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Recht, Gesetz und Richter

Von Paul Wilhelm Wenger

Der Autor des nachstehenden Artikels, bis vor kurzem bei verschiedenen in Tübingen ansässi- gen Gerichten als Richter und Beisitzer tätig,

schied am 1. August aus dem Justizdienst. Die- sen schwerwiegenden Schritt begründet er mit der Feststellung, es bestehe eine erhebliche Kluft zwischen seiner persönlichen Auffassung von der Notwendigkeit der Erneuerung des Ge setzwesens und der tatsächlichen Rechtsprechung. Wir glauben, der Sache zu dienen, wenn wir seine Darlegungen grundsätzlicher Art in einer breiteren Oeffentlichkeit zur Diskussion stellen. ( Die Redaktion)

In jeder Rechtsordnung ist ein Zwiespalt zwi- schen Recht und Gesetz möglich und bis zu einem gewissen Maß auch erträglich, falls der Gesetzgeber, der notwendigerweise immer hin- ter der Zeit herhinken wird, die erforderlichen Korrekturen vornimmt. Unerträglich tief je- doch wird diese Kluft, wenn der Gesetzgeber den Boden des Rechts aufgibt und wie im Drit- ten Reich zum Teil diabolische Gesetze erläßt, die nur den einen rechtswidrigen Zweck haben, eine Herrschaft des Terrors zu stützen und so das von den Usurpatoren der Staatsgewalt or- ganisierte Verbrechen mit dem Schein des Rechts zu umkleiden

Die schlimme Verwirrung des Rechtslebens die solcher öffentlichen Verderbnis entspringt, ist infolge der totalen Erfassung aller Lebens- bereiche mit dem Untergang jener Gewaltherr- scher durchaus nicht verschwunden.. Wir haben dies in der Nachkriegszeit vor allem auf dem Gebiet der öffentlichen Bewirtschaftung erlebt. Hier hat sich der Versuch der Bürokratie, mit den überkommenen Methoden der Generalmo- bilmachung alles und jedes zwangszuverwalten, in geradezu schauerlicher Weise totgelaufen: Dieser Zersetzungsprozeß hat schließlich nur das eine Gute gezeitigt: er machte ein für allemal die Grenzlinie sichtbar Jenseits von ihr wird eine totale Regie zur umfassenden Quälerei. der sich letzten Endes nur die Gruppen der Sach-

besitzer und der bürokratischen Sachbearbeiter" durch gemeinsame Korruption entziehen kön-

nen.

Im Rückblick auf das Scheitern dieser ver- längerten Kriegswirtschaft hat der Direktor der bizonalen Wirtschaftsverwaltung, Prof. Erhard, dieser Tage vor dem Frankfurter Wirtschafts- rat erklärt, daß die nach der Währungsreform zutage getretenen und von vielen als empörend empfundenen Hortungen von Gebrauchsgütern eine nationale Tat" gewesen seien, da nur sie das Gelingen der Währungsreform ermöglicht

hätten.

Es mag dahingestellt bleiben, ob diese in den Ohren der Geprellten wie grausiger Hohn klingende ,, neue Botschaft" vom wirtschaft- lichen Standpunkt aus ihre Richtigkeit hat oder nicht aber welch ein Abgrund tut sich hier auf! Ist doch bis zum heutigen Tage das Zu- rückhalten von Rohstoffen und Erzeugnissen, die zum lebenswichtigen Bedarf der Bevölkerung gehören nach§ 1 der Verordnung vom 4. 9. 39 ( ehemalige Kriegswirtschaftsverordnung") mit Zuchthaus und Gefängnis bedroht, und die Gerichte haben, wenn auch immer zögernder, auf Grund dieses Strafgesetzes erhebliche Frei- heitsstrafen gegen diejenigen Wirtschaftsver- brecher" verhängt, die ihnen aus dem unüber- sehbaren Delinquentenheer zur Aburteilung vor- geführt wurden.

Damit erhebt sich die peinliche Frage, ob nun die Warenhorter gewissermaßen eine Art von ( allerdings profitseligen) nationalen Helden" oder, wie das Gesetz meint, Verbrecher gewesen sind. Wie immer diese Frage auch beantwortet werden mag. jedenfalls springt in die Augen, daß hier ein unhaltbarer Widerspruch vorliegt, der einen ebenso unhaltbaren Zustand unseres Rechtswesens offenbart, da der Richter immer wieder erkennbar schlechte, fragwürdig gewor- dene oder überholte Gesetze anwenden und damit Unrecht sprechen muß.

Eine der Hauptursachen dieses Uebels liegt darin, daß die als Garantie des Rechts gedachte Unabhängigkeit des Richters weitgehend bloẞ auf dem Papier steht. Dem Richter ist zwar das Durchstehen des Konfliktes zwischen Recht und Gesetz und damit oft schwerste Gewissensnot auferlegt, es ist ihm aber die Möglichkeit ver- wehrt, über den Einzelfall hinaus in den allge- meinen Krankheitsprozeß einzugreifen und im Konfliktsfall der Stimme des verletzten Rechts öffentlich Gehör zu verschaffen.

Der Grund für diese Ohnmacht des Richters legt in dem Uebergewicht der Verwaltung, durch die beliebten Personalunionen von hohem Regierungsamt und Sitz im Parlament neben der Rechtsprechung auch noch die Gesetzge- bung kontrolliert Der Verwaltung ist der ein- zelne Richter durch seine Abhängigkeit bezüg- Hch Anstellung und Beförderung in einer Weise

SCHWÄBISCHES TAGBLATT

ausgeliefert, die das von der Verfassung aller Rechtsstaaten vorausgesetzte Gleichgewicht zwi- schen Gesetzgebung, Verwaltung und Recht- sprechung, insbesondere aber die notwendige richterliche Kontrolle der Verwaltung und der Gesetzgebung durchlöchert.

Die Stimme des einzelnen Richters verhallt ungehört, während der obrigkeitsstaatlichen Tradition der Ministerialbürokratie eine ge- meinsame Aktion als Meuterei ebenso verdäch- tig ist wie beim Militär eine gemeinsam vorge- brachte Beschwerde. Für diesen unwürdigen und höchst undemokratischen Zustand ist es bezeich- nend, daß beispielsweise in Südwürttemberg seit 1945 noch keine Richterversammlung statt- gefunden hat, auf der etwa die Erfahrungen der täglich in der Stoßfuge von Gesetz und Leben stehenden Richter der Regierung hätten vorge- tragen werden können.

Gerade in dieser regulierenden Funktion aber würde die Unabhängigkeit des Richters vor allem in Krisenzeiten fruchtbar werden. So- lange die Ausübung dieses Wächteramtes da-

durch verhindert wird, daß der Richter ohne Standesrückhalt der über sein wirtschaftliches Dasein verfügenden Ministerialbürokratie ein- zeln und damit ohnmächtig gegenübersteht, so- lange der Richterstand also gewissermaßen der einzige Stand ist, der sich nicht versammeln darf, so lange kann auch eine wirkliche demo- kratische Erneuerung der Rechtspflege nicht er-

wartet werden.

Nur eine unter öffentlicher Kontrolle kor- porativ zusammengefaßte, weitgehend sich selbst verwaltende Richterschaft könnte der so drin- gend benötigte Regulator der Gesetzgebung und der Verwaltung sein. Für den Aufbau einer hierzu fähigen Richterschaft wäre vor allem die englische Tradition zu beachten, der zufolge der Verbeamtung des Richterstandes dadurch vor- gebeugt wird, daß insbesondere bewährte Rechts- anwälte auf Dauer oder zeitweilig als Richter berufen werden. Eine solche von der Verwal- tung wirklich unabhängige Richterschaft, könnte die notwendigen Reformen rechtzeitig anregen und sowohl durch beratende Mitwirkung als auch durch eigenes Initiativrecht das wertvolle Gut ihrer Erfahrung und das Gewicht ihrer Verant- wortung zum Wohl der Gesamtheit in die Waag- schale werfen!

Beisetzung des verstorbenen Staatspräsidenten

Fortsetzung von Seite

Beim Staatsministerium in Tübingen sind zahlreiche Beileidstelegramme eingetroffen, so u. a. von den Ministerpräsidenten von Süd- baden, Wohleb, Rheinland- Pfalz, Alt- meier, Hessen, Stock, Nordrhein- Westfa- len, Arnold, Schleswig- Holstein, Linde- mann, von dem Bürgermeister von Ham- burg, Brauer, von dem Kreispräsidenten von Lindau, vom erzbischöflichen Ordinariat Freiburg und von Fürst Friedrich von Hohen- zollern.

Der württembergisch- badische Landtag in Stuttgart gedachte in seiner letzten Sitzung am vergangenen Mittwoch ebenfalls des Ver- ewigten. Landtagspräsident Wilh. Keil hob in seiner Gedenkrede vor allem hervor, daß sich der südwürttembergische Staatspräsident mit allem Nachdruck für die Vereinigung der Länder Württemberg und Baden in ihrem gan- zen Umfang eingesetzt habe, und daß er we- sentlich dazu beigetragen habe, daß die innere Verbundenheit von Süd- und Nordwürttem- berg während der Besatzungszeit sowohl bei

Südbaden zu Hohenneuffen FREIBURG. In südbadischen Regierungskrei- sen zeigt man Zufriedenheit über das Ergebnis der Konferenz auf dem Hohenneuffen. Als eine Bedingung für den Zusammenschluß der drei südwestdeutschen Länder wird genannt, daß der Verwaltungsaufbau die besondere Eigenart der einzelnen Landesteile bewahre, d. h. daß die badische Verwaltung vorwiegend in Händen von Badenern belassen und daß auch die Regierungs- spitze paritätisch zusammengesetzt werde. Trotz gemeinsamer Legislative müsse die Exeku ive de- zentralisiert werden mit den Schwerpunkten in Karlsruhe, Freiburg, Sigmaringen und Stuttgart. Staatspräsident Wohleb berichtete in der Landtagssitzung vom Donnerstag über die Be- sprechungen auf dem Hohenneuffen. In der Dis- kussion erklärte ein Abgeordneter der SPD, nichts könne Südbaden von der Vereinigung mit Württemberg abhalten. Den gleichen Standpunkt vertrat der Sprecher der DVP. Von seiten der CDU wurde festgestellt, nur durch eine offene Aussprache könne das notwendigste Vertrauen für den Zusammenschluß geschaffen werden.

Am 9. August wird in Stockach eine Bespre- chung zwischen Vertretern der Industrie, der Wirtschaft und der Gemeinden des württember- gischen und badischen Oberlandes stattfinden, Gesichtspunkten getragene in der eine vor allem von wirtschaftspolitischen Annäherung der Standpunkte erreicht werden soll. Der auf dem Hohenneuffen gebildete Zehnerausschuß wird die sogenannten Gammertinger Beschlüsse" vom 1. Juli in seine Arbeit einbeziehen, in denen der Landeskommunalverband für Hohenzollern zu- sammen mit den Kreistagen von Sigmaringen- Hechingen bereits Vorschläge für eine staatliche Neubildung in Südwestdeutschland niedergelegt

hatte.

Die Demontagebedrohung KOBLENZ Der Minis errat von Rheinland- Pfalz beauftragte Ministerpräsident Altmeier, erneut bei der französischen Militärregierung vorstellig zu werden, um die angekündig en De-

der Tübinger Regierung wie unter der gesam- ten Bevölkerung des Landes lebendig geblie- ben sei. Auch der badische Landtag gedachte des Verstorbenen.

Der stellvertretende Staatspräsident und Ju- stizminister, Staatsrat Prof. Dr. K. Schmid, erklärte in einer Ansprache über Radio Stutt- gart am Donnerstagabend, Staatspräsident Bock habe sich nie mit Parteipolitik begnügt und seine Mitarbeiter nach ihrem Können und nicht nach ihrer politischen Färbung ausge- wählt. Seine Geradheit und Klarheit sei man- cher Schwierigkeit Herr geworden, ohne daß das Volk oft zu spüren bekam, daß ihm eine Gefahr drohte. Diese Haltung habe ihm auch die Achtung der Besatzungsmächte eingetra- gen.

Staatspräsident Bock habe daneben auch mit Eifer an den gesamtdeutschen Aufgaben mit- gearbeitet, die aus den Londoner Empfehlun- gen sich ergaben und sich vor allem für den Zusammenschluß von Württemberg und Ba- den zu einem einheitlichen politischen Gebilde eingesetzt.

montagen abzuwenden. Angesichts der Größe der Ludwigshafener Katastrophe und ihrer nach- teiligen Folgen für die Wirtschaft des Landes auf der Liste befinden sich u. a. auch 8 Teil- betriebe der badischen Anilin- und Sodafabrik Ludwigshafen sei es notwendig, die ge- schwächte Wirtschaft nicht noch durch weitere Demontagen in ihrer Existenz zu gefährden.

In der Donnerstagsitzung des südbadischen der Demontagefrage darauf hin, daß auf der er- Landtags wies Wirtschaftsminister Dr. Lais in sten Liste 11 Firmen stünden, während über den Abbau weiterer 20 Betriebe noch Verhandlungen schwebten.. Dr. Lais appellierte an Frankreich, das den Schlüssel in der Hand habe, um einer vernünftigen Lösung das Tor zu öffnen. Mache man mit der bisherigen Nachkriegspolitik nicht Schluß, so schaffe man den Nährboden für neuen Extremismus Der Landtag nahm ohne weitere tung ausgesprochen wurde, daß die Regierung Debatte eine Erklärung an, in der die Erwar- in der Demontagefrage alles unternehme, um dung der Demontagen zu wahren. die deutschen Lebensinteressen durch Abwen-

Steigbügelhalter der Diktatur STUTTGART. Am dritten Tag der Berufungs- verhandlung gegen ihn glaubte Dr. Schacht, sich gegen den Vorwurf, er sei der Steigbügel- halter der Diktatur gewesen, verwahren zu kön- nen. Finanzminister a. D. Dr. Hermann Diet- rich bezeugte jedoch, daß Schacht bereits 1930 für Hitler und Hiugenberg Partei ergriffen habe. Der ehemalige preußische Wirtschafts- und Han- delsminister, Dr. Kurt Schmid, der ebenfalls als Zeuge verhört wurde, sagte aus, daß in den letz en Jahren vor 1933 die Industrie der NSDAP Geld gegeben habe. Bei Besprechungen auf dem Obersalzberg habe Schacht die Ansicht vertre- ten, daß die Arbeitslosigkeit allein durch er- höhte Produktion beseitigt werden könne. Die produktivste Arbeit aber sei die Rüstung(!). Aus privaten Bemerkungen Schachts gehe her- vor, daß er auch heute noch diesen Standpunkt vertrete.

7. August 1948

Kleine Weltchronik

BADEN- BADEN. Die Junge Union des Landesver- bandes Berlin der CDU dankte General Koenig in einem Schreiben für die außerordentliche Hilfs- bereitschaft, die die Regierung Ihres Landes un- serer blockierten Stadt zuteil werden läßt". MÜNCHEN. Der Direktor der US- Militärregierung, van Waggoner, ordnete die Einführung der Schul- geldfreiheit und kostenloser Lehrmittel für alle Volks- und höheren Schulen in Bayern zum 1. Sep- tember an, um einen hinreichenden Fortschritt in der Demokratisierung des bayerischen Schulwesens zu gewährleisten". Der bayerische Landtag wollte diese Maßnahmen bis zum 1. Oktober zurückstellen. ANSBACH. Auf dem Ansbacher Wochenmarkt kam es zu Zusammenstößen zwischen Händlern und den über die Höhe der Preise erbosten Käu- fern. Dabel wurden mehrere Körbe Zwetschgen umgeworfen. Die Händler mußten die Flucht er- greifen.

MUNCHEN. Die jugoslawische Regierung setzte das Internationale Rote Kreuz in Genf davon in Kenntnis, daß bis Ende 1948 sämtliche deutschen Kriegsgefangenen aus Jugoslawien entlassen wür-

den.

FRANKFURT. Auf der Luftstrecke Frankfurt- Berlin wurden im Juli 2575 Passagiere befördert, wie von der American Overseas Air Lines mitgeteilt wird. Das bedeutet gegenüber dem Vormonat eine Steigerung um 70 Prozent.

BOCHUM, Der Vorsitzende der CDU in der bri- tischen Zone, Dr. Konrad Adenauer, sprach sich gegen die von Ministerpräsident Lüdemann( Schles- wig- Holstein) vorgeschlagene Aufteilung von Nord- rhein- Westfalen in drei Länder aus.

BERLIN. Die britische Militärregierung wies An- schuldigungen des sowjetischen Informationsbüros ( SND), sie halte 70 sowjetische Kinder in ihrer Zone ,, in Konzentrationslagern unter unmöglichen hygie- hischen Verhältnissen bei ungenügender Ernährung und Kleidung" fest, zurück und wies darauf hin, daß es sich dabei um Waisen aus baltischen Län- dern handle, deren Zurückführung in die Sowjet- union nicht möglich sei, weil Großbritannien die Eingliederung dieser Länder in die Sowjetunion niemals anerkannt habe.

BERLIN. Einem Kommunique der britischen Mi- litärregierung zufolge wurden im Juni 761 deutsche Kinder aus Ostgebieten, die unter polnischer Ver- waltung stehen, repatriiert.

BERLIN. Mit der Anlage eines neuen Flugplatzes auf dem ehemaligen Tegeler Truppenübungsplatz im französischen Sektor wurde begonnen. Das Un- ternehmen wird von amerikanischen Technikern ge- leitet.

BERLIN. Die britische Militärregierung will keine Sonderzüge zur Leipziger Messe verkeh- ren lassen, wenn nicht vorher die normalen Ver- kehrsverbindungen zwischer der Ostzone und dem übrigen Deutschland wiederhergestellt wer- den.

MADRID. Die Staatskanzlei der spanischen Regie- rung untersagte in einem Erlaß jeder ausländischen Firma die Beteiligung an Niederlassungen in Spa- nisch Guinea.

BERN. Folgende schweizerische Persönlichkeiten, die für die Verteidigung des im ,, Wilhelmstraßen- Prozeß" angeklagten ehemaligen Staatssekretärs von Weizsäcker eidesstattliche Erklärungen abgege- ben haben, wurden aufgefordert, in Nürnberg als Zeugen zu erscheinen: Bundesrat Philipp Etter, Dr. Hans Frölicher, der ehemalige schweizerische Ge- sandte in Berlin, die Oberstkorpskommandanten Ulrich Wille und Hans Frick, Prof. Dr. Adolf Kel- ler und Albert von Erlach.

BERN. Das Eidgenössische Politische Departement teilte mit, daß die rumänische Regierung als Ver- geltungsmaßnahme für die Verhaftung eines Ru- mänen in Zürich alle Schweizer Konsulate in Ru- mänien schließen und auf erniedrigende Weise et- nen Schweizer ausweisen ließ, der Zeit seines Le- bens in Rumänien ansässig war.

TEL AVIV. Die Regierung Israels hat die arabi- schen Staaten eingeladen, in direkte Friedensver- handlungen mit ihr einzutreten.

CANBERRA. Das australische Marineministerium

forderte über den Rundfunk die Marinereservisten auf, sich wieder zu melden. Sie würden allerdings erst eingezogen, wenn es zu internationalen Schwie- rigkeiten komme, in die Australien verwickelt werde. Auch die Luftwaffe registriert ihr Reser- visten wieder.

OTTAWA. Der amerikanische Verteidigungsmini- ster Forrestal wird ab 15. August in Ottawa mit den maßgebenden kanadischen Stellen die Probleme der gemeinsamen Verteidigung der USA und Ka- nadas besprechen.

Herausgeber und Schriftleiter: Will Hanns Hebsacker Dr. Ernst Müller und Alfred Schwenger Weitere Mitglieder der Redaktion: Dr. Helmut Kiecza und Joseph Klingelhöfer Monatlicher Bezugspreis einschl, Trägerlohn 1.80 DM, durch die Post 2.16 DM. Einzelverkaufspreis 20 Pf. Erscheinungstage: Dienstag, Donnerstag, Samstag

Die Stadtapotheke Wildbad feiert 100. Geburtstag ben vorher zum Landes- Unterthanen aufge- vileg ging 1827 durch Witwenheirat auf Apo-

In diesen Tagen sind 100 Jahre verstrichen, seit sich die Stadtapotheke Wildbad in ihrem jetzigen Haus befindet. Mag man auch in einer bewegten Zeit wie der unseren wenig Aufhe- bens von einem solchen Jubiläum machen, so soll es uns doch Anlaß sein, die Geschichte Wildbads und seiner Apotheke kurz zu strei-

fen.

Freilich bestand eine Apotheke samt dem

zugehörigen Privileg schon länger als 100 Jahre in Wildbad, aber nicht so lange, wie man nach der glanzan Vergangenheit Wildbads er- warten soe. So beherbergte unser Städtchen im 16. Jahrhundert berühmte Namensträger in seinen Mauern: 1520 Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen, 1525 und 1552 die Erz- bischöfe von Köln und Trier, 1547 den Pfalz- grafen Friedrich bei Rhein mit einem Gefolge, das allein 352 Pferde aufwies, 1532 den Erz- herzog Ferdinand von Oesterreich, sowie eine ganze Reihe von Markgrafen, Palzgrafen und Herzögen.

Aus jenen Tagen ist uns auch der erste Be- richt erhalten, daß in dem beliebten Kurort eine Apotheke bestand: in den Rechnungen der Heiligenpfleger und der Pfleger der St.- Anna- und Sebastiansbruderschaft steht unter den Einnahmen auch der ,, laurentz hertz apo- theker" mit ,, XIV schilling und VII heller" verzeichnet. Ob diese Apotheke damals schon dauernd hier bestand oder wie es glaub- nur in der Saison geöffnet

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Natur, Art, Eigenschaft, Tugend und Nutz mit schönen Verslein beschrieb Deucer).

Diese und andere Konkurrenz verdroẞ den Landapotheker von Calw, zu dessen Bereich Wildbad gehörte. Der Landapotheker ver- schaffte sich 1659 von Herzog Eberhard ein Patent, in dem dieser seinen Vögten zu Calw, Liebenzell und Wildbad befiehlt, daß sie hin- füro anderen Apothekerherrn oder Krämern...

weitters in obeangeregte Bäder oder Sauer- bronnen zu bringen oder hinzugeben keines- Underlassung bei besorgender Confiscation wegs gestatten, sondern ihnen die künftige und härterer Betsraffung Amtshalber auffer- legen".

1787 erhielt der Landapotheker den Befehl, während der Badezeit einen Apothekerkasten unter die Verwaltung des Bademeisters hier- her zu geben. Dadurch waren dem Bademei- ster, einem im öffentlichen Dienst stehenden ,, Chirurgen" oder Bader", die Mittel zum Me- dicastrieren selbst in die Hand gegebe und er fand, daß er seine Heilmittel auch aus an- deren Quellen beziehen könne. Das gab den Anlaß zu einem langjährigen Rechtsstreit zwi- schen dem Landapotheker in Calw und dem Bademeister in Wildbad, hinter dem naturge- mäß ganz Wildbad stand. 1803 entschied der Kurfürst Friedrich II., daß er nicht gemeint" sei ,,, dem Apotheker Gaupp von Calw das aus- schließliche Recht, Medicamente in Wildbad zu verkaufen, zu gestatten".

nommen haben werde", da wandte er sich so- fort mit einer Eingabe an den Kurfürsten, in der er bat, den ,, ausländischen" Apotheker Erbe abzuweisen. 1805 wurde vom Kurfürsten Fakultät in Tübingen in dieser Sache ange- ein ausführliches Gutachten der Medizinischen fordert, das als Musterbeispiel einer aufrecht betrachtet werden kann. Zunächst wird darin vertretenen und klar begründeten Meinung die gegen den Calwer ergangene kurfürstliche Rentamtsentscheidung als ungesetzlich be- zeichnet. Sie sei daher gnädigst gerechtigst" zurückzuziehen. ,, Auf der anderen Seite", so das Bedürfniß der Badegäste in Wildbad bei fährt das Gutachten fort ,,, erfordert es auch der Entfernung von 4 Stunden von der Apo- theke in Calw, daß allerdings im ersten Ort selbst eine Einrichtung getroffen werde", die beiden Teilen gerecht wird. Sie schlägt als- sung die Aufstellung eines Medikamentenka- stens unter der Aufsicht eines Provisors von der Apotheke in Calw vor.

Nun erklärte sich der Landapotheker bereit, ,, einen Arzneikasten in Wildbad aufzustellen, die einfachen Arzneimittel mit Berechnung der Fracht in denjenigen Preisen abzugeben, in welchen ich sie von den Stuttgarter Mate- rialienhandlungen beziehen kann". Ferner soll- ten Sicherungsbestimmungen und laufende Kontrollen des Arzneikastenbtriebes durchge- führt werden. Im Jahre 1806 wurde daraufhin zwischen dem Landapotheker in Calw und Lic. Teufel in Wildbad ein Kontrakt abge-

theker Vogt über, der sie bis 1832 in der Her- berge ,, zur Krone"( A 31), die sehr günstig am oberen Tor gegenüber dem Eingang zum großen Bad lag, betrieb. Bis zum Jahre 1848 war dann die Apotheke in dem nachmals an Dr. Haußmann sen. verkauften Haus.

Apotheker Umgelter, kauften 1847 die beiden Apotheker Vogt und sein Schwiegersohn, Wohnhäuser Nr. 74 und 75 an der damaligen Metzgerstraße, heutigen König- Karl- Straße,

gegenüber dem Hotel Russie und ließen Pläne

zur Errichtung einer Apotheke anfertigen. harmonisch in die Reihe der übrigen Häuser Biedermeierstil jener Tage und ordnete sich Diese erstand dann 1848 in dem freundlichen an der Enz ein. Damit war der Grundstock zur heutigen Stadtapotheke gelegt.

Im Jahre Jahre 1892 erwarb Apotheker Dr. Metzger Haus und Privileg. Inzwischen hatte Wildbad neuen Aufstieg genommen. Die be- deutendsten gekrönten Häupter des vorigen Jahrhunderts waren neben einem ständig sich steigernden Zustrom von Ausländern seine Kurgäste geworden. So wurde im Jahre 1896 eine gründliche Renovierung und Erweiterung der bisherigen Räume vorgenommen.

sitzer, Pharmazierat Heinrich Stephan, die Am 1. Oktober 1918 erwarb der jetzige Be- Apotheke von seinem Vorgänger und führte sie umsichtig durch die schweren Jahre nach dem ersten verlorenen Weltkriege. Als sich die seitherigen Verhältnisse unzulänglich zeig- ten, schritt er 1925 zu einer neuen gründlichen

Schon vorher hatte die kurfürstliche Rent- schlossen, der aber erst vom König Friedrich Umgestaltung des ganzen Hauses. Durch die-

kammer, die befürchtete, daß ein Calwer Mo- nopol in Wildbad zu überhöhten Arzneiprei-

hafter scheint war, ist heute nicht mehr feststellbar. In der Folgezeit wird eine Apotheke nicht mehr er- wähnt. Auf die Glanzperiode des 16. war in- zwischen das trübe 17. Jahrhundert mit dem Dreißigjährigen Krieg gefolgt. Auch Wildbad sen führen würde, ähnlich entschieden. Damit teilte das Schicksal des allgemeinen Verfalls. gab sich der damalige Landapotheker, ein ge- Erst um die Mitte des Jahrhunderts wird ein wisser Dr. Gaupp, aber nicht zufrieden. Als ,, vortrefflicher, hochberühmter, kunstreicher sich 1803 ein Apotheker Erbe aus Oehringen Herr Johannes Bartoldus, Apotheker zu Pforz- um das Bürgerrecht von Liebenzell bewarb heim, hier en haut" erwähnt, der sogar in poe- und dieses auch unter der Bedingung erhielt, tischen Schilderungen dessen warmen Wassers ,, wenn eine churfürstliche Regierung densel-

rungsbestimmungen eingeschaltet wurden, die bestätigt wurde, als diese genannten Siche- im Kontrakt großzügig übergangen worden

waren.

Bis 1818 blieb die Notapotheke des Bade- meisters bestehen, dann erhielt zum ersten Male ein eigener Apotheker das Privileg, der seine Apotheke im späteren Laden des Uhr- machers Hagmeier( A 109) betrieb. Das Pri-

Stadtapotheke, das sich jedem zufälligen oder kurmäßigen Besucher des Badestädtchens ein- sen Umbau erstand das heutige Gesicht der

geprägt und das von seiner Ecke am Uhlands- platz nicht mehr wegzudenken ist.

100 Jahre ist sie nun alt geworden, unsere Stadtapotheke; möge sie noch viele Jahre se- gensreich für die Bevölkerung des ganzen obe- ren Enztales wirken!