llcher Staatsbürger verpflichtet gewesen wäre, war man satt geworden und man berief einen, dem man nur gehorchen durfte. Cr rechtfertigte das Vertrauen des denkfaulen Spießers, dieser eine, das man in ihn setzte. Um nur ein Beispiel zu wählen: er beseitigte doch in ganz kurzer Zeit die schreckliche Arbeitslosigkeit. Wenn sie nun ihren Verstand gebraucht hätten, die Bürger, die Arbeiter, die Wirtschaftler und Industriellen vor allem, dann hätte es ihnen schnell bange werden müssen, wenn sie sahen, daß das Geld scheffelweise zum Fenster hinausgeworfcn wurde. Man baute Kasernen, Kanonen, Autostraßen, Parteigebäude, lauter Dinge, die keinbn Pfennig einbringen konnten: man unterhielt mit den ungeheuerlichsten Kosten einen kümmerlichen Export,'nur um ein bißchen Devisen zu kriegen. Aber dem deutschen Spießer aller Klassen und Stände wurde nicht bange, denn er dachte gar nicht nach. Er verdiente ja, er hatte Arbeit, das genügte ihm: daß er sich damit den Bsttelsack an den Hals verdienen würde, das haben nicht sehr viele gedacht, und auf die kam es nicht an, das waren kalte Verstandesmenschen ohne Gefühl, vielleicht sogar Intellektualbcsticn.
Warum dies alles ansühren? Nicht um selbstquälerisch in alten Wunden zu wühlen, sondern um nun endlich zu lernen, daß man seinen Verstand gebrauchen muß, auch im Politischen, wenn man nicht will, daß Katastrophen kommen, an denen man selbst schuld ist. Man hat gerne mit verständigen Menschen zu tun, und besonnene Völker sind immer sympathisch, mögen sie sonst mancherlei Fehler haben. Wenn wir uns denn gewöhnen könnten, verständig und besannen zu sein, wie anders würde unser politisches Leben aussehen? Für die Wertung eines Menschen ist nämlich nicht entscheidend, in welcher politischen Partei er ist, sondern immer nur, was er als Mensch dnrstellt und aus welchen Quellen sein Handeln entspringt.
Wie der Mann, der in den Abgrund gestürzt ist, muß das deutsche Volk nun mit seinem ganzen Verstand nach dem Ausweg suchen, muß die Möglichkeit obtasten und Schritt um Schritt vorsichtig gehen, daß es nicht in eine neue Gletscherspalte stürzt. Wer weiß, ob sich nicht nach mühsamem Gehen ein Weg ösfnet in ein sonniges Tal, das es nie erblickt hätte, wenn ihm der Ausstieg zum Gipfel gelungen wäre. Aber helfen muß es sich selbst. „Und dazu ward ihm der Verstand!"
London. Der Antrag der englischen kommunistischen Partei auf Verschmelzung mit der Arbeiterpartei ist von dem Sekretär der Arbeiterpartei, Morgan Philips, vorläufig abgelehnt worden, da die Kommunisten eine „abweichende Philosophie" und ein „abweichendes Direktiven- und Organisation-Programm" hätten.
Oer erste ^Veltre^ieriin^
Die Vereinixtsa dlntinnen ke^chiielie» einstin» mix. eine /^touiieraklieoinniissinn einrusetren
Am Donnerstag der vergangenen Woche hat eine Vollsitzung der Versammlung der Vereinigten Nationen (abgekürzt: UNO, United Nations Organisation oder: ONU. Organisation des Nations Unis) einen Bericht der Kommissionen für politische und Sicherheitssragen über die Schaffung einer Atomkraftkommission entgcgengenommen
Der erste Redner, der Delegierte Aeguators, M. Lasrontc, erinnerte daran, daß die Regierungen Englands, der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten, Franchreichs, Chinas und Kanadas dem Exe- kutiofekretär des vorbereitenden Ausschusses einen Antrag über die Schasfung einer Atomkraftkom- mlfsion vorgelegt haben. Der Delegierte Aeguators erklärte, daß die Kommission für politische und Sicherheitsfragen mit 46 Stimmen bei einer Stimmenthaltung den Text dieses Antrages ohne Abänderung angenommen habe. Die Kommission trägt der Versammlung vor, diesen Antrag anzunehmeu. Es werde die Aufgabe der Kommission sein, diejenigen Maßnahmen zu prüfen und zu empfehlen, welche die Anwendung dieser Kräfte für friedliche und humanitäre Zwecke ermöglichen. Dies müsse so geschehen, daß die Welt vor jeder möglichen Be- nützung dieser Kräfte für Zerstörungszwecke bewahrt werde.
Nach dem Delegierten Aeguators ergriff Staatssekretär Byrnes das Wort. Er sagte: „Die Ver- einigten Nationen, die während des Krieges zusammengehalten haben, müssen heute einig bleiben, um den Frieden aufrechtzuerhalten. Wir haben den Krieg gewonnen, weil wir gemeinsam gekämpft haben, und wir müssen jetzt den Frieden gewinnen, indem wir harmonisch Zusammenarbeiten." Er wies aus die Bemühungen hin, welche die Alliierten seit der Entdeckung der Atomkraft haben, um es dahin zu bringen, daß die Nationen, die sür den Frieden kämpfen, nicht Opser dieser Entdeckung werden. Diese Arbeit sei nicht dazu unternommen worden, um die Menschheit zu zerstören, sondern um sic zu retten: jede Nation müsse sich über die Bedeutung der Entdeckung der Atomkraft und der daraus entstehenden Folgen klar sein. „Wir müssen unsere Wünsche und Absichten mit dem allgemeinen Interesse der Menschheit vereinigen. Das Problem, das darin besteht, die notwendigen Garantien zu finden, damit diese Entdeckung ausschließlich sür friedlicheZwecke Anwendung findet, ist ein gemeinsames Problem."
Anschließend sprach Staatssekretär Byrnes darüber, daß die Alliierten dazu gezwungen seien, Truppen in Deutschlan d und in Japan zu lassen. Er erklärte, daß diese Truppen nicht l ä n- g e r in diesen Ländern bleiben werden, als dies
Ons Kolonialpioklem
London. In der „Bevormundungskommission" der UNO. hat dis amerikanische Delegation durch ihren Vertreter Duttes einen Antrag Angebracht, der die Ausdehnung des Bevormundungssystems auf alle K o l o n i a l g e b i e t e, nicht bloß auf die Mandatsgebiete (sür die bereits ein Beschluß gefaßt ist) vorzieht. Das Problem der Völker, die sich nicht selbst regieren, sei sür die Auf- rschterhaltung des Friedens vo» größtem Interesse. Die Staaten, die solche Gebiete verwalten, trügen eine „heilige Mission": sie hätten die Pflicht, die Fähigkeit dieser Völker zur Selbstverwaltung zu entwickeln und sie zur Unabhängigkeit zu führen. Dies sei in Artikel 11 der Charta der Vereinten Nationen vorgesehen. Auch die Kolonialvölker müßten eines Tages in die UNO. ausgenommen werden.
Der Antrag ist von China (Wellington KOO ), Australien und Brasilien unterstützt worden. Ein russischer Delegierter verlangte, daß gewisse Kolo- nialvölker schon jetzt in der UNO. vertreten sein sollten.
London. In einem Brief an die Vollversammlung der UNO. verlangt der russische Delegierte Wyschinski, der Sicherheitsrat solle von einer Behandlung der iranischen Angelegenheit abse-
Oss Leliililcsal eines Cannes
.4 u « äem ttebenslsuk äe 6,alle»
(4. Fortsetzung)
In deutscher Gefangenschaft
Vor Dinant erhält der Leutnant Charles de Gaulle seine erste Verwundung. Immer klarer er- kennt er, wie veraltet die Ausbildung des französischen Heeres ist. Als er wieder geheilt ist, kehrt er zur Front zurück. Der Krieg ist inzwischen in das Stadium des Stellungskrieges eingetreten. Er liegt mit seinen Männern in den Schützengräben der Champagne.
Hier leistete de Gaulle Ausgezeichnetes. Nach außen schien de Gaulle kalt, aber in Wirklichkeit war er der Freund jedes einzelnen Soldaten.
Ohne Pause folgten nun die Ereignisse einander. Eines Nachts, als die Forts Douaumont und Vaux gerade genommen waren, kam de Gaulle in seinem kleinen Gefechtswagen an. Auf Befehl des Obersten leitete er die Operationen zur Wiedereinnahme. „Nach einer Nacht von tödlicher Helle und Durchsichtigkeit kam ein Tag, den die aufgewühlte Erde verdunkelte. Der Mensch krümmte sich unter der Wucht des Dramas, das sich hier abspielte. Man war nichts als eine Handvoll Menschen in einem Höllenfeuer. Dann kam eine Art Galgensrist von 48 Stunden, man hatte Zeit, sich am Fuß von Douaumont in einer beklagenswerten Lage einzurichten. Und plötzlich brach die Feuerwalze über uns herein, dieses klassische Zusammenspiel von Eilen und Feuer. Die Festung spie aus allen Mündern. Man wußte nicht mehr, ob er Tag oder Nacht war. Dann kamen die Deutschen in Hellen Haufen in das Vorfeld herabgestürmt, die Maschinengewehre mähten sie nieder, aber ihre Reihen lichteten sich nicht.
„Capitaine. sehen Sie. es kommen Verstärkungen
für uns!!" ^ ^ r
De Gaulle wendete sich um. Er sah wohl fran- zösische Stahlhelme, aber es waren Deutsche, die sie trugen, sie hatten sie den Toten von Douaumont abgenommen, man entdeckte die Täuschung zu spät. Die 10. Kompagnie hatte sich gewendet, de Gaulle li-ß nach allen Seiten mit aufgepflanztem Bajonett kchnpsen. In der Stunde der Gefahr erschien er noch größer, aufrecht kämpfte er an der Spitze seiner Soldaten, mit blanker Waffe wollte er eine Bresche schlagen. Aber eine Kugel traf ihn am Schenkel, leblos stürzte er inmitten der Feinde, die durch seinen Ueberfall für kurze Zeit in Ver- wirrung geraten waren. Er erlangte das Bewußt- lern erst wieder, als er bereit» auf dem Wege in dir Gefangenschaft war.
hen. Die Behauptung. Rußland mische sich in die iranische Politik ein, entbehre jeder Grundlage. Die iranische Regierung selber habe eine antirussische Bewegung ausgelöst. — Iugoslavien hat vor der UNO. den Antrag gestellt, auch Albanien, das Land, das als erstes vom Faschismus Uber- rannt worden sei, solle in der Vollversammlung der UNO. vertreten sein.
London. Ein Unterkomitee der UNO. befaßt sich mit der Frage, ob der Weltgewerkschaftsbund als beratendes Mitglied zur Generalversammlung oder als mitarbeitendes Mitglied im Rat für wirtschaftliche und soziale Frage zugelassen werden sott. Der von Präsident Spaak vor- gelegte Bericht sieht die Schaffung einer besonderen Kategorie vo» Eingeladenen vor, zu denen der Weltgewerkschaftsbund gehören soll. Der amerikanische Gewerkschaftsbund AFL., der dem Weltgewerkschaftsbund nicht angehört und über 6 Millionen Mitglieder hat, fordert ebenfalls seine Zulassung, falls der Weltgewerkschaftsbund zugelassen werden sollte. — Auch die Weltvereinigung der demokratischen Jugend, die im November auf der Weltjugendkonserenz geschaffen worden ist und mehr als 30 Millionen Jugendliche in 64 Ländern umfaßt, möchte in der UNO. vertreten sein.
unbdcdingt notwendig sein wird. Die Welt dürfe nicht immer ein Heerlager bleiben.
Die Ansprache des sowjetrussischen Delegierten Wyschinski war sehr kurz. Er lenkte die Aufmerksamkeit der Versammlung auf den Artikel 24 der Charta der Vereinten Nationen, der dem Sicherheitsrat weitgehende Rechte zugesteht, ohne jedoch die Rechte und Privilegien der Generalversammlung zu beeinträchtigen. Die Resolution, die der Versammlung vorgeiegt werde, halte sich streng an diese Grundsätze. Seine Delegation unterstütze diese Resolution rückhaltlos, denn sie sei die erste gemeinsame Anstrengung der Vereinten Nationen, um den Weltfrieden herzustellen.
Im Namen der französischen Delegation erklärte Paul Boncour: gZu allererst möchte ich meine Anerkennung für das hochherzige Beispiel internationaler Solidarität aussprechen, das uns die Vereinigten Staaten, England und Kanada gegeben haben, welche die Entdeckung der Atomkraft durchgefllhrt haben. Zum erHen Male haben Menschen das Mittel gefunden, um die Atomkraft zu befreien. Zwei Wege stehen uns offen: Der eine führt zur. Zerstörung und zu grenzenlosem Elend: der andere eröffnet der Menschheit unbegrenzte Hoffnungen, und heute vormittag wählen wir diesen Weg. Die Atom-Kommission muß so rasch wie möglich zusammentreten, um die Angst der Völker zu beseitigen. Wenn.es mir erlaubt ist, einen Wunsch auszusprechen, dann möchte ich sagen: daß diese Kommission sich aus dem amerikanischen Kontinent vereinigen sollte, dem die Ehre zuteil geworden ist, die Atomkraft zu befreien und die das schreckliche Privileg hatte, sich ihrer zu bedienen, um dein Krieg ein Ende zu bereiten, und der nicht gezögert hat, die Ergebnisse dieser Entdeckung der Versammlung der Vereinten Nationen anzuvertrauen."
Zum Schluß nahm die Generalversammlung die Resolution über die Atomkraft mit 47 Stimmen, also einstimmig, an.
mit cler
Washington. Anfang Mai und Anfang Juli wird die amerikanische Marine in einem Atoll bei den Marschallinseln Experimente mit der Atombombe durchführen, die van einer fliegenden Superfestung in der gleichen Weise abgeworfen wird wie seinerzeit über Hiroshima und Nagasaki. Dabei soll die Zerstörungswirkung auf Flugzeuge und auf Kriegsschiffe studiert werden, wobei die Bombe das eine Mal hundert Meter über dem Meeresspiegel, das andere Mal direkt auf der Meeresoberfläche zur Explosion gebracht werden soll. Als Versuchsobjekt werden ehemalige deutsche und japanische Kriegsschiffe benützt, darunter das deutsche Schlachtschiff „Prinz Eugen".
Mit der Vorbereitung der Experimente find jetzt schon über 20 000 Personen beschäftigt. Die Presse wird eingeladen werden, von einem großen Trans- portdampfer aus in etwa 15 Kilometer Entfernung den Experimenten beiznwahnen.
Im Jahr 1947 werden dann Unterseeversuche mit der Atombombe folge». Die Atombombe wird dabei mehrere hundert Meter unter der Meeresoberfläche zur Explosion gebracht. Die Hauptschwie- rigkcit ist dabei, sür die Atombombe eine geeignete, dem Druck widerstrebende Hülse zu finden.
Washington. Die amerikanische Marine widersetzt sich einem Gcsstzesvorschlag, der die Schaffung einer zivilen Kommission für die Kontrolle und Entwicklung der Atomkraft vorsieht, und verlangt dafür eine militärische Kommission.
Neuyork. Der Direktor der Abteilung für Kriegs- forschung an der Columbia-Universität, Dunning, hat erklärt, daß die Cakrigdcwerke für die Herstellung von Atombomben „veraltet" seien. Cr hält es für'möglich, durch Verbrennung von Uranium 255 ein an Plutonium hundertmal reicheres Uranium 258 zu gewinnen.
Nach Dunnings Ansicht werden nur Einrichtungen van Riesenumfang die Atomenergie ausnützen
Seine Bitterkeit über dieses Los wurde erst gemildert, als er sein so sehr verdientes Lob im Tagesbefehl der Armee las:
„Der Kompagnieführer Capitaine de Gaulle, der bekannt ist durch seine ausgezeichneten geistigen und charakterlichen Werte, hat in einem schrecklichen Feuerüberfall, als sein Bataillon schon stark dezimiert und von allen Seiten umzingelt war, seine Männer mitgerissen zu einem wütenden Angriff und einem Kampf Mann gegen Mann, dem einzigen Ausweg, der ihm mit seiner Soldatenehre vereinbar schien. Cr ist im Kampf gefallen. Mit ihm haben wir einen vorbildlichen Offizier verloren."
Dieser Tagesbefehl war von Philippe Petain unterzeichnet. Er bedeutete zugleich die Verleihung der Ritterkreuzes der Ehrenlegion.
Der vierte und fünfte Akt des Dramas spielte sich nun ohne de Gaulle ab, aber von der Gefangenschaft aus vcrsolgte er mit leidenschaftlicher Anteilnahme den Gang der Ereignisse.
Mitten im Kampf, in dem Augenblick, als er sein Probestück an Tapferkeit und Führungskunst ablegte, war er gleichsam auf die Seite gelegte worden. Das Schicksal schien ihn im Augenblick seines ersten Hervortretens eifersüchtig für eine spätere Aufgabe aufbewahren zu wollen. Die, die von den Sternen zu Höchstem bestimmt sind, müssen, ob sie wollen oder nicht, durch diesen Engpaß gehen, sie werden gleichsam in die Wüste geschickt, wie es in der Heiligen Schrift heißt, sie müssen immer im Kreis herümgehen, sie müssen an sich selbst zweifeln und sich wiederfinden, nachdem sie den Glauben- on sich verloren haben. Vergeblich würden sie versuchen, sich vor der oorgeschriebenen Zeit diesem Schicksal zu entziehen. Für de Gaulle war die Gefangenschaft diese „Wüste": 32 Monate verbrachte er auf diesem Kampfplatz der Einsamkeit, 32 Monate verfolgt von dem eigenen Schatten!
In Friedberg versuchte er vergeblich zu entsliehen. Die Nacht war zwar stockdunkel, oher es gab Hunde! Nach seiner Festnahme versuchte er es von neuem, diesmal in deutscher Uniform. Die Aermel reichten kaum über die Ellenbogen, die Hosen knapp bis zu den Waden.
Bei seinem dritten Fluchtversuch zog der allzu große de Gaulle es vor, zu kriechen. Sein Gefährte war ein Spezialist aus diesem Gebiet: Roland Garros. Zusammen durchquerten sie eines Nachts ein in Felsen gehauenes Tunnel. Es wurde ihnen zum Verhängnis. Garros wurde als Gefangener in eine preußische Festung geschickt, de Gaulle kam nach Ingolstadt in Bayern in das Fort IX.
Beide kamen in Festungen, die von der deutschen Negierung eigen» dazu bestimmt waren. Befan
gene aufzunehmen, die hartnäckig immer wieder Fluchtversuche unternommen hatten. Das hieß, aus einzelnen Wölfen eine wütende Meute machen und die Ausgabe der Wachen mar deshalb nicht einfach. Das Fort IX, in dem sich Angehörige aller Nationen befanden, wurde bald auf englisch »Tks ss- ocips-alub' („Der Flucht-Club") oder aus französisch ,1,'A.udsiys cts lei Illls 6s I'air' (die Herberge der Tochter der Luft) genannt. De Gaulle kam dort an einem Morgen gegen Ende des Sommers an, empfangen non einem Festmahl aus Konservenbüchsen. Beim Nachtisch erhielt er einen Beinamen, der ihm wie aus den Leib geschnitten war: „der Kommodore".
Der „Kommodore" wurde bald berühmt im ganzen Fort. Jeden Tag wurde die Zuhörerschaft, die sich um ihu sammelte, zahlreicher. Unter freiem Himmel, mit dem malerischen Hintergrund der Donau und der Alpen, hielt er seine Vorlesungen. Es bildete sich um ihn eine Art von Universität, wie sie in Ingolstadt im 16. Jahrhundert schon einmal bestanden hatte, als das katholische Ingolstadt unter Dr. Eck Luther die Stirn bot. Man las begierig die zugelassenen deutschen Zeitungen und forschte in ihnen nach den ersten Anzeichen der beginnenden Verfalls. Die Artikel von Theodor Wolf im „Berliner Tageblatt" wurden lange besprachen. Man goß Oel ins Feuer der sozialistischen Polemik des s,Vorwärts", de Gaulle, der sich in den Schriften von Clausewitz über Politik und Kriegführung gut auskannte, sammelte das Material, das er später zu seinem ersten Büch verwendete, das den Titel trug „Die Zwietracht beim Feind". Richtig zu schreiben begann er aber erst im Jahre 1918 in dem Barackenlager der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen, wohin er von Ingolstadt ans gekommen war. Sein erster Leser mar der Kommandant Cartoux. Es war der gleiche Car- toux, der als Gouverneur non Indachina im Jahre 1940 bei dem Ausruf des Generals de Gaulle als einer der ersten sein „zur Stelle" gerufen hatte.
Während des ganzen Jahres 1917 lehrte und weissagte de Gaulle unter seinen Mitgefangenen im Osfizierslager von Fort IX, dessen Insassen immer auf die Auslösung des Lagers warteten.
Er zog die Lehre aus den Kämpfen um Verdun. „Sie werden nicht weiterkommen, weil sie bisher noch nicht weitergekommen sind. Die Offensive der Deutschen hat die gleiche schwache Stelle wie die unsrige. Sie werden sich in Angriffen ohne Ende erschöpfen, und die Front wird immer wieder umgebildet werden. Ahsr ist nicht der Gedanke der „Front" uberhaupt falsch und muß man ihn zuerst beseitigen?"
können. Pqnzerschiffe können eine» Tages mit „Atomdampfkesseln" , ausgestattet werden, allerdings nur unter der Bedingung, daß sich zwischen ihnen und den Menschen aus dem Schiss eine 2 Meter dicke Metallwand befinde.
Vielleicht werde es eines Tages möglich sein, die Atomenergie aus direktem Wege ohne Turbinen in elektrische Energie umzusetzcn.
in I^ürnIiorDf
Am 24. Januar verlas der englische Anklagevertreter Sir David Maxwell Fyfe die Anklageschrift gegen van Neurath, den ehemaligen Außenminister des Reichs, der dann nachher „Protektor für Böhmen und Mähren" gewesen ist.
Anschließend erteilte Präsident Lawrence dem Vertreter der französische» Staatsanwaltschaft Charles Bubot das Wart. Charles Bubot ist Staatsanwalt beim Berufungsgericht in Aix en Provence. Er hat bei der Landung der alliierten Truppen östlich von Marseille eine hervorragende Rolle gespielt. Bubot verlas keine schriftlich nicder- gelegte Anklageschrift, sondern hielt eine freie Anklagerede, bei der er sich lediglich auf kurze Notizen stützte.
Er legte dar, daß die Führer Deutschlands eine systematische Ausrottungspolitik zur Anwendung gebracht haben. Sie hatten vergeblich den Versuch gemacht, die vorübergehend geschlagenen Völker zur Beteiligung am Kriege gegen England zu bringen. Als ihnen dieser Plan mißlungen war, wollten sie alle diejenigen ausrotten, die sich diesem Plane widersetzt hatten. Der französische Ankläger wies auf die Erschießung der Geiseln hin und betonte, daß diese Morde vom deutschen Oberkommando nicht nur geduldet, sondern befohlen worden waren.
In diesem Zusammenhangs verlas er den von Keitel am 16. September 1941 Unterzeichneten Befehl, der für alle Länder Ost- und Westeuropas während der ganzen Dauer des Krieges Gültigkeit hatte: der Tod eines einzigen deutschen Soldaten ist mit der Erschießung von 50 bis 100 Kommunisten zu rächen.
Anschließend ging er auf die Frage der ungerechtfertigten Geiselverhaftungen in Frankreich ein, wie sie General Stülpnagel gleich zu Beginn der Besetzung zur Anwendung brachte: „Personen, die in Frankreich verhaftet worden sind, können als Geiseln betrachtet werden und müssen in jedem Augenblick damit rechnen, mit ihrem Leben, für irgendeine den Besatzungsbehörden mißfallende Geste zu zahlen." Zu oberst auf der Geifelliste standen „ehemalige Abgeordnete und Beamte der Kommunistischen Partei", anschließend kamen dis „Intellektuellen" und schließsich weitere Personen, die „als gefährlich betrachtet wurden".
Dazu einige Zahlen: Im ganzen sind in Frankreich 29 660 Franzosen als Geiseln ermordet wor- dens Dies geht aus dem am 21. Dezember abgeschlossenen Bericht der Dienststelle zur Feststellung der Kriegsverbrechen bei der französischen Staatsanwaltschaft in Nürnberg hervor.
Von den 29 660 erschossenen Geiseln entfallen 11 000 auf Paris, 3679 aus Lyon, 2663 aus Limoges, 1,691 auf Dijon, 1513 auf Marseille, 1143 auf Lille, 974 auf Rennes, 863 auf Angers und 806 auf Bordeaux.
Neurath als Urheber der Terrorpolitik in der Tschechoslowakei
Das einzige, was der Reichsprotektor von Böhmen und Mähren je protegiert hat, waren Mörder und Verbrecher, erklärte dann der britische Ankläger Sir David Maxwells Fyfe in seiner Beweisführung gegen den Angeklagten Neurath. Nachdem der Angeklagte als Reichsaußenminister an der Vorbereitung der Kriegsverschwörung teilgenommen hatte, spielte er als Reichsprotektor von Böhmen und Mähren eine führende Rolle bei der Durchführung der Nazipolitik.
In einem der dem Gericht vorgelegten Dokumente umreiht Neurath seine Politik dem tschechischen Volke gegenüber: „Germanisicrung desjenigen Teiles der tschechischen, Bevölkerung, der in bezug aus ihre Rasse von Bedeutung ist, hurch Arbeitseinsatz im Reich. Die andere Hälfte der Bevöl-
Er erklärte die Feldzugspläne non General Fach, und zwar manchmal schon bevor sie tatsächlich durchgeführt wurden, und schloß prophetisch: „Die Deutschen werden um Waffenstillstand bitten. Ca- stelnau wird durch Lothringen vormarschieren und sie von ihren Verbindungen abschneiden, dann wird er sie in einer ungeheuren Schlacht von Sedan um- Zingeln . . . .".
Er hatte große Hoffnungen auf die ersten P a n z e r k a m p s w a g e n gesetzt, die am 16. April 1918 bei Corbeny verfrüht in den Kampf eingesetzt wurden und die bei Dillers-Bretonneux wieder zum Einsatz kamen.
„Die entscheidende Waffe ist gefunden", stellte er fest.
Auch mit der Luftfahrt beschäftigte er sich sehr eingehend. Garros hatte ihn mit den Namen Spod, Moräne, Potcz, Brsguet, -Farman, Letord-Lor- raine und Nieuport vertraut gemacht.
„Die gesamte Kriegführung auf der Erde, in der Luft und auf den Meeren wird mehr und mehr vom Motor beherrscht werden."
Damals traf das noch nicht ganz zu, aber noch 20 Jahren war es so.
Während de Gaulle so jede Phase des Kampfes, non dem er ausgeschlossen war, im Geiste mitdurchlebte, litt er nur noch mehr unter dem Gefühl seiner Ohnmacht Die Mauern um ihn her lähmten seinen Schwung und erinnerten ihn unaufhörlich daran, daß myn hier nicht an die Gegenwart den- ken durfte.
Einmal schlug ihm jemand aus die Schulter. Es war ein Mitgefangener, ein Leutnant der zaristischen Garde.
„Sind Sie traurig über den verlorenen Krieg?
de Gaulle widersprach. „Wie meinen Sie? Cr ist dach bereits gewannen!"
Der andere lächelte. „Ich meinte, für Sie verlo. reu. Ist das besser gesagt?"
de Gaulle senkte den Kopf. Der junge russische Offizier nahm wieder das Wort: „Wozu traurig sein? Die Gegenwart gehört uns nicht, aber vielleicht die Zukunft .... .".
Die beiden wurden bald gute Kameraden.
Deutschland versuchte noch einmal im Osten und Westen einen Erfolg zu erzielen. Dann kam der 11. November 1918. Rußland vollendete seine Revolution. Frankreich seinen Sieg. Die beiden Offiziere sollten sich später nur einziges Mal wiederfinden: das war im Jahr 1936 in Paris. Der junge russische Offizier, dessen Name Tuchatschewski hieß, war inzwischen Marschall der Sowjetunion geworden. » » .
(Fortsetzung -folgt)