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von Ueber- automatisch

wirtschaft richtet sich der Preis gangsschwankungen abgesehen nach der verfügbaren Warenmenge. Für alle un- sere Schmerzen gibt es nur ein einziges wirk- liches Heilmittel: mehr produzieren, mehr ex- portieren, mehr einführen. Wenn sich angesichts solcher Entwicklungen der Ruf nach der Wieder- einführung der Bewirtschaftung laut vernehm- lich machen wird, so darf uns das nicht beirren. Es ist ein gefährlicher Ruf, denn die totale Zwangswirtschaft hat so gründlich versagt, wie Hitlers totaler Krieg. Was sie bestenfalls zu er- reichen vermöchte, wäre der Abfluß der Waren nach den illegalen Märkten. Es würde schließ- lich noch weniger als heute geben und unser neues Geld wäre erneut wieder wertlos. Nein wir möchten nach diesen Erfahrungen möglichst wenig gegängelt sein, und wir betrachten es als ein notwendiges Uebel, wenn die wichtigsten Le- bensmittel und Grundstoffe weiterhin bewirt- schaftet bleiben müssen.

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Kein Einsichtiger wird sich aber der Feststel- lung verschließen, daß, solange ein reichlicheres Warenangebot fehlt, die Grenzen der Marktfrei- heit bei gewissen Mindestforderungen der Le- benshaltung liegen. Für einen hungrigen Magen sind volkswirtschaftliche Kausalzusammenhänge eine schwer verdauliche Kost. Es kann der ar- beitende Mensch nach langen Jahren des bitter- sten Mangels nicht weiter geduldig auf Besse- rung warten. Wenn man vor der Währungs- reform die schlechte Versorgung als eine der wichtigsten Ursachen für die Unterproduktion verantwortlich gemacht hat, dann wäre es wi- dersinnig, jetzt einer Preisentwicklung gegenüber

untätig zu bleiben, die auf ihre Weise für den größten Teil unserer Bevölkerung eine aus- kömmliche Versorgung unmöglich macht.

Es muß daher unverzüglich etwas für die Si- cherung wenigstens eines bescheidenen Reallohnes geschehen. Ein brauchbarer Weg dazu besteht in der Einführung des Indexloh- nes. Dabei wären die Tarifverträge nach Index- punkten neu aufzubauen, die Löhne nach einem allmonatlich und öffentlich aufzustellenden In- dex der Lebenshaltungskosten bei unseren or- ganisatorischen Einrichtungen heute keine Un- möglichkeit mehr neu zu berechnen. Wenn die- ses Verfahren als zu kompliziert angesehen wird, gibt es noch eine andere Möglichkeit: die so- ziale Preisstaffelung für die wichtig- sten Verbrauchsgüter. Sie wäre mit dem jetzt vorhandenen Lebensmittelbewirtschaftungsappa- rat ohne weiteres durchführbar und materiell etwa durch Abzweigung eines Teiles der D- Mark- beträge zu fundieren, welche für die ERP- Lie- ferungen einzuzahlen sind. Irgend etwas muß, nicht zuletzt auch mit Rücksicht auf das Heer unserer Arbeitsunfähigen, Kranken und Alten, jedenfalls geschehen.

Selbsthilfe

HANNOVER. Hausfrauen trieben einen Bau- ern, der 60 Pfennig für ein Ei forderte, in das 4. Stockwerk eines Miethauses und zwangen ihn, seine Eier auf der Treppe für 20 Pfennig zu verkaufen. Die Arbeiter der Hanomag- Werke wiesen einem wucherischen Händler auf Grund seiner Rechnungen eine 50prozentige Gewinn- spanne nach und übernahmen deshalb kurzer- hand den Eierverkauf selbst, wobei als Preis für ein Stück 10 Pfennig festgesetzt wurde.

Der Beirat des allgemeinen Gewerkschaftsbun- des von Rheinland- Pfalz hat zwei auch für an- dere Länder vorbildliche Entschließungen zur Lohn- und Preisbildung gefaßt, in denen fol- gende Forderungen aufgestellt werden: 1. Auf- rechterhaltung der Preisüberwachung für alle Waren des Massenkonsums; 2. Bestellung einer ausreichenden Zahl von Preisprüfern mit Kal- kulationskenntnissen; 3. Beteiligung der Ver- braucherschaft und der Gewerkschaften an der Kalkulation und Preisprüfung; 4. Einrichtung von Richtpreisgeschäften und Unterstützung der Konsumgenossenschaften; 5. Beseitigung über- flüssiger Zwischenhandelsstufen; 6. Zulassung des direkten Warenbezugs vom Erzeuger durch den Verbraucher; Beseitigung des Lohnstopps.

Man ist sich allerdings darüber im klaren, daß ein isoliertes Vorgehen zur Wirkungslosigkeit verurteilt sein muß und nur durch Maßnahmen, die sich zumindest auf ganz Westdeutschland er- strecken, die derzeitigen Preissteigerungen aus- geschaltet werden können.

Für Freitag sind in ganz Rheinpfalz öffent- Hiche Kundgebungen der Arbeiter, Angestellten und Beamten beabsichtigt, in denen gegen die Preisübersteigerungen Stellung genommen wer-

den soll.

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Auch der bayerische Gewerkschaftsbund for- derte in einer Eingabe an Landwirtschafts- minister Dr. Schlögl die Festsetzung von Höchstpreisen für alle lebenswichtigen Nahrungs-

mittel.

Die Scheune

Von Charlotte Nied

Jene Kornkammer, die ich meine, steht fast wie ein Heiligtum in den Erinnerungen mei- ner ersten Kinderjahre. Ihr hoher Giebel ragte in den blauen Sommerhimmel eines Dorfes am Rhein. Sie stand in dem bäuer- lichen Hof, im Rechteck zu dem niedrigen Haus mit Stall und Schuppen, dem hohen

Zaun nach der Straße und dem fliederüber- hangenen kleineren nach des Nachbars Wiese mit den Obstbäumen. Alt und braun schaute sie auf unsere glücklichen Kinderspiele, in Seifenblasen ließen wir unsere bunte Welt aufsteigen bis unter ihre Spitze, sie hatte zwei Generationen ausgehalten, die hier die Ernte eingefahren hatten. Durch sie hindurch mußte die Bäuerin, wenn sie in ihr Paradies, den Bauerngarten, wollte.

Alles Gesinde im Hause wußte um den hohen Wert, den die Scheune barg. Keines von uns Kindern wagte es, ohne besondere Erlaubnis des Onkels den hölzernen Riegel zurückzuschieben. Und doch wandelte mich an besonders heißen Tagen eine seltsame Lust an, in das fahle Licht der Scheune einzutre- ten, mich zu sammeln von allzuheller Sonne, den Duft der Heimlichkeit zu atmen. Ich mußte die Bäuerin, wenn sie in ihr Paradies, ten.

Das war, wenn der Onkel aus dem Stall kam, die Pferdegeschirre im Schuppen auf- hängte und sich die Pfeife zwischen die Stum- melzähne steckte. Er war sehr alt, kleine goldene Ohrringe glänzten an dem runzligen Kopf, aber die schwieligen Hände versorgten noch die Wirtschaft mit geflochtenen Körben und Erntebändern. Bevor er sich zum Mittags- schlaf an die Scheunenwand lehnte, brachte ich meinen Wunsch vor, und er lächelte mir freundlich zu, also daß ich es wagte, den großen Riegel aufzuschieben.

SCHWABISCHES TAG BLATT

Abenteuer einer verhinderten Afrikanerin

gmg. Travemünde.( Eig. Ber.) Menschen, sagt man, hätten ihre Schicksale, und die müßten sie tragen. Manchmal stimmt es. Auch bei Schif- fen, deren messerscharfe Bugs die Wasser der Weltmeere zerteilen. Seltener hingegen pflegt das bei solchen der Fall zu sein, die niemals Wie, zum Beispiel, soweit gekommen sind. Kilwa", der verhinderten Afrikanerin...

Im Jahre des europäischen Dramabeginns 1939 sollte ,, Kilwas" Geburtsstunde schlagen. In Elms- horn für die Deutschen Afrikalinien, fast 1000 BRT, gebaut, sollte sie an der afrikanischen Westküste Zubringerdienst für die deutschen Ozeanriesen leisten. Das mit dem Termin klappte aber nicht. Und der Krieg begann. Zunächst blieb die schlanke ,, Kilwa"( so nach einem verschla- fenen Küstenplatz in Tanganjika genannt) in Elmshorn ohne Baugenehmigung liegen. Einige Jahre später, als der Krieg auch für die Heimat gefährlich zu werden begann, wurde sie vor- sichtshalber in den dänischen Hafen Svendborg gebracht. Das aber hätte man lieber nicht tun Kriegsmarine geschnappt. Kurzerhand, wie das sollen denn gerade dort wurde sie von der so damals üblich war, beschlagnahmt, um als Sperrbrecher eingesetzt zu werden. Aber wieder überholte der Krieg das unfertige Schiff. So wurde Kilwa" damals schon zum Wohn- und Lehrschiff der Marine degradiert. Die Jahre ver- gingen. Und mit ihnen der Krieg. Als sich die Reederei nach der Kapitulation wieder für ihr Schiff zu interessieren begann, war ,, Kilwa" wie

vom Erdboden verschwunden. So viel man auch suchte, sie war nirgends aufzutreiben.

Als man sie schon auf die Verlustliste setzen wollte, tauchte sie plötzlich wieder auf... in Wil- helmshaven. Jedoch nur, um sich in größerer Gefahr denn je zu befinden. Jetzt sollte sie näm- lich mit Munition beladen versenkt werden. Ein

guter Gott( und die Engländer) ersparten ihr, der immer noch Unvollendeten, dies harte Los. Statt dessen wurde sie nach Vegesack an der We- ser gebracht, wo ihr die Amerikaner schleunigst die wertvollen Maschinen aus dem Bauche hol- ten. Den Rest erhielt die Reederei zurück. Neue Maschinen die ,, Kilwa" braucht immerhin zwei 500- PS- Motoren waren natürlich nicht aufzutreiben. Also bestimmte man sie zum zwei- ten Male dazu, Wohnschiff zu werden, diesmal: Hotelschiff. Schlepper bugsierten sie vor einigen Wochen zur Schlichting- Werft in Travemünde,

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wo ihre Ausstattung zu diesem Zweck vervoll- ständigt wurde.

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macht sie einen

Seit Freitag liegt Kilwa" mit nagelneuem weiß- grauen Anstrich beim Leuchtfeld in Tra- vemünde für die Kurgäste bereit. Zur Regatta- Woche soll sie eingeweiht werden. Trotz ihres abenteuerlichen Schicksals sie ist ja immer noch kein wirkliches Schiff schmucken Eindruck. Die funkelnagelneue Farbe hat sämtliche Spuren vergangener Tage ver- deckt. Ihr umfangreicher Leib kann in hübsch und praktisch ausgestatteten Kabinen 50 Gäste beherbergen, jeweils zu zweien oder zu vieren untergebracht. Sogar die Kommandobrücke, der Ruderraum und die Funkstationen sind ,, Hotel- zimmer" mit Zentralheizung und fließendem Wasser geworden.

Die wenigsten Hotels haben bekanntlich Schorn- steine, also hat auch Kilwa" einstweilen darauf verzichtet, obwohl das Fehlen eines solchen Rauchfangs die Illusionen der zukünftigen See- reisenden von Travemünde" empfindlich" ver- letzen dürfte. Um so ungestörter aber können sie auf bequemen Liegestühlen auf dem Sonnendeck den Blick über die landschaftlich so reizvolle Travemündung genießen. Echte Seefahrer, alt- gediente, mit allen Weltmeerwassern gewaschene Stewards, werden sie dabei bedienen. Und nie- mand wird eine Ahnung davon haben, was für

Sorgen der Hotelier( seines Zeichens ist er Ka- pitän, der genau so auf bessere Zeiten wartet wie wir alle) mit ihnen hat, um sie nach den letzten wilden Jahren wieder zu einer muster- haften Schiffsbesatzung zu erziehen, der der ,, Dienst am Kunden" über alles geht. Bei Kaf- fee und Portwein gewannen wir allerdings den Eindruck, daß er sie schon wieder auf den rechten Weg bringen wird. Sie sind ja so ver- wöhnt von früher!", sagte Herr Willumsohn. Statt in Tanganjika in der glühenden Sonne Afrikas von Hafen zu Hafen zu pendeln, träumt ,, Kilwa", die verhinderte Afrikanerin, nun von ihren verpaẞten Chancen und von einer bes- seren Zukunft. Ihr Kapitän und ihre Mann- schaft tun das auch. Wer also wird die zukünf- tigen Gäste ,, Kilwas" daran hindern, es ihnen ( in Betten zum Preise von 3-8 DM pro Nacht) gleichzutun derweilen sie von den eigenen Abenteuern unserer bekanntlich etwas anstren- genden Zeit einige Tage oder Wochen( je nach dem vorhandenen Geldbeutel) erholen?

Nachrichten aus aller Welt

MÜNCHEN. Die Spruchkammerverhandlung gegen das Ehepaar Hitler, in der über den Nachlaß ent- schieden wird, soll Mitte September durchgeführt werden. Die Eltern Eva Brauns haben einen Rechts- anwalt beauftragt, ihre und ihrer Tochter Interes- sen als eventuelle Erben wahrzunehmen.

MÜNCHEN. Am vergangenen Freitag verfolgte eine Polizeistreife mit 30 Kraftfahrzeugen einen Wagen der WAV, in dem man Alfred Loritz ver- mutete. Nach stundenlanger Verfolgung stellte sich heraus, daß man dem Vertreter einer Nachrichten- agentur nachgejagt war.

FRANKFURT. Das Plenum des Wirtschaftsrates lehnte den von der SPD- Fraktion eingebrachten An- trag auf Abberufung des Direktors der Verwaltung für Wirtschaft, Prof. Dr. Erhard, ab.

KÖNIGSTEIN. Am Montagvormittag begann die Spruchkammerverhandlung gegen den ehemaligen deutschen Großindustriellen Fritz Thyssen in König- stein( Taunus). Thyssen wird zur Last gelegt, Hitler vor der Machtübernahme ideell und finanziell un-

terstützt sowie Gelder für den Hitlerputsch 1923, die NSDAP und für Hermann Göring zu Repräsen- tationszwecken zur Verfügung gestellt zu haben. Als Hauptdokument seiner Schuld wird sein in der Verbannung" geschriebenes Buch ,, Ich bezahlte Hitler" angeführt.

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NEUSTADT a. d. H. Ueber eingemauerte Be- stände von 230 Zentnern Butterschmalz und mehr als 75 000 Dosen kondensierter Alpenmilch verfügte ein Buttergroßhändler in Neustadt. Er wie seine Ehefrau wurden u. a. zu je 1 Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe in Höhe von 1000 bzw. 2500 DM verurteilt.

LÜNEBURG. Zu der verschärften Bewachung der aus England gekommenen und nun in Munsterlager festgehaltenen Generalfeldmarschälle v. Brauchitsch, v. Rundstedt und v. Manstein äußerte sich der bri- tische Militärschriftsteller Liddell Hart: ,, Es wurde gesagt, daß die letzte Serie der Nürnberger Pro- zesse endgültig die letzte war, Sollen sie nun in einem anderen Gewande wieder aufgenommen wer- den?" v. Brauchitsch drohte mit Hungerstreik, falls die verschärfte Bewachung nicht aufgehoben werde. OSLO. Norwegen verstärkt seine Rüstung durch Steigerung der Raketenwaffenproduktion. Außer- dem wird eine Heimwehr aufgestellt, für die die Uniformen in Amerika bestellt wurden. Ueber

hinauf hätten zu den Glockentürmen führen mögen; sie hingen lang herab. Kleines Staub- getier flog in den Sonnenpfeilen auf, eine Maus lief am Sparren entlang. Das warme Gebälk duftete nach Feld und Wald. Das war der Geruch der Heimat, er ging mit mir in die steinerne Stadt.

Aus der Scheune führte noch eine zweite Tür hinaus in den Garten. Es war eigentlich ein Pförtchen, wie es im Märchen sich auftut, wenn einer das Wunder erlebt. Fast scheu hob ich wieder einen leichten Riegel ganz langsam zurück, das andere kam von selbst. Das Tür- chen tat sich feierlich auf, ich selbst stand ge- bannt im Rahmen der stillen Dämmerung.

100 000 junge Norweger haben sich bereits freiwillig

gemeldet.

LONDON. Das britische Kriegsministerium gibt bekannt, daß ,, zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des durch die kürzlichen Unruhen in den Ma- layenstaaten erschütterten Vertrauens" Hilfseinhei- ten zur Verstärkung der Truppen in Singapur ent- sandt wurden.

LONDON. Wie der Manchester Guardian" be- richtet, ist die Zahl der Gefängnisinsassen in Eng- land seit dem letzten Friedensjahr von 10 000 auf nahezu 20 000 angestiegen, so daß jeweils minde- stens drei Gefangene in einer Zelle untergebracht werden müssen. Dies soll jedoch bei den Häftlin- gen als willkommene Erleichterung begrüßt wer- den. Es wurde ihnen neuerdings auch erlaubt, Tagebücher zu führen.

ROM. Die kommunistische Partei Italiens ver- öffentlichte eine Resolution, in der ihre Mitglieder aufgefordert wurden, streng an den Moskauer Di- rektiven festzuhalten. Angekündigt wurde auẞer- dem die Säuberung der Partei von ,, unwürdigen

Elementen".

ROM. Die italienische Flotte wird ausgedehnte Manöver im Mittelmeer durchführen.

NEW YORK. Der Kandidat der Fortschrittspartei für die amerikanische Präsidentschaftswahl, Henry Wallace, wird auf seiner Wahlreise in den Süd- d. h. staaten nur gemischte" Versammlungen, solche mit gleichberechtigter Beteiligung von Weißen und Schwarzen veranstalten. Bekanntlich bestimmen die Gesetze in den meisten dieser Staa- ten getrennte Kundgebungen für die beiden Rassen. WASHINGTON. Die Signatarmächte des Brüsseler Paktes haben ihre Botschafter in Washington ange- wiesen, die Regierung der USA aufzufordern, Ver- handlungen über ein militärisches Bündnis einzu- leiten.

RIO DE JANEIRO. Gegenüber den ,, internatio- nalen Druckmitteln der im Kampf befindlichen slawischen und angelsächsischen Staaten" setzte sich der argentinische Präsident Peron für Zusam- menarbeit der romanischen Staaten ein. Insbeson- dere die von seiner Regierung Franco gewährte Hilfe begründete er mit der Blockpoliitk der sla- wischen und angelsächsischen Länder und der ras- sischen und kulturellen Verbundenheit der Latein- staaten.

Das Schiller- Nationalmuseum Ein Schatzhaus deutschen Geistesgutes, das Schil- ler- Nationalmuseum in Marbach, unweit Stuttgart, ist eine der wenigen unbeschädigten Kunststätten Deutschlands. Das nach dem Vorbild des Schlosses Solitude erstellte Bauwerk leuchtet weit in die lieb- liche Landschaft hinaus und birgt wieder den kost- baren Besitz, der in 60 riesigen Kisten in einem Salzbergwerk den Krieg überdauerte. Jetzt ist alles wieder an seinen gewohnten Platz gebracht und dem Besucher zugänglich. Mit den fast 100 000 Ori-

ginalhandschriften, 20 000 Büchern und etwa 8000 Bildern ist das Museum nicht allein eine Pflege- stätte der Erinnerungen, sondern auch für den Wis- senschaftler eine Fundgrube ohnegleichen. Außer den Schillerschätzen finden sich dort wertvolle Nach- laẞbestände anderer bedeutender Schwabendichter, wie Christoph Martin Wieland, Hölderlin, Justinus Theodor Vischer, Fr. David Strauß, Hermann und Isolde Kurz, Cäsar Flaischlen und vielen anderen. Als das von allen seinen schwäbischen Sanges- genossen anerkannte Haupt des Kreises tritt uns Ludwig Uhland in vielen Dokumenten entgegen. Das Schillermuseum besitzt unter anderem die ge- bundenen Hefte, in welche Uhland seine Gedichte. mit pünktlicher Beifügung der Entstehungstage ein- zutragen pflegte. Unter den mehr als tausend Brie- fen sind solche von Justinus Kerner ,, Gustav Schwab, Eduard Mörike, dann von Fouqué, Chamisso, Rük- kert, Heinrich Heine und vielen andern. Lange und ergriffen kann der Besucher des Museums vor den Dokumenten stehen, und es ist deshalb begreiflich, daß seit der Wiedereröffnung des Museums regel- mäßige Pilgerfahrten aus allen Teilen des Landes

Da lärmte und stürzte es herein zu mir, in mich, in meine Augen, aus tausend Blumen- Kerner, Wilhelm Hauff, Eduard Mörike, Friedrich gesichtern, aus Vogelkehlen, aus dunkler, sat- ter Erde. Die Pracht der Farben tat sich mit der Bewegung der Büsche und Pflanzen zu- sammen, sie kamen wie ein sommerliches Heer in mein Blickfeld gestürmt. Dahinter stand das Blau des Himmels, weißes Licht fiel in alle Zwischenräume. Ich schloß geblendet die Au- gen vor der seltsamen Gewalt, aber ich konnte sie ruhig wieder aufmachen, der Glanz blieb, solange ich in der Dämmerung stand.

Trat ich dann hinaus in den Garten, so schaute ich dem großen Mohn in die offenen Kelche, ging den Bienen nach unter die blauen Glockenblumen, zu den brennenden Gladiolen, dem Frauenschuh, den gelben Königskerzen. Es war wohltuend, aus diesem leidenschaft- lichen Summen und Blühen zu den nüchternen Bohnen zu kommen. Ich half nach, wenn eine Ranke nicht wickeln konnte, sie winkten dan- kend an ihren Stangen; sie waren nützlich und tüchtig für Küche und Magen.

Meine feurigen Blumen aber trug die Bäue- rin am Abend in die nahe Kirche, wo sie zu Füßen der Madonna ihre letzte Glut ver-

strömten.

500 Studenten aus den drei Westzonen werden zu einem dreiwöchigen Landdienst nach England

Es hätte in keinem Dom feierlicher und schöner sein können. Die hanfenen Seile hoch reisen.

stattfinden.

Der heute fast 90jährige Gründer des Museums, Geheimrat Prof. Dr. von Günther, hat die Ge- schichte des Museums mit Ueberblicken über die einzelnen Dichternachlasse geschrieben, die nur noch der Freigabe des erforderlichen Papiers harrte. Sie wird in Bälde herauskommen. Manfred Franckh

Von der Bodenseebühne Ueberlingen Nachdem die Bodenseebühne Ueberlingen( Dir.: Heinrich Schmidt- Seeger) im vergangenen ersten Spieljahr im gesamten südbadischen und schwäbi- schen Raum vom Allgäu bis zum Offenburger Land mit bemerkenswerten Inszenierungen hervorgetre- ten ist( erwähnt sei nur u. a. Max Halbes Der Strom", Kleists Der zerbrochene Krug". Goldonis

19. August 1948

Gerechtes Recht

Zu dem in Nummer 64 des ,, Schwäbischen Tagblatts" vom 7. August 1948 zur Diskussion gestellten Artikel von Paul Wilhelm Wen- ger, Rottenburg: ,, Recht, Gesetz und Rich ter", bringen wir im folgenden einige Stel lungnahmen:

vac. ,, Mut zur Ehrlichkeit" nennt Dr. jur. H G. Hisam, Tübingen, die offenen Worte Wen- gers, die ,, endlich in deutlicher Form den Schleier von unserer mehr als reparaturbedürftigen Ge- setzgebung gezogen haben" und begrüßt vor al- lem die persönlichen Konsequenzen, die der Ver- fasser durch sein Ausscheiden aus dem Richter- amt auf sich nahm. Während es jedoch Wenger wohl darauf ankam, den eklatanten Widerspruch zwischen der bisherigen Bestrafung von Wirt- schaftsvergehen und dem nach der Währungs- reform aus autoritärem Munde geäußerten Lob der Warenhortungen zu zeigen, vertritt Dr. H. diese Vergehen insbesondere vom Standpunkt des Unternehmers her: ,, Niemand war mehr in der Lage, sich restlos freizuhalten von Ueber- tretungen dieser Rechtssätze, die in den An- schauungen des Volkes schon lange kein Recht mehr waren."

Den Richter aus dem ,, Konflikt zwischen dem klaren Buchstaben des Gesetzes und dem Wissen um die Notwendigkeit des Begehens der verbote- nen Tat" zu befreien, glaubt Dr. H. durch die Uebergabe des ganzen Kriegswirtschaftsrechts von der Justiz an die Verwaltungsbehörden er- reichen zu können. Damit würden die Wirt- schaftsvergehen nur noch durch Ordnungsstrafen geahndet und ihres kriminellen Charakters ent- kleidet.

Otto Besch, Trossingen, sieht in der Be- einträchtigung der Unabhängigkeit des Rich- ters die entscheidende Gefahr: ,, In dem Augen- blick, wo das Bewußtsein Platz greift, daß diese nur eine Fiktion ist, wird im Volke das Vertrauen zur Rechtsprechung und zum Gesetze überhaupt unheilbaren Schaden erleiden."

Amtsgerichtsrat Dr. Lie b, Ravensburg, be- fürwortet vor allem die von Wenger erstrebte Richtervereinigung. Doch sei die Verwirrung des Rechtslebens ,, nicht eine Folge der öffentlichen Bewirtschaftung", wie Wenger meinte ,,, sondern eine solche der Wirtschaftskrise", die nur ,, allge- meine menschliche Schwächen offenbart". Die Zwangsbewirtschaftung als solche sei lediglich ,, eine Maßnahme, die im Interesse des nichtbe- sitzenden Arbeitnehmers notwendig wurde." Sie wäre also vom Richter durchweg zu schützen. Eine weitere Zuschrift gibt zu, daß Unabsetz- barkeit und Unversetzbarkeit des Richters, eine der Justizverwaltung unbeeinflußte Ge- schäftsverteilung, aber auch Richtervereine, wie sie in Deutschland längst bekannt seien, eine ge- nügende Garantie für die Unabhängigkeit des Richters von personellen Entscheidungen durch die Justizverwaltung nicht geben könnten. Der Verfasser glaubt aber in der Besetzung des Ju- stizministeriums vorwiegend mit früheren Rich- tern eine gewisse Gewähr für die Anerkennung richterlicher Unabhängigkeit sehen zu dürfen.

von

Ob aber der Richter ein zwar formell gül- tiges, im Wesen aber ungerechtes Gesetz anwen- den müsse und dürfe, ob er um des Rechtes we- gen ,, contra legem" entscheiden solle- ,, dieses Problem nun ist der eigentliche Grund für den Konflikt, den Wenger meinte. Gewiß, der Richter ist dem Gesetz und nur diesem unterworfen. Ge- setz ist aber nicht nur das gesetzte staatliche Recht, sondern auch der gesamte Inhalt der Rechtsordnung, das Rechtsbewußtsein und die Sitte. Ihnen darf nicht nur, sondern muß der Richter folgen, wenn er im konkreten Falle mit Annehmen eines Notstandes nicht weiter kommt. Das ist nicht nur die Ansicht der heutigen Rechts- wissenschaft, sondern war schon die des Sach- senspiegels, der sagte ,, ein gesatzt Recht mag wol das andere aufheben, aber kein natürlich Recht mag es abtun'. Daß aber der Richter es sich nicht immer leisten kann, auf diese Weise gegen das Gesetz zu entscheiden, weil er solche Unabhängigkeit eben nicht besitzt, darin liegt sein eigentlicher Gewissenskonflikt".

HALLE, In Halle gibt es nur noch fünf berufs-

mäßige Saalefischer. Infolge der wachsenden Indu- strialisierung und der Verunreinigung der Flüsse durch chemische Stoffe sind die Fische nahezu aus- gestorben. Die farbenprächtige historische Zunft- kleidung des uralten Standes der Saalefischer war bereits der Spinnstoffsammlung zum Opfer gefallen.

Herausgeber und Schriftleiter: Will Hanns Hebsacker Dr. Ernst Müller und Alfred Schwenger Weitere Mitglieder der Redaktion: Dr. Helmut Kiecza und Joseph Klingelhöfer

Monatlicher Bezugspreis einschl. Trägerlohn 1.80 DM, durch die Post 2.16 DM. Einzelverkaufspreis 20 Pf. Erscheinungstage: Dienstag, Donnerstag, Samstag

ROSEN

Ihr macht das grüne Laub erglühen

Ihr roten Rosen über Gartenmauern. Und ihr erfüllt des Lebens dunkles Mühen Mit Duft und Rausch und süßen Schauern. Schenkt mir, wenn Sonnengold aus euren Kronen fällt,

Den Glauben wieder an den Überfluß der Welt! Ernst Christ

,, Der Lügner" und Hofmannsthals Jedermann"), be gann die neue Spielzeit nach der Währungsreform mit der Aufführung der Oper Der Barbier von Se villa", zu der Gäste aus München, Karlsruhe, Stutt gart, und das Städtische Orchester Konstanz unter Leitung von Hans Kennerknecht wesentliches bei trugen. Die nächste Einstudierung wird Mozarts ,, Cosi fan tutte" sein. Das Schauspiel bringt zur Eröffnung Schillers Kabale und Liebe". An weite ren Werken sind vorgesehen: ,, Komödie der Irrup gen" von Shakespeare, Iphigenie" von Goethe, Die Geburt der Salome" von Meano und ,, Verkündigung von Claudel.

Kulturelle Nachrichten

In einem Protestschreiben an die Stadtverwaltung wendet sich die Dekanatsführung der katholischen Schwabenjugend in Ravensburg gemeinsam mit dem katholischen Männerwerk und dem Frauenbund ge gen die Vorführung des Hans- Alber- Films ,, Groß Freiheit Nr. 7", der bei großem Publikums andrang in einem Ravensburger Kino läuft. Des Film habe eine sittenzersetzende Tendenz. Dem Ein spruch hat sich auch das evangelische Jugendwerk angeschlossen.

Die Lindauer Herbstwochen 1948 sind mit Rücksicht auf die Ende September stattfindende Heimatwoche in Tettnang auf die Zeit vom 2. bi 17. Oktober verschoben worden.

Nach einer Mitteilung der französischen Militär regierung können deutsche Studenten in Franké reich beim Wiederaufbau zu den gleichen Bedin gungen wie französische Arbeiter mitarbeiten. Die bekannte Konzertsängerin Lula Mysz- Gmeiner ist im Alter von fast 72 Jahren in Schwerin gestorben. Die in Kronstadt geborene Künstlerin wurde einst als Altistin in den Konzert sälen vieler Länder gefeiert.