die ::r kommenden Jahr zu erwartenden Einnahmen und Aus absn vor, sowerl sie überhaupt vorauszusetzen sind, und brgrü'dct,' die rirzelnen Titel und Kapitel. Die Ausgaben werden in alftn Positionen eine bedeutende Erhöhung erfah- rcn, insbesondere sind für ärztliche Behandlung, Krankeu- hauspflege, Zahnbehandlung und Arzneimittel viel höhere Sutnmen als seither zu verausgaben, auch die Venvallungs kosten sind größere geworden. Die Gegenüberstellung der Elm ahmen und Ausgaben ergab eine Mehrausgabe von etwa 160000 die i-nr durch Erhöhung des Beitragssatzes gedickt wrrtnn kann. Der Ausschuß konnte sich der Einsicht nicht verschließen, l aß mit den schon im Mai 1920 festgesetz'en Beträgen nich> mehr auszukommen ist und faßte nach ein- gehender Aussprache einstimmig den Beschluß, ab 19. 12. 21 den Beitragssatz von 6,5 cuf 7,5 °/o der GnmdlohnS zu erhöhen (Die neuen Beiträge werden nach Genehmigung durch das Oberver sicherungSamt bekannt gegeben werden.) Nachdem nock ein Ausschuß zur Vorprüfung der JahreSrech- uung von 192 t gewählt worden war und einige Anfragen becurtworrel waren, dankte der Vorsitzende den Beamten der Kasse und dem Vmstaud für ihre Arbeit und schloß die fünfstündigen, ruhig und sachlich verlaufenen Verhandlungen.
* Die Berdienstgrenze für die Krankenverficherungspflicht. Die bei der Reichsregierung schon seit längerer Zeit schwebenden Erwägungen über eine Erhöhung der in 8 165 Abs. 2 der R.V.O. vorgesehene Verdienstgrenze für die Krankenversicherungspflicht sind dem Abschluß nahe. Eine Verordnung über die Heraufsetzung der Höchstgrenze dürfte bald zu erwarten sein.
* Krastfahr-Feuerspritze. Der Gemeinderat hat gestern die Anschaffung einer Krafrtahr Feuerspritze beschlossen, vorausgesetzt, r-aß d e Zemrolkasse 50 Prozent zufchießt und die Interessenten in Stadt m d Bezirk-namhafte Beträge gewähren. Unter diese' Voraussetzung ist die Liefeung der Spritze den Benzw'rken in Gaaaer-.au übertragen worden.
»Dorn öschen". Fast zu lange dauerte das Warten der dichtgedrängten jugendlichen Schar, die schon frühe die Turnhalle angefüllt hatte. Da, ein Glockenschlag! Die Siebenecke des Vorhangs leuchteten in allen Farben des Regenbogens. Was für ein Geheimnis mag sich e st dahinter noch offenbaren? — Es war ein Ereignis, ein tiefes Erlebnis für unsere Jugend, das Märchen, das ihr aus Lesebuch, oder aus Lehrer- und Elternmund bekannt war, leibhaftig vor sich gestaltet zu sehen. Sie war deshalb auch ganz Auge und Ohr, und von Ermüdung war trotz der Sstündigen Dauer keine Spur zu sehen. Sie lebt, sie fühlte Dornröschens Geburtstagsfreuden mit, war aufs äußerste gespannt beim entscheidenden Glockenschlag, empfand innigstes Mitleid um das durch die Spindel verletzte, in l 06jährigen Schlaf sinkende Königskind und war beglückt über seine endliche Erlösung. Sollten unsere Kinder nicht gemeine Rachsucht (der Fee) verabscheuen, sorgende Elternliebe, aufopfernde Hingabe (des erlösenden Prinzen) schätzen und lieben gelernt haben? - Dazu trugen die Darsteller von der Schwab. Volksbühne ihr Bestes bei. Es seien Dornröschen mit ihren kindlich unschuldigen Spiel, der schwerfällige, vergeßliche und spaßhaste Koch (Herr v. Hayden) und die drollige weinerliche Magd besonders genannt. Die Schwab. Volksbühne darf des innigen Dankes unserer Jugend gewiß se n. Die Kleinen bitten: vergeht uns auch das nächste Mal nicht.
* Gyges und sein Ring. Das Trauerspiel Friedrich Hebbel, das gestern aberd über die Bretter ging, ist kein Drama im eigentlichen Sinne des Worts. ES ist kein Zufall, daß eS zu Lebzeiten des DichteiS nicht ein einziges Mal aufgeiührr wurde. Aber was uns an dem Stück immer wieder fesseln ist die verbohrte Problematik seiner Charaktere und Gestalten und der hohe poetische Wert, den cS, zuvörderst auch wegen der schönen Sprache, besitzt. Was das Problem selbst detnffl, so denken und empfinden wir Heutigen zu srhr andcrr als jene Zeit es tat, um alle Schlußfolgerungen, die sich ergeben, restlos nachiühlen zu können. DaS Problem der we blichen Schamhaftigkeit ist, von unserer Zeit auS zn betrachten versucht, nicht so zu lösen, wie eS Rhodope tut. Läuft das Stück so auf der einen Seite Gefahr, durch die überirn be.' e Keusch den der Königin, die wir fast mani- riert nennen müssen, unser Interesse für sie, die doch eine der Hauptpersonen des Dramas ist, nicht tiefer wecken zu können, so ist auch an der ganzen Komposition übel zu vermerken, daß Hebbel ursprünglich beim Niederschreiben, wie er auch selbst gestand, nicht recht wußte, wohin „es" eigentlich treibe Die Tragödie des Neuerers, deS Kandaules, die im Stück liegt, ist mcht ganz glücklich eingeflochken und orga
In der Herberge zur Heimat.
Vo F H. Berger.
In d- n Herbergen zur Heimat wurde bisher mit Erfolg der Grundsatz befolg', der 1854 ihrem Begründer K. Perihes vorschwebte, der billige Heimatstätten dem reisenden Hand- werksdurlchen schaffen wollte, die ihm die Heimat ersetzen sollten. Ec wollte keine Wirtshäuser, aber auch keine »Kapellen der Landstraße" begründen. Dagegen machten natürlich alle die Leute Front, denen besonders der paritätische Charakter der Herbergen ern Greuel war. Niemand aber wird bestreiten können, daß der Zweck der Herbergen, der ausschließlich der Bekämpfung deS StromertumS und seiner Gefahren gilt, durch eine konfessionelle Zersplitterung illusorisch wird. AuS diesem Grunde ist eS zu begrüßen daß die Herbergsoerbände den paritälischen Bestrebungen einflußreicher Mitglieder »immer noch ablehnend gegenüberstanoen, denen übrigens durch den jammervollen AuSgang des Krieges und seine tragischen Folgen ein schwerer Riegel vorgeschoben worden ist.
DaS HerbergSwesen in Württemberg und Süddeutschland ist vorzüglich organisiert und daher in jeder Beziehung segensreich. Natürlich hat der Krieg auch seine Wirkungen auf das Vagantenwesen und den reisenden Handwerks burschen aukge- übt. Während 1916 in Cannstatt 5355, in Eßlingen 8702, Göppingen 13045, Hetlbronn 9443, Ludwigsburg 10185, Reutlingen 5709, Stuttgart I 683l, Tübingen 10905, Tuttlingen 8172 und in Ulm 5665 sogenannte »Reisenden" ge- zählt wurden, betrug 1920 deren Zahl 2160, 1540, 925, 15 889. 3127, 857, 3909, 2188 2274 und 4467, also rund 58000 weniger. Wir hoben in diesem Rückgang lediglich die Folgen zu lonstatteren, welche die Zwangswirtschaft mit ihren rtgoi osen Bestimmungen im Re severkehr überhaupt nuSübte, denn wer ohne Lebensmittelkarten reiste, war dem Hungertod halb und halb verfallen. Andererseits wurden diese Schwierigkeiten noch durch Lebensmittelschieber, Hamsterer u. Schleichhändler, die den Bauern förmlich das Schwarze unter dem Nagel abschwätzten, bedeutend, und du ch die Teuerung in solchem Maße vermehrt, daß den jungen Leuten die Lust vergehen mußte, dem Beispiel der Alten zu folgen und zum
nisch verbunden. Schlüer'sche Klarheit und Technik, die wir am Vorabend in Maria Stuart, wo alles sich auseinander entwickelt und zum gewollten Ende drängt, beobachten konnten, geht diesem Stück, das der reinen Intuition seine Entstehung verdankt, in hohem Maße ab. Trotz aller Mängel u. tetlwetsen Unwahrschetniichkeiten macht aber da« Werk einen gewaltigen Eindruck u. auch an dramatischen Momenten ist eS nicht arm. Der Schluß, die Trauung des GygeS mit Rhodope im Tempel der Heftig, der strengen Göttin der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft, diese Szene ist eine der eindrucksvollsten und so herrlich duichzesühn, daß st« sogar mit dem sonderbaren Konflikt der Dichtung versöhnt. Die Aufführung ging im großen Sttl vor sich, d. h. eS wurde, was anzuerkennen ist, nickt versucht, dte überlebensgroßen Charaktere, die ja auch mehr Typen als Wesen von Fleisch und Blut sind, ins Menschliche herabzudcücken. Josef Kanderer war ein Kan daules, der Eindruck machte und trotz der in seiner Rolle liegenden Schwächen Achtung und Mitleid zu wecken verstand Ein durchaus würdiger Gegenspieler war Josef Wagner in der Rolle des GygeS, wie auch der Toas des Herrn Ebner. Rhodope, dte Königin, läßt den indischen Einschlag, aus dem heraus, wie sie doch eist verstehen können, im Ansaug etwas vermissen, verknssert sich aber während der Aufführung sichtlich. Auch dre drei Sklavinnen, LnSdia an der Spitze, beherrschen ihre Rolle. Zu etö-lern wäre, ob die Afflklszenen so hinailsztlschceien sind. Der Aufführung wies gutes Zusam- menspiel und stand auf einem erheblich höheren Niveau als der in mancher Beziehung mißglückte Vorabendi In guter Erinnerung sind die einfach geschmackvollen Dekorationen u. die trotz primitiver Hilfsmittel erzielten.Lichtwirkungen der Abend bildete einen würdigen Abschluß der diesmaligen Spielserie.
* Glsaß-lothrin-ische Flüchtlinge. Mit dem 19. August 1921 ist endl'ch das VerdrängungSschädengesctz in Kraft geileren, auf daS dte Flüch-lrnge deS Osten? unb Westens seit Jahr und Tag gewartet haben. Soweit dar Gesetz die elsaß lothringischen Flüchtlinge betrifft, gewährt cs mehr als diese Flüchtlinge bisher auf Grund oer ,,Richtlinien" oom 9. Jan. 1920 im Wegs der Vorerttschäftgung an Vorschüssen u. Beihilfen erlangen konnten. Gleichzeitig mir dem VerbrängungS- schädengesetz ist auch die Entschädignngsordnung in Kraft gs treten, die als Besonderheit ein sogen VorprüfungSoerfahrrn durch die ..Interessen-Verbände" vor sieht. Mit der Organisation dieser Stellen hat man begonnen. Wollen die Flüchtlinge irgend einen Emfluß hierbei ausllben, so können sie dies selbstverständlich nur dadurch tun, daß sie dem für ihren Wohnsitz zuständigen Verein beilreten. Für alle Gemeinden deS Oberamts Nagold v-'-t-itt die Interessen der vertriebe nen Elsaß Lethrtnger d;e Ortsgruppe „Bad Liebenzsü"; Geschäftszimmer: HauS Bethanien (Villa Sonnenschein) Hin- denbnrastraße.
* Bargeldlose Zahlung vo» Ruhegehälter». Bei den
vom 1. Aprtt 1920 au olS Reichsbeamre zur Ruhe gesetzten Pensionätcn bat, wie in einer Vrrsügug der Oberpost direklion Stuttgart hervorgehoben wird, gemäß den Bestimmungen deS Z 8 des ReichSpensionsergänzungsgrsetzeS die Zahlung der Ruhegehaltsbezüge — nicht auch der Hinter- bliebenenbezüge — bei lleberweisuna aus ein Konto von jetzt an oierteljährlirh im Voraus zn erfolgen.
* Gefrierfleisch au» Argentinien. Drei ihrer neuen, nach dem Kriege erbauten Dampfer hat die Hamburg-Amerika- Linie für den Transport von Gefrierfleisch mit großen, etwa 700 Tonnen fassenden Gesrier-.äumen auSbauen lasten, näm lich „Steigerwald", „Niederwrid" und „Kermit". Der Dampfer „Steigerwald" ist nun mit dem ersten deutschen Transport von Gefrierfleisch auS Argentinien in Hamburg ringe troffen. In den Gefrierhäusern der Hamburg-Amerika Linie liegen Tauiende von Zentnern nordamerikanischeu Gefrierfleisches. Ja Kältewagen erfolgt der Transport in? Inland. Ein kürzlich statigesundenes Probeeffen ergab, daß selbst gewiegte Fachleute keinen Unterschied zwilchen zweckmäßig zu- bereitetem Gefrierfleisch und frischem Fleisch feststellen konnten.
* Andreastag. Der 30. November ist dem Apostel Andreas geweiht. Die griechische Kirche nennt ihn den Erst- berufenen und schreibt ihm dte Errichtung deS Btschofstuhls von Konstantinopel zu. Die Russen verehren den hl Andreas
als ihren Apostel. Der Andreasorden, der höchste russische Orden des ehemaligen Zarenreichs, ist nach ihm benannt. In der Andreasuachl sucht man auf verschiedene Weise die Zukunft zu erforschen. Am verbreitetsten ist das Bleigteßen der Mädchen: Man benützt dazu einen Schlüssel mit durchlöchertem, k-euMmigcm Bart. Die im Wasser entstehenden Bleistguren deuten auf Stand oder Gewerbe des Zukünftigen. Fast so verbreitet wie das Meigießen ist das Pinibeiitrettn. Vor dem Zubettgehen wirst das Mädchen das Kopfklssen ruf den Boden, tritt darauf und spricht dazu dreimal: „Andreas ich bilt dich, Bettstatt ich iritt dich, du wollest mir lassen erscheinen den Herzallerliebsten meinen". Das „Spächlen" war in der Baar m Uebung: In der AndreaSnacht geht das Mädchen rückwärts zu einer Holzbeugs und zieht einen beliebigen Stecken heraus, ohne hwzusehen. Ist dieser gerade gewachsen, bekommt sie einen schönen Mann und umgekehrt.
Die Eisenbahnfahrpreise ab 1. Dezember.
v Zur Veranschaulichung der neuen am l. Dezember in Kraft tretenden Tariferhöhung bei der Eisenbahn bringen wir nachstehend eine Zusammenstellung der Fahrpreise zwischen Nagold und den Bahnstationen deS Bezirks, sowie einer Anzahl wichtiger Orte Württembergs. Aui Gmna der neuen Sätze zahlt man in Zukunft für die (einfache) F htt im Personenzuz von Nagold nach:
Tarif-
2. Klasse
3. Klasse
4 . Klasse
Kilom.
Horb
24
1l.—
6.50
4.10
Eutingen
15
6 50
3.90
2.60
Freuden stad.
36
16 —
9.50
6.50
Hochborf
11
4.80
2.90
1.90
Gündringen
7
3 10
!.90
1 20
Herren bei g
32
14.—
8 50
5 50
Emmingen
5
2 20
1.30
-90
Wildberg
9
3.90
2.40
1.60
Teinach
Iti
7 —
4 20
2.80
Calw
20
9 —
5 50
3 40
Pforzheim
46
20 —
12 —
8 —
Hellbraun (über Zuffenhausen)
1l4
50 —
30 —
20 —
Nagold Surdl
2
l 70
1 —
— 70
Rohrdorf
7
3 lO
1.S0
1 SO
Ebhausen
9
3 90
2.40
I 60
Berneck
14
6.50
3.7»
2 40
Altenfteig
16
7 —
4 20
2 80
Stuttgart Hbf.
73
32 —
19.—
!3 —
llltt, über Stuttgart 167 „ Münsingen 154
72.—
44 —
29 —
67 —
41.—
27.—
Friedrichs Hafen 222 üb.rlottwei l—Saulgau
96.—
58 —
38 —
Tüktug-n
56
25 —
15 —
10 —
ReuMngeu
70
31.—
19 —
>2 —
l Kilometer kostet irr der 1. Kmsse 77 (bisher 58,5), in der 2 Klasse 43 (32,5), in der 3 Klaffe 26 (19 5) und in
der 4. Klaffe 17 (13 Pfennig) Die Mindestp r e i s e für
eins Fahrkarte, die bisher tn den verschiedenen Kiaff.-n Z; 1.70; 1 und 0,70 Mark betrugen, dürften wohl ed-r falls wieder erhöht werden.
Für Schnellzüge erhöht sich der Personenzugfaürpcris um den Sch nellzugszu schlag der in Frage kommenden K-'affe und Zaire, wobei die seitherige 3 Zenen-Eimetlung beibehalicn wordett ist Irr der l. Zaire (E'ttsernnng, n biS zu 75 Kilom.) kostet ler Zuschlag für i. und 2. Klasse 10 (bisher 8) Mark, 3 Klasse 5 (4) Mark, in der 2. Zone (75 bis 150 Kilom.) für 1. und 2 Klaffe 20 (16) Mark. 8. Kasse
10 (8) Mark, in der 3 Zone (übe. 150 Kilom) für l. und
2. Klasse 30 (24) 3. Klasse !5 (12) Mark. Bemcrkt ?e: r och, daß wie bisher jeder cmgcfanaene Kilometer allgemein als voll gerechnet wird und sämtliche Fahrpre.se nach oben auf gerundet werden, auf volle !0 Mennig (bei Fahrpreisen dis zu 5 Mark), 50 Pfennig §5 bis 10 Mark) und Mark (über 10 Mark). Sehr stark erhöh! werden außerdem die Gepäck- und Betlkarlentarife, sowie dre Mllilärtarife.
Wie jetzt schon feststeht, werden ab 1. April 1922 oder noch früher die Fahrpreise abermals und zwar auf das zehn- weun nicht fünfzehniache der Friedenssätze erhöht.
Wanderstab zu greifen. Auch die Herbergen zur Heimat waren gezwungen, ihre Preise zu erhöhen. Die Herberge zur Heimat Stuttgart I mutz, um bestehen zu können, heute für ein Bett im gemeinsamen Schlafsaal 1 20. ein Zimmer- bett 1.50, für Frühstück bestehend aus Brot mit Marmelade ^ 1 05, ein vollständiges Mittagessen 3 50 und ebensoviel für ein Abendessen verlangen. Wem das zu viel ist, muß sich mit einem Teller kräftiger Suppe zu 60 und einer nahrhaft znbereitetrn Portion Gemüse mit Kartoffel zu 1.— begnügen. Dte Volksküchen berechnen für Suppe, Gemüse und Kartoffeln 1.50. Das sind natürlich Verhältnisse, dte verschulden, daß das Wandern längst nicht mehr des Müllers Lust, sondern eine „ägyptische Plage" geworden ist, der da« Manna in der Wüste nicht mehr als mil dernder Umstand zur Seite steht.
Der Neuling, der „Rabe", da» Muttersöhnchen schreckt davor zurück, wie vor einer Reise noch dem Nordpol. Der dem unheilvollen Zauber de? WandecnS und der Landstraße auf immer verfallene Pennbruder, der ausgekochte „dufte Kunde", scheut vor solchen Kleinigkeften nicht zurück. Er weiß, daß der Herbergsvater unter Umständen Kredit gibt, gegen Arbeitsleistung natürlich, wozu sich der arbeitsscheue Stromer im Notfälle „herabwürdigen" läßt. Außerdem kenrtt er Mittel und Wege genug, um seinen „Dalles" auch auf andere Art zu korrigieren. Zwar ist der „Kauf und Verkauf von Kleidungsstücken usw." in der Herberge streng verboten, aber der erfahrene Landstraßenveteran weiß sich zu helfen. Gr hat immer etwas auf der Walze ergattert, ein Siück Rauchfleisch, gerauchte Würste, die er auf der „Börse" in der Gerbere.asse „verschieb!" und sein erstes ist, bei den gutmütigen „Witschen" Brotmarken zu „schnorren", die er dann, wie es so im Jahre 1919 geschehen ist, anderswo Stück für Siück für absetzt. Abnehmer fanden sich überall.
Ja,
„Die Handwerksburschen haben'« schön,
Sie brauchen nicht zu Bette gehn;
Der Himmel spannt sein hohes Dach,
Dte Erde ist ihr Schlafgemach,
Ja Schlafgemach I ...
Das ist der Leichtsinn, die Poesie der Landstraße, die der
Dunst aus der Tiefs, der Winter mit seinen Nöten nicht ersticken kann, der göttliche Fatalismus, de: selbst die vielen Entgleisten, die dem Stromertum verfallen sind, nicht zur Besinnung zu bringen vermag. Und so gleiten sie weiter von Stufe zn Sinke und versinken rettungslos im Schlamm. Auch der Morast der Landstraße hat seine schlangenlockrae Nixe, seine Lorelei, und sie kämmt, lockend den Wanderer, ihr goldenes Haar, und seine kranke Seele, seine goitoerlengnende. engelverleugnende, unselige Seele träumt sich ihr Fata mor- gana und wiegt den müden Schläftr am Rain in das Paradies der Houris. Und so kommt dar entsetzlichste Elend, da« einem gebildeten Menschen beschteden sein kann, zu hohen Jahren Das Furchtbarste, Trostloseste aber ist, daß niemand raten niemand helfen kann. Was von den Unglückliche,r des Hotel Fradin erzählt wird, Hab- ich in unserer Herberge zur Heimat, im Heim für Obdachlose leider als wahr seft- steüen müssen: Zu den regelmäßigen Stammgästen unserer Herberge zählen frühere Offiziere, Akademiker aller Berufe, verkommene Fabrikdirektoren, viele Kaufleute, die durch spiel und Trunk und WeibeStücks vom Schicksal über die Barriere geworfen worden sind, ehemals gefeierte Sänger, Schriftsteller und neuerdings als Opfer unserer trübm BauverhSllnlsfe, zahlreiche Architekten. _ (Schluß folg,.)
Witzecke.
— Im Kino fällt mir ein. daß ich unseren Kohlenkeller cht abgeschlossen habe. Ich springe auf, renne nach Hause, fließe die kostbaren Briketts ein, und bin im zweiten Akt jeder da. Dann nach Schluß der Vorstellung trinke ich noch n Glas Bier, gegen 12 komme ich nach H-Use. Da steht ein Nachbar vor meiner WohnungSiüc entsetzt ermatten eich und wütend. „Herr," schreit er, „Herr Sie hab-n ja eine Frau in Ihrem Kohlenkeller eingeschlossen I
— Ein junger Mann, der vor einem Jahre gehetraiet Me, stritt mit seiner Frau beständig darüber, ob sie zwei über oder ein modernes Tandem kaufen sollten. Als er neS Tages einen Bekannten traf, erzählte er ihm dies und igte: „Meine Frau und ich zankten uns monatelang, aber lott sei Dank, wir haben uns endlich geeinigt."
„Worauf haben Sie sich geeinigt?"
„Auf einen Kinderwagen." erwiderte er stolz.