkapttal- rentncr. Es muß unter allen Umständen die MfttelstandS- Nothtlfe als notwendige Ergänzung der Kieinkapttalrenmer- hilfe weitergeführt werden.
Wir richten an alle Kreise unseres Volkes, besonders der Industrie und Landwirtschaft, die über ein größeres Einkommen versüaen, wiederholt dre dringende Bitte, diese armen Volksgenossen, die ohne ihr Verschulden in bittere Not geraten sind, zu gedenken und der Hauptsammelsteüe der Mittelstandknothilfe, Zentralleitung für Wohltätigkeit, Stuttgart, Falkertstr. 29. Postscheckkonto Nr. 2825, oder den BeztrkS- sammelstsllen weitere Beiträge zukommsn lassen.
Kleine politische Nachrichten.
Die mutmaßliche Antwort der Reparaliouskvmmisfian.
Paris 13. April. Die .Agerce HavaS" meldet: Im Verlauf der beiden gestrigen Sitzungen setzte die ReparationS- kommtlston die Prüfung der Antwort des ReichSkanzlers-Dr. Wirth auf die letzte Note über die deutschen Zahlungen und die Einrichtung einer Kontrolle fort. Die Kommission einigte sich grundsätzlich über eme abermalige Note, die demnächst der Reichsregierung zugehen wird. — Es bestätigt sich, daß die »ommisston b?r ihrer Entscheidung bleibt, durch die sie Deutschland ein Moratorium bis zum 31. Mai gewährt hat unter dem Vorbehalt der Feststellung zu dem genannten Zeitpunkt, obder vslläufne Aufschub bestätigt wird oder nicht. Da die ReparalionSkommrsston sich daher an ihre Note vom 21. März für gebunden erachtet, wird sich Deutschland, so schließt die HaoaSmeldung, perpflichret sehen zu den vorgeschriebenen Terminen, nämlich dem 15. April und 15. Mai, die von ihm verlangten Zahlungen zu leisten, die sich bekanntlich auf etwas über 18 Millionen Goldmark am 15. April und 50 Millionen Goldmark am 15. Mai belaufen.
Der 1. Mai Feiertag in Bade«.
Berlin, 13. April. Nach einer Meldung der „Frankfurter Zeituna" aus Karlsruhe ist durch eme Verordnung der badischen Regierung,dkr 1. Mai zu einem gesetzlicher Feier», tag in Baden erhoben worden.