ugust 1948
m 24. Au-
,, Die De-
S:
gen
-
die
zle sollten
e abgesetzt er der Mi- ngsrücktritt
die Ver-
man sehr m der De-
en Mitteln
n gehören
- Rücktritt für rich- In einem entweder bereitfin- icksichtigt
geht her d der de- ktritt der schärfung" das, daß t bestraft erung die amit aber undrechte rein theo- er Demo- erade auf te Streik-
g ich sehr
e: Gibt es
st? AH.
cken
ickau er- gust d. J., Südwest- igen Zeu- Die Qua- gern" in- Onisse so- darin be- ebrauchs- Verarbei- forderun- erden aus toff her- Herren-
Et geweb-
eidern er- ollte, daß Material
rialresten eschweißt. Mark an- ren wur- llen Gat- Sachsen, Isstellung ,, Leitern" räten und
iflich zu erwünscht
roduktion rnünftige den Be- eine be- urde frei- r Bericht Empörung esonders, ine durch n teures e soziali-
e kämpft.
e Waren
en anbö-
gerischer
. Staats- reien nur nen oder eit" oder Eu belan-
Zt. in Url.)
er
öfer
DM, durch Pf.
amstag
ewartet". Tage im äßt sich inander-
Lorenz, m Ernst zu lösen,
e in den
mes fürst-
men Kri- Verhand- und Pia, auteltern cer, zwi- Töchtern er alten n Eltern
ungen. herum,
Z wollte
schen".
diploma-
sagendes
Gemüter
Familien
= da ein
Felt hät-
n. Und
C verlief
eräusch-
Worhoch- Izudem
Fest der berhaupt er Hoch- rch eine wußte
errschen. otenblaẞ
elte, als schimpf- enz habe
ster wil-
ng folgt)
8. August 1948
DAS FEUILLETON
Zang der Hirschkäfer
Eine Blumen- und Käfergeschichte von J. M. Faude
Am schmalen Feldweg, gleich links von dem Rotdornstrauch, steht ein entzückendes Häus- chen, die Villá ,, Hirschkäfer". Zang, der Be- sitzer, war ein alter Junggeselle und wohnte ganz allein in dem Hause. Er war schon ein bißchen alt und gichtig, die Glieder wollten nicht mehr so recht mittun und wenn er nach einer naẞkalten Nacht aufwachte, dann knack- ten sie, als würde man Zweige brechen.
Heute war wieder so ein Tag. Er reckte und streckte sich und wollte gar nicht zu sich kom- men. Ach, dieses scheußliche Zipperlein! Daß einen so was auf seine alten Tage befallen mußte! Dabei brauchte er seine Glieder lebens- notwendig, denn er hatte einen Schönheitssalon. Mit seinen langen Scheren ondulierte er den Blumendamen die Locken. Daneben führte er auch einen Herrensalon, wo er rasierte, fri- sierte, den Kopf wusch und die Haare schnitt. Selbstverständlich war der größte Teil seiner Kundschaft außer dem Hause, so daß er stets viel beschäftigt und meist unterwegs war. Sehr anstrengend für einen älteren Herrn!
Mit einer Instrumententasche unter dem Arm besuchte er seine Kundschaft und fragte nach den Wünschen. Eben war er bei der Flockenblume fertig geworden mit Ondulieren. Geschäftig packte er ein und zirpte so über die Achsel zum Nachbarn: ,, Rasieren gefällig?". Da kam er aber schön an! Der Nachbar war gar kein Nachbar, sondern eine hübsche, kleine Marguerite, die jetzt sichtlich die Luft anhielt, um in den empörten Ruf auszubrechen:
-
-
,, So eine Unverschämtheit! Aber das hat man davon, wenn man zu allen Leuten freundlich ist, dann erlauben sie sich gleich Frechheiten! Meine Kundschaft sind sie jedenfalls los, Herr Zang!" womit sie sich tiefgekränkt um- wandte und den Friseur einfach stehen ließ. Eine Entschuldigung in den Bart murmelnd, zog er ab, um sich gleich daneben bei einem Wiesenknöterich niederzulassen. Was konnte er dafür, daß die Marguerite keinen Bart hatte? Und wegen der paar lumpigen Pfennige, die sie ihm alle vier Wochen für das Zähnen ihrer Blütenblätter zu verdienen gab, brauchte sich das dumme Dinge gar nicht so zu haben. Der Knöterich sah wüst aus. Der letzte Re- gen hatte ihm übel mitgespielt und da er so nahe am Boden stand, war alles zerzaust und beschmutzt. Also mal erstens Kopfwaschen! So konnte man ihn ja schließlich nicht stehen las- sen, denn er war noch jung und hatte er das letzte Mal nicht etwas von einer Braut
-
gesagt? Da mußte man ja gar einmal vorsich- tig anklopfen, daß man beim Hochzeitsschmaus nicht vergessen wurde!
, Wie geht es denn dem Fräulein Braut?", fragte Zang während des Haartrocknens. ,, Ach danke! Es hat sich ausgebrautet! Denken Sie sich nur, seit dem letzten Regen vor vier Tagen sieht sie mich nicht mehr an. Wenn aber das windige Marienkäferchen zu ihr zu Besuch kommt, dann geht ein Flüstern und Lächeln und Säuseln und Fächeln an, als wäre man im siebten Himmel. Ja, ja, die Frauen! Aber denken Sie bloß nicht, daß ich mich deshalb gräme! Oh, nein! Mit meiner Nachbarin, der Rispe, verstehe ich mich sehr gut und wenn der Mond voll ist, dann soll die Hochzeit sein. Au! Au!, Sie reißen mich ja an den Haaren! Passen Sie doch besser auf!" Vor Schreck entfiel dem Hirschkäfer der Kamm. Eine Entschuldigung heuchelnd, bückte er sich, hielt dabei aber den Fön, mit dem er die Haare getrocknet hatte, so ungeschickt an einen verblühten Löwenzahn, daß diesem in einem Nu das Lebenslicht ausgeblasen wurde. Mit einem entwürdigenden Seufzer, dem man ohne Mühe das Wort„ Trottel" entnehmen konnte, flogen die Sporen in alle Winde. Kahl und glatt stand er vor dem verdutzten Zang, der im Augenblick nur dachte:„ An dem ist nichts mehr zu verdienen, als gelegentlich die Empfehlung eines Haarwuchsmittels", was ihm außerdem sicher noch übel genommen würde. die Verwandten des Löwen- zahns umstanden ihn bereits zahlreich und war-
Wenn schon
-
teten darauf, bedient zu werden. Und die Spo- ren? Na ja- für Nachwuchs war auf alle Fälle gesorgt. Und wenn man es sich recht überlegte so ein Fön war gar keine üble Sache.
Schon humpelte er weiter.
Am liebsten ging er noch zum Spitzwegerich.
Einmal mit der Bürste am Stengel auf und ab, die zu langen Haare etwas gestutzt, und fertig war man. Auch die Leberblümchen waren nicht ohne. Höchstens mal etwas Augenwasser, um den Staub zu entfernen und sie glitzerten wie neu und waren noch dankbar, auch wenn er einen hohen Preis nannte. Ja, ja, diese aus- ländischen Salben mit den geheimnisvollen
Namen hatten es in sich!
,, Ei guten Morgen, Madame Klatschmohn!" ,, Guten Tag, Herr Zang, gut, daß Sie kom- men!" ,, Nun warum denn so grimmig heute? Sie glühen ja ganz dunkelrot!"
-
,, Bitte, sehen Sie mich nur einmal an! Erst letzte Woche ließ ich mir von Ihnen Dauer- wellen machen und nun frage ich Sie: Wo sind sie geblieben? Garantie drei Monate sagten Sie doch? Wenn Sie drei Tage gesagt hätten, wäre es richtiger gewesen. Bereits nach dem ersten warmen Regen sah ich aus wie eine alte Hexe. Die Haare klebten aneinander, als hätte man mich geleimt. Und nicht genug damit! Keine Biene besucht mich mehr, weil ich aus- sehe wie ein verlassener Hund hinter dem Ofen! Zu allem Ueberfluß fühle ich mich gar nicht wohl. Es ist mir, als ob ich Zahnschmer- zen hätte."
offenem Munde herunter, wollte etwas sagen, schüttelte sich in aufsteigendem Zorn und als sie zu schimpfen anfing, glitt infolge der seeli- schen Erregung bereits das zweite Blatt zu Boden, dem das dritte mit Herrn Zangs In- strumententasche folgte.
ver-
War das ein Glück! Eins, zwei, suchte er die herumliegenden Scheren und Fläschchen zu- sammen, verschwand und hörte erst, als er um die Ecke bog, einen schrillen Schrei: Hilfe! Hilfe!, der ihm noch acht Tage nachher in den Ohren klang. Sofort war ihm klar, daß er das Weizenfeld in Zukunft meiden müsse. Da war doch neulich auch so etwas passiert. Er war gerade vom Heidekraut gekommen und wollte um die Waldecke biegen, da hörte er ein vielstimmiges Gelächter in der Vergiẞ- meinnichtwiese. Die Köpfchen bogen sich, alles war wach und wer schon geschlafen hatte, wurde aufgeweckt. Es war aber auch gar zu drollig. Da hatte sich doch ein richtig dickes braunes Hummelchen in die blauen Augen eines hübschen Vergiẞmeinnichtkindes guckt, flog nun ganz aufgeregt um das Mäd- chen' herum, machte ihm mit seiner tiefen Brummstimme eine Liebeserklärung nach der anderen und versuchte sie zu küssen. Das Fräulein selbst war lachte aber trotzdem zwungen über den seltsamen Liebhaber und bog sich nach allen Seiten, um ihm auszuwei- chen. Vom vielen Fliegen wurde er zuletzt so müde und tolpatschig, daß er sich an einer fetten Dotterblume stieß und dem Vergiẞ- meinnicht wie ein getreuer Ritter zu Füßen sank. War das ein Hallo! Das Gelächter schien aber abkühlend gewirkt zu haben, denn mit einem verlegen- zornigen Brummen flog er da- von. Die Dotterblume aber lachte so, daß sie Leibschmerzen bekam und sich mit beiden Händen den Bauch halten mußte. saß doch dieser junge Wahrhaftig, da Dachs, der Goldkäfer, schon wieder bei der Jasminblüte und konnte sich nicht genugtun mit seinem gespreizten Wesen, daß ihm vor Bücklingen schier die Luft ausging. Nein, wie man sich wegen einer Frau nur so haben konnte! Aber was gings ihn an, schließlich
-
in großer Bedrängnis, wenn auch etwas ge-
-
konnte jeder nach seinem Geschmack selig werden. Und Jasminblüte das war noch nie
sein Fall gewesen.
-
Rotklee..." ,, Da lobe ich mir den Rotklee! Ach ja, der
Herz. Er erinnerte sich seiner Jugend, wo er Und plötzlich wurde ihm ganz anders ums Kleefeld vorbeistolziert war. Mittendrin stand auffällig oft an einem wundervoll duftenden ein bezauberndes Kleejüngferchen und guckte ihn mit ihren hellen Augen so sonderbar an, daß ihm jedesmal das Herz zu klopfen anfing. Lange hatte er nicht den Mut gehabt, ihr von seiner Verehrung zu sprechen, doch als er sich schließlich eines Abends entschloß, am andern Morgen alles ins reine zu bringen, stand er auf mit hochrotem Gesicht und einer Nelke wirklich in aller Frühe auf und eilte bald dar- im Knopfloch auf die Wiese. Aber nichts mehr von Klee und nichts mehr von da war dem Jüngferchen nur noch Stoppeln weit und breit. Hause gezogen, hatte lange mit seinem Schick- So war er denn betrübt nach Zeit zu einem alten Junggesellen geworden. sal gehadert und war schließlich im Laufe der Immer aber, wenn er jemand rasieren mußte, erinnerten ihn die Stoppeln an die alte Ge- schichte und es wurde ihm recht wehmütig
ums Herz.
-
-
So zog er nun Jahr für Jahr über Land; vom
Klingeln der ersten Schneeglöckchen im Früh- jahr bis zum späten Herbst, besuchte die Blu- men und Blüten, verschönte die Schönen, er- höhte ihren Liebreiz durch seine Kunst und langsam wurde er alt und grau. Vieles hatte er erlebt und manches Geschichtchen konnte er erzählen. Wenn er auch etwas brummig war, im Grunde liebte er seinen Beruf und war es im Sommer zuviel, dann entschädigte der Herbst mit seiner Ruhe für die Hast der reichsten Blütentage.
Kam der Herbst, dann kehrte Herr Zang zum Rotdornstrauch zurück, richtete in den letzten warmen Tagen seine Instrumenten tasche wieder her, machte die Läden zu, hängte ein Schild vor die Türe:
Wegen Inventuraufnahme
bis zum März nächsten Jahres geschlossen! verriegelte die Haustüre, legte sich in sein moosgepolstertes Junggesellenbett und hielt seinen Winterschlaf.
Traumgrün und Schilfverlies
Von Ernst Kreuder
Als er sie zum erstenmal sah, saß sie am Ufer vor dem glatten, stillen, moordünstigen Wasser, hinter ihr waren grünes Gesträuch, hohe Schilfhalme, kleine Sonnenflecken lagen auf dem Gras. Die Sonne des Nachmittags la- stete auf dem Land und hüllte es in brütende, schwüle Stille. Der Mann kam durch die war- me, grüne Baumdämmerung und folgte ziel los dem schmalen Pfad, mit jedem Schritt den Wunsch erfüllend und erneuernd, träumend allein zu sein in der sommerstillen, zeitträgen, wildnisversunkenen Buschlandschaft, darin das reglose Wasser Schilfgras und Binsen stand. Der Mann stand einen Augenblick still und gewahrte schon, ehe er noch das Gefühl, es sähe ihm jemand zu, deutlich spürte, unverhofft das aufblickend hergewandte Gesicht einer jungen Frau.
des Flußarmes voller
Das Gesicht der jungen Frau, die im Bade- anzug am Ufer des stillen Wassers saß, zeigte weder Ueberraschung noch Verdruß, weder Erstaunen noch Neugierde. Es blieb in einer ruhigen Aufmerksamkeit hergewandt, so daß der Mann nun schwankte zwischen dem höf- lichen Antrieb, weiterzugehen und der unmit- telbaren Neigung, zu grüßen und näherzutre- ten. Eine geringe Veränderung in dem Aus- druck des klaren, jungen Frauengesichtes, eine kaum merkliche freundliche Spur, Anzeichen, daß sie diesem Schwanken ohne Spott und eher mit Anteilnahme zusah, ließen ihn sei- treten. Die junge Frau, die in aller Klarheit ner Neigung nachgeben, grüßen und näher- des Ausdrucks ihrer Gestalt von einer unge- lösten Anmut der Sinne war, erwiderte den Gruß mit einem geringen Neigen des Kopfes, wobei sie nun unverhohlen freundlich lächelnd den fremden Spaziergänger ansah.
,, Ich sah", sagte der Mann mit einem be- scheidenen Versuch zu lächeln, ,, daß ich Sie nicht stören würde, und ich freue mich, daß
Sie es mir erlauben, näherzutreten. Mein Name ist Anwalt."
mütiger lächelnd ,,, mein Name ist Ried und ,, Danke schön", sagte die junge Frau, frei- Schilf, Fluß und Wald; ich habe hier keinen Namen und kann Sie auch nicht bitten, hier
Platz zu nehmen. Aber das Gras fordert Sie
sicherlich dazu auf."
,, Sie haben sich einen stillen Platz ausge- sucht", sagte der Mann und ließ sich in ihrer Nähe im Gras nieder. ,, Sie wollen allein sein.
Mich führte der gleiche Wunsch hier vorüber. Nun habe ich Ihnen dieses Alleinsein wegge-
nommen."
,, Nun ja", sagte sie heiter über soviel lie- benswürdige Ernsthaftigkeit. ,, Sie haben sichs ja nun auch weggenommen und zeigen sich über den Verlust nicht allzu betrübt. Ich bin es nicht. Ich unterhalte mich gern wieder ein wenig, nachdem ich einen halben Tag allein war."
"
,, Für mich ist es schön", sagte der Mann und blickte ruhig über das stille, gelbgrüne Was-
ser.
,, Da, sehen Sie den Reiher dort drüben", sagte die junge Frau und hob leicht die Hand. Er nickte, er sah die braune Hand und den Reiher, der sich mühelos hob und schwebte und entschwand.
,, Finden Sie es unangebracht", sagte der Mann ,,, wenn ich Ihnen nach dem Reiher eine Zigarette anbiete?"
,, Gar nicht", sagte die junge Frau ruhig und nahm aus der dargebotenen Schachtel eine Zi- garette.
Mit aller Anstrengung entfaltete Madame Klatschmohn die Blütenblätter und Herr Zang machte sich ans Werk. Kopfwaschen, Ondulie- ren, Gesichtsmassage mit Schönheitswässern und Cremen. Als er gerade wieder einmal an den Rand des äußersten Blütenblattes getreten Er hielt das lichtlos brennende war, um sein Werk zu betrachten, schien Ma- dame irgendeine innerliche Erschütterung zu Streichholz hin, sie nahm es, zündete an und erleiden. Ihre Kräfte ließen nach und urplötz- gab es ihm zurück. Sie rauchten und schwie- lich segelte Herr Zang mit dem Blütenblatt gen. Wie merkwürdig und angenehm, dachte unter seinen Füßen zur Erde. Zuerst war er die junge Frau, man unterhält sich mit ihm so verblüfft, daß er nicht wußte, wie ihm ge- im Schweigen; er bringt eine Stille mit, daß schah. Als er aus seiner Betäubung erwachte man auf einmal ganz anders sieht. Es war und nach oben schaute, blickte Madame mit doch anders, als ich allein war.
Als der König im Sterben lag, dachte der Mann, brannten die Lichter trübe im Schatten- gemach, und in der elften Stunde führten sie eine Jungfrau herein und geboten ihr, sich dem König zu zeigen. Und der König sah noch einmal den Glanz lilienblütiger Lieblichkeit, die Süße ungeküẞter Sanftmut; er winkte die Reine, Junge heran an das Sterbelager und hörte ihr Herz klopfen, und das war nur die Totenuhr, die noch früh und hell in der Zart- mütigen schlug, und einst, über der herbst- lichen, hohen, wolkenweiten, silbenlosen Stunde den letzten Anruf schlüge und dann stehen bliebe; unermeßliche Stille verlorener Schritte in den Waldrand des Schattendschungels fer- ner Zeitlosigkeit.
,, Jetzt", sagte die junge Frau neben dem Träumenden; sie war aufgestanden und sprang mit einem flinken, geübten Sprung in das stille Wasser; sie schwamm mit ruhigem Ausgreifen davon. Der Mann sah ihr nach: es war schön, der jungen, braunschultrigen Schwimmerin mit dem Blick zu folgen.
Die Schwimmerin kam zurück und stieg aus dem Wasser, hochhüftig, braun, tropfend und triefend; sie lachte und bat den fremden Spa- ziergänger, sie nun allein zu lassen, da sie sich anziehen wolle. Der Mann stand auf und ging einige Schritte in die warmen Weideschatten hinein und ließ sich dort nieder. So haben wir
-
Auf dem See
Nr. 78/ Seite 3
Und frische Nahrung, neues Blut Saug ich aus freier Welt; Wie ist Natur so hold und gut, Die mich am Busen hält!
Die Welle wieget unsern Kahn Im Rudertakt hinauf,
Und Berge, wolkig himmelan, Begegnen unserm Lauf.
Aug, mein Aug, was sinkst du nieder? Goldne Träume, kommt ihr wieder? Weg, du Traum! so gold du bist; Hier auch Lieb und Leben ist.
Auf der Welle blinken Tausend schwebende Sterne; Weiche Nebel trinken Rings die türmende Ferne;. Morgenwind umflügelt Die beschattete Bucht, Und im See bespiegelt Sich die reifende Frucht.
Wenn im Unendlichen Wenn im Unendlichen dasselbe Sich wiederholend ewig fließt, Das tausendfältige Gewölbe Sich kräftig ineinander schließt: Strömt Lebenslust aus allen Dingen, Dem kleinsten wie dem größten Stern, Und alles Drängen, alles Ringen Ist ewige Ruh in Gott dem Herrn. Johann Wolfgang Goethe
eigentlich wenig miteinander gesprochen, dachte er, und sind doch nicht stumm gewesen in diesem unverhofften Nebeneinandersein. Ich will sie fragen, ob wir auf dem Heimweg noch einen stillen Restaurationsgarten aufsuchen wollen, um ein Glas Most miteinander zu trin- ken.
Die junge Frau, die sich Fluß und Wald ge- nannt hatte, kam bald darauf in einem gelben Sommerkleid näher, sie trug ein schwarzes Lacklederköfferchen.
,, Ich dachte", sagte der Mann und stand un- ter den Weiden auf ,,, wir könnten wohl in ei- nen stillen, verlassenen Wirtshof gehen, wo die Bänke unter alten Kastanien dicht am Wasser stehen. Es ist ziemlich in der Nähe. Aber nur, wenn Sie auch gern ein Glas Most trinken wollen."„ Ich mag natürlich", sagte die braune junge Frau und sah ihm offen lächelnd ins Gesicht.„ Träumer, Träumer, bei so viel Tag und Wirklichkeit", sagte sie lächelnd, aus welchen verwunschenen Zimmern sind Sie eigentlich gekommen?"
,, Kommen Sie", sagte der Mann erleichtert, und lächelnd bot er ihr seinen Arm an. Sie kamen an diesem Nachmittag nicht mehr in dem Wirtshof mit den alten Kastanien an. Es war in der zehnten Abenstunde, als sie am Stadtrand ein kleines Café betraten. Das Café war leer; sie saßen in einer Nische und blie- ben ungesehen, nachdem sie Kaffee und Ku- chen bekommen hatten. Sie saßen nebeneinan- der. Es war ganz still. Sie aßen still ihren Apeflkuchen und tranken ihren Kaffee. Nur einmal setzte die junge Frau beim Trinken ihre Tasse ab und sagte:
,, Die Geschichte, die Sie mir erzählt haben, war wunderschön. Ich denke immer noch dar- an. Ach, ich bin so voller Freude über den schönen Tag." Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und sah ihn lächelnd und froh an. Er sah ihr in die Augen, dann blickte er nieder auf ihren Mund. Der Mund lächelte; da neigte er sich zu ihr hinüber, so daß ihre Gesichter, die noch warm waren von der Sonne des Sommertages, nahe voreinander waren, und dann kamen sie sich beide ein wenig entgegen und küßten sich leicht, leichter konnten sie es nicht tun.
Bemerkung über die Anekdote
Von Gerhard Schäke
Die Anekdote, das Unveröffentlichte, nicht Herausgegebene, einst die unterdrückten pri- vaten und intimen Berichte, heute der Begriff des literarischen Witzes, bestenfalls der auf ein Mindestmaß verdichteten Kurzgeschichte, künstlerisch betrachtet: das illegitime Kind der Liebe, psychologisch gedeutet: der Blick der Neugier von der Seite her, eine harmlose guckerei und beinahe zärtliche Abart der Schlüsselloch- die Anekdote ist eine Skizze, eine Karikatur, ein Bildchen, ein Umriß, oder wie Börne formuliert:„ der Henkel großer Seelen, durch welche diese faẞlich werden für den Hausgebrauch". Sie gibt den Abglanz wahrer Größe wieder, ist ein Lichtbüschel der Sonne, holt den Helden von seinem Postament, gibt dem gesichtslosen anonymen Schöpfer ein Konterfei, dichtet mit ihrer Einprägsamkeit und Schlagkraft hinzu, idealisiert und heroi- siert oder mindert und nimmt der Leere noch die Hülle. Mag einer auch nie gelebt haben, die Anekdote gibt ihm Leben. Das ist ihre un- heimliche Kraft, darin liegt ihre Magie. Flüch- tig, unverläßlich, unverbürgt ist sie und steckt, wenn sie gut ist, voller Bildkraft und Plastik, trotz zweifelhafter Quellen zeigt sie das Wahr- scheinliche und Typische, sie ist das Pianissi- mo im großen Konzert, bei dem falsche Töne doppelt vernehmlich werden, sie hat den Cha- rakter eines komprimierten Dramas von we- nigen Zeilen, dessen Gipfel ihre Pointe, ihre dramaturgische Zuspitzung ist. Die Kraft ihrer Legendenbildung geht bis zur Verfälschung man erinnere sich der ,, Anek- eines Bildes doten um" Friedrich II. Ihr Scharme schenkt dem Dargestellten Esprit, ihr Geist ist Geist ihres Themas.
wechseln. Kluge Aussprüche, die von Karl dem Großen, wenn auch historisch anfechtbar, überliefert sind, werden skrupellos umgeformt auf Friedrich II., Napoleon oder Bismarck. Was Wedekind einst gegeißelt hat, geißelt nun Bert Brecht. So witzig, wie Verdi sich einmal benommen hat, so witzig benahmen sich seit- dem Puccini, Franz Lehár und Rich. Strauß. Ob Lehár eine Sache so betrachtet wie Verdi, Brecht so geschickt formuliert wie Wedekind und Bismarck gleiche staatsmännische Bon- mots von sich gab wie Karl der Große- das spielt keine Rolle bei den Manufakturisten unter den Anekdotenerzählern, die von be- ständigen Neuprägungen des originalen The- mas leben; ihnen bleibt wichtig, daß Politiker Diplomatisches, Dichter Literarisches und Ma- ler Kunstdinge Angehendes gesagt haben. Es wird umgeformt und bearbeitet, ein paar Tup- fen, Schnörkel und Farbkleekse müssen die neuen Nuancen schaffen. Gilt es, einen Jahres- tag Richard Wagners zu feiern, setzt sich einer hin, sucht sechs Anekdoten von sechs x- belie- bigen Musikern und erzeugt sechs ,, wenig be- kannte" oder„, fast unbekannte" Richard- Wag- ner- Anekdoten. Eine zweite Art der Anekdo- tenfabrikation ist bedenklicher, sie richtet nicht den, der sie nacherfindet, sondern soll den treffen der dargestellt wird:
,, Bernard Shaw, der Salonsozialist, geht durch London. Ein Krüppel bittet um eine Gabe. Shaw greift an seinen Hut, sagt, Pres- se!' und geht weiter." Diese Histörchen segeln unter der Flagge ,, Eine äußerst charakteristi- sche Geschichte erzählt man sich über...", für sie wird rechtfertigenderweise Giordano Brunos ,, Se non è vero, è molto ben trovato" Wer sich um die subtile und graziöse Kunst- zitiert. Witz soll erheitern, Satire soll treffen. form der Anekdote bemüht und nicht allein Solche Erfindungen sind perfid, weil sie ten- um der Pointe willen Vergnügen an ihr fin- denziös sind und auf feige Manier Wehrlose det, sondern liebevoll abmißt, mit welcher verunglimpfen denn wann wird Shaw je Achtung oder Gleichgültigkeit der Schöpfer diese pamphletistischen Apercus lesen? Kritik jener Gleichnisse der Zuneigung, Verehrung verpflichtet. Niemand hat das Recht, selbst und Liebe sein Objekt anfaßt, muß sich wun- wenn er im Recht wäre, sich Angriff oder Ab- dern, wie im Laufe der Zeit das Stoffliche, das Witzige, kurzum der grobe Schlußeffekt lehnung leicht zu machen. Am wenigsten un- lebendig bleibt und sich wenig ändert, wäh- ter dem Deckmantel der Anekdote, die den rend dargestellte handelnde Personen häufig Ruf besonderen Scharmes genießt.
-