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wir uns, wie einst Amerika nach dem Abzug der englischen Kolonialmacht, selbständig zu einem einheitlichen Bundesstaat entwickeln. Denn, so argumentiert er, ,, ohne die Anwe- senheit der Roten Armee ist es dem Kreml nicht möglich, mit Hilfe der kommunistischen Parteien Europa zu beherrschen. Nirgends bilden die Kommunisten mehr als eine straffe Minderheit. Um in der Macht zu bleiben, müssen sie sich auf Abmachungen mit den Sozialisten und anderen nichtkommunistischen Parteien einlassen, wie sie es in Jugoslawien
und Polen getan haben".
Polen und Jugoslawien? Die Spuren schrek- ken. Wir kennen die Blockpolitik der SED! Wo Demagogie nicht weiter hilft, da genügt ein kommunistischer Innenminister mit ober- ster Polizeigewalt, um ein zweites Prag zu
inszenieren Nie würde Moskau seine Trup- pen abziehen, wenn es nicht annähme, es könnte auf kaltem Weg die Macht erobern. Nie würde Stalin einer neuen Viererbasis in Deutschland zustimmen, wenn er nicht hoffte,
dadurch wieder die Positionen von Potsdam zurückzugewinnen.
Die Alliierten und die Rationen
FRANKFURT. Wie das amerikanische Nach- richtenbüro ,, Associated Press" aus zuverlässi- ger Quelle erfahren haben will, haben in Baden- Baden Besprechungen zwischen ameri- kanischen und englischen Vertretern einerseits und den französischen Besatzungsbehörden an- dererseits stattgefunden, die die Angleichung der Rationen der französischen Zone an die der Bizone zum Ziele hatten. Die Engländer und Amerikaner, so heißt es in der AP- Mel- dung, hätten sich geweigert, zu einer Erhöhung der Rationen in der französischen Zone beizu- tragen, solange die französische Besatzungs- macht die Entnahme von Lebensmitteln für ihre Truppen aus deutschen Beständen nicht einstelle. Die französischen Behörden hätten jedoch Großbritannien und den Vereinigten Staaten offiziell mitgeteilt, daß eine Einstel- lung der Lebensmittelentnahmen vor dem 1. Januar unmöglich sei.
Meldungen aus London zufolge herrscht zwischen den drei beteiligten Mächten weiter- hin rege Verhandlungstätigkeit in der Frage der Vereinheitlichung des Außenhandels der französischen und der Bizone". Wenn es auch noch nicht zu einer uneingeschränkten Zusam- menarbeit zwischen den Außenhandelsbehör- den der französischen Zone, dem Oficomex, und den entsprechenden Stellen in Frankfurt, der JEIA, gekommen sei, so habe man doch bereits verschiedene praktische Maßnahmen getroffen. Seit 1. August verhandelten die Fir- men der britischen Zone mit denen der fran- zösischen nach dem Verfahren, das in der Bi- zone Geltung besitze.
Das Saarland ,, autonom" SAARBRÜCKEN. Die Regierung des Saar- landes dementiert die Gerüchte, wonach sie zur Entsendung von Delegierten zum Parlamen- tarischen Rat für die Ausarbeitung der west- deutschen Verfassung eingeladen worden sein soll. Sie stellt dabei folgendes fest: ,, Die saar- ländische Verfassung, die mit allen gegen eine Stimme von der gesetzgebenden Versammlung angenommen wurde, läßt keinen Zweifel dar- über, daß das Saarland wirtschaftlich an Frank- reich angeschlossen ist und daß es sich als eigener, autonom geordneter Staat politisch von Deutschland trennte. Das Saarland ist, um es eindeutig zu konkretisieren, ein selbständiger Staat, der einen Teil seiner Souveränitäts- rechte an Frankreich übertragen hat. Infolge- dessen ist die Annahme unsinnig, das Saar- land könnte in irgendeiner Form mit deutschen Verfassungsfragen befaßt werden. Die Regie- rung des Saarlandes benützt die Gelegenheit, um in aller Eindringlichkeit zu betonen, daß die gesamte saarländische Bevölkerung das enge und vertrauensvolle Verhältnis zu Frankreich
bejaht."
MUNCHEN. Die Zahl der deutschen Angestellten
bei den Militärregierungen in den Ländern der amerikanischen Besatzungszone soll bis zum 1. Sep- tember auf die Hälfte verringert werden. In Mün- chen wurde bisher rund 1500 Angestellten gekündigt.
SCHWABISCHES TAGBLATT
Wie sieht Ostpreußen heute aus?
Touristenziel für Polen/ ,, Bastion des Sozialismus" PRD. Ostpreußen, einst die Kornkammer des deutschen Reiches, mit vortrefflichem Weide- land, auf dem erstklassige Rinder und welt- bekannte Pferderassen gezüchtet wurden, mit einer Forstwirtschaft, die in Deutschland an erster Stelle stand, ist heute, nach drei Jahren polnischer Verwaltung, eine Oede. Von den etwa 2 Millionen deutschen Einwohnern sind etwa 50 000 zurückgeblieben, die für Polen optiert haben Mit den zugewanderten Polen von jenseits der Curzon- Linie, des Bug, aus
deutschen Truppen gesprengt, bevor man die sterblichen Reste Hindenburgs nach Inner- deutschland überführte. Die polnischen Bau- ern der Umgebung verwenden die behauenen Steine des Mausoleums zum Aufbau ihrer Wohnungen.
der Provinz Rzeczow, aus den Gegenden um Radom und Krakau, sind die insgesamt etwa 500 000 Einwohner heute nicht in der Lage, dem Boden auch nur annähernd die Erträge abzugewinnen, die deutsche Bauern einge- bracht haben. Außerdem ist die polnische Re- gierung vielmehr daran interessiert, so schnell wie möglich die Gebiete längs der Oder und Neiße zu besiedeln, damit ihr ,, polnischer Cha- rakter" und die Fähigkeit der Polen nicht an- gezweifelt werden kann, das Land neu zu er- schließen.
Ostpreußen steht daher auf der Prioritäts- liste weit hinten. Unter diesen Umständen
Von den Gebieten des russisch besetzten Ostpreußens ist weniger bekannt. Man weiß nur, daß einige hundert Kollektivgüter ge- schaffen wurden, auf denen Siedler aus den
waren 175 000
stark verwüsteten Gebieten um Kursk und Orel arbeiten. In Königsberg, das einst über 300 000 Einwohner hatte, leben heute etwa 100 000 Russen und 10 000 Deutsche. Beim Einmarsch der Russen 1945 Deutsche in der Stadt zurückgeblieben. Viele von ihnen sind gestorben, ein anderer Teil hat mit Transporten und auf illegalem Wege Rest- deutschland erreicht. Das Leben dieser Deut- schen in Königsberg, die jeder zivilisatorischen Errungenschaft beraubt sind, gilt lediglich der Sorge um das Essen und um den Arbeitsplatz.
Den Arbeitenden ist mit der Zuteilung einer ,, Produktenkarte" ein Existenzminimum ge-
12. August 1948
Wahl des Staatspräsidenten
BEBENHAUSEN. Der Landtag von Süd- württemberg- Hohenzollern wird in seiner 38. Sitzung am Freitag Beginn 14 Uhr die Wahl des neuen Staatspräsidenten vornehmen. Auf der Tagesordnung stehen außerdem die 3. Lesung des Schulgesetzes und die Beratung verschiedener anderer Gesetzentwürfe, zwei große Anfragen und die Bestimmung der zwei Abgeordneten für den parlamentarischen Rat.
wieder, Gas und Licht funktionieren. Der Ha-
fenbetrieb ist wieder im Gange. Die holzver-
arbeitende Industrie ist auf der Höhe. So konnten die Königsberger Zellulosewerke bei einem Wettbewerb aller russischen Zellulose- fabriken den zweiten Preis gewinnen. Das Denkmal Kants und das Schillermonument
sind als die letzten deutschen Kulturdenkmä- ler heil geblieben. Diese beiden Großen wur- den von den Russen vor kurzer Zeit als„, fort- schrittliche Geister" zu den Vorkämpfern der kommunistischen Ideologie erhoben und von den russischen Politikern genau so annektiert wie das alte deutsche Siedlungsland Ostpreu- Ben, das die„ Prawda" in einem Artikel als „, altes slawisches Gebiet" für die slawischen
sichert, während Alte und Kranke dem lang- Völker beansprucht und das nun in einen samen Hungertod preisgegeben sind. Im übri- gen haben sich die Verhältnisse in Königsberg etwas normalisiert. Die Straßenbahn fährt
,, blühenden Landstrich" und in eine ,, unein- nehmbare Bastion des Sozialismus" verwan- delt werden soll.
Nachrichten aus aller Welt
STUTTGART. Landesbischof Wurm erklärte nach Abschluß der Kopenhagener Rundfunkkonferenz, man habe mit großem Befremden die Nachricht auf- wellenkonferenz auf französischen Antrag hin den vier deutschen Besatzungszonen an Stelle der bis- herigen 36 deutschen Wellen nur noch je ein schwa- cher Sender auf Mittelwelle bewilligt worden sei. Dadurch werde die deutsche Stimme so gut wie ausgeschaltet und der deutsche Beitrag auf kultu- rellem Gebiet verkleinert.
können Jahre und Jahrzehnte vergehen, ehe die zu 60 Prozent zerstörten Städte und Dör- fer wieder aufgebaut sind. Wer sich heute in Ostpreußen ansässig machen will, muß sich ein verfallenes Haus selbst reparieren und am Anfang das Leben eines Trappers führen. Die polnischen Siedler, besonders die Ukrainer, fühlen sich deshalb in ihrer neuen Heimat nicht glücklich. Viele müssen auf staatlichen Gütern arbeiten, weil ihnen für eine selb- ständige landwirtschaftliche Betätigung Pferde, genommen, daß auf der Internationalen Rundfunk- Kühe und die notwendigen Gerätschaften feh- len. Ehe sie in den Besitz der elementarsten Dinge gelangt sind und ihnen die Norm von 15 Hektar Siedlungsland zugeteilt wird, müs- sen sie ein recht armseliges Dasein führen. Zur besseren Erschließung hat die polnische Staatsbahn in diesem Jahre einen regen Zug- verkehr von Zentralpolen nach Ostpreußen eingerichtet. Zu gleicher Zeit lädt das War- schauer Reisebüro ,, Orbis" Touristen nach Ost- preußen ein, preist seine landschaftlichen Schönheiten und die gediegenen Kurhotels mit fließendem kalten und warmen Wasser. Am Allensteiner„ Bierkeller" werden in den Reiseprospekten die polnischen Spezialgerichte im Hof des Landsberger Gefängnisses durch Er- hervorgehoben und in Osterode, dem Mittel- punkt des polnischen Touristenverkehrs, be- ginnt am Ufer eines der schönsten Seen Ost- preußens eine Kapelle bei Sonnenuntergang Volkslieder und Schlager zu spielen, nach de- nen zahlreiche Polen und Polinnen bis spät in die Nacht hinein tanzen.
Als eindrucksvollstes Monument der Ver- gangenheit überragt das Tannenbergdenkmal weite brachliegende Felder, auf denen noch zerschossene Tanks und altes Kriegsmaterial herumliegen. 1945 wurden zwei von den acht Türmen des Denkmals von den abziehenden
Jagd auf Rotarmisten BERLIN. Auf den Bahnhöfen im russischen
Sektor werden verschärfte Ausweiskontrollen durchgeführt. Wie von unterrichteter Seite er- klärt wird, handelt es sich um eine Fahndungs- aktion nach 500 desertierten Rotarmisten.
Der suspendierte ehemalige Polizeipräsident Markgraf, der von den Russen gehalten wird, hat bisher neun Polizisten, die Befehle des neuen Polizeipräsidenten Dr. Stumm aus- führten, verhaften lassen.
Da infolge der am 16. Juni erfolgten Auf- lösung der Alliierten Kommandantur durch die sowjetische Besatzungsmacht die Möglich- keit einer Besprechung der Berliner Ange- legenheiten auf Viermächtebasis nicht mehr besteht, sind die drei Kommandanten der West- sektoren dazu übergegangen, in gemeinsamen Konferenzen die laufenden Fragen zu erörtern. Die Zusammenkünfte, die nicht den Charakter regelmäßiger Sitzungen tragen, finden abwech- selnd in den Dienststellen der amerikanischen, der britischen und der französischen Militär- regierung statt.
Das Zentralorgan der SED ,, Freies Deutsch-
Frankreichs Ferienmonat August
Von E. G. Paulus
STUTTGART. Die Evang. Pressestelle teilt mit, daß die Anweisung des amerikanischen Armeemini- sters, Kenneth Royall, die Vollstreckung aller To- desurteile in den Dachauer Kriegsverbrecherprozes- sen auszusetzen, 143 Deutsche betreffe.
MÜNCHEN. Zwei Deutsche, die von einem ame- rikanischen Militärgericht wegen Raubmords zum Tode verurteilt worden sind, wurden am Dienstag schießen hingerichtet. Damit wurde erstmalig ein Todesurteil an deutschen Zivilgefangenen durch amerikanische Soldaten vollstreckt.
FRANKFURT. Vom 1. September ab wird Stutt- gart in den regelmäßigen Flugverkehr zwischen Frankfurt und München einbezogen. Die Flugzeit für die Strecke Frankfurt- Stuttgart beträgt 40 Mi- nuten, der Flugpreis 40 DM. Eine Rückflugkarte kostet 72 DM.
FRANKFURT. Die Stadt Worthington( Minnesota) hat ihrer Patenstadt Crailsheim 4000 Kleidungs- stücke gespendet.
der
FRANKFURT. Der ehemalige Vorsitzende tschechischen Volkssozialisten und stellvertretende
land" setzt sich für baldige Neuwahlen in Großberlin ein, da die Zusammensetzung der gegenwärtigen Stadtverordnetenversammlung nicht mehr dem Willen der Bevölkerung ent- spreche. Das Blatt erklärt dabei, daß die Ber-
liner Landesverbände der CDU und LDP, die
sich von ihren unter SMA- Kontrolle stehenden Zonenorganisationen getrennt haben, an die-
Ministerpräsident, Dr. Peter Zenkl, ist aus der Tschechoslowakei geflüchtet und in Frankfurt ein-
getroffen.
ROSENHEIM. Aus Protest gegen die hohen Preise und die schlechte Qualität plünderten Hausfrauen die Verkaufsstände hiesiger Obsthändler. Auch in Bamberg kam es zu ähnlichen Demonstrationen. DUSSELDORF. Dr. Konrad Adenauer, der Vor- sitzende der CDU in der britischen Zone, lehnte das von der SPD, der KPD und dem Zentrum im nordrhein- westfälischen Landtage angenommene So- zialisierungsgesetz für den Kohlenbergbau ab und zog darüber hinaus die Schlußfolgerung, daß auf Grund der Abhängigkeit des Zentrums von den Linksparteien die seit einiger Zeit schwebenden Verhandlungen der CDU mit dem Zentrum über eine Fusion der beiden Parteien als gescheitert an- gesehen werden müßten.
BERLIN. Der Generalstabschef der amerikani- schen Luftstreitkräfte, General Hoyt Vandenberg, und der Staatssekretär im Luftfahrtministerium, Stewart Symington, die die amerikanischen Flug- basen in Großbritannien inspiziert hatten, sind am Dienstagabend zur Ueberprüfung der Luftversor- gung Berlins in Deutschland eingetroffen.
DRESDEN. Der Landesvorstand der SED Sachsen ruft die Parteimitglieder auf, wachsam zu sein ge- gen alle„ Parteifeinde und Agenten des Klassen- gegners". Die„ Schumacher- Elemente" sollen aus der Partei entfernt werden, um eine„ ideologische Klä- rung und organisatorische Festigung" herbeizufüh- ren. Mehrere hohe Verwaltungsbeamte wurden aus der Partei ausgeschlossen.
LONDON. Bei der feierlichen Einsetzung der Prinzessin Juliane in die Königswürde von Holland, die am 6. September in Amsterdam stattfindet, wird das englische Königshaus durch Prinzes- sin Margret vertreten sein. BERN.
Die polizeiliche Untersuchung über die
Tätigkeit des rumänischen Staatsangehörigen Solvan Vitianu, wegen dessen kürzlich erfolgter Verhaf- tung sämtliche Schweizer Konsulate in Rumänien geschlossen wurden, hat ergeben, daß dieser wirt- schaftliche und politische Spionage betrieben hat. BERN. Am Dienstag traf der Schah von Persien zu einem offiziellen Besuch in der Schweiz ein. Er wurde vom Leiter des politischen Departements empfangen.
ATHEN. Wie„ Associated Press" meldet, soll Ge- neral Markos infolge der erfolgreichen Offensive der griechischen Regierungstruppen an der Gram- mosfront sein Hauptquartier nach Nikolitsa in Al- banien verlegt haben.
sen Wahlen nicht teilnehmen könnten, denn die rechtmäßigen Organisationen beider Par- teien seien die Berliner Arbeitsgemeinschaften der CDU und LDP.( Bei den ,, Arbeitsgemein- schaften" handelt es sich um kleine Splitter- gruppen der Berliner Landesverbände, die die Arbeitsgenehmigung der SMA für den Sowjet- sektor besitzen!) Im Gegensatz zu ihrer Hal- tung in Berlin setzt sich die SED in der übri- gen Sowjetzone zusammen mit der national- Luftwaffe und die Royal- Air- Force ausgebaut wer- demokratischen Partei und der demokratischen Bauernpartei für eine Verschiebung der im Oktober fälligen Wahlen ein.
Die Besatzungskosten, die Berlin aufzubrin- gen hat, betragen in diesem Jahre rund 400 Mill. Mark. Das sind pro Kopf der Bevölke- rung rund 125 Mark.
erscheinen in Scharen, bevölkern die Champs Elysées, studieren gewissenhaft die Seele des Louvre und interessieren sich nicht weniger für das Nachtleben von Montmartre und nimmt es nicht wunder, wenn Bekante aus London ihren Besuch von Week- End zu Week- End verschieben, da sie ,, wieder einmal" die versprochene Fahrkarte nicht erhalten hätten. Die Normalisierung des Lebens in Frankreich, ben ihre Wirkungen auf die Belebung des
die Abwertung des französischen Franken ha-
Das festliche Ereignis, der Höhepunkt des Reynauds ins Wirtschaftsministerium ist Montparnasse. Da halb England unterwegs ist, Jahres, auf den die Pariser sich vorbereiten, sobald nur die ersten grünen Spitzen an den Bäumen sichtbar werden, ist eingetreten. Der heißersehnte Ferienmonat August ist da und ganz Paris, soweit es noch vorhanden ist, packt die Koffer. Die Zeitungen bringen Statistiken, auf welche Pariser Bahnhöfe die mehr als 800 000 Abreisen, die innerhalb von 4 Tagen stattfanden, sich verteilten und veröffentlichen eine Landkarte Frankreichs, in welcher die Wetterverhältnisse in den verschiedenen Re- gionen des Landes täglich gewissenhaft ein- gezeichnet sind.
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Trotz der alljährlichen Wiederholungen die berühmten Schilder an den Geschäften Fermeture annuelle", der Verfrachtung der Rennpferde nach Deauville, Vichy und an- deren Kurorten, den alten Concierge- Ehe- paaren, die in grünen Filzpantoffeln als ein- same Wächter der Hauptstadt vor den Haus- türen sitzen, um dort die frische Luft" zu genießen unterscheidet sich der Ferien-
die Garantie gegeben, daß die letzten Schran- ken der staatlichen Zwangswirtschaft fallen werden und die einzigen Mißvergnügten sind die Angehörigen von Wirtschaftsämtern und ähnlichen Kriegs- und Nachkriegseinrichtun- gen, die jetzt einer produktiveren Tätigkeit zugeführt werden. So reagierten auf den letzten Regierungswechsel nicht nur die Staats- anleihen, die an der Börse um 15% stiegen, die Goldkurse, die um 12% fielen, sondern auch die Bauern, die zum erstenmal seit 10 Jahren wieder Camenbert- Käse in großen
Mengen auf den Pariser Wochenmärkten zum freien Verkauf anboten, ohne die Wirt- schaftsinspektoren zu fürchten. Auf dem Zei- tungspapier, in welches diese Käse einge-
packt wurden, stand aber zu lesen, daß nun-
mehr auch die Fleischbewirtschaftung aufge-
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hoben sei. Freilich bringt die Rückkehr zur freien Marktwirtschaft nicht nur Annehm- lichkeiten. ,, Mehr produzieren, mehr ar- beiten" heißt das Leitmotiv. Paul Reynaud monat August 1948 doch sehr grundsätzlich hat unverblümt erklärt, daß die gegenwärtige von allen Ferien der vergangenen Jahre. Situation es nicht erlaube, die Woche mit Zum erstenmal seit Kriegsbeginn bietet Woche wird abgeschafft, die Arbeitszeit er- zwei Sontagen auszustatten. Die 40- Stunden- Paris in diesem Sommer wieder ein völlig höht und der Präsident der Republik, Vin- friedensmäßiges Bild. Zum erstenmal brauch- cent Auriol, hat festgestellt, daß die so- ten die Pariser bei der Auswahl ihres Fe- genannten ,, Ponts"( ,, Brücken" d. h. Schließung rienortes sich nicht mehr von dem bis dahin der Bureaus und Fabriken an Tagen, die zwi- dominierenden Gedanken leiten zu lassen, in welcher Landschaft man sich einmal richtig schen zwei Feiertage fallen) mit der Zeit zu sattessen und einen möglichst großen Lebens- regelrechten ,, Viadukten" geworden seien. mittelvorrat für den Winter nach Paris schlep- pen könnte. Zum erstenmal seit 8 Jahren sind die Ferien eine reine Erholung und keine Ham- sterfahrt mehr.Jedermann weiß, daß überall, wo- hin er auch geht, Hotels und Restaurants mit gedeckten Tischen und ausführlicher Speise- karte auf ihn warten. Mit dem Einzug Paul
Im gleichen Zeitpunkt, da die Pariser ihre Hauptstadt verlassen, halten die Fremden ihren Einzug. Sie kommen in endlos langen, blau- und rotlackierten Autobussen aus Dänemark, der Schweiz, Luxemburg und Holland, in Grup- pen aus England und als Einzelfahrer aus Belgien. Mister Smith und Mister Brown
Fremdenverkehrs nicht verfehlt und
wie
einstmals Engländer, Holländer und viele
Franzosen zur Sommerfrische ins ,, billige Bel- gien" fuhren, so flüchten sich heute selbst die Belgier vor dem allzugut gewordenen bel- gischen Franc. Eine Julistatistik der belgi-
schen Küstenorte verzeichnete für 55 Hotels mit 2697 Zimmern und 520 Hotelangestellten
in Blankenberghe, Coxyde, Knocke, Le Zoute,
Middelkerke, Ostende und La Panne insge- dem einst so besuchten Ostende fielen auf 11 Hotels mit 156 Angestellten 29 Kurgäste! In Frankreich können die Belgier, deren Wagen man an jeder Ecke sieht, sechs bis sieben französische Francs für einen belgischen er- halten und außerdem spendet der französi- sche Staat noch für jeden mit einem Wagen einreisenden Ausländer für 400 Liter Benzin- scheine, von denen der gewöhnliche Sterb- liche in Frankreich nur 20 Liter pro Monat markt hoch bezahlt sind, garagieren pfiffige erhält. Da die Benzinscheine auf dem Schwarz- Belgier und Schweizer nach Einkassierung ihrer Bons den Wagen in der nächsten Ga- rage, verkaufen die Benzinbons und bezahlen vom Erlös ihren Ferienaufenthalt in Frank- reich. Der französische Staat kennt diese Miẞ- bräuche, drückt beide Augen zu und behaup- tet, trotzdem auf seine Rechnung zu kommen. Die Franzosen jedoch meinen, daß man auch heute, wie„, Gott in Frankreich" leben könne. Aber nur dann, wenn man Ausländer ist.
gesamt 212 Kurgäste in der Hochsaison. In
ATHEN. In eingeweihten diplomatischen Kreisen wird davon gesprochen, daß Zypern zu einem ge- meinsamen Luftstützpunkt für die amerikanische
den soll.
Herausgeber und Schriftleiter: Will Hanns Hebsacker Dr. Ernst Müller und Alfred Schwenger Weitere Mitglieder der Redaktion: Dr. Helmut Kiecza und Joseph Klingelhöfer
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Wie weit ist die Sonne von uns entfernt die der Direktor der Sternwarte Greenwich Jetzt erst werden die Ergebnisse bekannt, Jones 1941 abschließend über das ,,, Eros- Un- dabei um ein Programm, zur neuen Bestim- mung des astronomischen Fundamentalmaßes, der mittleren Entfernung der Erde von der Sonne. Dieses Maß kann man infolge der gro- Ben Entfernung der Sonne nicht direkt be-
ternehmen" veröffentlichte. Es handelt sich
stimmen, sondern man muß es mit Hilfe der
Entfernungsbestimmungen von der Erde näher
kommenden Planeten und des 3. Keplerschen
Gesetzes errechnen. Im Jahre 1898 entdeck- ten Witt und Linke in Berlin einen Planetoi-
den, der sich der Erde im günstigsten Falle bis auf 22 Millionen km nähern kann, also näher als die genannten Planeten und der, da er infolge seiner geringen Größe im Fernrohr punktförmig erscheint, für genaue Messungen
viel geeigneter ist, als die, als Scheibchen erscheinenden großen Planeten. Dieser Plane- toid Eros kam am 31. Januar 1931 der Erde bis auf 26 Millionen km nahe. Um diese gün- stige Opposition möglichst auszunutzen ver- banden sich 24 Sternwarten der nördlichen und südlichen Halbkugel zu einem gemein- samen Beobachtungsprogramm. Das Ergebnis der dabei aufgenommenen 2847 Platten und einer 10jährigen Rechenarbeit liegt nun in
einer einfachen Zahl, dem neuen Wert der Sonnenparallaxe vor. Dieser Wert beträgt nun ist auf den 10. Teil der ursprünglichen, also 8,790 Bogensekunden und seine Unsicherheit auf 0,001 Bogensekunden gesunken. Danach beträgt also die mittlere Eatfernung der Sonne von der Erde, die astronomische Einheit 149 675 550 km und ist auf 17 000 km genau
bestimmt. Infolge der elliptischen Gestalt der Erdbahn kann die Entfernung Sonne- Erde aber bis auf 152 190 000 km im Juli ansteigen und bis auf 147 170 000 km im Januar ab- nehmen.
K.B.