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Nr. LKS
Dienstag, de« 17. November 1925.
SS. Jahrgang
Rückwirkungen von Locarno.
Herabsetzung der Lruppenzaht. — Beseitigung des Delegiertensystems. — Revision der Ordonnanzen. — Etnschrünkung der Iujtitnd.g-re.t der Hi»U1ärgerichte. —
Die Note der Botschasterkonfererrz.
TU Berlin, 17. Noo. Die Note der Botschasterkonserenz üb-r die Aenderungen des BesatzungsrcgimeS im Rheinland hat folgenden WorUaut:
Herr Botschafters Der Abfchl ufjdes Abkommens von Locarno hat den Wunsch der daran beteiligten, »n gleicher Weife von friedlichen Absichten geleiteten Regierungen bewiesen, ihre Beziehungen mit dem Geist guten Willens und gegenseitigen Vertrauens zu erfüllen. Die Botschasterkonserenz ist sicher, das, d»e deutsche Regierung zu ihrem Teil diese Auslassung bei den Verhandlungen bestätigen wird, zu denen die verschiedenen Fragen Aulast geben können, die zwischen den in ihr vertretenen Regierungen «nd Deutschland schweben. In dem gleichen Geiste des Vertrauens» guten Glaubens und guten Willens l)aben sich die au der Besetzung der Rheinlande beteiligte,, Negierungen entschlossen, hinsichtlich dieser Besetzung alle mit dem Vertrag von Versailles zu verernbarende« Erlelch erungen eintrete,, zu las, len. Sie haben sich beeilt, ihre Zustimmung zur
Bestellung eines neuen Reichskommissars geben. Auch haben sie die deutsche Regierung wisse» lassen, st die Rheinlandlommission bereit ist.
weitgehendste Amnestiemastnahmen zu treffe«, in der Annahme, dast auch das Reich ausreichende Zusicherungen hinsichtlich der Haltung der mit der Besatzungs- armer in Verbindung stehenden Personen geben wird. Außerdem ist die Rheinlandkommissiou mit der Ausarbeitung eines sehr weitgrhende» Nesormplanes beschäftigt. Die Maßnahmen, die die in der Rheinlandlommission vertretenen Regierungen ins Auge gefaßt habe» und die teils unmittelbar, teils durch drc Vermittlung der Nhsinlandlommissio» zur Ausführung kommen Werden, verfolgen ein doppeltes Ziel: Einmal soll
di« Stärke der Besatznugstrnppe« erheblich herabgesetzt «erden» ferner sollen im Rahmen de« Rheinlandabkommcno all« Maßnahmen ergriffen werden, um
der deutschen Verwaltung die freie Betätigung im besetzten Gebiet zu erleichtern.
Die Verwirklichung dieser Reform wird für die deutsche Bevölkerung sehr wertvolle Vorteile mit sich bringen und einen günstigen Einfluß aus die Beziehungen zwischen ihr und den Besatzungstrnppeu, die annäherird auf normale Stärke herabgesetzt werden, zur Folge haben, daß ein Test der öffentliche« Gebäude, Wohnungen unp Grundstück«, die bisher für die Lesat- zungstruppen «nd die Besatzungsbehörden verwandt werden mußte«, den deutsch«» Behörden und der Bevölkerung zunick- gcgebe« werden kann. Die Abänderung des bisherigen Verwal- tnngsregimes umsaßt andererseits die Beseitigung des Systems der Delegierten, denen die bisherige Verbindung zwischen den vesatzungstruppen und den deutschen Behörden oblag. Es werden Anordnungen getrosten werden, um auch 0er deutschen Gerichtsbarkeit bestimmte Gruppen von Fällen zu übertragen, die gegenwärtig zur Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit gehören. Endlich werden die geltenden Ordonnanzen im gleichen Geist des Vertrauens und d«, Entspannung einer Revision unterzogen wer»««.
Die Rheinlandkommtssiou hat Auftrag erhalten, die Absichten der beteiligte» Regierungen in dieser Hinsicht im einzelnen festzulegen und alle Maßnahmen für die Inkraftsetzung des neuen Regimes zu treffen, bei deren Durchführung ihr "ie wirksamste Mitarbeit des Reichskommissars nicht fehlen wird.
Dle an der Besetzung beteiligten Regierungen bekunden ans diese Welse ihren Wunsch, im Rheinland eine sehr liberale Po.itik zur Anwendung zu bringen. Sie haben zu dein guten Willen sowie zu der Mitarbeit der dcutfchen Behörden und der deutschen Bevötterung das Vertrauen, dcß sie die Ausgabe» der Besai,ungsbchöcden hinsichtlich der östenUrcheu Ordnung, der .Sicherye.t und der Bedürfnisse der Truppen erleichtern werden. Sie hoffen zuversichtlich, daß ihnen d;, deutsche Unterstützung, aus die sie rechnen, nicht selsten wird. Die orlgische, britische, französische, italienisch« und japanische Regierung bezweifeln nicht, daß die Weisungen, die die deutsche Regierung ihr«« Vertretern erteilen wird, ebenso wie die ihnen bereits gegebenen Weisungen ganz dem System entsprechen, das im gemeinsame« Interesse liegende Fricdcuswerk auss wirksamste zu fördern.
Amtliche Erläuterungen zur Note.
TU Berlin, 17. Nov. Amiiich wird mitgeteitt: Auf Grund der mit den Besatzungsmächten geführten Verhandlungen ist zur Erläuterung der vorstehenden Note der Votschafterkonferenz zu bcm.Qen. daß die B^atzuugZmächlc im einzelnen folgende Maßnahmen trcsfen werden:
1. Die Stärke der Vesatzungstruppen in der 2. und 3. Zone soll auf ein Maß herabgesetzt werden daß sie künftig ungefähr der Normalstärke, d. h. ungef hr der Stärke der deutschen Truppen entspricht, die dort im Jahre 191-1 vor Ausbuch des Krie- deS in Garnison standen.
2. Die Quariierlasten der Bevölkerung sollen u. a. dadurch vermindert werden, daß die zur Zeit beschlagnahmten Schulen und Sportplätze und ebenso auch alle die Privatwohnungen frei- gegeben werden, die für die Vesatzungstruppen nicht unbedingt benötigt werden.
3. Das System der Delegierten wi d restlos abgebaut.
4. Das OrLonnunzshstem w rd einer radikalen Revision unterzogen. Tie Ordon ranzen w rden größtenteils aufgehoben oder gemildert. Von den bisher erlassenen 307 Ordonnanzen wird künftig nur ein geringer Bruchieil übrig bleiben. Jede Einmischung in die Vcrwal "Ng wird fortsallen.
5. D"r Abbau der Ordonnanzen wird automatisch zu einer star'cn Einschränkung der MMcnrgerichtsbarkcit führen, da die'e die Zuständigkeit für alle Verstöße gegen die Ordonnanzen in Ansprach nahm. Darüber hinaus wird der Umfang der Mi- litärger.ch sbarkeit noch dadurch vermindert, daß ganze Kategorien von Fällen auf die deutsche Gerichtsbarkeit übertragen werden.
6. Die Verhandlungen über die technische Durchführung der Reform des Besatzungsreg'mes werden von dem neu bestimmten Rcichskommissar für die besetzten Gebiete sofort mit der Rheinlandkommission ausgenommen werden.
Die Beratungen des Reichskabinetts.
TU Berlin, 16. Nov. Ueber die gestrigen Beratungen des Kabinetts wird amtlich mitgeteilt: Heute mittag trat das Reichskabinett unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten zu einem Kabinetisrat über die außenpolitische Lage zusammen. Die Beratungen, welche in den späten Abendstunden fortgesetzt wurden, werden voraussichtlich morgen mittag zu Ende geführt werden.
Die" I „ -er WsWer-Mnferellz.
Räumung der Kölner Jone zwischen dem 1. Dezember und 15. Januar.
Tll Berlin, 17. Noo. Rach Abschluß des gestrigen Kabinetts
rates ist die nachfolgende Note der Botschafterkoaseren, über die Räumung der nördliche« Rheinland;»«« und übe, die E«t- wafsnungssragc eingetrossen. Sie ha tsolgenven Wortlaut:
Herr Botschafter! Dir Botschafterkonferenz hat von de« letzten Vorschlägen Kenntnis genommen, welche die deutsche Regierung ihr hinsichtlich der in Liste 4 der deutschen Not« vom iS. vorigen Monats aufgezählten Fragen gemacht hat. Sie hat gleichfalls Kenntnis genommen von dem Ergebnis der Besprechungen, die hierüber zwischen de« alliierten Sachverständigen »nd de« Vertretern der deutschen Regierung statigesunden habe Sie hat so mit Befriedigung seftstellen können, daß diese Besprechungen es ermöglicht haben, zu einer Vereinbarung über die noch offenen Pnnkte zu gelangen. Es bleibt lediglich übrig, di, Durchführung der hinsichtlich der Listen 1 und 3 der deutschen Note vom 23. v. M. (unter Vorbehalt °er Punkte 20 und 21 der Liste 8j übernommenen Verpflichtungen, sowie die Durchführung der Bervslichtung ans der ob«« genannten Vereinbarung hin, fichtli chder Liste 4 zu bestätigen. Unter diesen Umständen un» ohne abzuwarten, daß diese Durchführung ganz beendet ist, ha- den die in der Botschafterkonfercnz vertretenen alliierten Regie- Argen in Anlehnung an Artikel 42S des Vertrages von «er- sa«llw beschlossen, entsprechend ihrer Note vom 4. Juni ds. Js. U>r Räumung der ersten rheinischen Besatznngszone, der sogen. Kölner Zone, zu schreiten.
.. ^/e zur Räumung erforderlichen Maßnahmen werden mit möglichster Schnelligkeit durchgeführt werden, um die Räumung Lau>e des Monats Januar beenden zu können. Sollte infolge Pt ernster technischer Schwierigkeiten die Räumung trotzdem nicht zum 31. Januar vollständig durchgeführt wer»eu können, jo
werden alle Maßnahme« getroffen, damtt zu diesem Zeitpunkt der größte Teil der Truppen die Stellung der Kölner Zone verlasse« hat und die Zahl der dann noch zurückbleibeu"rn Einheiten so beschränkt wie möglich w»rd. Für diesen Fall ist der 2V. Februar als der Zeitpunkt vorgesehen, an dem d'e Räumung beendet sein wird. Indem sie so "en Beginn der Räumnna mit der Unterzeichnung der Verträge von Locarno zufammensaklrn läßt, bekundet dj« Botschasterkonfrenz das Vertraue» der in thr vertretenen Regierungen, daß diese Unterzeichnung ein« neue Periode in ihren Beziehungen zu Deutschland «inleiten wir".
Sie hat die feste Hoffnung, daß di« deutsche Regierung ihr Möglichstes zur Verwirklichung des jetzt vereinbart«« Programms tu« wird. In dieser Beziehung wird die deutsche Regierung die vollste Unterstützung der Kontrollkomm»sfion finden. Ihr obliegt die Durchführung des jetzt vereinbarten Programms, wie auch die Regelung derjenigen in de» Listen 1 bis 3 ausgestellten Fragen, zu deren Nachprüfung sie noch «rcht in der Lag« war, zu verfolge« und zu verstärken. Die Kommission, deren Stärke schon jetzt erheblich vermindert werden kann, wird voll» ständig zurückgezogen werden, sobald sie dj« von ihr somit noch zu erfüllende Aufgabe hat in die Wege leite» können.
(Zu der Bemerkung in der vorstehenden Note, die sich auf die Punkte 20 und 21 der Liste 3 bezieht, ist zu bemerken, daß es sich hierbei um den Gesetzentwurf über die Ein- und Ausfuhr von Kriegsgerät und um den Gesetzentwurf über den Waffenbesitz handelt. Ueber diese beiden Punkte sind seit längerer Zeit mit der Botschafterkonferenz Erörterungen auf Grund deutscher Vorschläge im Gange, die auf dem Ergebnis der Genfer Wasfenhandelskonserenz beruhen. Die Redaktion.)
Tages-Spiegel
Die Roten der Botschafterkouserenz über die Erleichterungen im Besatznngsregim«, di« Räumung der Kölner Zone und di« Lntwaffnungssrage find gestern in Berlin eingetrossen «»" veröffentlicht worden. *
Die Räumung der Kölner Aon« wird in de, Zeit vom 1. Dezember Ws IS. Januar ersolge«. Der späteste Abschlaßtermiu für die Räumung ist der 20. Februar.
*
Das Reichskabinett ist gestern nachmittag sowie gestern abend zusammeugetreten, um zu den Noten "er Botjchaftcrrousereuz Stellung zu nehmen. Beschlüsse wurden bisher nicht gesaßt.
Die Dcntschnatkonale Dolkspartei tritt nach wie vor für rück- fichtslose Bekämpfung des Vertragswert» von Locarno ein.
Die spanische Regierung hat in Ergänzung der bisherigen Maß. nahmen gegen die Einfuhr deutscher Waren eine Verordnung brkanntgegeben, wonach auch in den spanischen Kolonien auf deutsche Waren ein Zollausschlag von 80 Prozent erfolgt.
Beim württembergischen Staatspräsidenten ist e»n herzlich gehaltenes Dankschreiben des Reichspräsidenten von Hi»"enburg Er den Empfang in Stuttgart eingelausen.
Zn China haben die Tschangtsolintruppen durch die Meuteret der Schangtungvtvision einen empfindlichen Schlag erlitte«. Die Division grifs gegen Wupeifus Truppen vorgehende russische Söldner hinterrücks an. wobei dreitausend Russen getötet wurden.
Englands Haltung ln der Entwaffnnngssrage.
TU London, 17. Nlw. Der Entschluß. die Räumung Kölns schon am 1. Dezember beginnen zu lassen, wird in den englischen Bittern verhältnismäßig wenig kommentiert. Der diplomatische Korrespondent des Daily Telegraph schreibt: Niemand, am allerwenigsten die deutsche Regierung, könne sich darüber beklagen, daß die alliierten Regierungen nicht guten Willen gezeigt hätten. Die außerordentliche Botschafterkonferenz am Sonnabend sei einberufen worden, um den Kanzler und Herrn Stres.mann die Möglichkeit zu geben, der großen deutschnatic- nalen Demonstration vom Sonntag zu begegnen, in dem schon am Sonntag das Datum der Kölner Räumung und die kommenden Erleich'erunicn bekannt waren. Tie englische Regierung h'be bei diesem Ent'chluß eine entscheidende Rolle gr'ptelt, denn sie habe den Alliierten die Berücksichtigung der deuticken B!t,e empfohlen. Ebenso habe sie sich für eine starke Verminderung der alliierten Okkupationstruppen eingesetzt. In dieser Hinsicht habe noch in der letzten Woche eine erbebliche Meinungsverschiedenheit zwischen Engländern und Franzosen bestanden. Der Wunsch der deutschen Regierung, der deutichnatio- nalcn Opposition einige sichtbare Erfolge zu zeigen, ergebe sich aus der Tatsache, daß deutsche Militär- und Polizeisachv 'rstän- dige nach Paris gekommen seien, um eine schnelle Verständigung herbeizuführen. Hauvts'chlch sei es auf den englischen Einfluß de m Versailler Militärkomitee zurückzuführen, daß die Bot'chafter-Konferenz n'cht die Zerstörung der 22 Geschütze in der Festung Königsberg verlangt habe. England habe durchge- sctzt. daß die Mil tärkommission sich mit der deutschen Versicherung zufrieden gegeben habe.
Beibehaltung der Botj«hafterkonfereuz. Hinzuziehung Deutschlands.
TU London, 17. Nov. In amtlichen Kreisen wird bereits lebhaft erörtert, was in Zukunft aus den beiden interalliierten Körperschaften in Paris, der Botschafierkonferenz und dem Versailler Militärkomitee werden soll, da sie mit dem Jnkraftreten des Locarner Vertrages überflüssig werden. Wie verlautet, soll, die Botschafter-Konferenz unter Hinzuziehung de- deutschen Botschafters noch beibehalten werden.
Die Vorbereitungen
zur Abrüstungskonferenz.
TU Genf, 17. Nov. Das Komitee des BölkerbundSrateS tritt bereits am 3. Dezember in Genf zusammen. Den Vorsitz wird Paul Boncour in Vertretung BriandS führen. In dem Komitee sind alle diejenigen Staaten vertreten, die Mitglieder des VölkerbundsrateS sind, d. h.: Belgien. Brasilien, Groß- Britanien, Frankreich, Italien, Japan, Schweden. Spanien, die Tschechoslowakei und Uruguay. Das Komitee hat vom Völkerbund den Auftrag erhalten, die Möglichkeit drr Einberufung einer allgemeinen internationalen Abrüstungskonferenz zu prüfen. Nach den Verhandlungen von Locarno, in denen die alliierten Staatsmänner der deutschen Delegation die feste Zusich rung gaben, nun auch ihrerseits ernstlich an die Frage der Abrüstung heranzutreten, gewinnen die Vorbereitungen des Ratskomitees eine besondere Bedeutung.
Wie verlautet, beabsichtigt Frankreich mit einem dem Rate Vorzulegenden Abrüstung plan die Initiative zu ergreifen. Man darf gespannt sein, zu er. -ren, ob dieser Plan tatsächlich brauchbare Formen zu einer allgemeinen Abrüstung bringen wird, oder nur diejenigen Einschränkungen und Streichungen enthalten wird, zu denen sich Frankreich infolge seiner finanziellen Notlage gezwungen sieht.