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SCHWÄBISCHES TAGBLATT
DIENSTAG, 30. SEPTEMBER 1947 VERLAG UND SCHRIFTLEITUNG: TUBINGEN, UHLANDSTRASSE 2
Die Inflationsgefahr in England LONDON. Das britische Kabinett prüfte in einer Sitzung in der vergangenen Woche eingehend die Maßnahmen, die geeignet sind, der drohenden Inflationsgefahr zu begegnen. Das britische Nationaleinkommen wird gegen- wärtig auf acht Milliarden Pfund jährlich ge- schätzt, den Verbrauchern in England stehen jedoch nur Waren im Werte von sieben Mil- liarden zur Verfügung. Bei Steigerung der Aus- fuhr nach dem Cripps- Plan könnte der Un- terschied zwischen Warenangebot und Kauf- kraft noch größer werden, falls eine Produk- tionssteigerung in wesentlichem Umfang nicht möglich ist.
Die Regierung befaßte sich deshalb auch mit der Gefahr einer umfassenden Lohnsteigerung;
gegen die vom linken Flügel der Labour- Party vorgeschlagene Blockierung der Löhne wenden sich jedoch die englischen Gewerkschaften. Am eindringlichsten erheben die Bergarbeiter die Forderung auf Lohnerhöhung. Die Regierung stimmt zwar im Prinzip zu, fürchtet jedoch, damit in allen Berufsgruppen eine ähnliche Entwicklung auszulösen.
Einem Bericht des englischen Brennstoff- ministers Shinwell zufolge sind die Bespre- chungen zwischen dem nationalen Kohlenamt und der Bergarbeitergewerkschaft über eine Erhöhung der Arbeitsstunden in den Bergwer- ken gescheitert, ebenso führten die Bespre- chungen des britischen Handelsministers mit dem Leiter der amerikanischen Delegation für die Genfer Tarifkonferenz Clayton über eine Herabsetzung der gegenseitigen Tarife zu keinem Ergebnis.
Palästina- Balkan- Italien
Ausschüsse der UN. an der Arbeit/ England will Palästina räumen FLUSHING MEADOWS. Die Arbeiten der Kommission der Vollversammlung der UN. sind am heutigen Tage unterbrochen worden, um die Durchführung einer Vollsitzung zu er- möglichen. Auf der Tagesordnung stehen die endgültige Zulassung Pakistans und Yemens in die Organisation der UN., die Wahlen zum Sicherheitsrat und zum Wirtschafts- und So- zialrat. Am 1. Januar sind die Mandate Austra- liens, Polens und Brasiliens abgelaufen. Das Problem ist kompliziert, weil eine geographisch gleichmäßige Repräsentation für den Sicher- heitsrat gefunden werden soll. Als einziger offizieller Kandidat steht bis jetzt Kanada fest. gene Woche seine Tätigkeit aufnahm, wählte Der Palästinaausschuß der UN., der vergan- Evatt zum Vorsitzenden. einstimmig den australischen Außenminister
nahe, umgehend für die internationale Rege- lung des Problems der europäischen Flücht- linge zu sorgen.
Die amerikanische Delegation in der politi- schen Kommission der UN. schlug vergangene Woche die Einsetzung eines Sonderausschusses für den Balkan vor, der dafür sorgen solle, daß die vier in die derzeitigen Wirren ver- wickelten Regierungen normale diplomatische Beziehungen unterhielten.
Der britische Kolonialminister Jones er- klärte in der Freitagsitzung der Sonderkom- mission, daß England mit den Vorschlägen des Palästina- Ausschusses, insbesondere mit der Niederlegung seines Mandats, einverstanden sei. Für den Fall, daß die Vollversammlung jedoch eine Lösung vorschlagen sollte, die nicht gleichzeitig von den Juden und Arabern angenommen werde, weigere England sich, dieser Lösung mit Waffengewalt zur Durch führung zu verhelfen. Es treffe alle Vorberei- tungen, seine Streitkräfte und Beamten in nächster Zeit aus Palästina zurückzuziehen, falls sich eine Lösung des Problems ergeben sollte. Jones legte der Vollversammlung auch
Die USA wollen helfen
WASHINGTON. Präsident Truman ap- pellierte in seiner allwöchentlichen Presse- konferenz an die amerikanische Nation, ih- ren Lebensmittelverbrauch angesichts der Notlage Europas soweit wie irgend möglich zu reduzieren. Die Völker Europas dürften nicht Hunger leiden. Truman kündigte die Bildung einer Spezialkommission an, die jede Vergeudung von Lebensmitteln durch geeig- nete Maßnahmen verhindern sell.- 70 Millio- nen Scheffel Brotgetreide könnten auf diese Weise eingespart werden.
Truman hat führende Persönlichkeiten des Parlaments zu einer Besprechung ins Weiße Haus einberufen. Er will versuchen, ohne Einberufung einer Sondersitzung des Par- laments das Problem der einstweiligen Hilfe- leistung für Europa noch vor Verwirklichung des Marshallplanes zu ermöglichen.
Der stellvertretende amerikanische Wirt- schaftsminister Thorp erklärte, es könne keine Rede davon sein, daß die USA. Deutschland auf Kosten des übrigen Europas wieder aufbauen wollten: ,, Die Deutschen er- halten gegenwärtig nur zwei Drittel der Ra- tionen der übrigen europäischen Bevölkerung und die deutsche Industrieproduktion be- trägt nur 14 Prozent der Produktion von 1936, während sich der Produktionsstand der Nachbarn auf 80 Prozent beläuft.
In Paris rechnet man jetzt bereits damit, daß der Marshallplan nicht vor Sommer 1948 in Aktion treten werde. Solange kann aber beispielsweise Frankreich nicht warten. Schon deshalb steht gegenwärtig die Soforthilfe durch die USA. im Vordergrund der öffent- lichen Diskussion. Man hält es für unmöglich, daß Amerika Frankreich keine Hilfe leisten werde, da man dort das Defizit der Ernten in allen europäischen Ländern kenne. Man glaubt annehmen zu können, daß die USA. für die provisorische Hilfe etwa 2,4 Milliarden Dol- lar zur Verfügung stellen werde.
Der Ausschuß der USA. für Auslandshilfe hat Präsident Truman am vergangenen Sonn- tag vorgeschlagen, mindestens 500 Millionen
Scharfe Urteile
LINZ. Im Prozeß gegen die Anstifter einer antisemitischen Demonstration( am 20. August in Bad Ischl) verurteilte das amerikanische Militärgericht fünf Angeklagte, darunter eine 69jährige Frau, zu Gefängnis von sechs Mo- naten bis 15 Jahren. Die Bevölkerung von Ischl hatte gegen die Herabsetzung der Milch- versorgung zugunsten einiger dort anwesender jüdischer Familien protestiert. Dadurch kam es zu antisemitischen Kundgebungen.
Da es sich bei den Angeklagten zum Teil um bewährte Mitglieder der Kommunistischen Partei Oesterreichs und ehemaliger Wider- standskämpfer handelte, löste das Urteil in ganz Oesterreich großes Befremden aus.
Sofort nach Bekanntwerden des Spruches begaben sich Bundeskanzler Figl und Vize- kanzler Scharf sowie Außenminister Dr. Gruber zum amerikanischen Kommissar für Oesterreich, um ihm eine Eingabe zu über- reichen, in der zum Ausdruck kam, daß das Urteil dem Rechtsempfinden der österreichi- schen Bevölkerung stark zuwiderlaufe.
Gleichzeitig wurde versichert, daß man alles tun wolle, um in Zukunft antisemitische Ex- zesse zu verhindern. Der amerikanische Gene- ral versprach, das Urteil zu überprüfen. Das Zentralkomitee der KPD. veröffentlichte zu dieser Angelegenheit einen Aufruf, in dem die amerikanische Politik in Oesterreich scharf kritisiert wurde. Auch der österreichische Ge- werkschaftsbund und der Parteivorstand der. Sozialdemokratischen Partei Oesterreichs er- klärten sich mit der Regierung solidarisch.
Scheffel Getreide nach Westeuropa zum Ver- sand zu bringen. Um dies zu erreichen, wird angeraten, ein Programm für die freiwillige Ra- tionierung aufzustellen, einen Feldzug zur Ab- lieferung des Getreides einzuleiten, größere Mengen Getreide aufzukaufen, den Export nach anderen Ländern herabzusetzen und die amerikanische Ausfuhr von Kunstdünger nach Westeuropa zu steigern.
Vom Elend Europas beeindruckt BERLIN.„ Die Mitglieder der Kommission Herter, die ganz Europa gesehen haben und seit einigen Tagen in Berlin weilen, sind von dem Elend in Europa tief beeindruckt", teilte ein Mitglied dieser Kommission, ein amerika- nischer Senator, mit.
,, Die Vereinigten Staaten hat der Krieg Mil- liarden von Dollars gekostet, es wäre ein Wahnsinn, das Spiel nicht bis zum Ende durch- zuhalten und sich jetzt zu weigern, die Rech- nung des Friedens zu bezahlen. Wenn die USA. Europa nicht helfen, scheint der Krieg unvermeidlich."
Auf die amerikanische Innenpolitik ein- gehend, führte der Senator aus:„ Die Repu- blikaner dürfen nicht so wahnsinnig sein, die Europahilfe abzulehnen, weil sie gewiß sind, bei den nächsten Wahlen zu gewinnen. Denn dann würde sich die Welt in eine Lage ver- setzt sehen, in der vielleicht überhaupt nicht mehr die Frage der Wahlen aufgeworfen wird."
Zeit gewinnen
PARIS. Meldungen aus London zufolge hat die britische Regierung den USA., Frankreich und der Sowjetunion vorgeschlagen, die für Anfang November vorgesehene Außenmini- sterkonferenz in London auf Ende November zu verlegen, um zu vermeiden, daß sie unter Umständen gleichzeitig mit der wohl kaum vorher beendeten Generalversammlung der UN, abgehalten werden müßte. Frankreich
und die USA. sollen bereits ihr prinzipielles Einverständnis zu dem britischen Vorschlag gegeben haben. Die sowjetrussische Antwort
steht noch aus.
Für die vorbereitende Tagung der stellver-
tretenden Außenminister wird neuerdings der 6. November genannt. Der wahre Grund für die Verzögerung der Konferenz dürfte alter- dings darin liegen, daß man Zeit gewinnen will, um wenigstens den Versuch machen zu können, die schwerwiegenden Gegensätze zwi- schen den großen Vier auszugleichen.
Steigerung der Anbauflächen PARIS. Die Hauptsorge der französischen Regierung gilt der Aufrechterhaltung der be- scheidenen Brotration von 200 g pro Tag. Der französische Botschafter in den USA. hat ge- beten, einen Teil des für Deutschland und Japan bestimmten Getreides nach Frankreich zu leiten.
Die Anbauflächen für Getreide sollen in Frankreich wieder auf den Stand von 1939 mit 5 Millionen Hektar statt 3 Millionen im Jahr 1947 gebracht werden. Den Bauern wird eine Strafe von 10 000 Francs für jeden feh- lenden Hektar Weizen angedroht. Roggen muß 25 Prozent mehr angebaut werden als in den Jahren 1944/45 und 1945/46.
Während der französische Staatshaushalt Gesamtausgaben in Höhe von 730 Milliarden Franken vorsieht, werden Steuereingänge in Höhe von nur 600 Milliarden erwartet.
Neue Befürchtungen Frankreichs PARIS. Der französische Botschafter in Lon- don, Massigli, hat dem britischen Auswär- tigen Amt eine Note überreicht, in der die
Die jugoslawische Delegation hat in einem Gegenvorschlag die politische Kommission auf- gefordert, sämtliche militärischen und wirt- schaftlichen Interventionen des Auslands in tersuchen. den innergriechischen Angelegenheiten zu un-
Am vergangenen Freitag schlug die ameri- kanische Delegation die Schaffung einer Zwi- schenkommission der Vollversammlung im Sinne der Ausführungen von Außenminister Marshall vor. An der Zwischenkommission wären nach dem amerikanischen Vorschlag alle Mitglieder der UN. durch je einen Ver- treter beteiligt. Die Zwischenkommission soll im Rahmen der Charta der UN. u. a. die Voll- versammlung bei der Prüfung sich ergebender Situationen unterstützen, Berichte verfassen, die Möglichkeiten der Einberufung einer Son- dersitzung der Vollversammlung überprüfen, Untersuchungsausschüsse im Rahmen ihrer Aufgaben und Funktionen ernennen, sowie alle Arbeiten übernehmen, mit denen die Voll- versammlung sie betrauen könnte.
In der letzten Sitzung des Sicherheitsrats widersetzte sich die Sowjetunion der Zulas- sung Italiens zur Organisation der UN. Der sowjetische Delegierte Gromyko erklärte, daß er die Zulassung Italiens nur unterstütze, wenn gleichzeitig Bulgarien, Finnland, Ungarn und Rumänien aufgenommen würden. China Zulassung Bulgariens, die USA. gegen die Auf- und Frankreich erhoben Einspruch gegen die nahme Ungarns.
Der polnische Delegierte forderte die Voll- versammlung am vergangenen Samstag in einer Resolution auf, den Marshall- Plan zu verurteilen. Nur die Vereinten Nationen könn- ten ein wirkungsvolles Element bei der Rege- lung wirtschaftlicher und politischer Probleme darstellen: ,, Die Prosperität ist genau so unteil- bar wie der Friede." Im Falle Europas sei der Wiederaufbau unmöglich, wenn eine Barriere zwischen Ost und West errichtet werde.
Der französische Delegierte Mayer erklärte am vergangenen Freitag dem Finanzausschuß der Vollversammlung, daß Frankreich die Ab- haltung der Sitzungsperiode 1948 in Europa beantrage, um die Dollarausgaben der Mit- gliedstaaten zu vermindern..
Der sowjetische Delegierte Wyschinski be- faßte sich am vergangenen Freitag in einer Pressekonferenz mit den Erwiderungen auf seine Rede vor der Vollversammlung und übte erneut scharfe Kritik an den USA. und Eng- land. Ein weiterer sowjetischer Vertreter griff im Sozialausschuß das Thema des Kampfes gegen die Kriegsbrandstifter, das die sowjeti- sche Delegation offensichtlich in den Mittel- punkt der Sitzungsperiode stellen möchte, auf.
französische Regierung sich nochmals mit der Ruhrfrage beschäftigt und ihrer Befürchtung Ausdruck verleiht, daß das zwischen den Eng- ländern und Amerikanern provisorisch getrof- fene Abkommen über die Erhöhung der In-, dustriepotentiale und über die Verwaltung schwere bzw. vorwegnehme. des Ruhrgebiets eine endgültige Regelung er-
Frankreich verstehe nach wie vor den Stand-
punkt, daß nur eine internationale Verwal- käme und wiederhole seine Bedenken gegen tung und Kontrolle des Ruhrbeckens in Frage eine Uebertragung der Leitung der Ruhrgru- ben in deutsche Hände, zumal vier Ruhrkoh- lengruben französischer Besitz seien. Frank- auch diese Gruben eine deutsche Betriebslei- reich erhebe Einspruch dagegen, daß etwa tung erhielten.
Tagung des Roten Kreuzes BELGRAD. Auf der Konferenz der inter- nationalen Rote- Kreuz- Gesellschaften in Bel- grad stand die Verteilung von Hilfssendungen zur Debatte. Die slawischen Länder widersetz- ten sich dabei einer Kontrolle der Verteilung. Der russische Delegierte warf auf der Ta- gung England, Amerika und Schweden vor, faschistischen Elementen zu helfen und rus- sische Zwangsverschleppte an der Rückkehr in ihre Heimat zu hindern. Ueber 1000 sowjeti- sche Kinder würden in den westlichen Besat- zungszonen Deutschlands und Oesterreichs ge- waltsam zurückgehalten.
Pakistan bittet um Hilfe LONDON. Die Regierung von Pakistan hat nach Meldungen aus London über die britische Regierung die anderen Nationen des britischen Commonwealth gebeten, bei der Lösung der Frage der Unruhen, die augenblicklich auf Grund der Rivalität zwischen Hindus und Muselmanen in Pakistan herrschten, Hilfe zu leisten. Die britische Regierung hat die Regie- rungen von Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika und Indien hiervon unterrichtet und ihnen empfohlen, Möglichkeiten zur Ueber- windung der Schwierigkeiten zu prüfen.
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3. JAHRGANG/ NUMMER 78
Europa hofft
Von Dr. Helmut Kiecza
Zusammenwirken daran gearbeitet haben, die- ,, Die Tatsache, daß 16 Nationen in engem sen Bericht anzufertigen, ist an sich schon ein Marshall in einer Botschaft, die den Eingang bedeutendes Ereignis", schrieb Staatssekretär des Schlußberichts der Pariser Wiederaufbau- konferenz bestätigte. Marshall hat damit be- reits den wesentlichsten Erfolg seiner Anre- gungen, die als Marshall- Plan seit Monaten ganz Europa wenn auch nicht ausschließ- lich zustimmend beschäftigen, zum Aus- druck gebracht. Der Weg zu einer europäischen
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Zollunion, sozusagen als erste Etappe eines föderalistischen Europas, ist, wenn auch noch
nicht geebnet, so doch immerhin einmal in öffentlicher Diskussion autorisierter Vertreter von 16 Ländern abgesteckt worden.
Gerade die Nachkriegssituation führt deut- licher denn je vor Augen, wie unlösbar die kleinen und die großen Nationen der Alten Welt miteinander verbunden sind. Ein Land hört den Pulsschlag des andern wie durch einen Lautsprecher. In zurückliegenden Zeiten lösten erhöhte Temperaturen, Kriterien eine Störung im politischen oder wirtschaftlichen Kreislauf eines Landes Hilfsmaßnahmen nur dann aus, wenn man sich irgend einen persön- lichen Vorteil davon versprach.
Zweifellos ist die gegenwärtige Lage der meisten europäischen Länder jetzt so, daß Wohl und Wehe ihres Seins nicht mehr von ihnen selbst abhängt, sie ohne einen gutge- sinnten Nachbarn immer neuen Schwierigkei- ten entgegentreiben. Nirgends zeigt sich dies deutlicher als entlang des Risses, der die Welt zu sprengen droht.
Ausschüsse in den USA., seit langem dazu ausersehen, die Hilfe für Europa vorzuberei- ten und ins Werk zu setzen, haben die Prü- fung des europäischen Wiederaufbauprogramms rende Persönlichkeiten der USA. zu Bespre- begonnen. Präsident Truman rief bereits füh- chungen zusammen, um die Möglichkeiten für einen Sofortkredit an besonders hilfsbedürf- tige europäische Länder zur Ueberbrückung der Zeit bis zum Anlaufen des eigentlichen Hilfs- planes zu prüfen. Sein Appell an das ameri- kanische Volk, seinen Lebensmittelverbrauch einzuschränken, all dies muß als Zeichen da- für gewertet werden, daß man jenseits des Atlantik die Gefahr, daß ein verzweifelndes Europa erneut zu einem Explosionsherd wer- den könnte auch ohne Nationalsozialismus und Faschismus erkannt hat, ja, daß ein neuerlicher Zusammenbruch der ersten Gerüste für eine europäische Neuordnung den USA selbst keineswegs von Nutzen sein könnte fielen doch im selben Augenblick so gut wie alle europäischen Staaten an seinen östlichen Rivalen.
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Trotz solcher und ähnlicher Ueberlegungen, die immer wieder als Nachrichten, den Reden maßgeblicher Repräsentanten der USA. ent- nommen, durch die gesamte Weltpresse gehen, können auch die Stimmen ,, drüben" nicht über- hört werden, die das„, europäische Geschäft" recht skeptisch, dafür um so nüchterner beur- teilen. Nicht umsonst zögert Präsident Truman, den Kongreẞ einzuberufen und will lieber noch etwas zuwarten, nehmen wir an, in der Hoff- nung, Geschäftsgeist und Humanismus könn- ten angesichts der wachsenden Not in Europa eine glückliche Ehe eingehen.
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ebensowenig wie 10 Milliarden 22 Milliarden Dollar sind keine Kleinigkeit, die niedrig- ste an Europa zu vergebende Hilfe, die bisher im Zusammenhang mit dem Marshall- Plan genannt wurde. Nimmt man noch hinzu, daß der britische Außenminister Ernest Bevin be- reits inoffiziell ein Leih- und Pachtfriedens- eine für gesetz vorgeschlagen haben soll dann versteht man schon eher, wie Vorschläge die USA. nicht sehr rentable Angelegenheit zustandekommen, die etwa raten, nicht an die europäischen Staaten, sondern nur an einzelne Unternehmen Kredite zu geben, sich nicht auf Jahr für Jahr zu entscheiden, wem und wie ein Programm bis 1951 festzulegen, sondern
hoch Kredite gegeben werden sollen, keine Rohstoffe, nur Fertigprodukte zu exportieren, um nicht am Ende den eigenen Rohstoffen als Ware auf dem Weltmarkt konkurrierend be gegnen zu müssen; daß man, in Furcht, der Beherrscher der anderen Hemisphäre könnte am Ende die Früchte der Dollarsaat einheim- sen, glaubt fordern zu müssen, Europa solle seine sozialistischen Programme zurückstecken.
Diese und andere Punkte, immer wieder vor- gebracht, lassen erkennen, wie ernst es Europa sein muß, die Chance des Marshall- Plans zu nutzen: ein kontinentales Europa zu werden, wenn es nicht so oder so, hier oder dort, seine Eigenständigkeit einbüßen will, die es eben wiederzugewinnen sucht.
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Und Deutschland? Muß wieder wesent- licher Bestandteil Europas werden, mag seine Schuld, je nach Standort, unermeßlich sein, oder als tragisches Unglück gewertet werden. Die Einbeziehung Deutschlands, vielmehr we- nigstens vorläufig seiner Westzonen, zu ver- neinen, hieße Ressentiments in eine Realpoli- tik hineintragen, zumal doch immer von einer 25-30jährigen Besetzung Deutschlands durch die Alliierten die Rede ist. Wenn bis zu jenem Zeitpunkt kein grundlegender Wandel im po- litischen Gesicht der Welt eingetreten ist, dann waren die Anstrengungen unserer Zeit so oder so sinnlos.