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verantwortl. Lchriftleitung: Friedrich Han» Scheel« Druck und v»rlag der A. Oelschldger'schen Suckidrnckrerei.
Nr. 92
Donnerstag, den 22. April 1926.
101. Jahrgang
Volksbegehren und
Ein Beschluß der Reichsregierung.
skin Volksentscheid in der Aufwertungsfrage nur auf Veranlassung des Reichspräsidenten möglich.
TU Berlin, 22. April. Amtlich wird zu der gestrige» Kabinrttsberatnng mitgcteilt:
Zur Vermeidung von Zweifeln hat die Reichsrrgicrung beschlossen, den gesetzgebenden Körperschaften einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch de» klargestellt wird, daß rin Volksentscheid über die Gesetzentwürfe, die dir Folgen der Geldentwertung regeln sollen, nur durch den Reichspräsidenten veranlaßt werden kann- Durch diese Regelung wird die Frage der Auseinandersetzung der Länder mit den ehemals regierende» Fürstenhäuser und damit das bereits schwrberrde Bolksgesetzgebungsverfahren nicht berührt. Rur reichsrechtlich ist der Weg der Volksgcsetz- gebung insofern beschränkt, als über den Haushaltsplan, über Abgabengesetze und Besoldungsordnungen nur der Reichspräsident einen Volksentscheid veranlassen kann. Damit sind auch Gesetzentwürfe der brzeichneten Art dem Volksbegehren entzogen. Dies ist geschehen, weil derartige Gesetze nicht airs dem Zusammenhang mit dem gesamten Steuer- und Wirtschaftöplan herausgenommcn werden könne». Die vor und während der Geldentwertung begründeten Rechtsverhältnisse sind im Aufwertungsgesetz und im Gesetz über die Ablösung öffentlicher Anleihen im Zusammenhang geordnet. Der Gesamtkomplex dieser Gesetze bewegt maßgebend den Haushalt des Reichs und Finanzausgleich zwischen Reich, Länder» und Gemeinden, wie überhaupt daS gesamte öffcstilichc Finanzwesen. Er ist insbesondere au chdic Grundlage unserer Währung. Solche Gesetze müßten, wenn nicht die ganze deutsche Wirtschaft auf das verhängnisvollste erschüttert werden soll, dem Haushaltsplan und den Abbaugesetzen gleich geachtet werden. Bei sinngemäßer Auslegung des Art. 73 Abs. 4 der Reichsverfassung müßten daher Gesetze, die die Folgen der Geldentwertung regeln, hinsichtlich der Volksinitiative den gleichen Bestimmungen unterworfen sein, wie Gesetzentwürfe, die den Haushaltsplan und die Abgabenregelung unmittelbar zum Gegenstand haben.
*
Aufwertungsgesetz.
Die Ausschutzdebatte
über das Abfindungsgesetz.
Paragraph 1 angenommen.
TU Berlin, 22. April. Der Rechtsausschuß des Reichstages trat gestern in die Spezialdebatte über den Kompromißentwurf für die Fürstenabfindung ein. An der Abstimmung wurde der Paragraph 1 des Koinpromiß-ntwurfes in unveränderter Fassung angenommen. Dafür stimmten die Vertreter des Zentrums, der Deutschen Volkspartei, der Demokraten und der Wirtschaftlichen Vereinigung. Dagegen stimmten die Völkischen und Kommunisten. Der Stimme enthielten sich die Deutschnationalen und die Sozialdemokraten. Ein Vertreter der Bayerischen Volkspartei war bei der Abstimmung im Ausschuß nicht anwesend.
Der Paragr. 1 hat folgende Fassung: Für die vermogensrecht- liche Auseinandersetzung und der sonstigen in Paragr. 2 bezeich- neten Streitigkeiten Plüschen einem deutschen Land« und den Mitgliedern des Fürstenhauses, das bis zur Staatsunuvälzung im Jahre 1918 in dem Lande regiert hat. wird ein Reichsson- dergrricht bestellt. Vorsitzender des Rcichssondergerichtes ist der Präside ntdcs Reichsgerichts. Sein Stellvertreter ist ein Se- natsprasident beim Reichsgericht. Der Sitz des Gerichts ist Leipzig. Das Reichssondergericht entscheidet in der Besetzung durch 9 Mitglieder. Den Vorsitz führt regelmäßig der Präsident des Reichsgerichts, nur im Falle seiner Behinderung sein Stellvertreter. Der Reichspräsident ernennt auf Vorschlag der Reichsregierung den Stellvertreter des Vorsitzenden, die 8 weiteren Mitglieder und die notwendigen Stellvertreter. 4 von den weiteren Mitgliedern und deren Stellvertreter müssen Mitglieder von ordentlichen Gerichten oder Verwaltungsgerichten des Reiches oder der Länder sein. Die Mitglieder des Reichssondergerichts sind unabsetzbar. Der Ausschuß vertagte sich sodann auf Donnerstag.
Der Gesetzentwurf über den Volisemschejd.
TU Berit,:. 21. April. Nachdem der Rcichswahlleitcr am 19. April 1929 dem Reichsminister des Innern das Ergebnis des Volksentscheidsgesetzes mitgeteilt hat, hat der Reichsminister des Innern gestern dem Neichskabinett wegen Einbringung des begehrten Gesetzentwurfes beim Reichstag eine entsprechende Vorlage gemacht.
Tages-Spiegel.
Die Reichsrrgicrung hat einen Gesetzentwurf geschaffen, denizro folge ein Volksentscheid über die Abänderung der Auswcr- tuugsgesctze nur auf Veranlassung des Reichspräsidenten vorgenommen werden kann.
In der gestrigen Ausschußdebattc über das FürstcnaLfindungS- gesetz wurde 81 des Kompromisses (Enteignung eines Reichß-- sondcrgerichtS) in unveränderter Fassung angenommen.
Die mecklenburgische Regierung ist in der gestrigen Landtags- sihung gestürzt worden.
Im bayerischen Landtag richtete ein Redner der Bayerische,: Volkspartei heftige Angriffe gegen die Wirtschaftspolitik de? Reiches.
Im englischen Parlament fand eine Nntersuchungsdebattr übe, die Bcsatzungsfrifien im Rheinland statt, wobei Chamberla«, sich mit Ausflüchten behalf.
Der Sowjetbotschaftcr Rakowski hat gestern mit Briand dir Wirkung des deutsch-russischen Vertrages auf die Sowjetbeziehungen zu Frankreich besprochen.
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Das internationale Arbeitsamt in Geuf ist gestern zu seiner 31. Tagung zusammengetreten.
Bei einer Beschießung aufständischer Dörfer iu Syrien durch französische Flugzeuge wurden 18 Bewohner gelötet. Ber» schirdene Stämme haben sich daraufhin unterworfen-
Der spanische Botschafter Quinones de Leon hatte erneut eine Aussprache mit Briand über die Wiederaufnahme der Vorbesprechungen mit den Delegierten Abd el Krims.
Der Karlsruher Landrat Schaible ist infolge eines Mißverständnisses bei einem Besuch i« Paris verhaftet worden. Er befindet sich wieder in Freiheit-
Zu den deutsch-russischen Verhandlungen.
Botschafterbesprechungen in Paris.
TU Paris, 22. April. Briand hat gestern nachmittag den russischen Botschafter in Paris Rakowski empfangen, um mit ihm über den deutsch-russischen Vertrag zu konferieren. Im späteren Verlauf des Nachmittags sprach der rumänische Botschafter am Quai d'Orsay vor. Die stattgefundcne Aussprache bezog sich, wie von zuständiger Seite mitgeteilt wird, gleichfalls auf den deutsch-russisch n Vertrag.
Die englische Regierung wartet ab.
TU Loa-on, 22. April. Der diplomatische Korrespondent de« „Daily Telegraph" bringt wieder eine lange Betrachtung über die Bedeutung des deutsch-russischen Abkommens. Er hebt zunächst die Gefahr künftiger Verwicklungen hervor, die aus diesem Vertrag entstehen könnten. Aber trotzdem sei man in englischen politischen Kreisen zurzeit abgeneigt, deswegen auf Berlin einen Druck auszuüben. Erst wenn der Vertrag veröffentlicht sei, werde sich die Möglichkeit für diplomatische Anmerkungen ergeben und zwar in der Zeit zwischen Unterschrift und Ratifikation. England besitze die moralische Stellung und den Einfluß. um seine Wünsche durchzusetzen. Es müsse aber dabei berücksichtigt werden, daß die deutsch-russischen Verhandlungen nicht nur auf Deutschland Enttäuschung in Genf, sondern auch auf die Verträge, die zwischen Italien, Frankreich. Serbien und Rumänien abgeschlossen worden seien und ihre Spitze direkt gegen Deutschland richteten, zurückzuführen seien. Besonders sei der polnisch-rumänische Earantievertrag in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Zum Schluß behandelte der Korrespondent die Frage, ob der neue deutsch-russische Vertrag nach Artikel 8 der Völkerbundsstatuten auch beim Volkerbundssekretariat registriert werden müsse. Diese Registratur sei in dem Falle, daß es sich um einen Vertrag zwischen Völkerbundsmitgliedern handle, obligatorisch. Indessen sei es zweifelhaft, ob der Artikel auch rückwirkende Kraft Hab«.
Dom Völkerbund.
TU Paris, 21. April. Der Delegierte Argentiniens im Finanzkomitee des Völkerbundes, Dr. Oria, ist am Montag in Paris eiygetroffen. In einer Unterredung erklärte er, daß die argentinische Republik, die sich seit 8 Jahren von den Beratungen des Völkerbundes ferngehalten hat, bald ihren Platz in Genf wieder einnehmen werde. Wenn sich Argentinien seinerzeit zurückgezogen habe, so sei dies geschehen, weil es ein« großzügig, Reform de» VAkerLundsrates und die Bildung «ine» Mrtschaftsorganismus für notwendig schalten habe,
Die Besatzungsfristen im Rheinland.
Üntersuchungsdebatte
im engl. Parlament.
Ausflüchte Lhamberlains.
TU Berlin, 22. April. Wie die Morgenblätter aus London melden, fragte Po nsonby, ob die Regierung in Anbetracht der Tatsache, daß die Votschafterkonfcrenz gegenüber dem Völkerbundsrat festgestellt habe, daß Deutschland seine Entwafs- nungsverpslichtungen erfüllt hat, nunmehr den alliierten Mächten die Abkürzung der Besatzungsfristen im Rheinland Vorschlägen werde. Lhamberlain erwiderte: Die betreffende Erklärung wurde dem Parlament seinerzeit vorgelegt, und ich kenne ihren Inhalt, aber der Fragesteller zitiert die Erklärung der Botschafterkonferenz vom 6. März ds. Is. versehentlich falsch. Die Botschafterkonferenz hat nicht erklärt, daß Deutschland seine Verpflichtungen hinsichtlich der Entwaffnung erfüllt hat. Diese Feststellung bedeute etwas anderes. (!) Um irgendwelche Einwände gegen die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund auf Grund der Bestimmungen im Art. 1 Abs. 2 des Bölkerbundspaktes, der für die Aufnahme neuer Mitglieder maßgebend ist, zu verhindern, hat die Botfchafierkonferenz erklärt, nach ihrem besten Wissen biete Deutschland effektiv Garantien für seine ehrlichen Absichten zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen. Es besteht ein beträchtlicher Unterschied zwischen dieser Feststellung und den befriedigenden Garantien für die Erfüllung der deutschen Verpflichtungen gemäß der Erklärung vom 16. Juni 1919. Ponsonby muß mir die Bemerkung gestatten, daß ich mir keinen ungünstigeren Augenblick (!) denken kann, um eine so weitreichende Diskussion zu veranlassen und keinen Augenblick, in dem eine Erklärung meinerseits den Problemen weniger dienlich sein kann, die Ponsonby im Auge hat und die die britische Regierung niemals aus dem Gesichtskreis verloren hat. Kennworthy fragte, ob man die Auffassung haben müsse, daß es für einen Staat unmöglich sei, vollberechtigtes Mitglied des Völkerbundes zu sein, während trotzdem rin Teil des Landes durch die Truppen anderer Völkerbunds- Mitglieder besetzt sei. Chambcrlain antwortete, es bestehe keine Verbindung (!) zwischen der vorgebrachten Frage und der aus der Tagesordnung stehenden Frage und ebenso keine zwischen Kennworthys Frage und der Artwort, die er (Thamberlain) erteilt habe. Wedgewood fragte, ob dt« in der Erklärung von ISIS niedergelegien Grundsätze zur Durchführung gebracht
würden, sobald die in der Erklärung erwähnten Bedingungen zur Zufriedenheit der britischen Regierung erfüllt seien, und ob tatsächlich die britische Regierung sich noch an die 1919 abgegebene Erklärung halte. Chambcrlain antwortete: Die Erklärung von 1919 war eine Erklärung über die damals bestehenden Absichten der drei Regierungen. Es war keine Erklärung, auf die sich die deutsche Regierung zu berufen ein Recht hatte. Er fügte hinzu, er habe bereits fcstgestellt, daß er nicht zu weiteren Aeußerungen zu diesem Thema gedrängt werden möchte und daß seiner Ansicht nach kein ungünstigerer Augenblick für die Diskussion dieser Frage gewählt werden könne und kein Augenblick, der den Bestrebungen weniger dienlich sein könne, die Wedgewood im Auge Hab«.
Die Stellung Amerikas
zur Arüstungskonferenz.
TU Rewyork, 22. April. Staatssekretär Kellogg hielt bei einem Festessen der Associated Preß eine Rede, in der er u. a. erklärte, Amerika würde an der Genfer vorbereitenden Abrüstungskonferenz teilnehmcn, weil sie im Rahmen amerikanischer Politik liege. Amerikas Delegierte würden ihren ganzen Einfluß dahin geltend machen, daß sich die Erörterungen über die Abrüstung in praktischen Linien bewege und damit eine Ergänzung zur Washingtoner Konscrenz bildeten. Der Bauwett- bvwerb müsse sich auch auf die von der Washingtoner Konferenz nicht eingegrisfenen Schiffsgattungcn beziehen. Die französischen Abrüstungsvorschläge würden beispielsweise Amerika und England benachteiligen, weil sie weniger reichen Nationen erlaubten, größere Armeen zu besitzen. Amerika beabsichtige die Ein- berujuirg einer neuen Seeabrüstungskonferenz, wenn die Genfer Konferenz fehlschlage. Ueber die Aussichten der Genfer Konferenz zeigte sich Kellog keineswegs optimistisch und erklärte, die Genfer Konferenz könne lediglich den Zweck haben, Vorschläge für die Zukunft zu machen. Wenn ein einzelner Schritt auf dem Wege zur Abrüstung auch klein sei, so habe er doch für die Herbeiführung des Weltfriedens größeren Wert als alle schiedsrichterlichen und ähnliche« Pläne, die theoretisch vielleicht glänzend seien, aber auf die bestehenden Weltverhältniffe kein« Rücksicht nehmen. Obwohl Amerika selbst für die Landabrüstung nicht viel tun könne, begrüße es doch all« Schritte anderer Mächte aus dem Wege, di« LoAabriistung herbeizuführrn.