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Die Verhandlungen, die Leon Blum in Washington über die Gewährung amerikanischer Wiederaufbaukredite an Frankreich geführt hat, sind zu einem erfolgreichen Abschluß gekommen. Das amerikanisch-französische Finanzabkommen ist jetzt in Washington unterzeichnet worden. Cs sieh einen Gesamtkredit von 1375 000 000 Dollar vor, der sich folgendermaßen zusammensetzt: 650 Millionen Dollar Darlehen der Import- und Exportbank, 450 Millionen Dollar für die Deckung bereits erfolgter amerikanischer Lieferungen an Frankreich, 275 Millionen Dollar zum Ankauf von überschüssigem amerikanischem Material, das noch in Frankreich lagert. Außerdem sind 42 Millionen Dollar für den Ankauf van 75 Liberty-Schiffen (zu 10 000 Tonnen) vorgesehen, mit denen die französische Handelsflotte verstärkt werden soll.
Ferner ist noch vereinbart worden, daß die französische Kriegsschuld an Amerika in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar gestrichen wird, so daß eine wesentliche finanzielle Entlastung für das französische Budget eintritt.
Washington. In einer gemeinsamen Veröffentlichung des Präsidenten Tru m a n und des französischen Ministerpräsidenten Gouin wird heroorgehoben, daß der Aufbau und die Modernisierung der französischen Wirtschaft den Einbau Europas in die Weltwirtschaft erleichtern und Frankreich erlauben werde, seinen Platz als Pro- duktionslnnd und Handelsnation wieder zu erlangen. Auch in einer von Byrnes und Leon Blum Unterzeichneten Erklärung heißt es, die beiden
Länder seien übereingekommen, schon vor dem Zusammentreffen der Welthandelskonferenz ein Abkommen abzüschließen, das die Verminderung der Handelsschranken vorsehe. Leon Blum sagte vor seiner Abreise aus Washington vor Pressevertretern aus, der erfolgreiche Abschluß der Verhandlungen werde dazu beitragen, die Entschlossenheit und den Mut des französischen Volkes für die Probleme des Wiederaufbaues zu erhöhen. Außerdem werde das Abkommen einen wohltuenden Einfluß aus die gesamte internationale Lage ausüben.
Paris. Der Crnährungsminister hat in einem Vortrag den Wiederaufbau der französischen Landwirtschaft behandelt, dem die Regierung die besondere Aufmerksamkeit widmet. Infolge der Transportschwierigkeiten habe die Zuweisung an Düngemitteln gelitten, doch konnten immerhin 60 dis 75 Prozent der Vorkriegsmenge an die Landwirte verteilt werden. Die kommende Weizenernte verspreche gut zu werden: man rechne mit einem Ertrag von 600 Millionen Zentnern. Auch die Kartoffelernte werde voraussichtlich höher sein als im vorigen Jahre. Der Minister sprach sich gegen den freien Warenaustausch aus, so lange die Produktion ungenügend sei.
Washington. Nach einer Mitteilung des amerikanischen Außenamtes ist die Kreditgewährung von 50 Millionen Dollar an Polen solange aufgeschoben worden, bis die Sicherheit beliebt, daß in Polen geheime und freie Wahlen abgehalten werden.
Kampf um in -^mei ilia
Die sozialen Spannungen in den Vereinigten Staaten haben in den letzten Wochen eine bemerkenswerte Verschärfung erfahren. Monatelang haben die Bergarbeiter gestreikt. Der große Eisenbahnerstreik ist in letzter Minute durch das Eingreifen des Präsidenten Truman verhindert worden. Truman hatte für den Fall der Arbeitsniederlegung den Eisenbahnern die Mobilisierung in Aussicht gestellt und darüber hinaus dem Kongreß einen „Gesetzesvorschlag zur Aufrechterhal-. tung des sozialen Friedens" unterbreitet. In diesem Antistreikgesetz wird bestimmt, daß nach Ankündigung eines Streikes die Arbeitnehmerorganisationen verpflichtet sind, noch sechzig Tage den Arbeitsfrieden aufrechtzuerhalten, damit Zeit gewonnen wird, eine Einigung herbeizuführen. Außerdem soll es nach diesem Gesetzesvorschlaa Arbeitnehmern in gehobener Stellung (Werkmeistern nsw.) verboten sein, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Präsident Truman hat auf den Vorwurf, er beweise damit eine rückschrittliche Gesinnung, geantwortet, daß mit seinen Vorschlägen das Recht der Arbeiter, gegen private Unternehmer zu streiken, nicht angetastet werden solle. Das Remäsen- tantenhaus hat darauf mit 306 gegen 13 Stimmen der Vorlage zugestimmt, ebenso der Senat mit 49 gegen 29 Stimmen.
Die sich häufenden Lohnkonflikte in den Vereinigten Staaten sind die Folge der eingetretenen
Preisveränderungen. Präsident Truman hat in seiner Kongrcßrede deshalb die Notwendigkeit der Beibehaltung der Preiskontrolle und der Stabilisierungsgesetze besonders hervorgehoben.
Die Gewerkschaft der Eisenbabnschaffner will ihre ganze Kasse (47 Millionen Dollar) zur Bekämpfung der Wiederwahl Trumans einsetzen. Der Vorsitzende der Loknmotivführergewerkschaft kündigt die gleiche Absicht an. Trumans Antistreikgesetz sei geeignet, „die Arbeiterklasse in Ketten zu legen".
Washington. Der amerikanische Senat hat am Mittwochabend Präsident Trumans Gc- setzesvorschlag zur Aushebung streikender Arbeiter in einigen wichtigen Punkten abgeändert. Die Aushebung streikender Arbeiter zum Militärdienst als Antiftreikmaßnahme ist nicht gebilligt worden. Der Senat wird noch über weitere Aenderungen an den Vorschlägen Präsident Trumans beraten,
N e w P o r k. Der Streik der Bergarbeiter ist am Mittwoch beendet worden, nachdem einer Lohnerhöhung von 18,5 Cents pro Stunde von den Arbeitgebern zugestimmt worden ist. Der Streik hat 59 Tage gedauert. Der Ausfall in der Kohlenproduktion wird auf 100 Millionen Dollar bewertet.
London. 11 000 Bergleute in der südenglischen Grafschaft Devonshire sind in den Streik getreten.
Der amerikanische Außenminister Byrnes hatte nach der Vertagung der Pariser Außemninnter- konferenz auf den 15. Juni im Rundfunk dem amerikanischen Volk einen ausführlichen Bericht über den Verlauf der Pariser Verhandlungen erstattet und dabei die Punkte erwähnt, über die keine Einigung erzielt werden konnte. Byrnes hatte deshalb u. a. den Vorschlag gemacht, dis Friedensverträge, wenn nötig, den V ereinten Nationen zur Beschlußfassung zu unterbreiten.
Zu diesem Gedanken hat sich jetzt der russische Außenminister Molotow, ebenfalls in einer Rundfunkansprache, ablehnend geäußert. Mo- lotow tritt dafür ein, daß erst die großen Bier einig werden und dann eine „einzige richtige Friedenskonferenz" abgehalten werden soll. Moloiow hatte schon vorher vor russischen Pressevertretern den Mißerfolg von Paris den Vereinigten Staaten und' Großbritannien zugeschoben In seiner Rundfunkansprache an das russische Volk ist er noch deutlicher geworden. Er hat gesagt, zwei Nationen — gemeint sind USA. und Großbritannien — versuchten einer dritten — Rußland — ihren Willen aujzuzwingen und die Sowjetunion von ihrem
„ehrenwerten und mit Recht beanspruchten Platz" zu verdrängen. Das sei eine kurzsichtige Zielsetzung, der kein Erfolg beschieden sein könne. Er wandte sich gegen amerikanische Bestrebungen, früher in Teheran, Jalta und Potsdam gefaßte Beschlüsse umzustoßen. Der Plan, Libyen, Tripo- litanien und anderen nordafrikonischen Gebieten Selbständigkeit zu geben, sei der Versuch einer Erweiterung des britischen Einflusses in Nordafrika.
New Park. Aus einem Empfang zu Ehren russischer Journalisten hat der russische Botschafter Gromyko gesagt, das Werk der ONU. müsse fehlschlagen, wenn sich verschiedene Mächte eine Vorherrschaft anmaßen wollten.
Washington. Auf die Darlegungen Molo- tows hat der amerikanische Staatssekretär Byr- nes vor den Vertretern der amerikanischen Presse in Washington geantwortet. Er erklärte, ein englisch-amerikanischer Black bestehe nicht. Die Vereinigten Staaten seien bereit die Weltprobleme der Weltöffentlichkeit zu unterbreiten.
2. .I n li nttki n«
Nach den städtischen Wahlen des 26. Mai in der USA.-Zone liegt es nahe, die Ergebnisse mit denen der beiden früheren Wahlen (in den kleinen Gemeinden Ende Januar und in den mittleren Ende April) zusammenzustellen und daraus nun auf die Stärke der v i e r H a u p t p a r t e i e n zu schließen die für spätere Landtagswahlen und die Bildung von Regierungen in Betracht kommen.
Nun haben aber namentlich bei den Januarwahlen die politischen Parteien noch eine ziemlich untergeordnete und unklare Rolle gespielt, fo daß die zahlenmäßigen Ergebnisse jener Wahlen keine sicheren Schlüsse auf die parteipolitische Haliung der Bevölkerung bei späteren politischen Wahlen erlauben. Man kann höchstens versuchen, in den kleinen Gemeinden Schätzungen über die parteipolitische Stellung der Wähler, die damals „unpo- litisch" gewählt haben, anzustellen. Wir versuchen, mit allem Vorbehalt, im folgenden eine Tabelle über die mutmaßliche Verteilung der Parteien in den Ländern der USA.-Zone bei einer künftigen Gesamtwahl aufzustellen: die Zahlen sind Tausende von Stimmen.
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Man sieht aus dieser Zusammenstelluny, auch wenn sie einzelne Fehler enthalten mag (Wahlen bringen ja oft auch Uebepraschungen) doch soviel, daß die CDU. in Süddeutschland die führende Partei ist, daß die Sozialdemokratie die zweite große Partei ist, und daß die kommunistische und die demokratische Partei erst in großem Abstand folgen.
In Bayern verfügt ohne Zweifel die CDU. (dort CSU., Christlich-Soziale Union genannt) über die absolute Mehrheit, könnte also später allein eine Regierung bilden. Man nennt heute schon den Münchener Oberbürgermeister Scharnagl als künftigen Ministerpräsidenten, da der Vorsitzende der bayerischen CSU., Dr. Josef Müller, sich nicht in den Vordergrund schieben zu wollen scheint. Es ist aber wohl möglich, daß CSU. und SPD., die schon jetzt in Bayern sehr gut Zusammenarbeiten, später eine Koalitionsregierung bilden werden.
Diese Koalition ist auch in den beiden anderen Ländern der USA.-Zane wahrscheinlich. In Graß- Hessen wäre an sich vielleicht eine „Arbeiter- regicrung" denkbar, wenn die beiden Arbeiterparteien znsammengingen. Auf jeden Fall ist dort eine Regierung ohne SPD. nicht möglich, wie in Nord- Württemberg-Baden, wo die CDU. mit den Demokraten zusammen ohne Zweifel über eine tragfähige Mehrheit versügen würde.
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Prag. Die Verteilung der Sitze in der tschechoslowakischen verfassunggebenden Nationalversamm- luna auf Grund der Wahlen vom 26. Mai ist folgende: Kommunisten 114 Mandate, Katholiken 90, Benesch-Partei 55, Sozialdemokraten 36.
In Holland hat die katholische Volksparic! auf Grund der Provinzialwahlen 17 von den äb Sitzen in der ersten Kammer erhalten. Die iiöchstgrößtc Partei, die Arbeiterpartei, hat 14 Sitze erhalten.
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Moskau. Zwischen Rußland und Polen ist ein Abkommen geschlossen worden, das Polen russische Hilfe zusichert. Rußland stellt Polen Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Geräte zur Verfügung und ist bereit, bis zur Instandsetzung der polnischen Rüstungsindustrie Waffen und Rüstungsmaterial zu liefern. Außerdem erhält Palen einen Kredit zum Aufbau der polnischen Armee. D.ie «schulden Polens an Rußland aus dem Krieg werden annulliert.
General d e K a u l l e ist vom französischen Ministerpräsidenten ringelnden worden, den Kedcnkreierlich- keitcn am 18. Juni, dem Siaatsfeiertag, zu präsidieren.
Am Sonntag, dem 2. Juni sind in Frankreich die Neuwahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung.
Auch in Italien linden am 2. Inn! die ersten Wahlen statt und gleichzeitig ein Volksentscheid über die Staatsform.
Die stellvertretenden Außenminister der vier Großmächte haben in Paris Fragen der italienischen Grenzziehung behandelt
Der britische Ernährungsminister Den Smith ist zuriiikgetreten.
In Holland ist der Innenminister und Leiter der Katholischen Volkspartci Dr. Behl mit der Neubildung der Regierung beauftragt worden.
Generalissimus Stalin hat den in Moskau eingetroffenen Marschall Tito sowie die Botschafter Großbritanniens und der Vereinigten Staaten empfangen.
Ein ungarischer Gesetzentwurf sieht die Verstaatlichung der Kohlengruben und Elektrizitätswerke vor.
Der spanische Sozialistenkongreß in Toulouse hat der Exilregierung Giral das Vertrauen ausgesprochen.
In Kairo haben die Häupter der sieben arabischen Staaten den gemeinsamen Kampf um Palästina beschlossen.
Emir Abdullah hat sich zum König des nunmehr unabhängigen Transjordanien ausrufen lassen.
Die spanische Frage beschäftigt noch den Untersuchungsausschuß der ONU., dem Memoranden Eirals. der baskischen Exilregierung und der spanischen Gewerkschaften in USA. zur Kenntnisnahme unterbreitet worden sind. Auch die Francoregicrung hat eine Note geschickt.
Hussein A l a hat die Vertretung von Iran bei der ONU. nicdergelcgt. Er bleibt aber iranischer Botschafter in Washington.
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Stuttgart. Var der vorläufigen Volksvertretung für Nord-Württemberg und Nord-Baden hat Staatsrat Prof. Dr. Schmid über den Entwurf der neuen Verfassung für Württemberg-Baden berichtet, mit deren Ausarbeitung er beauftragt ist, und die er als Modell für die künftige Reichsverfassung bezeichnet. Neben dem Landtag ist darin noch ein Senat aus 25 Mitgliedern vorgesehen, von denen 16 durch den Landtag gewählt werden. Außerdem gehören ihm u. a. die Oberbürgermeister von Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe an. Für Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art soll dieser Senat die entscheidende Instanz sein. Als Staatsoberhaupt amtiert der Staatspräsident, der den Regierungschef beruft. Dieser soll den Titel Staatskanzler führen. Der Staatspräsident kann einen Volksentscheid hcrbei- führen, wenn er van mindestens einem Drittel der Landtagsabgeordneten verlangt wird.
Ueber das Verhältnis von Staat und Kirche liegen nach Mitteilung des Referenten zwei Anträge vor. Der eine wünscht die völlige Trennung von
Staat und Kirche-, der andere erkennt die Rechte der Kirche im Rahmen des Staates an. Die Erteilung des Religionsunterrichts in der Schule soll Sache der Kirche sein. Ein Pildungsmonopol für wirtschaftlich Besscrgestellte soll es in Zukunst nicht mehr geben.
Oer iLterroneuverkelir Berlin. Die amerikanische Delegation hat den drei anderen Militärregierungen offiziell zur Kenntnis gegeben, daß laut Beschluß der amerikanischen Militärbehörden der Versand von Material, das auf der Liste der- Reparationslieferungen aufgeführt wird, aus der amerikanischen in die anderen Besatzungszonen eingestellt worden ist. Im Verlauf einer Pressekonferenz erklärte der Oberkommandierende der amerikanischen Besatzungszone, General C l a y, dieser Beschluß sei auf die Tatsache zurückzuführen, daß angesichts der fortgesetzten Lieferungen aus einzelnen Zonen ohne entsprechende Gegenleistung die amerikanische Zone in Zukunft alle ihre Fabriken zur Deckung ihrer eigenen Bedarfs dringend selbst benötigt.
stummer 45
künftige 8taai8bür§er
Von k'. U o s m s r
Wenn man im Gespräch oder bei sonstigen Gelegenheiten hört, was man von der Jugend, vom „Nachwuch s", an Leistungen und an Gesinnung erwartet und verlangt, wenn man die Meinungen zur Kenntnis nimmtz die in der Presse von Jugend, iichen oder für Jugendliche geschrieben sind, so muß man billigerweise danach fragen, ob diese Jugend mit dem nötigen Rüstzeug, wenn nicht ausgestattet, so doch bekannt ist, um in sich selbst eine so gewaltige Umbildung vorzunehmen, wie sie heute verlangt wird und notwendig ist.
Das Nachwuchsproblem, der uralte Gegensatz zwischen Vätern und Söhnen, war schon immer da, nur nicht so spürbar, nicht so drängend. Man klagte über die jungen Leute und vergaß, selber einmal jung gewesen zu sein, oder man nahm die Untugenden der Nachfolger im Familienleben und in der Oeffentlichkeit eben hin. In Wirklichkeit gab es in allen Berufszweigen einen ausreichenden, gut ausgebildeten Nachwuchs. Dieser Nachwuchsstrom, wie eine Schlagader stetig pulsierend, war zugleich Erhaltung und Fortschritt. Unmerklich lösten sich die Generationen ab, und unmerklich kam Neues und blühte unter Schonung des Alten.
Diese Zeiten — man wäre versucht, von einer guten alten Zeit zu sprechen — sind mit dem ersten Weltkrieg zu Ende gegangen. Die Folgezeit war schon unruhiger. Mehr und mehr drängte sich die Politik in das einzelne Leben, in den Beruf: die- Arbeitslosigkeit, die Industrialisierung auf der ganzen Erde zeigten Dinge, wie sie noch nie auch nur geahnt worden waren. Das tägliche Leben war in Frage gestellt, die Zukunft wurde düster. Das Bür- gertum vermochte auf seiner Ebene die Probleme nicht mehr zu lösen, der Ruf nach radikalen Ein- griffen im Staats- und Wirtschaftsleben wurde immer lauter.
Die Jugend, mehr denn je einer maßvollen, weil damals unmöglich scheinenden Lösung abhold, wollte Taten sehen und strömte in die Lager der großen Parteien. Sie erkannte, daß der Sozialismus nicht mehr eine Kathederangelegenheit sein durfte, sondern Anerkennung und Durchführung verlangte. Man wollte lieber ein Experiment in Kauf nehmen als nichts tun, und fiel, zum Bewundern und Gehorchen gegenüber Einzelmenschen erzogen und willig, sozusagen dem Meistbietenden zu, dem Nationalsozialismus.
Es soll heute nicht untersucht werden, warum diese politisch unerfahrene, der Lenkung und Am- klärung bedürftige Generation der damals Fünfzehn- bis Zwanzigjährigen sich 1933 jener Zwitter- bildung von Reaktion und sozial gefärbtem Faschis- mus ergab, wie sie vielfach in die Reihen gezwungen wurde, was sie dachte und wollte, wie sie erwachte und enttäuscht war. Vielmehr soll kurz und bündig die Frage gestellt werden: wie können wir der Jugend helfen, den Anschluß an die Welt und an verantwortliches politisches Denken und Handeln zu gewinnen?
Wir müssen uns selbst fragen: was wissen diese jungen Leute, die tief enttäuscht, oft körperlich und seelisch erledigt aus dem Kriege kamen, van Begriffen wie Demokratie, Verfassung, Parlament, Wahlen, Freiheit, Parteien, Menschenrechte usw.? Das waren doch Dinge, die man bis vor kurzem allgemein unter den Oberbegriff „Unordnung" brachte! Wir können von Leuten, die heute um die Dreißig sind, nur in Ausnahmesällen erwarten, daß sie die Grundbegriffe der Demokratie, des Staats, und Völkerrechts anders als mit negativem Vorzeichen kennen. Cs fehlt an den Grundlagen, es fehlt uns der Nachwuchs an Staatsbürgern. Diese Jugend weiß nicht, wieso sie, die stets geführte, heute in eine Partei gehen, wie sie deren Ziele und ihre Gegner kennenlernen soll. Sie kennt nicht den Wert einer gesunden Opposition. Sie nimmt es übel, wenn nian ihre Ansichten als unreif ansiebt — und sie sind es —, kurzum, sie steht abseits und grollt — gelinde ausgedrückt.
Hier gilt es aufzuklären, zu überzeugen, zu leiten und zu lehren. Man muß die Frage, was eigentlich Demokratie sei, nicht mit einem Programm beantworten, sondern man muß den Jungen sagen, was Freiheit und Recht für jeden Einzelnen bedeutet: man muß Individuen schaffen, selbständige Menschen, nicht Gefolgschaften. Die Durchführung dieser Aufklärung soll keine politische Erziehung im Sinne einer „Ausrichtung" sein, sondern ein Lehren, dem eine eigene Entscheidung folgen muß. Ist nicht di» Möglichkeit, aus Ueberzcugüng etwas abzulehnen oder zu fordern, das, was jeder als einen Eckpfeiler der Freiheit empfindet?
In den Schulen gab es früher ein Fach Staatsbürgerkunde, das meistens zu Erörterungen politischer Art benutzt wurde. Hier kann heute etwas geschaffen werden, das bester ist als die vergangene Hebung. Die Urbegriffe der Demokratie müssen in einem solchen Unterricht in einfachen Formeln an die Jugend herangetragen werden, die so leicht eingehen wie das Einmaleins und ebenso gut behalten werden. Dies ist möglich. Eine derart ausgestattete Jugend geht nicht jedem ins Netz, sie betrachtet die Pärteipolitik kühler und wissender, und dazu hat sie noch eine gemeinsame Bindung, die sie hindern wird, sich in späteren Jahren verständnislos zu bekämpfen.
Diese bleibende Aufgabe der Schule, der Volksschule insbesondere, ist beinahe so wich- tig wie Lesen und Schreiben. Die Aufgabe der Universitäten ist entsprechend. Cs genügt nicht, daß nur der Student der Rechte ein paar Porlesunaen über Derfassungsrecht hört, sondern es müßte eine besonders klare, hochwertige Staatskunde für alle Fakultäten als Pflichtfach im ersten Semester gelesen werden.
Es könnte dann auch vermieden werden, daß mit dem Wort Demokratie so viel bemäntelt wird, wie cs heute geschieht. Schlagworte brauchen wir nicht, namentlich dann nicht, wenn man merkt, wie wenig überlegt sie verwendet werden. Wir brauchen in uns die Ruhe zum Abwägen, den TrnA