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Rr. 21

Donnerstag den 27. Januar 1921

95. Jahrgang

Ernährungsfragen und Landwirtschaft.

Am 20. Januar fand beim preußischen SlaatSkommissar für VolkSernäyrung unter dem Vorsitz des Reichsmiuisters Dr. Hermes eine Besprechung mit dem Obei Präsidenten über xrnährungswirlschaflliche Fragen statt. Es wurden die Maß­nahmen zur wirksameren Erfassung des Brotgetreides ein­gehend erörtert. Wo Stockungen in der Kohlenbelieferüng von Ueberiandzentralen den Geireidedrusch gefährden, soll der Reichskommissar für die Kohlenverteilung ersucht werden, auf eine genügende und gleichmäßige Belieferung mit allen Mit­teln hinzuwirken. Die Haferumlage bleibt aufrecht erhallen. Die Einsprüche der Kommunalverbände werden unter Be rückstchligung der besonderen Verhältnisse schleunigst und ein­gehend geprüft werden. Besondere Berücksichtigung bei der endgültigen Festsetzung des Ablieferungssolls sollen die kleinen Betriebe und diejenigen Betriebe finden, die auch vor dem Krieg ausschließlich für den eigenen Futterbedarf Hafer an- bauten. Reichsminister Dr. Hermes gab die Erklärung ab, daß der Brolpreis jetzt unter keinen Umständen verändert werden dürfe. Auch erklärte er, daß die Getreidewirtschaft in ihrer jetzigen Form für das künftige Wirtschaftsjahr nicht beibehalten werden würde, daß aber die öffentliche Bewirt­schaftung des Getreides als solche aufrecht zu erhalten sei. In welcher Form eine Umgestaltung statlfinden werde, könne zur Zeit noch nicht angegeben werden, weil die Verhand­lungen noch nicht zum Abschluß gekommen seien. Für die Gestaltung des Getreidepreises im kommenden Wirtschaftsjahr seien von der Index Kommission die erforderlichen Vorarbei­ten getroffen worden. Es fand eine eingehende Aussprache über die Fragen statt, wobei die Bedeutung einer baldigen Bekanntmachung der Mindestpreise für das kommende Wirt­schaftsjahr anerkannt wurde. Weitere Verhandlungen bleiben Vorbehalten, zumal auch die Gestaltung der Landarbeiterlöhne im neuen Wirtschaftsjahr noch nicht feststeht. Es wurde die Frage des Ausbaus des Preisprüfungsstellenwesens nament­lich in den Provinzialinstanzen erörtert. Ferner sprach Oeko- nomierat Kaiser vom Reichsaüsschuß der deutschen Landwirt­schaft über die Tätigkeit der Ausschüsse für Vieh - u. Fleisch­verkehr und deren Einwirkung auf die Preisgestaltung. Weiterhin wurde die Deputmsfrage erörtert, die mit Rücksicht auf die Erfassung von Getreide und Milch von besonderer Bedeutung ist. Endlich wurde auch über Vlehverichicbung und die dagegen anyewandien Maßnahmen gesprochen. Es ist beabsichtigt, ähnliche Besprechungen mit dem Oberpräsi­denten in Zukunft regelmäßig abzuhalten.

Tages-Neuigkeiten.

Der Staatsgerichtshof in Leipzig.

Berlin, 26. Jan. Der Ausschuß des Reichstags für Vor­bereitung des Gesetzes über den Slaatsgerichtshof hat in 2. Lesung beschlossen, daß der Staatsgerichtshof nicht beim Reichsverwaltungsgericht, sondern beim Reichsgericht zu bilden ist.

Die Kriegsbeschädigtenfrage im Reichstagsausschnß.

Berlin, 26. Jan. In der Sitzung des Reichstagsaus­schusses für die Kriegsbeschädigtenfrage erklärten Regierungs- Vertreter, die Regierung habe verschiedene Maßnahmen in Aussicht genommen, um namentlich die Schwerbeschädigten besser zu stellen. Das Ruhegeld soll um etwa 2000 her- aufgesetzt und auch die Elternrente erhöht werden. Für die für die Kinder der Kriegsbeschädigten seien bereits 100 Millionen Mark genehmigt. Die Teuerungszulagen tollen einer Revision unterzogen und Härten sollen ausge­glichen werden.

meupoien gegen Altpolen.

^^Erlin, 26. Januar. Die Warschauer ZeitungGo bestätigt, daß schwere Mißhelftgkeiten zwis wie den Kongreßpolen bestehen und

dofener Bevölkerung besonders über die Bc » ""öpolen erbittert ist. Auch das Verhc ?K/»»?n°.^^"Z?^Ächer Offiziere rufe allgemeine i r^itunu"^w-tt>-k warschauer Berichterstatter der1

!koi->wn meisten zur Entfremdung der

preußischen Teilgebiets die allzu e Äe? N>-n»d°le"s bergetragen habe im Sinne des Grr satzes. Wenn es lm übrigen Polen bös auSkiebt und schreck rche Teerung herrscht, so mag es auch in der früh

Tine neue drohende Katastrophe für die russischen Bah

dnL 26- 9°"- Die MoskauerJswestija" berick

kawlt,^ Schwellenmangel für die sowjetrussischen Bahnen Malte. Für das Jahr 1920 waren anaesckaff7^"s"^L ^ konnten aber bloß etwa ,o»/° dc aber den* FAen von neuen Schwellen nn

nächster 9o? ^?^dhr unsicher, da die alten Schwelle-

oleii in«»« mehr halten werden, was leicht Zuo

Jahce/wtrd w haben kann. Bis zum Mar ^

kn nö,r7 unumgänglich mindestens 24 Mill. Sch Von wo man diele erhalten soll augenschemltch ein Rätsel", klagt das bolschewistische B

Am unsere Kolnien.

Leipzig, 26. Jan. Zu einer großen Kundgebung für die Wiedererlangung deutscher Kolonien kam es hier anläßlich eines vom früheren Gouverneur von Deutsch Ostafrika, Dr. Schnee, gehaltenen Vortrage. Eine von dem Geh. Hofrat Professor Dr. Hans Meyer eingebrachte Entschließung, daß Deutschland in seiner heutigen Lage mehr denn je eigene Kolonien brauche, fand begeisterte Annahme.

Ein Schieberinternierungslager.

EinSchieberinternierungslager", in dem die des Wu­chers, der Preistreiberei, des geschäftsmäßigenSchiebens" usw. übersührten Ausländer (Russen, Polen, Galizier) gesam­melt werden, wird in Stargard in Pommern eingerichtet. Zunächst werden 3000 solcher Parasiten im ehemaligen Rus­senlager interniert, um dann ins Ausland abgeschoben zu werden.

Am die Nachfolge Frauendorfers.

München, 26. Jan. Der Leiter der bayrischen Zweig­stelle der Reichsoerkebrsverwaltung und frühere Verkehrs­minister v Frauendorfer, der am 1 Februar in den Ruhe­stand zu treten beabsichtigte, wird auf dringenden Wunsch der maßgebenden Stellen vorläufig noch im Amte bleiben. Frauendorfer wird wenigstens so lange auf seinem Posten ausharren, bis die Frage der Nachfolge, die durch unglaub­lich plumpe Preßtreibereien zu einem parteipolitischen Beute- streit zu werden droht, eine der Sache entsprechende Lösung gefunden hat.

Die Kommunisten und die Rote Armee.

DieRote Fahne", die durch ein gefälschtes Dokument die Nachricht von dem angeblichen militärischen Aufmal schplane derKonterrevolution" verbreitet hatte, sieht sich in die un­angenehme Lage versetzt, daß ihre Veileumdungtzwaffe dies­mal stumpf geworden ist, bevor sie dieselbe so recht gebrau­chen konnte. Selbst die sozialistischen Blätter halten das von derRoten Fahne" veröffentlichte Dokument für eine Fälschung. Die Nachrichten des Wolffbüros -über die kommunistische Mt- lilärorganisation im Westen Deutschlands sind derRoten Fahne" natürlich sehr unangenehm. Sie weiß keinen ande­ren Ausweg, als Vogel Strauß Politik zu treiben., Für sie existiert die Rote Fahne einfach nicht. Dabei erklärt das kom­munistische Blatt ganz freimütig:Daß wir Kommunisten die Räterepublik erkämpfen wollen, und daß wir nicht glau­ben, mit dem Stimmzettel die bewaffnete Bourgeoisie über den Haufen zu werfen: um das auszumitteln, braucht Herr von.Seckt keinen Finger zu krümmen " Die Absicht des kom­munistischen Umsturzes gibt dieRote Fahne" also unum­wunden zu; sie bestreitet jedoch, daß die Kommunistische Par­tei konkrete Vorbereitungen getroffen habe, diese Absicht zu verwirklichen. Wenn die Regierung von der Arbeiterschaft gestürzt werden würde, so werde das imoffenen Kampfe" statt­finden. Die Rote Armee werde dann so öffentlich ousrnar- schieren, daß General Scckt sieohne Brille" werde sehen tönnen. Sie werde sich dann die Waffenlager der Konter­revolution aneignen. Die Zeit zu einer bewaffneten Gesamt­aktion des Proletariats sei noch nicht gekommen. Akten, Bü­ros und Spitzelaussagen seien von General Seckt in Hülle und Fülle ans Tageslicht gebracht worden, aber das Wesent­liche : die Soldaten der Roten Fahne und ihre Waffen habe man nicht entdeckt, weil sie eben nicht vorhanden seien. In dieser Weise drückt sich dieRote Fahne" um die ihr äußerst unliebsamen Enthüllungen.

Warum die Marneschlacht verloren ging.

Oberst Fagalde von der französischen Gesandtschaft in London teilte in einem Vortrag über die Marneschlacht mit, daß den Franzosen in der Nacht vom 1. zum 2. Sepi. 1914 das Portefeuille eines deutschen Stabsoffiziers von der 5. Kaoalle- riedioision in die Hände gefallen sei. Der Offizier war von einer französischen Patrouille überfallen worden. In dem Portefeuille fand sich der Plan, der sämtliche Einzelheiten über den Aufmarsch enthielt, der am nächsten Tag von der deutschen Armee unter Kluck durchgeführt werden sollte. Die Einteilung der Kolonnen war darin angegeben, mit den Zei­ten des Abmarsches und der Ankunft in ihren Bestimmungs­orten, das wichtigste aber war: Klucks Pläne wurden dadurch .enthüllt, daß er, anstatt durch das Oisetal zu marschieren, weiter auf Paris marsckieren wollte. Diese Entdeckung ver­anlaßt die Aktion des Generals Galliern, der unerwartet eine Armee gegen die Flanke des Kluckheeres aufmarschieren ließ, was den entscheidenden Sieg an der Marne u. den Rückzug der Deutschen bis zur Aisne zur Folge hatte.

Die Wichtigkeit der Pariser Konferenz.

London, 26. Jan. Die Blätter geben übereinstimmend der Ansicht Ausdruck, daß die Pariser Konferenz die wichtigste sei seit der Versailler Friedenskonferenz.Daily Expreß" schreibt, es werde auf der Pariser Konferenz ein letzter Ver­such gemacht werden, die zum Wiederaufbau der Welt nöti­gen Probleme zu lösen.Daily Chronicle" sagt, das Schick­sal der Entente und damit auch das Schicksal Europas hänge vom Ergebnis der Konferenz ab. Der Berichterstatter des Reuterschen Bureaus meldet, sowohl die Engländer als auch die Franzosen gingen zu der Konferenz, entschlossen eine alle Teile befriedigende Lösung zu finden. Man halte es für zweifel­

haft, ob die Verhandlungen in weniger als einer Woche be­endet werden könnten. Eine der dringendsten Angelegenheiten sei die Frage, wie Oesterreich geholfen werden könne. In der Frage der Entwaffnung Deutschlands erwarte man kei­nerlei wirklichen Schwierigkeiten zur Erzielung eine Lösung. Die wichtigste Frage sei die der Festsetzung der Gesamtschuld Deutschlands. Man wolle nicht nur wissen, was Deutschland leisten könne, sondern auch wie viel deutsche Waren man aufnehmen könne, ohne den eigenen industriellen Interessen Schaden zuzusügen. Lloyd George gehe, obwohl er die Schwierigkeiten der zu lösenden Fragen gut kenne, hoffnungs­voll auf die Konferenz. Frankreich und Großbritannien ver­ständen einander jetzt genauer Es herrsche eine neue At­mosphäre. Lloyd George empfinde, daß er in Briand einen alten Freund treffe. Er sei überzeugt, daß die Erörterungen der letzten Tage zur Erledigung zahlreicher schwieriger Fra­gen führen würden, die seil langem der Lösung harren.

Konferenz des Internationalen Roten Kreuzes.

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat nach Riga eine Konferenz einberufen, an der ein Vertreter des Völkerbunds und Delegierte der Regierungen und Roten Kreuz­vereine verschiedener Länder teilnehmen werden. Die Konfe­renz wird in erster Linie über die Heimschaffung der noch in Rußland gefangenen Angehörigen der Militärmächte beraten, die Maßnahmen zur Typhusbekämpfung prüfen und die Auf­gaben der Kinderhilfe im Baliikum und in Rußland erör­tern. Weitere Beratungen gelten dem Kampf gegen die Epi­demien in Rußland.

Aus dem Ruhrrevier.

Essen. 26 Jan. Die Verhandlungen zwischen dem Zechenverband und den Organisationen der technischen Gru­benangestellten über eine Neuregelung der Gehaltsverhältniffe der technischen Grubenangestellicn. die sich mit den zunächst bewilligten GehaltSei Höhungen nicht zufrieden erklärt hatten, haben endlich zu einer Einigung geführt.

Reichsgründungsfeier.

Frankfurt a. M.. 26. Jan. Am 50 jährigen Gedenktag der Reichsgründung sah man hier zwar keine Fahnen wehen, aber in allen großen Sälen und in der Paulskirche fanden Veranstaltungen politischer, kirchlicher und anderer Körper­schaften statt und verliefen unter gewaltigem Andrang sämt­lich würdevoll und ohne Störung. Auch die Hochschule ver­anstaltete vormittags eine Feier mit dem üblichen akademischen Gepräge, und am Abend hielten die schlagenden Verbin­dungen mit ihren Altherrenvereinigungen einen Reichsgrün­dungskommers bei zündenden Reden und einer Beteiligung von über tausend alten und jungen Studenten im Palmen­parten. Dabei gab eS einen kleinen, aber bezeichnenden Zwischenfall. Der Festausschuß hatte an die vorher ange­meldeten Teilnehmer die Festordnung mit den zu singenden Liedern verschickt. Einige dieser Festordnungen kamen auch ins benachbarte, aber von den Franzosen besetzte Höchst, und deren Zensurbehörde las mit Entsetzen, daß unter anderem auch das Lied von E. M. Arndt gesungen werden sollte: Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte, drum gab er Säbel, Schwert und Spieß dem Mann in seine Rechte." Das paßte schon nicht zum Frieden von Versailles, der die Entwaffnung Deutschlands verlangt. Aber eS kam ja noch toller. In der vorletzten Strophe stand:Wir wollen heute Mann für Mann, mit Blut das Eisen röten. Mit Henkersblut, Franzosenblut o süßer Tag der Rachel" Rasch entschlossen nahm der französische Zensor die Schere und schnitt aus den nach Höchst gelangten Festordnungen den gefährlichenSchlachtruf" heraus, der dann aber im Palmen­garten mit umso größer Begeisterung von den alten und jungen Studenten gesungen wurde.

Der Kabknettswechsel in Spanien.

Paris, 26. Jan. Nach einer Blättermeldung aus Madrid ist die Rede davon, dem Präsidenten der Deputiertenkammer, Sanche Guerra, die Bildung des neuen Kabinetts anzuver­trauen.

Die amerikanischen Milchkühe unterwegs.

Bremen, 26. Jan. Der Dampfer.West-Arrow" mit dem ersten Transport amerikanischer Milchkühe hat am 20. Jan. Norfolk verlassen, um direkt nach Bremen zu fahren. Der Dampfer wird voraussichtlich am 4. Februar in Bremerhaven eintreffen. Dem Vernehmen nach haben einige junge ameri­kanische Farmer und Studenten sich freiwillig zur Verfügung gestellt, um den Transport zu begleiten, für gute Pflege und Behandlung der Tiere zu sorgen und nach Möglichkeit eine gnte Ueberfahrt des Transports zu gewährleisten.

Kerenski und Bernstein.

Berlin, 26. Jan. DerVorwärts" erhält von dem ehe­maligen Ministerpräsidenten der ersten allrussischen Republik Alexander Kerenski ein Telegramm, in dem dieser die Dar­legung Eduard Bernsteins über die Beziehungen zu den Bolschewisten und dem kaiserlich deutschen Stab begrüßt und sich bereit erklärt, bei einer unparteiischen Untersuchung der Angelegenheit vor Gericht auszusagen. Er schlägt vor, dieser Untersuchung internationalen Charakter zu geben. Gleich­zeitig veröffentlicht derVorwärts" eine Erklärung Bernsteins in der dieser sagt, daß die Behauptung, seine Angaben über