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2088

SCHWÄBISCHES TAGBLATT

DIENSTAG, 24. AUGUST 1948

Sowjetkonsul unerwünscht

VERLAG UND SCHRIFTLEITUNG: TÜBINGEN, UHLANDSTRASSE 2

NEW YORK. Der bereits vor einer Woche Aufsehen erregende Fenstersturz der russi- schen Lehrerin Konsenkina aus dem drit- ten Stock des sowjetischen Generalkonsulates in New York zieht weite Kreise. Das US- Staatsdepartement verwahrte sich gegen die entstellenden Presseerklärungen des sowjeti- schen Generalkonsuls Lomakin. Staats- sekretär Marshall bezeichnete die Ange- legenheit als ,, schwerwiegend".

Die Rolle Lomakins bei der zwangsweisen Zurückhaltung der Kosenkina im russischen Konsulatsgebäude und seine die Ereignisse, wie es heißt, völlig verdrehenden Ausfälle ge- gen die amerikanischen Behörden veranlaßten das Staatsdepartement, bei Präsident Tru- man einen Antrag auf Entziehung der kon- sularischen Rechte Lomakins zu stellen und seine Abreise aus den USA zu fordern, weil er diese Rechte ,, mißbraucht" habe.

Es heißt, Lomakin habe bereits seinen Schiffsplatz bestellt. Auch nach der Abreise Lomakins würde die Kosenkina- Affäre und der dieser vorangegangene ähnliche Fall des Leh- rers Samarin nicht als abgeschlossen be- trachtet werden, erklärte ein Sprecher des Staatsdepartements.

Einigung in Moskau?

Westbotschafter erneut bei Molotow/ Bevin blieb über das Wochenende in London.

PARIS. Die Moskauer Botschafter der West-

mächte wurden am Freitagabend neuerlich von Molotow empfangen. In der Besprechung sollen der Zeitpunkt für die geplante Vierer- konferenz festgesetzt und technische Einzel- heiten zu ihrer Durchführung geregelt worden sein. Obwohl die letzte Entscheidung über das Zustandekommen der Viererbegegnung von Stalin abhängen wird, darf sie doch als ge- sichert gelten. Man nimmt an, daß die Vorbe- sprechungen nun abgeschlossen sind. Es wird nur noch um die Schlußredaktion der Verein- barungen über das Konferenzprogramm ver- handelt, da man auch über die kleinsten Ein- zelheiten keine Unklarheiten bestehen lassen will, um die Möglichkeit eines erneuten Schei- terns der direkten Aussprache der Außenmi- nister auf ein Minimum zu reduzieren.

Den vorliegenden Nachrichten zufolge sollen die Westmächte, von ihrem ursprünglich ein- genommenen Standpunkt abweichend, das Zu- geständnis gemacht haben, daß auf der Vie- rerkonferenz nicht nur die Frage Berlin, son- dern das gesamtdeutsche Problem zur Erör- terung kommt.

Französische Gewerkschaften gegen Regierung

Senkung von Brot- und Fleischpreisen erforderlich/ Reynauds Reise PARIS. Zwischen den nichtkommunistischen len Währungsfonds und der Internationalen. Gewerkschaften und der Regierung ist ein Bank nahe stehen, mißt man der Reise Rey- Konflikt ausgebrochen. Die Gewerkschaften, nauds nach Washington große Bedeutung zu die sich in einem Kartell vereinigt haben und und will wissen, daß Reynaud am 25. Sep- zusammen mit der Regierung an der Lösung tember in den USA eintreffen werde. Man der Lohn- und Preisfrage arbeiten wollten, rechnet ferner mit Besprechungen zwischen brachten ihr Mißfallen an der Wirtschaftspoli- Reynaud und dem britischen Schatzkanzler Sir tik der Regierung dadurch zum Ausdruck, daß Stafford Cripps sowie dem Administrator sie die Verhandlungen über die Senkung der des ERP, Hoffman und dem amerikani- Lebenshaltungskosten durch einen scharfen schen Finanzminister Snyder. Vermutet wird, Absagebrief an Ministerpräsident Marie ab- daß Frankreich und England sondieren wer- brachen und aus dem von der Regierung ein- den, inwieweit eine Erhöhung des Goldpreises berufenen Wirtschaftsausschuß austraten. In sich durchführen lasse. Nach amerikanischer einer gemeinsamen Erklärung der sozialisti- Ansicht käme dies jedoch einer Abwertung schen und christlichen Gewerkschaften, die 2% des Dollars gleich, die abgelehnt wird. Millionen Mitglieder aufweisen, wurde der Regierung vorgeworfen, sie sei nicht in der Lage, den Arbeitern eine stabile Kaufkraft zu garantieren.

Die französische Regierung muß nun ver- suchen, eine Herabsetzung der Brot- und Fleischpreise zu erreichen, zumal eine Erhö- hung der Löhne unter allen Umständen ver- mieden werden soll. Kritisiert werden von den Gewerkschaften die außerordentlichen Vollmachten für den Finanz- und Wirtschafts- minister Reynaud sowie dessen geplante Reise nach Washington, von der man befürch- tet, daß sie zu einer neuen Abwertung des Franc, zu einer Steigerung der Lebenshal- tungskosten und zum Zusammenbruch der In- dustrie wie der Landwirtschaft führen müsse. In Kreisen der USA, die dem Internationa-

Die Demontagen laufen an PARIS. Nach Aeußerungen französischer di- plomatischer Kreise müssen im Laufe des Au- gust alle Betriebe, die auf der Demontageliste stehen, ihre Arbeiten einstellen. Die Demon- tage soll in einem Zeitraum von 1 bis 7 Mo- naten abgeschlossen sein.

-

Hiesige Regierungsstellen erklären, daß die meisten Firmen der Listen I und III ihren Stillegungsbescheid erhalten haben. Die fran- zösische Militärregierung hatte bekanntgege- ben, daß, entgegen der ursprünglichen Absicht, auch die in der Liste II aufgeführten Firmen heute die Demontagebefehle zu erwarten hät- ten. Die Anlagen dieser Firmen werden de- montiert und auf Lager genommen. Die vor- gesehenen Erleichterungen die Uhrenfa- briken Mauthe und Kienzle sollten beispiels- weise ganz von der Liste abgesetzt werden sind fortgefallen. Sprecher der Militärre- gierung bezeichnen Regierungsrücktritt und Proteststreik als Anlässe für die Verschärfung. Bei Maybach wird seit einer Woche de- montiert. Der Betriebsrat ist aufgelöst, die Gefolgschaft entlassen und dem Arbeitsamt zur Verfügung gestellt worden. Der zuständige Administrateur der französischen Militärre- gierung hat einen Teil des kaufmännischen und technischen Personals zur Durchführung der Demontagearbeiten durch das Arbeitsamt verpflichten lassen.

England interessiert sich TÜBINGEN. Am vergangenen Wochenende hielt sich der britische Labourabgeordnete Dick Croßmann in Tübingen auf, um sich per- sönlich über die Verhältnisse in der Uhren- industrie Südwürttembergs zu informieren. Die Reise hatte inoffiziellen Charakter, jedoch ver-

ständigte Croßmann die britische Regierung

von seinen Absichten.

Presse

Anlaß seiner Reise war der bekannte Be- richt in der englischen Fachzeitschrift ,, Jewel- ler and Metalworker", der in der deutschen zu lebhaften Erörterungen geführt hatte. Croßmann erklärte, in England wünsch- ten weder Regierung noch Parlament, die Re- parationspolitik mit irgendwelchen Wirtschafts- interessen verknüpft zu sehen. Einer eingehenden Fühlungnahme mit den betroffenen Kreisen in Schwenningen waren vertrauliche Besprechungen im Wirtschafts- ministerium vorausgegangen.

Ueber den Empfang der drei Vertreter der Westmächte durch Generalissimus Stalin, der für Montag angekündigt worden war, lie- gen noch keine Nachrichten vor.

Aus London wird gemeldet, daß Außenmi nister Bevin die Hauptstadt über das Wo- chenende wieder nicht verlassen hat, um die Berichte seines Moskauer Sonderbotschafters, Frank Roberts, mit seinen Beratern über- prüfen zu können. Die Besprechungen zwi- schen dem Leiter der Deutschlandabteilung im Foreign Office, Sir William Strang, und dem amerikanischen und französischen Bot- schafter wurden fortgesetzt.

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Von der Presse wird die Stimmung in zu- ständigen Londoner Kreisen als gemäßigter Pessimismus bezeichnet, während in Paris ,, gedämpfter Optimismus" herrschen soll. Die Züricher Weltwoche", berichtet, in breiten Schichten der französischen Hauptstadt sei ge- radezu eine Gefühl der Erbitterung gegen die Amerikaner zu bemerken, ,, denen man vor- wirft, sie seien entschlossen, die Deutschen auf Kosten Frankreichs zur Vormacht auf dem europäischen Kontinent zu machen". Der Leit- artikler dieses Blattes kritisiert den von Wal- ter Lippman angeführten Feldzug gegen die Deutschlandpolitik General Clays. Er weist darauf hin, daß dieser republikanische Journalist im Jahre 1933 den Machtantritt Hitlers begrüßt und sich auch späterhin häu- fig in seiner Beurteilung der weltpolitischen Lage getäuscht habe. Jetzt gehe es ihm nur darum, aus innerpolitischen Gründen ,, so aus- gesprochene Exponenten der demokratischen Partei, wie das heute General Clay und sein politischer Berater, Robert Murphy, sind", zu diskreditieren, da sie durch ihren großartig geführten Kampf um Berlin" das Ansehen Trumans und der Demokraten in der ameri- kanischen Oeffentlichkeit gefestigt hätten. Von dem Ausgang der ,, Belagerung Berlins" hänge ebensoviel ab wie von den geschichtsentschei- denden mißglückten großen Belagerungen von Wien, Verdun und Stalingrad.

Verfassungsvorarbeiten im Endstadium

HERRENCHIEMSEE. Am letzten Wochen- ende trat das Plenum des Verfassungsaus- schusses zusammen, um die Vorschläge und Berichte der drei Unterausschüsse eingehend zu besprechen. Soweit verschiedenartige Auf- fassungen bestehen, sollen auch diese später dem parlamentarischen Rat vorgelegt werden, um ihm die Möglichkeit zu bieten, sich für die eine oder die andere Lösung zu entscheiden. Vorläufig besteht das Gebiet des Bundes deut- scher Länder lediglich aus den elf Ländern, die bei der Gründung beteiligt seien, wird in einem Bericht betont. Es solle jedoch jeder an- dere Teil Deutschlands auf Wunsch in den Bund aufgenommen werden können, wofür ein einfaches Bundesgesetz genüge. Berlin sei auf Grund seiner besonderen Stellung schon heute als Glied des Bundes zu betrachten und könne bereits jetzt vollberechtigte Vertreter in die gesetzgebenden Organe des Bundes entsenden. Schließlich wurde der Standpunkt vertreten, daß trotz des provisorischen und fragmentari- schen Charakters des Bundes es erforderlich sei, ihm eine Flagge zu geben und dafür die

,, Für jede Eventualität bereit" WASHINGTON. Der ehemalige General- stabschef der USA, General Spaatz, gab in einem am Samstag veröffentlichten ersten Be- richt über die Nachkriegstätigkeit der ameri- kanischen Luftflotte bekannt, die amerikani- sche Luftwaffe habe ein ferngesteuertes auto- matisches Lufttorpedo konstruiert, das eine Atomsprengladung 8000 km weit mit Ueber- schallgeschwindigkeit befördern könne. Beab- sichtigt sei, den Kongreß zu ersuchen, die Zahl der Kampfgruppen, die augenblicklich auf 70 gebracht werden soll, noch darüber hinaus zu vermehren. Spaatz versicherte nach Hinwei- sen auf das intensive Forschungsprogramm, das dem Flugzeugantrieb durch Atomkraft gelte, die amerikanische Luftwaffe stelle in ihrer gegenwärtigen Form eine Waffe dar, die ,, für jede Eventualität bereit ist".

Am Freitag wurde unter Vorsitz von Ver- teidigungsminister Forrestal eine Konfe- renz der amerikanischen Generalstabschefs er- öffnet. Man nimmt an, daß u. a. auch Pro- bleme besprochen werden, die sich für das amerikanische Armeeoberkommando aus der internationalen Lage ergeben.

Demokratische Ordnung in Finnland HELSINKI. ,, Solange das gegenwärtige Ka-

binett besteht, wird demokratische Ordnung

in Finnland herrschen", erklärte der finnische Ministerpräsident Fagerholm am vergan- genen Samstag. Eine Aenderung der finni- schen Außenpolitik sei nicht zu erwarten. Er werde immer bestrebt sein, die bereits beste- henden guten Beziehungen mit der Sowjet- union aufrecht zu erhalten.

Fagerholm warf der sich um die kommuni- stische Partei gruppierenden volksdemokrati- schen Union Finnlands vor, sie versuche in der UdSSR Mißtrauen gegen sein Kabinett zu wecken. In Wirklichkeit gehe es um innenpoli- tische Probleme, vor allem darum, daß die

Heute

Sportwoche

4. JAHRGANG/ NUMMER 71

Italiens Kolonien

Von Carlo Mundt, Mailand Die italienische Oeffentlichkeit verfolgt mit steigender Verbitterung die Verhandlungen über das Schicksal der einstigen italienischen Kolonien in der englischen Hauptstadt. Wenn sich die vier Großmächte bis zum 15. Septem- ber 1948 nicht darüber einigen, wie die Kolo- nien Libyen Eritrea ein schmaler Gebiets- streifen, der sich längs des Roten Meeres vom französischen Dschibuti bis zur sudanesischen Grenze hinzieht und Italienisch- Somali- land verteilt werden, dann haben die Verein- ten Nationen eine Sorge mehr. Bisher sieht es nicht so aus, als ob man in London zum Ziel käme. Das Spiel ist zu offensichtlich darauf abgestellt, auf der einen Seite Rußland aus dem Mittelmeer herauszuhalten, auf der an- deren Seite das Verbleiben der Angloameri- kaner in Libyen unmöglich zu machen. Die Italiener haben offiziell in London die

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Treuhänderschaft über die drei zur Debatte stehenden Kolonien verlangt. Allein 50 000 Flüchtlinge warten zumeist in italienischen Lagern darauf, nach Tripolitanien zurück- kehren zu können, ganz abgesehen von den vielen Arbeitslosen, die hoffen, jenseits des Mittelmeeres Arbeit und Brot zu finden. Im wesentlichen geht es den Italienern um Libyen, das von der Viererkommission mit Bedacht in Ein Vergleich der Größen und der Bevölke- Cyrenaika und Tripolitanien aufgeteilt wurde. rungsdichte der drei Kolonien zeigt die Be- deutung Libyens sehr klar:

Farben schwarz- rot- gold zu wählen. In keinem Land soll das Einparteiensystem erlaubt sein. ausschusses in Herrenchiemsee als nahezu ab- Damit dürften die Arbeiten des Verfassungs- geschlossen angesehen werden. Vorgesehen ist, daß Staatsminister Dr. Pfeiffer zusammen mit einigen maßgebenden Mitgliedern des Ver- fassungsausschusses, u. a. Staatsrat Prof. Dr. Karl Schmid, den Ministerpräsidenten in Libyen den letzten Augusttagen bei den Vorarbeiten Eritrea für die Tagesordnung des parlamentarischen Rats, der nunmehr am 1. September in Bonn zusammentreten wird, beratend zur Seite ste-

hen.

Der ,, Frankfurter Rundschau" zufolge halten sich zurzeit Mitglieder der demokratischen Par- teien der Ostzone in Westdeutschland auf, um die Bildung eines politischen Gremiums zu be- raten, dessen Ziel die parlamentarische Ein- beziehung der sowjetischen Besatzungszone in westdeutsche Institutionen sein soll. Das Gre- mium erstrebt gleichzeitig eine Koordinierung mit der bestehenden Arbeitsgemeinschaft der Ostflüchtlinge".

volksdemokratische Union im Juli während der Verhandlungen um die Regierungsneubil- dung die Zusage habe erreichen wollen, daß die Staatspolizei und der Rundfunk, die sich unter ihrer Kontrolle befanden, nicht reorgani- siert würden. Nunmehr würden aber diese Or- ganisationen der Kontrolle des Parlaments un-

terstellt.

Überhitzte Atmosphäre in Berlin BERLIN. Seit der Schießerei auf dem Pots- damer Platz, an der Dreisektorenecke in der letzten Woche haben die Zusammenstöße und Zwischenfälle in diesem Raum nicht mehr auf- gehört. An der Grenze jedes Sektors befinden sich jeweils deutsche und Militärpolizisten in Bereitschaft. Bei einer Razzia drang russische Militärpolizei in den amerikanischen Sektor ein und zwang die Besatzung eines Ueberfall- wagens der deutschen Polizei, ihr zu folgen. Zwei Angehörige der Westberliner Polizei in Zivil wurden am Samstag auf dem Potsdamer Platz festgenommen. Der Direktor der US- Militärregierung in Berlin, Oberst How- ley, legte gegen diese Verhaftungen scharfen

Protest ein.

Am Freitagvormittag verhafteten deutsche Polizeibeamte des Ostsektors den Leiter des zentralen Kohlenamtes der Stadt Berlin, Dr. Mückenberger. Seitdem fehlt jede Spur von ihm. Alle Bemühungen des stellvertreten den Bürgermeisters von Berlin, Dr. Frie- densburg, um seine Befreiung blieben bis- her ohne Erfolg.

Am Sonntagnachmittag zerrten sowjetische Militärpolizisten den stellvertretenden Direk- tor der US- Informationsabteilung in ihren Jeep und entführten ihn in den Ostsektor.

Der Direktor der Kriminalpolizei im sowje- tischen Sektor wurde während einer Boxver- anstaltung von Beamten der Berliner West- polizei verhaftet. Vorgeworfen wird ihm ein Fall von Freiheitsberaubung.

Somaliland

Größe qkm Bevölkerung 1939 dav.Italiener 1 759 540 924 000 118 000 119 472 675 000 65.000 506 573 1 090 000 15 000 Im großen und ganzen handelt es sich um Wüstenflächen, aber aus erheblichen Teilen haben die Italiener fruchtbare Gebiete hervor- gezaubert. Der Artikel 23 des Friedensvertra- ges enthält den Verzicht Italiens auf alle Rechte und Ansprüche in den drei Kolonien, die schon

vor der faschistischen Zeit in seinem Besitz

waren, in sich. Aber die Italiener haben nie- mals aufgehört zu hoffen, daß sie wieder in den Besitz dieser Landstriche kommen, ohne Zweifel durch das Verhalten der Westmächte, vor allen Dingen in der Zeit vor den letzten Wahlen ermutigt.

Die Engländer haben auf der Londoner Konferenz vorgeschlagen, die Sitzungen der Kolonialkommission geheimzuhalten. Das ist bezeichnend für die Lage der Briten, die sich in diesem Falle in einer äußerst unangeneh- men Situation befinden. Einerseits können sie es sich nicht erlauben, eine antiitalienische Po- litik zu betreiben, die die Regierung de Gas- peri beim italienischen Volk in Miẞkredit bringt, andererseits glauben sie auf die stra- tegischen Stützpunkte in der ehemaligen Ko- lonie Libyen nicht verzichten zu können, nach- dem Palästina und Aegypten für die Vertei- digungsfront Afrika nicht mehr in Frage kommen. Und das gleiche gilt schließlich für Somaliland.

Die englischen Dominien haben sich in Lon- don durchweg für eine Treuhänderschaft Eng- lands über Libyen ausgesprochen, und nur Südafrika setzte sich für die Rückgabe von Eritrea und Somaliland an Italien ein. Die englische Presse ist nicht immer der Meinung, daß die Italiener leer ausgehen sollen. Das Londoner" Tablet" schreibt warnend, daß, wenn man die Ausstoßung Italiens aus Afrika verkünden würde, England selbst wenig Chan- cen habe, dort zu verbleiben. Der ,, Observer" glaubt zu wissen, daß Frankreich und die USA insgeheim für die Rückkehr der Mittelmeer- Guardian" wiederum prophezeit, daß sich die republik nach Libyen seien. Der ,, Manchester Vereinten Nationen letzten Endes doch mit der Regelung dieses Komplexes befassen müßten. Abessinien Eritrea bekommen würde, Italien Schließlich würde dabei herauskommen, daß Somaliland, Frankreich den Fezzan. Die Cy- renaika würde unter englischem Mandat un- abhängig werden. Nur für Tripolitanien wagt das liberale Blatt keine Prognose zu geben. Das Blatt schreibt weiterhin, daß unter der eingeborenen Bevölkerung Libyens ein hart- näckiger Widerstand gegen die Rückkehr Ita- liens sich spürbar mache. Die Franzosen, die in der Kolonialfrage bis Fortsetzung auf Seite 2