1948.
23. April 1948
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Moskau denkt in Meeren
PSt. Die salzene See spülte nie an die Mauern des Kreml, aber der Wunsch nach maritimer Geltung hat viele beherrscht, die im Schatten der bunten Zwiebelkuppen re- sidierten, angefangen bei dem Zaren mit den Neigungen eines Schiffszimmermannes und auf- gehört bei den weit geworfenen Bojen eines Molotow. Mit Ausnahme des noch verriegelten Fensterflügels mit der außenpolitisch so reiz- vollen Fernsicht auf die Dardanellen und das blaue Mittelmeer durchströmt Seeluft das staatliche Riesengebäude der USSR.
Die Ostsee, von der letzten Schäre des Fin- nischen Meerbusens bis vor die alten hansea- tischen Speicher von Rostock, ist ein russisches Meer. Die Route Murmansk- Wladiwostok, also die viel beredete Nordostpassage um die Nordküste Sibiriens, wird heute mit der Pünkt- lichkeit eines Vergnügungsdampferverkehrs auf dem Müggelsee befahren, seit ein aus- gedehntes Netz von Funk- und Wettersta- tionen, sowie eine Reihe von Häfen und Mün- dungen der großen sibirischen Ströme eine sichere Navigation gewährleisten.
Auf dem Atlas ist die Seemacht Sowjet- union" so stark wie nie zuvor, vor allem, wenn man die jüngsten außenpolitischen Realitäten an ,, Rußlands gelbem Ufer" Rech- nung trägt. Die kalte Annexion Koreas und die rote Fahne auf dem zerschossenen Rat-
haus von Mukden lassen keinen Zweifel dar- über, daß man im Kreml sehr wohl weiß, was Wladiwostok auf gut russisch heißt: ,, Herrscherin des Ostens!"
Aus dem Dutzend geduckter Fischerhütten, deren verstreute Ansammlung ein Zar mit der pathetischen Geste in die Zukunft also taufte, aus den verräucherten Blockhäusern ewig be- trunkener Pelzhändler, die von hier die kost- baren Felle Alaskas in die russische Metropole weiterleiteten, ist inzwischen ein betriebsamer Hafen mit Werften, Docks und Helligen ge- worden eine durch Stahl, Zement und Forts geschützte Seebasis, die im Verein mit dem wiedergewonnenen Port Arthur und Dairen, der langgestreckten Insel Sachalin und dem starken Stützpunkt Petropawlowsk am Eingang zur Beringsee eine eindrucksvolle Manifes- tation des neuen ozeanischen Denkens der UdSSR ist.
Es mag der Kuriosität halber eingeschaltet werden, daß es der gleiche ebenso expansions- wie geldsüchtige Zar war, der vor noch nicht einmal hundert Jahren die russische Kolonie Alaska öffentlich meistbietend verkaufte, und zwar für ganze sieben Millionen Dollar. Der verschnupfte Kongreẞ nannte Alaska den ,, Eisschrank der USA" oder kurzweg ,, Sewards Dummheit" nach jenem amerikanischen Staatssekretär, der in fünfzehnjährigem Tau- ziehen mit anderen Mächten Alaska für die USA erhandelte.
SCHWABISCHES TAGBLATT
Wenn es noch eines Beleges bedarf, daß es an der Nahtstelle der westlichen und östlichen Hemisphäre nicht nur nach dem Tang der Beringsee riecht, so mag der nach Fairbanks verlegten US- Düsenjäger Erwähnung getan werden, die hier Erfahrungen für Flugzeuge im Polarluftkrieg bei sehr niedrigen Tempe- raturen sammeln.
Das zaristische Rußland hat nie etwas da-
gegen gehabt, wenn alaskanische oder sibiri- sche Eskimos in ihren Fellkajaks über die 90 Kilometer breite Beringstraße paddelten, um auf einer nebeligen Eisscholle Wodka gegen Jagdpatronen zu„, kompensieren", die Wacht- posten des neuen Rußland dagegen schießen auf alles, was sich der Dreimeilenzone nä- hert und nicht den struppigen Schnauzbart einer Robbe trägt.
In dieser Atmosphäre gegenseitiger Bearg wöhnung, die dem neuen Menschheitstraum eines überkontinentalen Flugverkehrs hinder- licher ist als die gefürchteten Eisblizzards, dürften auch die Pläne der Alaska Airways kaum gedeihen die auf den Flugkarten ihrer Büros in Fairbanks und Nome die phantastische Idee eines fahrplanmäßigen Flugverkehrs über den Pol propagieren
Fairbanks Leningrad 6112 Kilometer, das ist auch fliegerisch nicht gerade ein Katzen- sprung, aber für eine Lockheed P 80 auch keine olympische Distanz", wenn man dazu noch bedenkt, daß Wilkins bereits 1928 in einer zerbrechlichen Kiste in Dead Man's Land auf- stieg und nach 3540 Kilometern in Green Har- bour auf Spitzbergen landete. 1937 flogen zwei russische Flugzeuge ohne Zwischenlandung über
den Pol und Alaska nach San Franzisko.
Der historisch gewordene Flug der Norge" unter Amundsen und Nobile, die kühnen Wikingerflüge eines Lindbergh- sie alle geben den über den Pol punktierten Routen der Alaska Airways recht. Die kürzeste Entfernung nach New York, Tokio, London, Moskau führt über das ewige Eis", man muß nur den ver- die im Zeitalter zusammenschrumpfender Ent- staubten Schulglobus aus der Perspektive sehen, fernungen die buchstäblich einzig senkrechte"
ist.
zierenden Düsenjäger und der vor den Reeden von Tsingtau, Schanghai und Hongkong an- kernden Kriegsschiffe trägt Rußland seine Ex- pansion durch die Wüste Gobi bis an den öst- lichsten Saum der asiatischen Erde vor. Der Fall Mukdens, der Würgegriff um Peking und der Stoß nach Nanking sind bedenklich stim- mende Groggy- Symptome aus der chinesischen Ecke des bisher als eine innerpolitische An- gelegenheit ausgetragenen Matches um die Macht".
In lässiger Ignorierung der am Pol exer-
Wenn der Kreml auch militärisch die Maske wahrt, so ist er doch unschwer als Auftrag- geber des chinesischen Bürgerkrieges zu er- kennen. Sein Versuch, die Slums der fernöst- lichen Riesenstädte mit dem geistigen Ekrasit des Flugblattes zu erobern, datiert nicht erst
von heute. Er hat in einem bis an die letzten Grenzen einer Transfusion ausgebluteten China mehr denn je Erfolgsaussichten, sollten die SOS- Zeichen des einsamen Tschiangkaischeks auf der anderen Seite des Pazifiks ohne ge- nügendes Echo bleiben.
Rußland sucht mit der Baedeker- Vorliebe des Neureichen nach ,, markanten Seeblicken". Es schwärmt nicht ausschließlich für fächelnde
Palmen und postkartenblaue Meere, es hat
sehr reale Interessen.
Nr. 32 Seite 5
„ So leben sie..."
Den früheren deutschen Generalen, die im Lager bei Neustadt unweit von Marburg an der Lahr leben und auftragsgemäß für die Amerikaner jeg: zur Abwechslung einmal deutsche Geschichte mit Tinte an Stelle mit Blut schreiben, geht es wirk- lich nicht schlecht. Sie wohnen in einer früheren Werksiedlung, zum Teil mit ihren Familien in sau-
beren Zweizimmerwohnungen, haben Bewegungs- freiheit( täglich Ausgang bis 21.30 Uhr im Um kreis von 5 Kilometern). Ferner erhalten sie die Normalverbraucherkarte und täglich zusäglich eine amerikanische Mittagsmahlzeit, wöchentlich drei Packungen Amizigaretten und zwei Pakete Tabak
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Für ihre schriftstellerischen Arbeiten werden sie je nach Rang monatlich mit 450 bis 750 Mark netto bezahlt. Kino, Theater und Konzertaufführungen im Lager sorgen für geistige Anregung, was erfah- rungsgemäß nichts schaden kann wenngleich es kaum etwas nutzen wird. Jetzt durchleben sie noch einmal ihre ,, Ruhmes- taten" und schreiben sie fein säuberlich auf. Sie sind bei dieser Tätigkeit wieder in ihrem Element und können in Erinnerungen an ihre große Zeit" schwelgen.
Es geht ihnen also, wie man sieht, pana. Die vielen Millionen Leidtragenden des Krieges, die sich jetzt schwer abrackern und plagen müssen, wer-
den darüber entzückt" sein.
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Nur auf den Ankläger ihrer Lagerspruchkammer sind manche Generale schlecht zu sprechen. Einer von ihnen hat dem Ankläger anonym geschrieben manchmal kommt es aber doch raus und ihn als den größten Lumpen charakterisiert, für den ein Galgen schon gezimmert sei. Diese freundliche Gesinnung beweist, daß manche dieser Generale trog des Wohlwollens, das sie schon wieder genie- Ben, nichts gelernt haben. Es ist absolut keine Ueberraschung. el.
AUS DEM WIRTSCHAFTSLEBEN
Wann kommt endlich die Kleiderkarte?
Von Dr. Frity Ehrle, Tübingen
Bekanntlich gelten auf dem Gebiet der Bewirt- schaftung bisher noch im großen und ganzen die früheren reichsgesetzlichen Vorschriften, die vom Kontrollrat nicht außer Kraft gesetzt worden sind; sie wurden da und dort abgewandelt und ergänzt durch, Bestimmungen und Anordnungen, die der neuen Entwicklung Rechnung zu tragen suchen, die aber den drückenden Mangel, der auf fast allen Ge- bieten nicht zuletzt auf dem der Textilwirtschaft
herrscht, natürlich nicht beheben können, denn das Primäre ist und bleibt nun einmal die Pro- duktion. Auch das genialste Bewirtschaftungs- und Verteilungssystem kann die heutige Mangellage nicht aus der Welt schaffen; dies ist nur möglich durch eine bedeutende Steigerung der Produktion von Verbrauchsgütern zugunsten des deutschen Sek- tors. Soviel zur grundsätzlichen Seite dieser An- gelegenheit.
Es ist angesichts der immer geringer werdenden Möglichkeiten der Selbsthilfe- aus Altem ,, Neues" und aus zu klein Gewordenem wieder Passendes" zu machen- nur allzu verständlich, wenn die große Mehrzahl unserer Hausfrauen immer wieder fragt: ,, Wann endlich kommt die Kleiderkarte?"
Wer Phantasie hat, mag sich die Karte des nordpazifischen Raumes ausmalen, wie sie ohne Sewards Dummheit aussehen würde. Der zähe Staatssekretär ersparte oder ver- tagte für den Kongreß zumindest einen Krieg, ganz abgesehen davon, daß das Territorium am Yukón reichliche Zinsen trug, genau 2037 000 000 Dollar an geförderten Mineralien, Pelzen, Lachsen und anderen Produkten.( Die derkarte kann morgen schon eingeführt werden, Honorare, die Jack London an Alaska ver- diente, sind nicht einberechnet.)
Das trotz aller Gold- Stampeden geologisch kaum angekratzte Alaska war das größte Ge- schäft der Weltgeschäfte". Wenn man es dar- über hinaus mit dem Feldstecher der Generale betrachtet und das tut man neuerdings im Weißen Haus" ist sein militärisch- stra- tegischer Wert schlechterdings unbezahlbar. Die großen Docks Dutch Harbur auf Uralaska und die U- Bootbunker auf der Insel Kodiak sind nicht für überwinternde Eskimo- Kajaks gedacht.
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Weit reicht die Brücke der Aleuten nach Kamschatka hinüber. Pearl Harbur und Oahu, das schon vor dem zweiten Weltkrieg die stärkste Garnison der Vereinigten Staaten war mit 25 000 ständig stationierten Soldaten, Wake und Guam als weitere ,, Trittsteine" im süd- lichen Pazifik sind Beweise dafür, daß man vom Marineamt das„ gelbe Ufer der UdSSR" aufmerksam betrachtet.
Der prähistorische Bahnhof
Von G. K. Chesterton
Ruskin hatte nie einsehen können, daß ein Bahnhof ein ganz reizender Aufenthaltsort ist; er konnte es nicht, weil er selbst viel moder- ner war als ein Bahnhof. Ihm war die fie- berhafte Unruhe und Nervosität einer Loko- motive eigen, und er pflegte ganz ebenso zu schnaufen. So hat er die altherkömmliche Ruhe, die auf Bahnhöfen herrscht, nie zu wür- digen verstanden.
Er sagte: ,, Man ist auf dem Bahnhof immer eilig und folglich verstimmt." Aber man braucht weder das eine noch das andere zu sein, wenn man nicht ganz so modern ist wie Ruskin. Ein wirklicher Philosoph denkt gar nicht daran, rechtzeitig zum Zuge zu kommen, es sei denn, daß es sich um eine Wette oder um einen lustigen Streich handelt.
Ich habe die Entdeckung gemacht, daß das einzige Mittel, einen Zug wirklich zu errei- chen, darin besteht, daß man den vorherge- henden Zug verpaßt. Man tue es, und der Bahnhof wird einem etwas von der Ruhe und Erbauung eines Tempels geben: auch er hat weite Bögen, große freie Räume, farbige Lich- ter und vor allem: stete Wiederholung oder Ritual. Er ist der Verehrung von Wasser und Feuer geweiht, den Urelementen menschlicher Gesittung. Und schließlich macht ihn der Um- stand, daß er ein vielbesuchter Ort ist, den alten Religionen ähnlicher als den neuen.
Die Antwort hierauf ist sehr einfach: Die Klei-
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oder übermorgen oder in acht Tagen, aber sie hätte im gegenwärtigen Augenblick noch den Wert" von Assignaten, allenfalls eines Schecks ohne Deckung", d. h. sie würde Erwartungen und Hoffnungen wek- ken, die jetzt( im April 1948) noch nicht erfüllt wer- den können. Die Wirkung wäre demgemäß mate- riell und psychologisch denkbar negativ, und nicht nur die Hausfrauen, sondern auch die Bombenge- schädigten, die Flüchtlinge und nicht zuletzt die sogenannten„ Normalverbraucher", kurz die gesamte Oeffentlichkeit, würde sich mit vollem Recht! getäuscht fühlen.
Lassen wir Zahlen sprechen: Voraussetzung für Ausgabe einer Kleiderkarte ist, daß ein stetiger An- fall von Spinnstoffwaren für deutschen Bedarf in einer gewissen Mindestmenge und Artikelzusam- Als Mindestmenge mensetzung gewährleistet ist.
dürfte etwa ein Punktwert von 20 bis 25 Punkten je
Kopf und Jahr( Garneinsatz 500 g bis 625 g) anzu- sehen sein. Die Ausgabe einer Karte mit geringerer Punktzahl wäre sinnlos, weil dann auf eine Karte nur Kleinartikel( z. B. Strümpfe, Taschentücher usw.) bezogen werden könnten und der Bezug grö- Berer Stücke nur durch Zusammenlegen mehrerer
das Mittelalter erinnert worden. Wenn man die Spuren des Vergangenen sucht, dann braucht man nur den Fußtapfen der großen Menge zu folgen. Die Ungebildeten nutzen im schlimmsten Falle durch ihr stetes Kommen und Gehen die Dinge ab; aber die Gebildeten geben ihnen Fußtritte, eben weil sie Kultur Haben.
All dies empfinde ich tief, während ich auf dem leeren Bahnhof hin und her wandere und keine andere Beschäftigung mir bleibt, als eine gewaltige Anzahl von Schokoladeschach- teln aus dem Automaten zu ziehen. Derselbe Apparat hat mich schon in den Besitz von Zi- garetten, Bonbons, Parfüms und anderen Dingen gebracht, die ich nicht mag, ferner habe ich mich gewogen und dabei ganz glän- zende Resultate festgestellt.
So gesunde Einrichtungen, wie diese ganz gewöhnlichen Dinge es sind, und besonders die ihnen eigene Atmosphäre von Altertüm- lichkeit und langem Bestehen haben einen Eindruck bei mir hinterlassen, der mir noch eben gegenwärtig ist. Ich schlendere zum Bü- cherstand, und hier übersteht mein Glaube sogar das wilde Schauspiel, das moderne Li- teratur und Journalismus bieten. Selbst da, wo die Zeitungswelt sich in ihrer unreifsten und marktschreierischsten Form repräsentiert, bevorzuge ich das Volkstümliche vor dem Stolz zurückhaltenden: Stelle man mich vor die Wahl zwischen der Daily Mail und der Times eine Vorstellung, die einem Alpdruck gleichkommt dann würde sicherlich mein ganzes Sein in einen Schrei nach der Daily Mail ausbrechen. Denn es ist weniger unan- genehm, wenn in frivoler Weise ganz einfach Größenwahn gepredigt wird, als wenn jemand großspurig und feierlich für Banalität eintritt. Je gründlicher man heute die Produktion bedruckten Papiers studiert, desto klarer wird man sehen, daß sie im wesentlichen noch ganz altertümliche Züge trägt. Moderne Schrift- steller haben sich oft über alte Chroniken lu- an stig gemacht, die hauptsächlich von Unglücks-
In diesem Zusammenhang sollte man sich darüber klar sein, daß alle öffentlichen Orte und Einrichtungen, die dem Publikum ständig zur Verfügung stehen, viel eher ihre alter- tümlichen Züge bewahren als die, welche nur für eine bevorzugte Klasse bestimmt sind. Einfache und gewöhnliche Leute ändern eine Sache nicht so leichthin wie die oberen Ge- sellschaftsschichten. Auf der Untergrundbahn wäre Ruskin öfter als in den großen Hotels diesen Freudenpalästen der Reichen
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Karten, praktisch also nur für Familien, möglich wäre. Dadurch würde der Alleinstehende außer- ordentlich benachteiligt, ganz abgesehen davon, daß bel weitem nicht genügend Kleinstartikel anfallen. Die tatsächliche Spinnstoffversorgung der Bevöl- kerung betrug im französisch besetzten Gebiet von Württemberg- Hohenzollern und Lindau im vergan- genen Jahr etwa 270 t, also rund 225 g oder Punkte je Kopf der Bevölkerung. Diese Zahl stellt jedoch die Gesamtversorgung einschließlich der Säuglings- versorgung über Säuglingskarte und einschließlich der Versorgung mit Großstücken( Mäntel, Anzüge, Kleider usw.) dar, die in jedem Fall bis auf wei- teres außerhalb des Kleiderkartenverfahrens über Bezugschein ausgegeben werden müßten. Dieser Teil der Spinnstoffversorgung ist daher von der gesamten Menge abzusetzen. Der Umfang der an sich über eine Kleiderkarte durchführbaren Ver- sorgung hat im Jahr 1947 also bestenfalls fünf bis sechs Punkte je Kopf der Bevölkerung betragen. Auch wenn man davon ausgeht, daß im Jahr 1948 das Zwei- bis Dreifache an Textilien zur Versor- gung der Bevölkerung anfallen wird, ist die Ein-
HAMBURG.
führung einer Kleiderkarte im gegenwärtigen Au- genblick aus den eingangs genannten Gründen noch nicht zweckmäßig. Der Produktionsplan sieht für 1948 einen Rohstoffeinsatz für die Spinnstoffversor- gung in Höhe von 1000 g je Kopf vor. Wenn dieser Plan voll zur Durchführung kommt, dann kann man mit gutem Gewissen eine Kleiderkarte ausge- ben; jedoch ist dies, so wie die Dinge heute liegen, kaum vor Ende dieses Jahres möglich, da die Ar- tikel aus der Textilerzeugung 1948( bei einer augen- blicklichen durchschnittlichen Produktionsdauer von 6 bis 9 Monaten) nicht vorher verfügbar sind.
Wir wissen nur allzu gut, daß die Vertellung sämtlicher Spinnstoffwaren( mit Ausnahme der Säuglingsausstattung) im Weg des Bezugscheinver- fahrens eine außerordentliche Arbeitsbelastung der Wirtschaftsämter und Bezugscheinausgabestellen darstellt und notwendigerweise mit allen Mängeln behaftet ist, die ein derartiges nichtautomatisches Bewirtschaftungsverfahren hat. Auch das Landes- wirtschaftsamt hat daher das allergrößte Interesse daran, das bisherige Verfahren sobald wie möglich durch die Einführung einer Kleiderkarte ganz oder wenigstens teilweise zu ersetzen. Der Zeitpunkt hier- für ist aber erst in dem Augenblick gekommen, in dem hinter der neuen Kleiderkarte auch die ent- sprechende Warenmenge steht.
Notenbank ohne Kopf
Arbeitsfähiger Bankenapparat Voraussetzung für eine Währungsreform
der Es zeigt sich beim Aufbau neuen deutschen Notenbank, daß wohl Boten, an- deres Hilfspersonal, Sekretärinnen sowie untere und mittlere Bankbeamte laufend eingestellt werden, während die Spitze immer noch fehlt- und zwar nicht nur der Präsident und die Mitglieder des Di- rektoriums, sondern auch die Abteilungsleiter. Das überrascht, denn im allgemeinen beginnt der Auf- bau eines neuen Verwaltungsapparates oben, womit die Abteilungsleiter die Möglichkeit erhalten, ihr Personal auszuwählen. Fast scheint es so, als ob niemand bereit sel, auf der durch das Gesetz über die„ Bank deutscher Länder" gegebenen Basis die leitenden Posten zu übernehmen. Nach diesem Ge- setz nämlich legt der Zentralbankenrat die Grund- sätze der Bankpolitik fest, während das Direktorium der„ Bank deutscher Länder" die Direktiven aus- führt. Diesem Zentralbankenrat gehören neben seinem Präsidenten und dem Präsidenten des Direk- toriums nur die Präsidenten der Landeszentralban- ken an, das sind bisher die acht der Doppelzone und jetzt auch noch die drei der französischen Zone.
fällen und Wundern berichten; z. B. von einer Kirche, in die der Blitz eingeschlagen hat, oder von einem Kalb mit sechs Beinen. Sie scheinen nicht zu begreifen, daß diese alte barbarische Art der Geschichtsschreibung dasselbe ist wie unser Journalismus.
Während ich milde gestimmt und ziellos vor dem Bücherstand auf und ab ging, fiel mein Blick plötzlich auf einen rotleuchtenden Titel, der mich einen Augenblick verblüffte. In gro- Ben Buchstaben sah ich auf einem Buchdeckel die Worte:
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Vorwärts oder es geht bergab!"
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Dieser Titel rief mir plötzlich, wie eine Art Reaktion, alles Neuzeitliche und Unangenehme ins Gedächtnis. Ich erinnerte mich, daß es heute so etwas Idiotisches gibt wie die Ver- götterung des Erfolges. Im Grunde heißt Er- folg nichts anderes, als irgend etwas übertref- fen. Es kann bedeuten, daß man der Erfolg Davonlaufen aus einer reichste ist beim Schlacht; es kann auch heißen, daß man in einer Reihe schlafender Männer den besten Schlaf hat.
Diese Worte warfen einen Augenblick lang einen Schatten auf die heilige Ruhe des Bahn- hofes. ,, Hier", sagte ich mir, ist endlich ein- mal etwas ganz unverhohlen Anarchistisches, Hemmungsloses, Gemeines. Dieser Titel bringt den abscheulichsten Individualismus dieser in- dividualistischen Welt zum Ausdruck!"
Die Präsidenten der Landeszentralbanken können als Exekutivorgane ihrer Landesregierungen be trachtet werden. Sie werden auf Vorschlag der Fi- nanzminister von den Ministerpräsidenten ernannt. Man befürchtet, daß sich im Zentralbankenrat föde- ralistische Tendenzen zu stark bemerkbar machen und die notwendige zentrale Lenkung des Geld- und Kreditapparates damit verhindert wird.
Nach einer Meldung der Neuen Zürcher Zeitung" hat der Zentralbankenrat zu seinem Präsidenten Hermann Abs und zum Präsidenten des Direkto- riums Dr. Otto Schniewind gewählt. A be wurde als einer der jüngsten deutschen Bankdirek- toren 1934 Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und ist Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsit zender und Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte. Er ist einer der tüchtigsten und international bekann- testen Bankiers. Der 60jährige Otto Schniewine gehörte früher dem Reichsbankdirektorium an, mußte aber dort nach 1939 ausscheiden und war vom Kreis des 20. Juli" als Finanzminister vorgesehen Beide Herren sollen zur Bedingung gemacht
Es beschäftigte sich unter anderem mit Na- poleon und gab eine genaue Beschreibung sei- nes Lebens. Zweifellos: mit Napoleon ging es Eine Anek- vorwärts. Aber auch bergab. dote berichtete, daß Napoleon die Feder an seinen Kniehosen auszuwischen pflegte. Die Moral wäre danach; Wer seine Feder an den Kniehosen auswischt, gewinnt die Schlacht bei Wagram. Eine andere Geschichte erzählt, daß er unter seinen Hofdamen eine Gazelle losließ. Die brutale praktische Nutzanwendung davon wäre:
Wenn man unter den Damen seiner Bekannt- schaft eine Gazelle freiläßt, wird man Kaiser von Frankreich. Vorwärts mit einer Gazelle oder bergab!
Nachdem ich alles sorgfältig durchgelesen hatte, konnte ich mir nicht klar werden, ob ich das eine oder das andere wollte. Ein dunkles Gefühl sagte mir, daß ich vorziehen würde, bergab zu gehen.
( Uebersetzt von Elsa Carlberg) Internationale Jugendkundgebung in München Etwa hundert führende Persönlichkeiten aus, den verschiedensten Nationen, darunter der greise Dich- ter André Gide, werden an der zweiten Internatio- nalen Jugendkundgebung in München vom 11. bis 20. Juni teilnehmen. Während im vergangenen Jahr 16 Nationen in München waren, rechnet man dies- mal mit 20, die durch etwa 500 Jugendliche aus Holland, Frankreich, Skandinavien und der Schweiz vertreten werden. Im Schloßpark Nymphenburg wird ein großes Zeltlager für etwa 2000 junge Men- schen errichtet. In dem vielgestaltigen Programm, das Vorträge berühmter Ausländer, kulturelle und
sportliche Veranstaltungen vorsieht, ist genug Raum für Aussprachen und Möglichkeiten eines en- gen Kontakts gelassen. Ein besonderer Programm- punkt ist die Grundsteinlegung der ersten deut- schen Jugendsiedlung Friedensdorf" auf dem ehe- maligen Parteitaggelände in Nürnberg.
In meiner leidenschaftlichen Erbitterung und Wut kaufte ich das Buch und verschaffte so einem Feind von mir einen Teil meines Gel- des. Ich war darauf gefaßt, irgendeine Bru- talität oder Gotteslästerung zu finden, die ebenso niederträchtig war wie der Titel. Aber ich war enttäuscht. Nichts entsprach der wilden Entschlossenheit der Ueberschrift. Alle tapferen Menschen sind Wirbeltiere: sie fühlen sich außen weich an und haben in- nen ihre Festigkeit; aber alle modernen Feig- linge sind Krustentiere: ihre Härte sitzt ganz Literaturpreis von insgesamt 20 000 Mark für die be- und gar an der Oberfläche. Und so war es auch mit diesem Buch.
Der Verband südwestdeutscher Autoren hat einen sten bisher unveröffentlichten Arbeiten über die Vorgänge in den Jahren 1848 und 1849 gestiftet.