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eines Tages die Deutschen optieren würden. Aber es wäre ein gewaltiger Irrtum zu mei- nen, daß uns unsere Stellung als ,, Land der Mitte" gewissermaßen eine Möglichkeit bie- ten würde, schon bald wieder aktive Außen- politik zu treiben oder gar Forderungen zu stellen. Auch die Träume von einer Remili- tarisierung Deutschlands sind gefährlich. Es heißt einer zugegebenermaßen vielleicht ein- mal möglichen Entwicklung weit und unklug vorauszueilen, sich einzubilden, der Westen brauche uns. Die Politik Westeuropas ist dem

für ihn so furchtbaren und noch immer un-

heimlichen Gegner von gestern gegenüber noch keineswegs darauf gerichtet, ihn gleich- berechtigt in den westeuropäischen Raum einzugliedern. Es wäre ganz von unserer Seite aus verfehlt, die jetzt eingeleiteten Atlantik- paktverhandlungen unter einem anderen po- litischen Aspekt sehen zu wollen, als dem, daß es allein darum geht, die westeuropäischen Länder vor einem möglichen Angriff zu si- chern und Frankreich auch dann ein Gefühl

der Sicherheit zu geben, wenn Amerika seine Besatzungstruppen einmal aus Deutschland zurückzöge. Die Ueberlegung, ob wir morgen einmal in einem gefestigten Westeuropa Part- ner sein werden, ist heute noch Spekulation, und damit Politik zu machen, wäre gefährlich. Vorerst handelt es sich ausschließlich darum, die militärische Schwäche Europas, deren Ur- sache die Uneinigkeit des Westens ist, zu be- seitigen. Je schneller aber durch den Atlantik- pakt, der wahrscheinlich die Form eines Al- lianzvertrages in Verbindung mit von den Vereinigten Staaten zu gewährenden Militär- krediten haben wird, die Sicherheit Westeuro- pas garantiert ist, desto rascher und einfacher läßt sich allerdings auch das Grundproblem Europas, das deutsch- französische Verhältnis, regeln. In der erwähnten Denkschrift der eng- lischen Arbeiterpartei ist das so formuliert: ,, Deutschland wird so lange zu einer Beherr- schung Westeuropas neigen, wie Westeuropa gespalten ist. Aber 45 Millionen Deutsche würden in einer Westunion, die sich von Ir- land bis Sizilien erstreckt und 260 Millionen Europäer vereint, nur eine geringe Gefahr bil- den." Insofern ist also unser Interesse an den Atlantikpakt- Verhandlungen gegeben und na-

türlich

,, Kostspielige Zweigleisigkeit" BADEN- BADEN. Der südbadische Staats- präsident Wohleb hat in einem Presseinter- view gegen die Abstimmung im Hauptaus- schuß des Parlamentarischen Rates, nach der die Finanzhoheit den Bundesorganen übertra- gen werden soll, Stellung genommen. Er erin- nerte daran, daß nach dem ersten Weltkrieg Erzberger nur unter schweren Bedenken und im Hinblick auf die Bestimmungen des Ver- sailler Vertrages eine Reichsfinanzverwaltung eingerichtet habe. Heute bestünde keinerlei Zwang mehr, etwas ähnliches zu schaffen. Eine Bundesfinanzverwaltung neben den Finanz- verwaltungen der Länder könne nur als eine kostspielige Zweigleisigkeit angesehe werden. Sie würde die Länder zu Fürsorgeempfängern des Bundes machen und einem gesunden föde- ralistischen Aufbau entgegenstehen. Die badi- sche Landesregierung habe sich genau so wie die bayerische von Anfang an für eine Fi- nanzverwaltung durch die Länder eingesetzt. Kein vernünftiger Mensch könne einsenen, weshalb es nicht möglich sein solle, die Ein- nahmen des Bundes, soweit sie sich aus un- mittelbaren Steuererträgen zusammensetzten, über die Länder zu beschaffen. Wenn es bei der Abstimmung des Hauptausschusses bleibe, so könne Baden einem durch diesen Beschluß gekennzeichneten Grundgesetz weder mit dem Verstand noch mit dem Herzen zustimmen.

NEW YORK. Henry Wallace, der Vorsitzende der amerikanischen Fortschrittspartei, richtete an Präsident Truman ein Schreiben, in dem er versicherte ,,, er würde sich jeglicher Oppositions- tätigkeit gegen die Regierung enthalten, wenn der Präsident zu seinen vor der Wahl gegebenen Versprechungen stehe Aufrechterhaltung des Friedens und Ausarbeitung eines neuen Sozial- programms.) Präsident Truman soll auf das Schreiben seines ehemaligen Handelsministers und Mitkandidaten bei den Präsidentschaftswah- len nicht geantwortet haben.

Bemerkungen

zu Lessings ,, Minna von Barnhelm" Von Friedrich Sengle

Am Samstag, 11. Dezember, findet die Tübin- ger Erstaufführung statt. Anschließend wird das Lustspiel in vielen südwürttembergischen Städten gespielt werden.

Ein französischer Kritiker Deutschlands hat einmal die ,, Diskontinuität als den hervorste- chendsten Wesenszug unseres Volkes angespro- chen, und man war oft in Versuchung ihm bei- zustimmen, wenn man in den letzten Jahren beobachtete, wie Atheismus in Pietismus, Grö- Benwahn in Kleinmütigkeit und Diktatur in Anar- chie umschlug, wie der Philosophenkönig von Sanssouci und der Staatsmann des Berliner Kon- gresses von Deutschen geschmäht und einem Massendiktator unseres unseligen Jahrhunderts gleichgestellt wurden, wie man selbst im kon- servativen Tübingen versuchte, nationale Mei- sterwerke vom Range eines Egmont" oder der Minna von Barnhelm" durch flüchtige Neben- produkte wie ,, Clavigo" und Freigeist" zu er- setzen. Die Aufführung von Lessings großem Lustspiel verbindet uns wieder mit einem Werk, das wir, solange wir noch eine Kulturnation sind, ganz einfach nicht entbehren können. Aber alles kommt darauf an, daß diese Anknüpfung in der richtigen Weise vorgenommen werde, nachdem ,, Minna von Barnhelm" in Schule und Publizistik oft ganz falschen ideologischen Ab- stempelungen unterworfen worden ist.

SCHWABISCHES TAGBLATI

Eine Frau will China retten

Tschiangkaischeks Gattin greift ein

Gartengesellschaft 1943 in Tschungking zu Ehren von Wendell Willkie, der den chinesi- schen Generalissimus Tschiangkaischek be- sucht. Die Lage an der Front ist schlecht. Die Japaner sind im Vormarsch. Nach dem Essen zupft die Gattin des chinesischen Staatschefs, Frau Soong- May- Ling den Gast aus den USA am Aermel und führt ihn in den Teesalon, wo bereits zwei chinesische Damen warten. Es sind die Schwestern von Madame Tschiangkai- schek. Man setzt sich, der Finanzminister Chinas kommt hinzu. Soong- May- Ling, klein, mit schwarzer, glänzender Ponyfrisur, dabei zart und gertenschlank, bringt nun im engsten Familienkreis vor, Mister Willkie, damals Prä- sidentschaftskandidat, habe sie zu einer Werbe- reise für China nach den USA eingeladen. Wie weit das Projekt dieser Fahrt, die in der ganzen Welt eine Sensatsion darstellt, vorher besprochen wurde, hat Wendell Willkie später im ,, Look" nicht angedeutet.

Die Gattin des Mannes, der gegen Japan sich in die große Politik ein, sie flog nach den einen verzweifelten Kampf führte, schaltete USA und wurde von Präsident Roosevelt emp- fangen, dabei 173 Journalisten vorgestellt, de- nen sie 123 Interviews gab. Sie nahm an 40 Diners teil, auf denen sie jeweils in vollen- detem Englisch eine Ansprache hielt, lehnte ein Filmengagement für Hollywood ab, mußte für kurze Zeit erschöpft eine Klinik auf- suchen, wurde dann wieder von Zehntausen- den stürmisch gefeiert. Roosevelt wies ihr als Wohnsitz das Gästehaus der Regierung zu. Als sie abreiste, schied eine ebenso charmante, wie kluge Gesandtin ihres Landes. Amerika sprach lange von ihr.

Wer ist diese Frau, die heute wieder für ihr Land nach den USA geflogen ist? Wieder, wie damals, um Hilfe für ihren Gatten wirbt? Soong- May- Ling ist die Tochter eines christ- lichen Kaufmannes aus Shanghai. Sie mag heute gut 40 Jahre alt sein. Drei Töchter hatte der ehrbare Kaufmann, von denen Soong- May- Ling die jüngste ist. Nichts wies auf ihre außergewöhnliche Karriere hin, bis die älte- ste Schwester Soong- Tsching- Ling den Dr. Sun- Yat- Tsen heiratete, dessen langjährige Sekretärin sie gewesen war. Dieser Mann, den das heutige China nicht weniger als den Mei- ster Konfuzius ehrt, gilt als der Vater der chi- nesischen Republik. Sie ging mit ihm ins Exil nach Japan, nahm an allen Verschwörungen, Bürgerkriegen und Besprechungen teil. Durch

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3. Dezember 1948

Englisch. Diese Frau fühlt sich auf dem Par- kett der diplomatischen Empfänge nicht min- der wohl wie bei einer Plauderstunde im in- timen Kreis. Trug sie am Vorabend die ele- am nächsten Morgen in der Staatskanzlei oder im Flugzeug Stenogramme diktieren.

Als Marschall Tschiangkaischek im Dezem- ber 1936 in Siam durch eine Verschwörercli- que festgesetzt wird und sein Leben in Gefahr ist, wagt seine Gattin den gefahrvollen Flug zu ihm und es gelingt ihr, durch Umsicht und diplomatische Klugheit, ihren Mann aus den Händen der Aufrührer zu befreien. ,, Ich wäre unter allen Umständen bereit", so äußerte sie bei dieser Gelegenheit, ,, mich selbst aufzu- opfern, wenn der Nation hieraus der geringste Vorteil erwüchse!" So spricht nicht nur eine Diplomatin, sondern ein Mensch großen For- mats. Scanlit( Stockholm)

sie kamen auch ihre beiden Schwestern in Be- gantesten Kleider aus Paris, so sieht man sie rührung mit chinesischen Politikern. Die drei Geschwister vollkommen euro- päisch erzogen machten ihre Heiraten mit dem kühlen Verstand amerikanischer Dollar- prinzessinnen, ohne dabei das geringste Ver- mögen zu besitzen, 1927 heiratete Soong- May- Ling, etwa 21jährig, den Heerführer Tschiang- kaischek, einen rasch arrivierten 40jährigen Politiker aus der Provinz Chekiang. Und es dauert nur kurze Zeit, bis die dritte Schwe- ster Soong- Ai- Ling die Gattin des Finanz- ministers H. H. Kung wird, dessen Fähigkei- ten in Wirtschaftsfragen ihn recht bald zur rechten Hand seines nunmehrigen Schwagers Tschiangkaischek machten. Zwar starb Dr. Sun- Yat- Sen bald. Seine Witwe lebte einige Jahre in Rußland und in Deutschland, bis sie nach Schanghai zurückkehrte, wo sie ein äußerlich zurückgezogenes Dasein zu führen scheint.

Soong- May- Ling wuchs mehr und mehr ne- ben ihrem Gatten Tschiangkaischek empor. tung oder Szechuan noch junge Mädchen als Während man auf den Märkten von Schan- Frauen noch mit verstümmelten Füßchen da- Dienerinnen verkaufte, in Zentralchina die hertrippelten, verfaßte Madame Tschiangkai- schek für ihren Mann fast sämtliche diploma- tische Noten, hielt ihre Schwester die schma- len Hände fest auf den Geldbeutel des uner- meßlichen Reiches.

diplomatischen Empfängen. Sie wird das erste Man sieht Soong- May- Ling auf fast allen weibliche Mitglied des gesetzgebenden Yuan und... die erste Journalistin Chinas, die der Weltpresse hervorragende Arbeiten über ihr Land, seine Kunst und seine Menschen zur Verfügung stellt. Bei großen Truppenrevuen erscheint sie neben ihrem Gemahl zu Pferde und gilt als erstklassige Reiterin. Ihr Heim ist ein wahres Dorado für Kunstkenner, hat sie doch aus allen Teilen des Landes die kost- barsten Kunstgegenstände gesammelt und da- mit oft vor der Vernichtung bewahrt. Soong- May- Ling hat

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bestätigen wie alle Diplomaten nicht das geringste mit jenen Mannweibern zu tun, bei denen die Klugheit und die Tatkraft auf Kosten des weiblichen Charmes zu gehen pflegen. Sie ist keine chine- sische Anna Pauker. Als Soong- May- Ling vor dem amerikanischen Kongreß eine lange An- sprache an die Abgeordneten hielt, glaubte man, einer amerikanischen Dichterin zuzuhö- ren, so bildhaft war ihre Rede, so vollendet ihr

Nachrichten aus aller Welt

MÜNCHEN. Der bayerische Exsonderminister Alfred Loritz wurde am Dienstag wegen Ent- weichens aus der Haft zu drei Monaten Gefäng- nis verurteilt. In allen anderen Anklagepunkten und andere Wirtschaftsgesetze sowie Meineids- Verstoß gegen die Kriegswirtschaftsverordnung verleitung erkannte das Gericht auf Frei-

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spruch.

FRANKFURT. Dr. Schlange- Schöningen ist auf Einladung des britischen Außenministeriums am Montag zu Besprechungen über die deutsche Er- nährungslage nach London abgereist.

kasse von Düsseldorf- Oberkassel wurde der Kas- DÜSSELDORF. In einer Zweigstelle der Spar- sier erschossen und die Leiche im Tresorraum eingeschlossen. Den Tätern, die unerkannt ent- kamen, fielen insgesamt 53 000 DM in die Hände. LONDON. Am Dienstag begann unter der Schirmherrschaft der Labour Party eine inter- nationale Konferenz, die sich mit dem Problem der Verstaatlichung der Wirtschaft befaßt. An tanniens, Frankreichs, Belgiens, Hollands, Nor- ihr nehmen die sozialistischen Parteien Großbri- wegens, Schwedens und Dänemarks teil. Die Tagung findet unter Ausschluß der Oeffentlich- keit statt.

LONDON. Der Unterstaatssekretär im Foreign Office, C. W. Mayhew, erklärte am Montag, die bulgarischen Landstreitkräfte beliefen sich nach vorliegenden Schätzungen auf 87 000 Mann, wäh- zugebilligt seien. Auch die Luftstreitkräfte seien rend Bulgarien im Friedensvertrag nur 56 000 entgegen den Friedensbestimmungen auf 180 Ma- schinen verdoppelt worden. Doch nur wenn die Sowjetunion zur Mitarbeit bereit sei, könne Bul- garien zur Einhaltung der Friedensbedingungen gezwungen werden. LONDON. Wie der Daily Herald" berichtet,

trug, das Stück zur Aufführung freizugeben; zu- nächst wurde sie in aller Form verboten. Bedenken erregte auch die Figur des lächerli- chen Franzosen Riccaut de la Marliniere. Die deutsche Kritik beanstandete sie häufig, in Wien und Frankfurt ließ man sie kurzerhand weg und selbst das fridericianische Berlin gab zeitenweise der Pariser Bearbeitung den Vorzug, denn in zosen großen Einfluß. Alles in allem war ,, Minna Friedrichs Staat und Akademie hatten die Fran- dernes und gar nicht den herrschenden Klischee- von Barnhelm" ein unbequemes, gefährlich mo- Idealen entsprechendes, ein adelig- eigensinniges Stück

genau wie ,, Nathan der Weise". aber um so lautere Soldatenstücke und Preußen- Das kühne Lustspiel wurde bald durch brave dramen zeitgemäß überboten, doch ,, Minna von Barnhelm selbst gehört nicht in ihre Reihe. Man würde sagen, sie sei wie Nathan der Weise" ein humanes Drama, wenn man diesen Begriff von aller gedanklichen und seelischen Blässe befreien könnte. Wer Lessing und sein Lustspiel wirklich kennt, wird nicht mit Scho- penhauer sagen, es triefe von Edelmut und sei angelegenheiten entsprach dem Lebensstil Les- daher unwahr. Großzügiges Verhalten in Geld- sings und seiner adeligen Freunde. Man kennt sogar den preußischen Major, der wie Tellheim die einzutreibende Kontributionssumme aus ei- genen Mitteln ergänzte, um sich im besiegten Sachsen nicht der schärfsten, rigoureusesten Mittel" bedienen zu müssen, wie es König Fried- rich für den Notfall angeordnet hatte. Der Edel- mut Tellheims, wie er sich durch das ganze Als Minna von Barnhelm oder das Soldaten- Stück hindurch fast aufdringlich zeigt, ist echt; glück" im Jahre 1767 erschien, war man in Ber- deshalb darf das Stück bis an die Grenze der lin keineswegs entzückt. Es war schon an und Tragödie geführt werden. Letzten Endes aber für sich höchst bedenklich, einen preußischen wird dieser adelige Stolz nicht glorifiziert. Les- Stabsoffizier zur Lustspielfigur zu machen und sing schuf keine wuchtige Tragödie ,, Major von nun gar noch einen entlassenen Offizier, da man Tellheim", sondern das lichte Lustspiel ,, Minna ohnehin schon genug Klagen darüber hörte, daß der von Barnhelm". Den Sieg des Menschlichen ver- sparsame Preußenkönig nach dem Siebenjährigen bürgte wie später in Goethes Iphigenie" die Kriege so viele verdiente Soldaten auf die Frau, und es ist gewiß kein Zufall, daß diese Straße gesetzt hatte. Sogar Lessings altbewähr- überlegene Frau eine heitere und kluge Sächsin ter Bundesgenosse, der Berliner Verleger Nico- war. Der Sachse Lessing griff, ohne lokalpatrio- lai, bedauerte die vielen Stiche auf die Regie- tisch oder schulmeisterlich zu werden, auf die rung, die er in dem Drama fand, und hätte sie feine, am Vorbild Frankreichs gewachsene Kul- gerne beseitigt gesehen; Lessing mochte sich bei tur Sachsens zurück, um dem preußischen Sol- derartigen Klagen daran erinnern, daß man ihn datentum ein Gegengewicht zu geben und es mit in Berlin stets als einen Erzsachsen und in Leip- leichter Hand zu korrigieren, urbaner zu ma- zig als einen Erzpreußen betrachtet hatte. Mit chen, dem alten Fritz war so wenig zu spassen, daß ohne es freilich in seinem sittlichen Kern man sogar im freien Hamburg lange Bedenken Die künstlerische Synthese, die über die Ver-

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zu vernichten.

arbeiten britische Ingenieure augenblicklich an der Herstellung eines Düsenautos, dessen Ge- schwindigkeit weitaus größer, dessen Betriebs- kosten geringer und dessen Handhabung einfa- Explosionsmotor. cher sein soll als die eines Kraftwagens mit

BERN. Der Schweizer Bundesrat hat am Mon- tag beschlossen, das Waffenausfuhrverbot bis Ende März 1949 zu verlängern.

ROM. In Crasciana, 50 km nördlich des Li- vorno, sind Wölfe gesichtet worden. 20 Schafe wurden von ihnen zerrissen.

Nyarady hat seinen Rücktritt erklärt und sich in BUDAPEST. Der ungarische Finanzminister die Schweiz begeben. Er weigert sich, nach Un-

garn zurückzukehren.

NEW YORK. Der Apothekerverband von New Jersey sandte Prinzessin Elisabeth anläßlich der Geburt des britischen Thronerben ein goldenes Fieberthermometer mit goldenem Behälter.

NEW YORK. Am Montag legten 2000 Barmän- und erzwangen so in mehr als 700 Gaststätten ner, die der AFL angehören, ihre Arbeit nieder eine Art Prohibition.

Zehn Jahre Zwangsarbeit für Amann

MÜNCHEN. Der ehemalige ,, Reichsleiter für die Presse und Präsident der Reichspresse- kammer" Max Amann wurde am Montag Gruppe der Hauptschuldigen eingestuft und zu von der Spruchkammer I in München in die verurteilt. Zwei Jahre Internierungshaft wer- der Höchststrafe von zehn Jahren Arbeitslager den ihm angerechnet, sein Vermögen wird bis auf 5000 DM eingezogen. Weiter darf er auf Lebenszeit kein öffentliches Amt mehr beklei- den. Der Generalkläger, Staatsanwalt Herff, bezeichnete Amann als den ,, brutalsten und richtiger Kommißbursche gewesen und es sei raffgierigsten Mann der Nazizeit". Er sei ein bedauerlich daß keine gesetzliche Handhabe vorhanden sei, um ihn auf Lebenszeit hinter Schloß und Riegel zu setzen.

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Dieses Urteil wird von der deutschen Oef- fentlichkeit, insbesondere aber von der deut- schen Presse, mit Genugtuung aufgenommen werden. Amann, der ehemalige Feldwebel des Gefreiten Adolf Hitler, war schon in seiner äußeren Erscheinung der Prototyp des leute- schinderischen Kommißbullen, der in seinem Vorgehen gegenüber Verhandlungspartnern und vollends gegen Untergebene keine Hem- mungen kannte. Die unter dem Naziregime übliche Personalunion zwischen großkapitali- stischem Unternehmertum und staatlicher Exe- kutive nützte er in schamloser Weise aus. Als

Generaldirektor des Zentralverlages der NS- DAP war er gleichzeitig Chef der Reichspresse- kammer. In dieser Eigenschaft konnte er recht- lich bindende Verordnungen für die Gestal- tung des gesamten deutschen Pressewesens herausgeben und die nationalsozialistische Pressegesetzgebung wesentlich beeinflussen. fremden Besitzer aus den Zeitungsverlagen Ein Gesetz, das die anonymen und berufs- ausschalten sollte, diente ihm nur dazu, um ein Monopol der NS- Presse zu errichten und deren Anteil an der gesamtdeutschen Zeitungs- auflage von 2 Prozent auf 82 Prozent zu stei- gern. Kaum hatte er ein neues Unternehmen geschluckt, so ging er, als Pressechef einer an- geblichen Arbeiterpartei daran, nach rein ka- pitalistischen Gesichtspunkten zu verfahren. die Konkurrenz auszuschalten, diktierte er In demselben Grade, in dem es ihm gelang, seine Bedingungen. Nach Uebernahme der ,, Berliner Illustrirten" z. B. wurde das Hono- ein Viertel der bisherigen Höhe gekürzt. rar für den Roman dieser Wochenschrift auf Amann war der Totengräber der deutschen Presse, der zur Knebelung der öffentlichen Meinung nicht weniger beigetragenn hat als der Propagandaminister des Dritten Reiches selbst.

Herausgeber und Chefredakteure: W. H. Hebsacker. Dr. Ernst Müller und Alfred Schwenger

WASHINGTON. Der argentinische Außenmini- ster Bramuglia, der von Präsident Truman zu einem Besuch in Washington eingeladen worden ist, ist am Dienstag nach den USA abgeflogen. Mitglieder der Redaktion: Gudrun Boden, Dr. Wil- Er wird Unterredungen mit Marshall und Tru- man haben.

HONOLULU. Ein amerikanisches viermotoriges Flugzeug mit 37 Personen an Bord mußte etwa 550 km von der Johnson- Insel der Hawai- Grup- pe entfernt eine Notwasserung vornehmen. Der amerikanische Flugzeugträger ,, Rendova" rettete am Dienstag 33 Ueberlebende. Ein Suchflugzeug der Marine hatte sie auf Schlauchbooten entdeckt.

einigung von preußischer Männlichkeit und säch- sischer Urbanität hinaus in ,, Minna von Barn- helm" geleistet wurde, kann hier nur kurz an- gedeutet werden. Lessings Meisterlustspiel steht in sächsischer Tradition, aber es ist über die alte sächsische Komödie, in der die Pietisterei", der geschäftige Müßiggang, die falsche Gelehr- samkeit und Freigeisterei oder sonst ein Spleen und menschliche Größe seines Schöpfers weit korrigiert wurde, durch die totalere Weltschau Schemen, wie noch Lessings Jugendlustspiele, hinausgewachsen. Es bringt keine abstrakten sondern plastische Figuren, überhöhte Gestalten des zeitgenössischen deutschen Lebens auf die über Zeit und Raum erhaben ist. Es verbindet, Bühne und zielt doch auf ein Menschenbild, das chend, das Lächerliche und Drastische der alten einem früheren Programme Lessings entspre- possenhaften Komödie mit dem Rührenden und Psychologischen des neuen weinerlichen Lust- spiels". Es gibt der Episode," in der sich Scherz und Gefühl am reinsten entfalten können, brei- ten Raum und verfällt doch noch nicht der zer- fahrenen und bühnenfremden Technik der Sturm Aeußerlichkeit und Innerlichkeit, Stärke und und Drang- Stücke. Zeitliches und Ueberzeitliches, Zierlichkeit, Handlungsdrama und Seelendrama werden mit einer Meisterschaft vereinigt, wie sie bis dahin in Deutschland noch nirgends er- reicht worden war und kaum jemals wieder er- reicht worden ist. Wahrhaftig, diese Darstellung ist, wie Goethe in seinem jedes Wort wägenden Altersstil sagt ,, kunstgemäß.

Volkskunde in Württemberg

helm Gall, Dr. Otto Haendle, Dr. Helmut Kiecza. Joseph Klingelhöfer und Franz Josef Mayer Monatlicher Bezugspreis einschl. Trägerlohn 2.- DM. durch die Post 2.27 DM. Einzelverkaufspreis 20 Pf. Erscheinungstage: Montag, Mittwoch. Samstag Verlag und Schriftleitung: Tübingen, Uhlandstraße 2 Unverlangte Manuskripte werden nur bei Portobel- lage zurückgegeben

Flur- und Familiennamen, wie von der Mund- art, der der nächste Vortrag gewidmet sein wird, beweisen, daß sich unser Raum als Ein- heit im gesamtdeutschen Gebiet und gegenüber den Nachbarräumen abhebt. Das Volkskund- liche im engeren Sinn behandelte Dr. Dölker an der Hand einiger sehr lehr- und aufschluß- reicher Fälle. Eine Auswahl von Karten des meisten der Hörer bei dieser Gelegenheit zum Atlas der deutschen Volkskunde", mit dem die führt, erwies wiederum die Geschlossenheit des erstenmal bekannt wurden, im Lichtbild vorge- südwestlichen, insbesondere des württembergi- schen Gebiets, allerdings fielen auch dabei schon kleinere örtliche Unterschiede auf. Andere Kar- ten dagegen, etwa die über Namen und Zeit des nigfaltgikeit in der Einheit. Nach der reinen Gesindewechsels, führten ganz hinüber zur Man- Feststellung der Tatsachen muß der Forscher versuchen, die Unterschiede zu deuten. Wenn es bisher auch noch nicht gelingt, die Abweichun- gen in sich selbst zu erklären, so lassen sich doch die Ursachen ihrer Abgrenzungen einigermaßen erkennen, und es ist wertvoll zu sehen, daß sich nungen, genau wie die der meisten mundartli- die Geltungsbereiche volkskundlicher Erschei- chen, im allgemeinen mit den politischen Terri- torien decken( z. B. Grenze zwischen Tübingen

und Hirschau!

Solche Einblicke in Geschichte und Kulturge-

schichte von den Tatsachen des volkstümlichen Lebens aus ermöglichen vorläufig z. B. die Fra- gen nach den Bezeichnungen für das weltliche Erntefest und nach den Terminen der Jahres- feuer. So steht es wohl in geschichtlichen Zu- Begriff und ihre Selbständigkeit ringende Wis- Raum das Erntefest Sichelhenke, im früheren Die Volkskunde ist eine junge, noch um ihren sammenhängen, wenn im altwürttembergischen senschaft. Obschon sie hierzulande früher in An- hohenlohischen und fränkischen Gebiet Nieder- treter gehabt und später in Karl Bohnenberger bischen Gebiet Abschneidbier und Abschneid- ton Birlinger und M. R. Buck bedeutende Ver- fallet und im alten ulmischen und im oberschwä einen warmen Fürsprecher gefunden hat, läßt sant aber die Frage nach dem Verhältnis zwi- an der Universität und in der Oeffentlichkeit hahn bezeichnet wurde.. Ganz besonders interes- sich die volkskundliche Forschung in Württem- schen Martin und Nikolaus, den beiden Heiligen- berg bis jetzt doch nicht mit der anderer Ge- gestalten der Vorweihnachtszeit. Für dieses zer- biete vergleichen. Daß aber die allgemeine Kennt- fällt das württembergische Land in 3 Teile, ein nis von Land und Leuten Bedeutendes gewinnt, Nikolaus- Gebiet im Süden und Südwesten, ein der landeskundlichen Vorträge an der Universi- ausgedehntes Uebergangsgebiet in der Mitte, in wenn sie auch aus ihr schöpft, zeigte der zweite Martin- Gebiet im Nordosten und Osten und ein tät, den Hauptkonservator Dr. Dölker hielt. Der dem Martin unter dem Namen Pelzmärte am Vortragende faßte das Gesamtthema Einheit Tag oder in der Zeit des Nikolaus auftritt. Die- und Vielfalt im schwäbischen Raum" von den ses eigenartige Verhalten bringt Dr. Dölker zu- Zeugnissen des volkstümlichen Lebens aus an. sammen mit den Wirkungen der hirsauischen Beispiele sowohl von der Seite der Orts-, Reformbewegung.