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Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 12. Nov. Durch Königliches Dekret, datiert vom 9. d. Mts. ist der Landtag auf Donnerstag, den 27. November, zusammenberufen.
München, 12. Nov. (Depesche der „W. Ldsitg.") Im Wahlkreis München I. ist Sedlmayr (Nat.-Lib.) gegen Ruppert (C.) gewählt. Im Wahlkreis Fürth-Erlangen ist die Wahl v. Stauffenberg (Deutsch- freis.) gesichert.
Nürnberg, 12. November. Bei der gestrigen Stichwahl wurde Grillenberger (Sozialdemokrat) mit 14,384 Stimmen gewählt. — Gewählt in Magdeburg Heine (Sozialdemokrat), in Königsberg Möller (Freisinnig), in Dresden Hartwig (Konservativ), in Hamburg Wör- (Nationalliberal).
— In einer Berliner Korrespondenz läßt sich die „Frkf. Ztg." schreiben, daß die sozialdemokratische Fraktion im neuen Reichstag wohl alsbald einen Antrag auf Aufhebung des Sozialistengesetzes einbringen werde. Die alte Regel, das Eisen zu schmieden, so lange es heiß ist, gebiete ihnen das; denn eine so günstige Situation, wie jetzt, würden sie niemals wiederfinden.
— In welcher Form die Kolonialfr age, die in der Wahlbewegung eine so große Rolle gespielt hat, den Reichstag beschäftigen wird, läßt sich zur Zeit noch nicht hinlänglich übersehen. Im Etat allerdings sind schon verschiedene Forderungen angekündigt, welche sich auf die neuen afrikanischen Erwerbungen und überhaupt auf eine regere überseeische Thätigkeit der Regierung beziehen, die Errichtung neuer Konsulate, der Bau eines Küstendampfers für einen Gouverneur, wie es heißt, auch die Abzweigung einer neuen Kolonialabteilung des auswärtigen Amtes und dergl. Dazu kommt die Wiedereinbringung der voraussichtlich erweiterten Vorlage über die Dampfersubventionen. Lange wird es sich auch nicht umgehen lassen, das ganze Verhältnis des neuen Kolonialgebiets zum Reich, die Organisation der Aufsicht und Leitung durch ein eignes Gesetz zu regeln. Jedenfalls wird der Reichstag Anlaß genug haben, sich mit den Fragen der überseeischen Politik zu beschäftigen. Man darf auf diese Verhandlungen gespannt sein. Trotz der Wärme und Begeisterung, mit welcher bei den Wahlen die weitesten Kreise der Nation für die Kolonialsache eingetreten sind, wird man auch im neuen Reichstag über die Aufnahme der Vorschläge auf diesem Gebiet nicht ganz ohne Sorge sein können. Nach der Zusammensetzung des neuen Reichstags wird man auch in diesen Fragen wieder auf den guten Willen des Zentrums oder der deutschfreisinnigen Partei angewiesen sein, und die Rechnung auf diesen guten Willen ist eben eine sehr unzuverlässige.
Frankreich.
— Die Cholerafurcht bringt der Stadt Paris enormen Schaden. Die dort weilenden Fremden haben zu Tausenden Paris verlassen, und die großen Gasthäuser, wie Hotel Continental, Hotel du Louvre und Grand Hotel, stehen fast vollständig leer. Auch viele echte Pariser sind bereits abgereist und eine große Anzahl derer, welche noch aus dem Lande weilen, werden vorderhand der Hauptstadt fern bleiben. Die Theater sind so wenig besucht, daß mehrere Theaterdirektoren bereits davon sprechen, ihre Anstalten zu schließen. Für Paris, wo das Elend bereits sehr groß ist, ist der Ausbruch der Cholera ein harter Schlag, da sie nicht allein die Fremden verscheuchen, sondern auch dem ausländischen Geschäft schweren Schaden zufügen wird. Die auswärtigen Kunden bestellen nicht gern Waren aus einer mit Cholera behafteten Stadt.
Tages-Neuigkeiten.
Altensteig, 10. Nov. Die Maßnahmen für die Ermöglichung des Baues einer Nebenbahn von hier nach Nagold haben in der letzten Zeit bedeutende Fortschritte gemacht. Eine Kommission hat sich am letzten Donnerstag in das Elsaß begeben, um die von der Hauptbahn zwischen Schlettstadt und Kalmar auf die Länge von 4 km. nach Rappoldsweiler, am Fuße der Vogesen, abzweigende, in die gewöhnliche Landstraße eingefügte Privatbahn aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Diese seit 1878 im Betrieb befindliche Bahn genügt dem Personen- und Güterverkehr des dortigen Bezirks vollständig, ist einfach und wenig kostspielig in der Erstellung und Unterhaltung und dürfte für unsere Verhältnisse maßgebend sein. Die an'
Der kurze und etwas seltsame Zwischenfall war nicht unbemerkt vorüber gegangen, obwohl er nicht gerade tiefe Spuren hinterließ. Der Hoferbe, der immer eifriger trank und gleichsam schwere Gedanken hinwegzuschwemmen versuchte, sah lauernd auf die beiden Ringe und die beiden Träger derselben und schien nicht von den besten Gesinnungen für dieselben beseelt, wie es auch schon seine vorherigen Bemerkungen dem Lehrer gegenüber bewiesen.
Heribert, der Förster, der ebenfalls in tiefes Sinnen verloren dasaß, hatte überrascht ausgesehen. Er war dem Lehrer, mit dem er auf Du unb Du stand, sehr geneigt und deshalb von jeder Aeußerung, welche denselben verletzen konnte, peinlich berührt. Er sagte übrigens nichts, denn vor seinen Geistesaugen tauchte immer wieder ein Bild auf, das auch hell vor seiner Seele schwebte und doch von finsteren Wolken umgeben war.
Die Schielaugen des Holderjörgs fuhren in allen Winkeln der Stube umher, und er studierte im Stillen die Situation, die sich langsam aus der gewohnten Ruhe zu schieben schien. Es rauschte eben draußen ein Windzug durch die Hollunderbüsche, und da innen in der friedlichen Stube schien auch eine Brise zu erwachen, die vielleicht einmal zum Sturme anschwoll. So dachte der Reimschmied, und die Folge wird lehren, daß er kein schlechter Beobachter war.
Der alte Holderhofer hatte von Allem schon längst nichts mehr gehört und murmelte nur zuweilen wie im Halbschlaf:
„Ja, ja, um einen Landstand ist es eine schwere Sache!"
Die innere Ruhe, die das einzige ist auf der Erde, was das wahre Glück bringen kann, hatte nur zwei Vertreter: die kleine Pauline, welche
Ort und Stelle aufgenommenen Plane und Notizen werden sofort ausgear- beitet und dem Vertreter des Bezirks im Landtage, Regierungsdirektor v. Lutz, behändigt werden.
Stuttgart, 12. Nov. Einen bedeutenden Erfolg hat der Verschönerungsverein neuestens errungen, indem derselbe durch die Gnade Sr. Majestät des Königs, des hohen Protektors des Vereins, einen 4^/z Morgen großen Teil des in der Verwaltung der K. Hofdomänenkammer stehenden Stöckachgutes in Pacht bekommen hat, um auf demselben eine Eisbahn anzulegen. Es ist damit ein langerstrebtes Ziel erreicht und wird nun ein in den weitesten Kreisen empfundenes wirkliches Bedürfnis ohne Zweifel noch im Laufe des bevorstehenden Winters Befriedigung finden. Wir können nicht umhin hievon alsbald öffentlich Kenntnis zu geben, da wir überzeugt sind, es werde Alt und Jung diesen hochherzigen Beweis Königlicher Gnade mit dankerfülltem Herzen entgegen nehmen.
Künzelsau, 11. Nov. In Sindeldorf, diess. Bezirks, hat dieser Tage ein junger Mann dem dortigen Löwenwirth eine ziemlich schwere Verletzung beigebracht durch einen Biß in die Nase. Veranlassung: die Reichs- tagswahl.
Vermischtes.
— Unfallversicherung betr. Im großen Publikum ist vielfach die Ansicht verbreitet, daß mit dem Inkrafttreten des Reichs-Unfall-Ver- sicherungs-Gesetzes vom 14. Juli 1884 den bestehenden Unfall-Versicherungs- Gesellschaften der Geschäftsbetrieb entzogen oder gar untersagt werde.
Diese Ansicht ist, im Allgemeinen ausgesprochen, unrichtig: Die Gegenseitigkeitsanstalten, welche den größeren Teil ihrer Kundschaft verlieren, sind allerdings zur Liquidation gezwungen; von den Aktien-Gesellschaften denkt aber unseres Wissens keine einzige an Geschäftsaufgabe.
In der Thal läßt ihnen auch jenes Gesetz immer noch ein weites Feld. Wir wollen dabei weniger von den durch § 1 desselben ausgeschlossenen zahlreichen Betrieben sprechen, denen in Zukunft die so viel geschmähten Privatgesellschaften die einzige Versicherungsgelegenheit bieten werden, sondern wir haben mehr die Versicherung einzelner Personen gegen die Folgen körperlicher Unfälle im Auge. Jedermann, möge er nun dem Beamten- oder Gelehrtenstande, der Geschäftswelt, oder welchem Beruf es auch sei, angehören, kann die im täglichen Leben, so zu sagen fortgesetzt liegende Unfallgefahr — man denke an Fahren, Reiten, Insektenstich, Sturz und Fall, Betriebsgefahr in Fabriken, Verletzung durch verbrecherische Hand — bei den Privatgesellschaften gegen äußerst mäßige Prämien versichern.
Da man nun wohl sagen kann, daß jeder producierende Mensch die Verpflichtung hat, sich oder seine Familie gegen schwere körperliche und damit verbundene materielle Schäden entsprechend zu decken, dürfte der weitere Hinweis genügen, daß im praktischen England Jeder versichert ist, der auf sein Leben überhaupt Wert legt.
— Wir machen auf die in vorletzter Nummer enthaltene Empfehlung des beliebten Volkskalenders: „Der Vokkbote aus Württemberg" auch noch an dieser Stelle besonders aufmerksam, weil der empfohlene Kalender sich wirklich bei dem beispiellos billigen Preis von 20 H durch eine seltene Reichhaltigkeit auszeichnet, und daher dessen Anschaffung mit gutem Gewissen empfohlen werden kann.
5.
November.
5.
„
8.
IS.
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11.
13.
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Kgl. Standesamt Calw.
Vom 5. bis 13. Nov. 1884.
Geborene.
Karl Friedrich Wilhelm, S. d. Wilhelm Buck, Bäckers.
Emilie Karoline, T. desselben.
Elise Friedricke, T. d. Karl Wagner, Maschinenstrickers.
Gustav Ludwig, S. d. Georg Kolb, Kiischners.
Getraute.
Ernst, Friedrich Reichert, Bierbrauer von Nagold, mit Franciska Wilhelmine geb. Gutruf, Witwe des Gottlicb Burkhardt, gewesenen Bierbrauers hier.
August Friedrich Walter, Schlosser von hier mit Christiane Luise geb. Reichmann, Witwe des Johann Friedrich Stotz, gewesenen Bäckers.
wieder auf dem Ofen lag und schlief, und den „Haltauf", welcher, mit der Schnauze auf den Vorderfüßen, ebenfalls im Land der Träume weilte.
Die Hofbäuerin räumte mit der alten Jul, die ab- und zuging, das Geschirr weg und gab damit das Zeichen zur Lösung des Bannes, der — freilich uneingestanden — wie ein Schleier über der Stiinmung der Gesellschaft lag.
Man erhob sich, streckte die Glieder und wanderte zwangslos durch die große Stube; man gesellte sich je nach Neigung oder Zufall zusammen, und eine Flasche „echtes Zwetschgenwasser", das der Holderjörg auf Geheiß seines Herrn aus einem Wandschranke herbeibrachte, schien den erwähnten Schleier heben zu wollen.
Draußen stand der Mond in voller Rundung am schwarzblauen Himmel und versilberte den stillen Hof mit dem funkelnden Wasserstrahl des Röhrenbrunnens. Nur zuweilen huschte eine Wolke über sein freundliches, wohlgenährtes Antlitz, als wolle sie ihm die Stirne wischen. Diesen interessanten Vergleich machte übrigens der Holderjörg, der „mondsüchtig" war, wie die alte Jul zuweilen behauptete. Ihre Bosheit hatte sogar die Schielaugen des urwüchsigen Poeten mit dem oftmaligen Hinaufstarren an den „Nachtwandler des Himmels" in Verbindung zu bringen gesucht.
Auch Bertha und Born sahen hinauf zu dem herrlichen Wächter da oben, denn der Mond hat auf poetisch angelegte Naturen einen mägisäM Einfluß. Sein Licht macht träumerisch und weckt die flutenden Gedanke! auf, wie die Wellen des Ozeans, der ja auch durch Ebbe und Flut de: Trabanten unserer Erde gehorcht.
(Fortsetzung folgt.)