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X Die Welt ist eine große Bühne; dar haben viele Dichter gesagt und noch manch anderer. Und die Schauspieler sind wir wohl alle selbst. Wir tragen unsere Rolle eben so gut und so schlecht es geht. Aber dieses Weltbühnenspiel vom Zuschauerraum her einmal ansehen, ist auch interessant und vor allem lehrreich. Hinterm Fenster beginnt der Zuschauerraum. Wenn drinnen in der Stube alles still ist und im eigenen Herzen auch, dann wird das kleine Fenster zur Guckkastenbühne und draußen wickelt sich das ewige Spiel ab: „Leben" heißt das Stück und ist Tragödie und Komödie zugleich, mit vielen Haupt- und noch mehr Nebenrollen. In kleinen Bildern, beinahe wie in einem gewaltigen Filmwerk, zieht es an unseren Augen vorbei und wir können alles schauen und miterleben, können mitlachen und mitweinen, und an allem innigen Anteil nehmen. Lernen können wir auch so, aller das ist nicht wie in der Schule; es ist viel unbewußter und kommt ganz aus unserm eigenen Innern. Tiefer wird unsere Erkenntnis und größer unsere Kraft, stark zu sein in allem, was das Leben uns bringt.
Auf der Bühne ist der Narr als Spaßmacher eine Hauptfigur. Wir kennen ihn alle, wenn wir einmal im Theater gewesen sind. Er ist wunderlich gekleidet, das Gesicht hat er voll bunter Flecken und in jeder seiner Bewegungen ist er ulkig und spaßhaft. Wir müssen über ihn lachen, immer wenn wir ihn sehen. Dieser Narr ist natürlich keine Erfindung der Bühnendichter. Sie haben ihn grad dem Leben abgesehen. Und auf der kleinen Guckkastenbühne hinter den Fensterscheiben fehlt er nicht. Man muß gut Zusehen, wenn man ihn herausfinden will, denn im Leben ist er nicht so auffällig gekleidet. Er treibt seinen Schabernack heimlich und nicht immer nur dort, wo er angebracht ist. Aber die Menschen geben sich leicht an sein Gängelband. Das ist nun einmal so, und niemand wird das wohl je ändern. Alle gehen sie unter dem Fenster vorbei: der Protz und Gernegroß, die sich mit den kleinen Eitelkeiten dieses Lebens mühen, etwas zu scheinen, was sie nicht sind. Die sich aufspielen, daß es zum Lachen ist. Und die Würdigen, die die kleinen Alltäglichkeiten dieses Lebens in die urkomischsten Situationen bringen. Zwischen allen die munteren Buben, die sich herumtollen und ihre kleine Rolle noch ohne das Bewußtsein spielen, daß ihr Treiben beachtet werden könnte. Die in stürmischem Lauf friedlichen Fußgängern in die Arme rennen, noch nicht „Entschuldigen Sie bitte" sagen. Nur mit leuchtenden Augen aufschauen, als müßten sie sich wunderlich besinnen, daß sie auf dieser Erde sind.
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Nach einer Mitteilung der Landcsdirektion für Kultus, Erziehung und Kunst sollen im Frühjahr mehrere Lehrerausbildungsanstalten in der französischen Zone ihre Arbeit aufnehmen, und zwar ein für den aus der Volksschule kommenden Lehrernachwuchs bestimmte vier Nusbild ungsjahre umfassendes evangelisches Unterseminar, voraussichtlich in Rottweil, ein ähnliches katholisches Unterst,ninar, voraussichtlich in Saulgau. Für Absolventen der Unterseminare und für Abiturienten ist ein zwei Ausbildungsjahre umfassendes Oberseminar, voraussichtlich in Reutlingen, vorgesehen.
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Im Rahmen der Vortragsreihe „Besinnung", die
vom Staatssekretariat für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns veranstaltet wird, spricht am Mittwoch, dem 13. Februar 1916 19.30 Uhr im Kuäitoriuw wciximum der bekannte Theologe Paul Schempp über das Thema „Macht und Freiheit". Eine Aussprache schließt sich an.
Anna Dammann spielt auch in den nächsten Vorstellungen des Städt. Schauspielhauses die Iphigenie.
„was wir nicht wußten", ein Film von dem grauenvollen Leben, dem Martyrium vieler unschuldiger Opfer in den Konzentrationslagern wird am kommenden Sonntag, dem 17. Februar um 16.30 Uhr und am Montag, dem 18. Februar um 21 Uhr in den Museumslichtspielen gezeigt. Der Film, zu dem noch ein langjähriger Häftling spre-
Uietvei trüxe dieikon bestellen
Nach einer Bekanntgabe im Amtsblatt werden in diesen Tage» zunächst die bis 30. November 1945 berechneten Quartiervergütungcn für beschlagnahmte Wohnungen und Zimmer ausbezahlt. Das gibt da und dort wieder Anlaß, falsche Meinungen auszutauschen oder irreführende Gerüchte zu verbreiten.
Insbesondere wird vielfach behauptet, Mietverträge von beschlagnahmten Wohnungen würden erlöschen, oder seien bereits erloschen. Kein Wart ist davon wahr. Der Mietvertrag gilt nach wie vor weiter. Dagegen gibt es weder ein Gesetz noch eine Rechtsverordnung, nach der etwa Quartiervergü- tungen festgelegt werden könnten. Der Oberbürgermeister der Stadt Tübingen hat daher schon am 18. Oktober 1945 mit grundsätzlicher Billigung der Landcsdirektion des Innern in Tübingen vorläufige Richtlinien ausgestellt, um die Auszahlung wenigstens eines Teils der Öuartiervergütungen vorbereiten zu können. Die nach diesen Richtlinien berechneten Öuartiervergütungen hat die Militärregierung Tübingen genehmigt. Die Festsetzungsverfügung wird den Beteiligten in der Zeit vom 12. bis 16, Februar 1946 eröffnet. Damit verbunden wird dann noch die Entgegennahme neuer Antrgge für Wohnungen und Zimmer sowie die genaue Ergänzung der Kartei über beschlagnahmte Räume als Grundlage für künftige Auszahlungen.
IVas zvirck vargiitet?
Als Grundlage für die Bemessung der laufenden Öuartiervergütungen wird entsprechend den Anordnungen der Besatzungsmacht der örtlich angemessene Miet- und Pachtzins genommen, der sich bei Wohnungen in der Regel mit der vertraglich vereinbarten Raummiete deckt. Der Mietoder Pachtzins spiegelt am besten die Raumgröße, Güte, Wohnlage, gemeinen Wert u. ä. der Wohnung oder des Zimmers (Leistungsgegenstand) wider.
Den entgangenen Mieteinnahmen bei Mietwohnungen werden gleichgestellt
a) bei E i g e n w o h n u n a e n der entgangene Nutzungswert, der nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts zuletzt vor der Beschlagnahme festgestellt worden war oder festzustellen gewesen wäre. Aus diesem Grund muß der Antragsteller auch den Einkommensteuerbescheid oder eine entsprechende Bescheinigung des Finanzamts zur Antragstsllung mitbringen.
b) Bei Einfamilienhäusern gewisse Prozentsätze aus dem Cinheitswert des Gebäudes und zwar 7,5 vom Hundert des Einheitswertcs, wenn das Gebäude vor dem 1. Januar 1925 bezugsfertig geworden ist und 7 vom Hundert des Cinhcitswertes, wenn das Gebäude nach dem 31. Dezember 1924 bezugsfertig geworden ist.
Bei Einzelzimmern ist ebenfalls der Mietwert der ganzen Wohnung, geteilt durch die Gesamt,zimmerzahl, wobei zum Beispiel 2 Kammern als ein Zimmer angenommen und Küche und Bad, also die ausgesprochenen Nebenräume, außer Betracht gelassen werden, Ausgangspunkt für die Berechnung. Zu dem auf diese Weise errechnest» Durch- schnittszimmerpreis worden für die Mitbenützung derKüche monatlich 6.— RM. und für die
chen wird, ist von der Militärregierung zur Verfügung gestellt worden.
Die Mannen- und Brausebäder im hiesigen Uhlandbad sind ab Dienstag, den 19. Februar für die deutsche Bevölkerung jeweils am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag geöffnet. Wer baden will, muß Heizmaterial mitbringen.
8täncIiAe Kontrolle <Ior Kartoffeln
Wenn bei den Einkellerungskartoffeln Fäulnisherde nicht um sich greifen sollen, Müssen die Kartoffeln regelmäßig nachkontralliert die faulen und angefaulten ausgeschieden werden. Denn Einkel- lerüngskartoffeln müssen bis zur Frühkartoffelernte reichen. Sind sie vorher aufgebraucht, weil ein großer Teil verfault ist, so kann weder ein Bauer noch ein Händler, noch gar das Ernährungsamt keifen. Sarge also jedes selbst für eine ständige Kontrolle der Kartoffelbestände!
siclen ausbexslilt
Mitbenützung des Bades 3.— RM. monatlich hinzugeschlagen, außerdem bei einem Zweibettzimmer 25 Prozent des Durchschnittszinnncrpreises.
Bei dieser Auszahlung geht es aber zunächst nur um die Bezahlung der Raummiete, also um die Vergütung für den leeren Mietraum. Nach amtlichen Verlautbarungen wird in Erwägung gezogen, neben dieser Raummiete sowohl für ganze Wohnungen wie auch für Einzelzimmer nach eine Möbelmiete zu bezahlen. Sie wird wohl in Form eines prozentualen Zuschlags zur Raummiete berechnet werden.
Ob den Quarticrgebcrn seitens der Stadt außerdem noch eine Vergütung für die Bedienung ausbezahlt werden darf, ist noch nicht entschieden. Das Waschen und Flicken der Leibwäsche zählt aber nicht zur Bedienung und ist deshalb gesondert zu berechnen.
IVer lle/.alilt 8 ti»w, 6 as und IVrmkOl?
Würde die Wohnung oder ein Gebäude ganz geräumt, so hat der seitherige Wohnungsinhaber bei rechtzeitiger Meldung der Räumung llei den Stadtwerken an diese während der Dauer der Benutzung durch die Besatzungsmacht nichts mehr zu bezahlen, diese stellen vielmehr den Ersatzantrag beim Amt für Bcsatzungsleistungen direkt.
Ist die Wohnung nur teilweise gekäumt, hat der Besitzer der Wohnung die Forderung der Stadtwerke zunächst ganz zu bezahlen, kann aber für den nicht auf ihn entfallenden Teil der Rechnung einen begründeten Ersatzantrag stellen, wenn er zuvor seinen Anteil von den Stadtwerken hat fest- setzen und bescheinigen lassen. Der mutmaßliche Verbrauch des Einzelnen an Strom, Gas und Wasser läßt sich dort nach einem Vergleich mit dem tatsächlichen Verbrauch in den Vorjahren an Hand der Bücher abschätzen.
Das Amt für Besatzungsleistungen hat es nur mit der Vergütung für die geräumte Wohnung zu tun. Dagegen interessiert sich die Städt. Prei s- behörde für Mieten und Pachte für die Fälle, wo Vermieter die Not der> Betroffenen durch überhöhte Mieten auszunützen versuchen. Cs ist leicht begreiflich, daß diese Wohnungssuchenden
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R.ecIinuiiA8rLr O^nlrli /o ^alire a.1r
Rotten bürg. Rechnungsrat Max Hankh, der mit Ablauf des Jahres 1945 in den Ruhestand trat, tritt am 11. Februar in sein 70. Lebensjahr ein. Seit 1904 Schlachthausverwalter, übernahm der Jubilar 1909 die Verwaltung des Spitals und des Krankenhauses und war außerdem Beamter der Ortsfürsorge bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1938. Mit Kriegsausbruch nahm Rechnungsrat Hankh seine amtliche Tätigkeit wieder auf und besorgte die Verwaltung des Spitals, des Standesamtes und teilweise der Ratschreiberei bis nahe an die Schwelle seines 70. Lebensjahres. In die Dienstzeit des Jubilars fällt der Ausba u des landwirtschaftlichen Betriebs des Spitals mit Schadenweiler Hof zu einem landwirtschaftlichen Großbetrieb, für den vor 20 Jahren ein eigener, wohl ausgestalteter Gutshof errichtet wurde. Auch der Brand des Gutleut Hauses und dessen Neubau fällt in die Amtszeit von Rechnungsrat Hankh. Endlich wurde unter ihm das viele Jahre vernachlässigte Krankenhaus modernisiert. So rechtfertigt eine reich gesegnete und vielseitige Tätigkeit den Wunsch auf einen gesunden, wohlverdienten Lebensabend des Seniors unter den Beamten der Stadt.
VorrrÄF83.Iieii<ä irn ^larliiizlieim
Rottenburg. Neuaufbau nach einem Zusammenbruch wie ihn unser Volk erlebst, muß voran Neuaufbau im geistigen Bereiche sein, das heißt, wer bauen will, muß den Grund in sich selber legen. Unter diesen Gedanken stellte Domvfarrer Schupp einen Vortragsabend für die Männerwelt am vergangenen Samstag im Martinsheim. Es sollte damit zugleich der Weg zu weiterem Sich- zusammenfinden zu gemeinschaftlicher Behandlung zeitwichtiger religiöser Fragen beschritten werden. Redner war Pater Schleich S. I. aus Stuttgart. Nach drei Seiten hin, die er als katholisches Glaubensbekenntnis, katholische Gebote und katho-
erstlinig nach dem „Dach über dem Kops" und weit später, meist erst wenn sie eingezogen sind, nach der Höhe der Miete fragen. Aus diesem Grund ist vorgesehen, alle diese Äusweichmieten demnächst von Amts wegen auf ihre Angemessenheit nachzuprüfen und gegen Prciswucherer energisch einzu- schreiten.
Umzug, Zwischenlagerung der Möbel, Rückumzug, Wicdercinrichtcn der Wohnung wird nach Lage der Dinge nicht vergütet. Man wird aus den verschiedensten Gründen die Lösung bevorzugen müssen, die Möbelmiete in angemessener Höhe fest- zusetzen und die mit dem Umzug verbundenen Kosten mit der Möbelmiete zusammen abzugellen.
Oer OeAemliclikelNiville 6 er Xirclie
Im Kuckitoituw wciximum sprach, wie die Nachrichtenstelle meldet, Pastor Hans Aßmussens über „Oefsentlichkeitswille der Kirche". Die Kirche steht nicht unter einem Wollen, sondern unter einem Sollen! Eine bußfertige Gemeinde muß diese Nufer tragen. Wie 1933 das Bekenntnis der Alto- naer Pfarrer ein „Nein" zur Oeffentlichkcit war, so muß heute rückschauend zu diesen 12 Jahren ein „Nein" gesagt werden. Die Kirche Kat das Wart Gottes zu sagen und wo sie das tut, spürt die Welt das Befremden, und in diesem Befremden liegt cs, daß sie als die Richterin empfunden wird. Zweifellos ein schweres Amt, in dem aber doch das „Ja" maßgebend ist. Die Kirche muß mit eiserner Konsequenz der Liebe den Bann des Nicht-Wissen- Wollens brechen! Das Volk muß befreit werden von der satanischen Macht der Propaganda, richte» und aufrichten gehen Hand in Hand. Die Konsequenz dieses Weges bringt mit sich, daß wir auch nach außen hin nicht schweigen. Was wird daraus, sagt die Kritik, wenn Pfaffen Politik machen? — Was aber daraus wird, wenn Politiker Politik machen, das haben wir gesehen. Der Weg ins Ausland soll nie anders sein, als von Gemeinde zu Gemeinde. Der Weg der Kirche, in die Oeffentlich- keit ist ein Weg der Priester. Der Weg der Christen über die Welt ist wie der Weg ihres Herrn, ein Weg der Versöhnung, zuerst im eigenen Volk! Es gibt keine Lebensmöglichkeit ohne Zusammenhalt und Versöhnung.
18 Voltenl)iii'L
lische Kraftquellen zur Politik bezeichnest, entwik- kelts er sein Thema „Der katholische Mann und die Politik". Was er dazu sagte, nicht von parteipolitischen Gesichtspunkten, sondern christlich-katholischen Grundsätzen aus, regte zu besinnlicher und notwendiger Gewissenserforschung an, gah wertvolle Richtlinien und erhellte den verpflichtenden Auftrag zu selbstloser Mitarbeit am Gemeinwohl mit dem Ziele, die von Gott gewollte Weltordnung zu verwirklichen. Aufgeschlossen und dankbar folgten die Zuhörer dem bedeutenden und viele gute Anregungen vermittelnden Vortrag.
OA8 IlLl AUleN X.1LNA
Rottenburg. Vielen Freunden volkstümlicher Musik kam es willkommen, wieder einmal Hans Schäfer aus Reutlingen mit seiner Handharmanikagrupps in einem öffentlichen Konzert be- gegnen zu dürfen. Voran die erwachsene Jugend war dabei in der Städt. Turn- und Festhalle zahlreich vertreten. Sie bekam alte und moderne Lieder, Tänze und Märsche zu hören. Das zehnköp- fige Ensemble musizierte unter Schäfers Leitung mit überraschender technischer Sicherheit und keinem Einfühlungsvermögen. Das hatte Farbe und Schwung und gewann wohl manche neuen Anhänger für die Handharmonika, ein Instrument, das die Lust zu musikalischer Betätigung so sehr zu begünstigen vermag! Reicher und herzlicher Beifall dankte den Gästen und erbat sich von ihnen noch eine ganze Reihe von Dreingaben.
Variere-OiMeniIile AL 8 lierl
Rottenburg. „120 Minuten Weltstadt» variets" waren verlockend die Aufführungen benannt, mit denen am Samstag der Varietsring Ba-va-ri in der Städt. Turn- und Festhalle ausmar- tcte. „Weltstädtische" Beehrung in Form billiger Witze, wie sic ein Teil der Programmansaqe ausmachten, möchten wir jedoch auf Kleinstadibadeu nicht hören. Ansonsten gab es abwechslungsreiche und unterhaltsame artistische Leistungen.
kulturelle SU8 HikinKen
„IpIiiAciiie" von 6 oellie
In anderthalb Jahrhunderten ist der Staub vieler grauer Schulstunden über das „Klassische" in Goethes Iphigenie gefallen, der Staub einer grausamen Menschheitsdämmerunq über ihre „reine Menschlichkeit". Und doch steht sie wieder vor uns auf, rein und „herrlich wie am ersten Tag ! Gerhard Storz hatte es unternommen (in einer Morgenfeier des Städtischen Schauspielhauses, die von einem Streichquartett des Städtischen Kammerorchesters würdig umrahmt war), in eindringlicher Rede vorzudeuten, was das Schauspiel uns sein könnte. Cr zeigte eine religiöse Iphigenie, „fast eine christliche aus gleichlaufender griechischer Tragik Damit ist wohl zuviel harmonisiert — Goethes objektive Mächte, sein „Dämonisches" sind andere Wirklichkeit als christliche Gnade, irdischer in zedem Sinn. Aber daß es objektive Mächte sind, die das Wunder der Sühne tragen — das war ein guter Ton auf die kommende Aufführung hin. Er hat sich überraschend erfüllt. ,
Anna Dammann war eine reifere und zugleich doch viel leidenschaftlichere Iphigenie als man erwarten mochte. Aber um sie bildete sich von Anfang an etwas, was man als überraschendes, neues. Bild des „Klassischen" erkennen mußte — klassisch freilich mehr im Sinn früher Antike als Goethes, bis in die gleichmäßig laute, tonende Sprache hinein: ein Gleichmaß wie die leere Große antiker Form lag im gemessenen Fortschreiten der Worte und Gebärden, besonders an neutraler Stellen Gerade dieses Gleichmaß aber hatte die Kraft, auch das scheinbar maßlos Ausbrechende zu halten: die fast pathologische Leidenschaft im Hadern mit den Göttern um ihr Schicksal, und auf der anderen Seite den fast zu irdisch-weiblichen Klang, gegenüber Thaas. in der Erkennung mit Orest, in der Heilung Orests die des „Wunders fast ganz zu cntraten schien. Diese weite spanne realer Menschlichkeit, die eine „stillere" Ipkigeme zerbro- chen hätte, fand in dem starken Grundton das Maß einer geschlossenen, großen Leistung.
Das Klassische war auch um die andere» Perso
nen — manchmal wie ein etwas zu weites Gewand, in welches das Charakteristische früherer Rollen nicht ganz hineinwuchs, nicht ganz aufging, aber doch groß und würdig in Haltung und Sprache. So gab Heinrich Pinkatzky feinein Thoas Momente glücklicher Einheit von Barbar und König, und vor allem Karl W 0 rzel fand sich, trotz seiner zu Anfang etwas äußerlich jugendlichen Dramatik, immer tiefer in Orests Wahnsinn und Heilung hinein. Günther Gube (Pylades) und Egon S ch ä f e r (Arkas) gaben glücklich abgestinnnte Nuancen hinzu.
Das Klassische aber, das sie hielt und zusam- menhielt, war vor allein die Leistung der Regie Dr. Günther Starts. Der Erfolg der Aufführung gehört zum größeren Teil ihm! Mit höchster Klarheit, und Präzision jeder Nuance — gelegentlich fast überdeutlich — baute er dieses geschlossene Bild auf. Unterstützt von dem sehr großlinigen Bühnenbild Fr. Streng ers und den schönen Kostümen Cilli Rufs hat er eine Iphigenie geschaffen, die über Tübingen hinaus wirken wird.
Or. R. Xubn
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Johann Christian Bach, den jüngsten Sahn Johann Sebastians, und den jungen Mozart verbanden nahe persönliche und starke künstlerische Berührungen. „Ich liebe ihn . . . von ganzem Herzen und habe Hochachtung für ihn", schreibt Mozart einmal, und sein Schaffen auf verschiedensten Gebieten zeugt von der Fruchtbarkeit der empfangenen Anregungen. So war es ein guter Gedanke H u - bert Reicherts, einmal nur Werke dieser beiden Meister zusammenzustellen, Bachs konzertante Symphonie (Solisten: Zeppasoni und Län- g i n) bewährt, was ein damaliger Zunstgenosse zum Lob aller seiner Symphonien aussagte: ihre Sätze seien „sehr feurig und galant, . . . angenehm und singbar, . . . scherzhaft und tändelnd". Vielleicht daß ei» Solocellist angesichts der von ihm geforderten, schier gcigenmäßigen Akrobatik hinzufügen würdc:„höchst unangenehm, kaum vollendet spielbar".
Die chronologische Folge der Werke ging Hand in Hand mit einem Aufsteigen zu höheren Wertstufen. Mozarts kls-Dur-Konzert erhebt sich über zeit- und typenmäßige Begrenzung zu menschlicher Weite und Tiefe. Darum war Johanna Löhr berufene Interpretin. Die Meisterung alles Technischen versteht sich bei ihr von selbst. Was uns an ihrem Spiel immer wieder beglückt, ist das naturhaft Musikantische, die Innerlichkeit der Empfindung, die von Herzen Kommendes zu Herzen gehen läßt. Kein Wunder, daß sie nicht enden wollenden Beifall errang.
Auf die Hohe Bedeutung der ll-Dur-Symphonie war in der Einführung — eine begrüßenswerte Erweiterung des Programms — schon hingewiesen. Jeder Satz ein Meisterwerk für sich, dem man den Frondienst der Salzburger Zeit nicht anmerkt. Namentlich im Finale triumphiert Mozart über alle Widrigkeiten und versammelt alle guten Geister der Lebensfreude und des Humors zum krönenden Beschluß. Werk und Aufführung waren ein wahres Labsal. ?iot. vr. O. VEsinisiob
^epparoni 11116 6 en 2 nier IvoiixcrrieiLii
Die Veranstaltungsrcihe der Tübinger Studentenschaft hat sich eine Aufgabe gestellt, die sie neben der fast allzu großen Zahl der anderen Darbietungen in Tübingen wohl rechtfertigt. Sic will bewußt eine ganz neue Zuhörergemeinde vor allem unter der akademischen Jugend erziehen, eine Zuhörerschaft, die der geistigen Welt und den Gedankeninhalten dieser Abende kritisch gegenübcr- steht. Für die vierte Veranstaltung der Tü- hinger Studentenschaft am Donners- t a g, den 14. Februar, 20 Uhr, im Silchersaal des Museums konnten Fernando Zepparomi (Violine) und der Komponist Harald Genzmer für einen Abend mit zeitgenössischer Musik, wobei vor allem Werke von Paul Hindemilk zum Vortrag kommen, gewonnen werden. Harald Genz- mer wird zu jedem Werk erläuternde Worte sprechen, und nach dem ungefähr eine Stunde dauernden Konzert wird Gelegenheit gegeben sein, Einzelnes noch einmal zu hören, denn gerade ein Hin- demith erschließt sich keinem beim ersten Hören.
Harald Genzmer, der auch eine eigene Violinsonate zL zur Uraufführung bringen wird, stellt dann noch zur Beantwortung von Fragen aus der Zuhörerschaft zur Verfügung. Wir hoffen, daß dieses Konzert in Altbetracht seiner sehr niedrig gehaltenen Eintrittspreise auch außerhalb der Studentenschaft Zuhörer finden wird.
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Heinrich Posthumus von Rcuß, in dessen Länd- chen Heinrich Schütz 1585 geboren wurde, war nicht nur ein trefflicher Regent, sondern auch eilt Liebhaber der Musik und ein lebendiger Christ. Für seine Bestattungsfeier (sxssguicis) wählic er zeitig einen Predigttert und andere ihm lieb gewordene Schriftworte und Kirchenlicdstrophen aus. Er ließ sie auf dem Deckel seines Sarges anbringen und übergab sie dem von ihm hochgeschätzten Schütz, damals Hofkavellmeister in Dresden, der daraus eines seiner eigenartigsten Werke schuf: die Musikalischen Erequien.
Das knappe, aber reichhaltige Werk hat drei Teile. Der erste, die eigentliche „Begräbnis-Missa", besteht aus einem kurze», eindringlichen Kyrie und einem längeren, aus jenen Schrift- und Liedlerien kunstvoll zusainmengefüglen Gloria für sechs Einzelstimmen, sechsstimnügcn Chor und Orgel. Es folgt eine doppelchörige Motette über den Predigt- tcxt Ps. 73, 25—26. Den Abschluß bildet der Loll- gesang Simeons „Herr, nun lässest du deinen Diener in Friede fahren": in kindlich-großartiger Weise läßt Schütz dazu die Stimme des Abgeschiedenen mit zwei Seraphim aus der jenseitigen Welt herübersingen: „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben".
Mit dem Großteil des Schlltzschen Lcbcnswerkes gerieten die Exequien in Vergessenheit. Erst vor wenigen Jahrzehnten holte man sie wieder hervor und entdeckte, daß sie weit mehr als nur ein Ge- legenhcitswerk sind. Schütz hat darin ein Hobes- lied des christlichen Sterbens geschaffen, voll Ernst und Trost: so erscheint eS besonders geeignet, bei der Feier des Todestages v. Martin Luthers musiziert zu werden. W. Lislasi