Aus Stadt und Bezirk.
Nagold. 1>. August 192l.
* Späterer Termin für dcu Winterfahrplan. Wie dem
„K. T." mttgeteilt wird, befiehl die Absicht, den Winterfahr» plan für den Personenverkehr nicht, wie bisher üblich, zum 1. Oktober, sondern erst zum 25. Oktober einzuführen. Der Grund für diese Maßnahme liegt offenbar darin, daß sonst die Ueberführung der Sommerzeit in die Winterzeit, die im besetzten Gebiet eingeführt ist, gleichzeitig auf den Tag deS Fahrplanwechsels fallen würde.
* Die diesjährige Teldmetz-Prüfung wird in der Zeit vom 13 bi« 30 Sept. abg'halttn werden.
* Wieder ein neuer Ttlel. Die Abschaffung der Titel durch die Republik macht immer weiter Fortschritte. Nachdem fast alle anderen Beamten schon höhere Titel erhalten haben, kommen nach einer Verfügung des Reich?Postministeriums auch die früheren Postboten (bester noch als Briefträger be- kanni) an die Reihe. Sie werden sämtlich zu „Hilfspostschaff- nein" befördert. Hoffentlich trägt diese Reform dazu bei, den alten, leider etwas gesunkenen Ruf der Findigkeit unserer Post wieder zu erhöhen.
* Erwerbslosenunterstützung. Die erhöhte ErwerbS- losenunlerftützung trat nach einer Verfügung des Arbeits- Ministeriums am 8. Aug. in Kraft. Die Höchstsätze betragen für männliche Personen über 21 Jahre, die nicht im Haushalt eines andern leben, in Ortsklasse 12, 8 10 75, 6 9,50, O und 8 8,25 und sofern sie im HauSbalt eines anderen leben 10, 9. 8 bezw 7 für mänliche Personen unter 21 Jahren 7,25, 6,50, 5 75, bezw. 5 für weibliche Personen über 21 Jahren, die nicht im Haushalt eines anderen leben, 7,25, 6,50, 5.75 bezw. 5 für weibliche Personen unter 21 Jahren 4,75, 4,25, 3,75 bezw. 3,25 Die Familienzuschläge dürfen folgende Sätze nicht übersteigen: für den Ehegatten in Ortsklasse H. 5, 6 4,50, 6 4, v und 8 3,50, für die Kinder und sonstige unterstützungsberechtigte Angehörige 4 25, 4, 3,75 bezw. 3,50 Die Famtlienzuschläge eines Erwerbslosen dürfen insgesamt das zweifache, der ihm gewährten Unterstützung nicht übersteigen. Für die Berechnung der Kurzarbeiterunteistützung wird mit Wirkung vom 1. Aug. an der Prozentsatz allgemein aus 50 herabgesetzt.
* Keine Goldhypothek. Der Gedanke der Eintragung einer Goldhyporhek auf ländlichen und städtischen Grundbesitz sowie einer generellen Kapital-Beteiligung des Reiches an industriellen und gewerblichen Unternehmungen kann, wie der Berliner Vertreter der Frankfurter Zeitung erfährt, als endgültig aufgegeben gelten.
* Abfallendes Obst. Wie man hört, haben wir Heuer in Birnen und Zwetschgen eine mittlere, zum Teil gute Ernte zu erwarten. D>e Trockenheit, verbunden mit starken Winden, die seit einigen Tagen bet klarem Himmel u. heißem Sonnenbrand allenthalben hir.fegen, verursacht ein großes Abfallen deS Obstes
* „Autos bet Staub langsam fahren!- Die Staubentwicklung auf den Landstraßen ist Heuer infolge der anhaltenden Trockenheit besonders stark. Sie macht sich bei dem zunehmenden Verkehr mit Kraftfahrzeugen in erhöhtem Maße bemerkbar und wird direkt zur Landplage. Der Württ. Automobilklub hat nun zur Steuerung des Uebels Tafeln anferttgen lasten mit der in die Augen fallenden Aufschrift: „AutoS bei Slaub langsam fahren I" Diese Tafeln sollen außerhalb der Onschaften, wo die Fahrgeschwindigkeit einer Beschränkung im allgemeinen nicht unterliegt, aufgestellt werden, insbesondere um sremde Fahrer, welche die Eigenart der Gegend nicht kennen, zur Mäßigung der Fahrgeschwindigkeit aufzufordern. Die Tafeln werden kostenlos geliefert. Wünsche um Zuteilung sind an den Württemb. Automobilklub. Stuttgart (Landesklub) oder an besten Sektionen Heilbronn, Freudenstadt und Ravensburg zu richten.
« Die Bemrfsung der Zuschüsse aus dem Ausgleich» stock. Der SteuerverteilungSauslchuß hat für die Bemessung der Zuschüsse aus dem Ausgleichstock Grundsätze aufgestellt,
denen wir folgender entnehmen: Für jede Gemeinde wird der etwa in den Voranschlag deS GemeindehauShaltS für 1920 als Zuschuß aus dem AuSgleichstock eingestellte Betrag und der über 25 v. H. hinouSgehende Betrag der Gemeinde- Umlage festgestellt. Der Gesamtbetrag wird bei Beträgen bis zu 10000 auf 100 bei höheren Beträgen auf 1000 Mark abgerundet und bildet die Höchstsumme, bis zu der die Gewährung eines Zuschusses in Betracht käme. Die Zuschüsse werden auch Teilgemeinden gewährt. Die Frage, ob die Ueberschreitung des Umlagesatz-S von 25 v. H. notwendig war. soll besonders sorgfältig geprüft werden. Die mit Zuschüssen zu versehenden Gemeinden werden in drei Gruppen, in Gemeinden geringerer, mittlerer und größerer Bedürftigkeit eingeteilt. Bei der Zuteilung zur Gruppe l sind insbesondere maßgebend die Gesichtspunkte, ob das Kataster überwiegend Grundkataster ist, ob Gemetndenutzungen verteilt werden, ob die Wasserversorgung ganz oder zum Teil aus Steuermittelir bestritten wird, ob die Gemeinden erhebliches eigenes Vermögen. namentlich in ertragSfähigen Grundstücken haben. Der Gruppe HI werden besonders bedürftige Gemeinden, namentlich in bedrängter Lage befindliche Arbetterwohn- gemeinden ohne Eigenbesitz der Arbeiterbeoölkerung, durch Ecwerbslosenfürsorge besonder- hoch belastete Gemeinden, zugeteilt.
* Zur Nachahmung. Die Getretdcbauern der bayrischen Gemeinde Lampoding erklärten sich auf Anregung deS Bürgermeisters in anerkennenswerter Weise bereit, jedem Versorgungsberechtigten Zentner Brotgetreide zum Preis von 120 für Roggen und 130 ^ für Weizen zu geben.
* Die Fltegenplage. Die Hitzeperiode hat Heuer zu einer ungeheuren Belästigung der Menschen durch da» massenhafte Auftreten der Fliegen, vor allem der Stubenfliegen, geführt, die nach Schopenhauer zum Symbol der Unverschämtheit und Dummdreistigkett geeignet sind. „Denn wenn alle Tiere den Menschen über alles scheuen und schon von ferne vor ihm fliehen, so setzen sich die Fliegen ihm gerade auf die Nase." Die Fliege ist bekanntlich der beste Bazillenträger für alle ansteckenden Krankheiten. Innerhalb 4—5 Wochen entwickeln sich aus den Eiern Larven, Puppen und junge Tiere, die alsbald wieder foripflanzungssäyig sind. Dbher die ungeheure Zahl der Tiere. Da« Bespritzen von Düngerhaufen und Küchenabfällen mit Chlorkalk, die Benützung von Fliegenpapier, Fltepenleim und Fliegen fallen mag Erleichterung bringen von den Plagegeistern. Aber Btsserung bringt nur das Wegfall- gen der Wtnterfliegen, die die Träger deS neuen Geschlechts sind.
Egenhausen, 10 Aug. Beerdigung. Nachdem die hiesige Gemeinde erst in den letzten Wochen zwei ihrer hochbetagten Söhne, Mast und Wurster, zu Grabe getragen, folgte diesen, im 80. Lebensjahre stehend, ihr Altersgenosse, Tuchmacher Gottlieb Heintel, im Tode nach. Ein stattlicher Leichenzug gab dem ehrwürdigen Pilger das Geleite zu seiner letzten Ruhestätte. Für ihn war der Tod eiu Erlöser; denn schwere LetdenSwochen liegen hinter ihm u. viele Jahre der Einsamkeit, nur von seinen Allernächsten umgeben. Der große Weltkrieg legte auch ihm in seinen alten Tagen schwere Opfer auf. Durfte er auch seinen eigenen Sohn in der Heimat wieder begrüßen, seinen Schwiegersohn Fritz Walz, Gärtner von hier, rattbte ihm der Krieg im fernen Osten. Nun ist auch er zu seinen Vätern eingegangen. Möge ihm ein froher Auferstehungsmorgen anbrechen I
Wart. Waldbrand. Am vergangenen Freitag wurden die Bewohner unseres stillen Ortes nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr durch Sturmläuten erschreckt. Im Waldteil .Reute" am Fußweg nach Berneck war Feuer ausgebrochen. Bald war fast die ganze Einwohnerschaft zur Stelle, und eS gelang, des Brandes rasch Herr zu werden. So ist der Schaden — er handelt sich um Wärter Gemeindewald — glücklicherweise nicht groß. Die EntstehungSursache ist unbekannt.
KeäMvl lierllgt lserkdeiMdlemr.
Württemberg.
„Oberschlefierhilfe." Calw, 10. Aug Bi« gestern abend gin gen bet den verschiedenen Sammelstellen insgesamt 3690,40 Mark ein. Dieses Ergebnis übersteigt die kühnsten Hoffnungen. Wenn in Betracht gezogen wird, wie oft in den letzten Monaten Haussammlungen vorgenommen wurden, so kann ruhig b hauptet werden, daß das Oberamt Calw hinsichtlich der Gebesceudigkeit für die bedrängten Oberschlester an der Spitze aller Oberämter gleicher Größe in Württemberg steht. Sind doch bis jetzt insgesamt 7521.90 allein in den Sammelstellen eingeoangen, ein beträchtlicher Teil ist von einzelnen direkt per Postscheck ulw. eingesandt, sodaß bis Schluß deS Monats wohl mit 10000 für das Ober sch lesierhilfS- werk aus dem Oberamt Calw gerechnet werden kann.
Einbrecher. Calw, 9. Aug. Die Kriminalabteilung deS LandeSpolizeiamts teilt mit: Der 43 Jahre alte verheiratete Karl Ltmbächer von Köngen OA. Eßlingen zuletzt wohnhaft in Stuttgart, hat sich seit dem Frühjahr d». IS. auf die Ausräubung von Bauernhäusern verlegt, deren Bewohner nach seinen zuvor eingezogenen Erkundigungen auf dem Felde waren. Ltmbächer betätigte sich in der Hauptsache in der Umgebung von Calw, Heilbronn und Breiten. Einen Teil des gestohlenen Geldes hat sich Ltmbächer auf der Sparkasse angelegt. Die von ihm nicht wetterveräußerten ^Pfandbriefe wurden bei der Durchsuchung seiner Wohnung vorgefunden und sichergestellt.
Rückerstattung zuviel erhobener Steuerbeträge. Stuttgart. 9. Aug. Im preußischen Landtag wurde rine kleine Anfrage etngebracht, ob die preußische Staatregterunq bereit sei, bei der Reichsregierung darauf hinzuwiiken, daß die 1920 infolge Aenderung der Gesetzgebung zuvtel in Abzug gebrachten Steuerbeträre bei Arbeitern, Beamten und Angestellten möglichst bald rückvergütet werden Die Antwort der Sraats- regierung wird nach amtlichen Mitteilungen, dahin lauten, daß nach Z 48 deS Reichseinkommensteusrgesetzes die Finanzämter verpfl chtet seien, nach Abschluß der in vollem Gang befindlichen und mit möglichster Beschleunigung durchzuführenden endgültigen Veranlagung für das Rechnungsjahr 1920 sofort die bei Arbeitern, Beamten und Angestellten zuvtel in Abzug gebrachten Steuerbeträge in bar zu erstatten.
r Gehaltsordnungen der evangelischen und katholischen Geistlichen. Stuttgart, 10. Aug. Von zuständiger Sette wird mitgeteilt: Das Kultministsrium hat die neuen Gehaltsordnungen der evangelischen und katholischen Geistlichen genehmigt. Sie schließen die vorläufige Piarraufbes- serung ab, mit der Wü ttemberg den andern süddeutschen Ländern um Jahresfrist vorangegangen war. Der StaatS- anzsiger enthält ausführliche Mitteilungen über den Inhalt der neuen Ordnungen und ihr Verhältnis zu den gleichzeitig bekannt gewordenen bayerischen und badtjchsn Ordnungen. Die württ. Regelung kann den Vergleich mit diesen Ocd nungen wohl aushalten, insbesondere bleiben die Bezüge der katholischen Geistlichen hinter keinem der Nachbarländer zurück. Die Beteiligung des Staates au dem Gehalts- und Pensionsaufwand soll nach dem PfarrbesoldungSgesetz vom 8. August auf 1. April 1923 im Zusammenhang mit der Verselbständigung der Kirchen und der Einführung der Landeskirchensteuer neu geregelt werden. Württemberg ist da« einzige deutsch; Land, das die Verbesserung der Gehalte und Pensionen der Geistlichen wenigstens in vorläufiger Weise noch ganz auf Rechnung der Staatskasse durchgefährt hat.
r Die Grenadiersüule. Stuttgart, 10 Aug. Das Grenadier-Regiment Königin Olga wird hier am l l. September seine Landeszusamme- kurrft abhalten. Damit verbunden wird die Grundsteinlegung für ein von dem Bildhauer Hauptmann a. D Fritz von Gcaevenitz entworfenes RegtmentSdenkmal, das im Frühjahr 1923, in dem das Regiment auf sein 250 jähriges Bestehen hätte zurückblicken können, zur Ehre der Gefallenen und zur Erinnerung an das alte ruhmreiche Regiment in den oberen Anlagen beim Alprugarten errichtet werden soll. Das Ehrenmal hat die Form einer auf einem Srck-l ruhenden Säule, auf der hcchaufgerichtet ein Adler
Z Vor Gott muß man sich beugen, weil er so groß, 8 § vor dem Kinde, weil eS so klein ist. 2
Liebe erweckt Liebe.
Original-Roman von H. Co »rthS- Mahler 33> (Nachdruck verboten.)
Schlimme Wochen lagen hinter ihm. Wie eine quälende Krankheit wuchs in seinem Herzen die Eifersucht und das heiße Begehren, Fee sich zurückzugewinnen. Immer wieder hatte er sich in ihre Nähe gedrängt, in der Hoffnung, einige Worte mit ihr wechseln zu dürfen. Wenigstens ihre Verzeihung wollte er erflehen und ihr die eine Frage vorlegen, die ihm im Herzen brannte: Ob sie HanS Ritter liebe, ob sie alles au« ihrem Herzen gerissen habe, was darin einst für ihn selbst geglüht hatte.
Er meinte, er müsse ruhiger werden, wenn Fee ihm sagte, daß sie Ritter so wenig liebe, wie er Ellen Volkmer.
Aber er kam nie dazu, ihr diese Frage vorzulegen. Sie sah stets kalt über ihn hinweg, und nie war sie einen Augenblick allein. Ritter schien kaum von seiner Seite zu weichen.
Nun war sie Ritters Frau, und er mußte EllenS zärtliches, ItebeSseligeS Geplauder über sich ergehen lassen, mußte EllenS Hand wieder und wieder verstohlen drücken, so oft diese sich in die seine stahl. Und dabei war ihm, als müsse er diese Hand von sich schleudern, als müsse er ausspringen und sich neben Fee stellen, um laut auSzurufen: „Sie ist mein — sie gehört mir — mir allein — alles andere ist eitel Lug und Trug I"
Aber er blieb fitzen. Er antwortete mechanisch auf EllenS Geplauder, gab ihr mechanisch die heißbegehrten Kosenamen, von denen sie nie genug hören konnte, atz und trank und lächelte wie ein Automat — nur seine Augen verrieten ein anderes Leben.
FeeS Augen streiften nur ein einziges Mal sein Gesicht, und a!S ihr Blick dabei in seine brennenden, unruhig flackernden Augen sah, wandte sie stolz und ruhig daS Haupt von ihm ab, als sei er nicht vorhanden.
Bäckchen und Lärchen saßen inmitten einer lustigen Ge
sellschaft. Da die Hofrätin auch die Tafelordnung bestimmt hatte, waren ihre Töchter sehr vorsichtig gewesen und hatten die amüsantesten und nettesten Kavaliere in ihre Nähe plazieren lassen. Ihr Helles Lacken klang oft an FeeS Ohren und sie dachte, eS müßte eine Wohltat sein, dieses gedankenlose Lachen nicht mehr den ganzen Tag zu hören.
Es wurde viel getoastet und unzählige Male auf das Wohl des Brautpaares angestoßen. Dann trug Bäckchen ein rührseliges Gedicht vor, in dem sie in poetischen Worten Fee versicherte, daß nun die „goldenen Maientage" vorüber seien und daß Fee nun aus „der frohen Schwestern Schar" grflohen sei, um dem Geliebten im „Daseinskampf" die Sorgen „von der Stirn zu küssen". ES war sehr erhebend. Um keine all- zuernste Stimmung nach diesem Vortrag aufkommen zu lassen, hatte die umsichtige Hosrätin hierauf eine „heitere Rümmer" auf das Programm gesetzt.
Diese heitere Nummer war ein von zwei jungen Damen in niedlichen Bauernkostümen vorqetrageneS scherzhaftes Duett.
Dann kam Lärchen an die Reihe, die dem Brautpaar als „Wahrsagerin" erschien und unerhörtes Glück voraussagte.
So ging eS in bunter Fülle weiter, zuletzt wurden gar lebende Bilder gestellt, denen ein Prolog vorausging, den der Hofrat selbst gedichtet hatte und der großen Beifall errang, weil er wirklich sehr nett und launig war und von einer hübschen, jungen Dame sehr drollig vorgetragen wurde.
Kurzum, die Hofrättn hatte alles in Bewegung gesetzt, um eine glänzende Feier zu veranstalten. Da in dem erstklassigen Hotel, wo die Hochzeit gefeiert wurde, Speisen und Weine ebenso erstklassig waren, herrschte eine sehr fröhliche Stimmung.
Nur das Brautpaar blieb ziemlich ernst und still.
Ais die Tafel aufgehoben war und der Kaffee in den Nebenräumen serviert wurde, räumten dienstbare Geister den großen Saal, damit getanzt werden konnte.
Als die ersten beiden Tänze vorüber waren, trat die Hofrättn unauffällig an Fee heran.
„ES ist Zeit zum Umkleiden, Fee. In dem für dich reservierten Zimmer liegt alles bereit und Deine neue Zofe erwartet Dich".
Fee neigte daS Haupt.
„ES-ist gut, Tante Laura. Hab vielen Dank für all' Deine Mühe — auch für alle«, was Du an mir getan hast", sagte sie leise.
Die Hofrättn zerdrückre eins Träne und tupfte sie mit dem Spitzentuch fort.
„Ich habe alles gern getan, Fee, bist Du doch daS Kind meines einzigen Bruder«. Nun reise mit Gott, mein Kind — und viel Glück auf den Weg! Es ist am besten, Du gehst gleich hier hinten durch die beiden stillen Nebenzimmer, da kommst Du schnell bis zu der Treppe, die nach oben führt, und wirst nicht gesehen. Deinem Mann werde ich sagen, daß Du dich bereit« zurückgezogen hast."
Die Hofrätin hielt auf Dekorum und hatte nichts außer acht gelassen. Fee dankte ihr nochmals und verließ den Saal.
- Forts, folgt.
Dichterltis.
DichteritiS ist eine Krankheit, die zuweilen auch sonst ganz normale Menschen befällt, in jungen Jahren zumal und in Zeiten der Liebe. „Ich dichte selten", hat mal einer gesagt, „aber wenn ich dichte, dichte ich furchtbar!" Dichteritts, lind letzten Endes wird irgendwo einem Redakteur das Leben damit versüßt. Wenn der plaudern und Namen nennen wollte! Aoer er verwahrt die Zuschrift verschwiegen in seinem
erzenSschrein — im Papierkorb.
lieber Einsendungen aller Art an Zeitungsredakttonen audert H. Matthäus in einem Aufsatz, dem wir zur Jllu- catton der hier skizzierten Krankheit diese Probe entnehmen:
„Sehr Gehrde Redacktton l Intern ich mich ihnen mit einem neusten GedichtntS unterbreite, bitte ich sie» dasselbe i die Zeitung hineinzumachen. Mein älterer Bruder ist n FärSmaß bedeiligt. Mein Vader hat mich deswegen ser ;lobt. Ec hat gesagt, daß ich Kopf habe und studieren sol. ietne Müder hat dartber geweirttt, tntem mein Dalend sie ;rihrt hat. Von meinen Angehörigen weis ntemant fon der Aöfendlichung. Intern eS nemlich ein freudiges Familten- eigniS werden sol. Wen sie es nicht htneinmachen, bestelen r ab. HochachiungSfol (folgt Name): ....
rrttp s1i»ki»p tlkkrilcksn D. T.)
Gedanken nnd Sprüche.
Von Rudolf von DeltuS.
Die Aufgabe des großen ManneS: klar sagen, was die Zeit dunkel will. *
DaS leidenschaftliche reine Wollen ist auch schon Glück.