schon seit einiger Zeit gerührt. Von den Ordnungs-Parteien haben leider einige bisherige Abgeordnete sich vom öffentlichen Schauplatz zurückzuziehen erklärt, so daß leicht ein Candidatenmangel eintreten dürfte.
Altona, 13. Aug. (Die verhafteten Matrosen), von denen, wie bereits berichtet, zwei wieder in Freiheit gesetzt wurden, scheinen keineswegs, wie eine Reuter'sche Depesche aus London zu berichten wußte, „Mitglieder einer in Hüll bestehenden und angeblich weit verbreiteten Verschwörerbande" zu sein, sich vielmehr ohne jede politische Absicht nur des jedenfalls sehr einträglichen Schmuggels der verbotenen Blätter schuldig gemacht haben. Vielleicht haben sie nicht einmal gewußt, was ihnen in Hüll oder London zur Ablieferung an den ihnen vielleicht gänzlich unbekannten Adressaten in Altona übergeben worden. Mit diesen unseren Vermutungen glauben wir zur Beruhigung der sensationell aufgeregten Gemüter nicht zurückhalten zu dürfen, wenn schon die Entdeckung der schmuggelnden Exporteure für die endliche Unterdrückung der auf so geheimnisvollem Wege nach Deutschland eingeführten Freiheit ein gewiß ebenso gewichtiger als glücklicher Schritt unserer und der Altonaer Polizei gewesen ist.
Koblenz, 12. Aug. Zwei in Civil gekleidete französische Offiziere sind gestern Mittag verhaftet und ins Arresthaus abgeführt worden. Dieselben sind, laut der „Kobl. Volks-Ztg." , bei der Anfertigung von Skizzen hiesiger Festungswerke betroffen worden.
Frankreich.
Paris, 15. Aug. Der Ackerbauminister legte heute dem Bureau der Kammer einen Gesetzentwurf vor, betr. die Erhöhung des Eingangs- Z o l l s für fremdes Vieh. Der Gesetzentwurf schlägt vor, den Eingangszoll für Ochsen von 15 auf 25 Frcs., für Stiere und Kühe von 8 auf 12 , für Hämmel von 2 auf 3, für Lämmer von 0,50 auf 1 Frk., für Schweine von 3 auf 6 und für gesalzenes Fleisch von 4>/z aus 8 (/o Frcs. zu erhöhen.
Tages - Neuigkeiten.
* Calw, 16. August. Heute Mittag 12 ^ Uhr siel der 11 Jahre alte Knabe des Bahnwärters Hennefarth beim Ueberfahren über die Nagold in der Nähe vom Oeländerle in die an dieser Stelle nahezu 2 m tiefe Nagold. Durch das Geschrei anderer Knaben, die zugesehen hatten, aufmerksam gemacht eilte der bei Hrn. Wöhrle als Spinner arbeitende Christian Hirzel zur Stelle, sprang sofort angekleidet in die Nagold und brachte ihn mit vieler Anstrengung wieder aufs Trockene. Die sofort an- gestellten Wiederbelebungsversuch hatten allmälig den gewünschten Erfolg.
— Am Sonntag vormittag ereignete sich hier ein bedauerlicher Unglücksfall. Die Frau von Eisenhändler Kn oll hier hatte die hiesige Kirche (Turnhalle) verlassen, um die Bischofstr. herauf sich nach Hause zu begeben. Auf dem Platze dicht hinter dem hohen Kastanienbaum befindet sich Holz von dem alten und auch zu dem neu zu bauenden Wehr bei der früher F e d e rh a ff'schen, jetzt Schill L Wagner zugehörenden Färberei. Zur Lagerung eines Quantums Dielen war als Unterlager ein schmaler Balken benützt worden, in dem ein ca. s /4 Fuß langer gerader und sehr scharfer Nagel horizontal mit der Spitze nach der Straße stand, der Balken versperrte 1 Fuß vom Boden den Durchgang zwischen dem Kastanienbaum und einer die Durchfahrt verbietenden Barriere. Die Frau K. ist kurzsichtig und lief direkt mit einem Fuß in den Nagel, dies hätte übrigens in der Dämmerung oder Dunkelheit noch vielen andern Personen passieren können. Die Verletzung war eine tiefgehende und der Blutverlust deshalb nicht unbedeutend. Wie wir erfahren, ist der Zustand der Frau K. ein befriedigender und da wohl keine weiteren Folgen zu erwarten sind, auch der Platz von dem übrigen, trotz den vielen Nägeln nicht viel besser gelagerten Holz, jetzt geräumt ist, wollen wir uns jeden Kommentars darüber enthalten.
Nieder st etten, 14. Aug. In dem benachbarten Vorbostzimmern
Lenetraud hatte ihr Begehren noch nicht ausgesprochen, als ihre Hände schon frei waren. „Verzeihen Sie", sagte er, „ich habe mich durch mein Gefühl Hinreißen lassen und bitte, daß Sie mich nicht mißverstehen wollen!"
„Gewiß nit!" gab sie treuherzig zurück. „Ich weiß ja wohl, daß so feine Herrn, wie Sie, einer Bauerndirne gegenüber nur Scherz treiben."
Er wollte ihr etwas erwidern, jedoch ehe er's sich versah, war sie, wie ein flüchtiges Reh, durch das verschlungene Geäste der den abwärts führenden Pfad fast ganz verdeckenden Tannen geschlüpft. Einen Augenblick später stand er wie betäubt da, dann trat er an den Rand der Vorhöhe und rief den Namen der jetzt schnell zwischen den Kornfeldern Hinabeilenden. Es wurde ihm nicht sogleich Antwort; als er ihn aber nochmals und lauter wiederholte, wandte sich Lenetraud um und machte eine Bewegung, welche ihm andeutete, daß sie später auf dem Tanzboden ihr Gespräch fortsetzen wollten.
Er schüttelte mit dem Kopf, seufzte tief auf und sagte: „Dort unten im Wirtshaus und in der Nähe des Menschen, der mir, ich fühl' es nur zu gut, gerne mein höchstes Glück entreißen möchte, — nun und nimmermehr! — Lieber will ich auf eine ähnliche Gelegenheit warten, und wenn es auch Monate dauern sollte!"
Nach diesen Worten trat er an das Gebüsch hinter der Bank, und pflückte einen Strauß von den herabhängenden Zweigen, mit deren Spitzen Lenetraud während des Gesprächs oft gespielt hatte. „Ich kann ja warten!" sprach er dabei mit glücklichem Lächeln. „Weiß ich doch, daß sie mich liebt, daß ihr Trachten nach Höherem nicht anderes als ein edler Ausdruck ihrer unschuldigen Neigung ist!" — Als der Strauß zusammengebunden war, machte er sich auf den Weg nach Hause. Er gieng aber nicht neben den Kornfeldern entlang, sondern schlug den am Waldesrande herlaufenden Pfad ein, der in einem großen Halbbogen nach dem Dörflein führte.
Inzwischen war die Sonne immer mehr hinter den westlichen Bergen hinabgesunken, und der schöne heitere Pfingsttag neigte sich seinem Ende zu.
wurden in jüngsten Tagen 2 ältere Leute ein Mann von 60 und eine Frau von 50 Jahren durch Insektenstiche verwundet. Die Verwundungen hatten Blutvergiftung zur Folge, was den Tod der beiden Unglücklichen — nach kurzem aber sehr schmerzhaftem Krankenlager herbeiführte.
M e r g e l st e t t en, 14. Aug. Seit Dienstag kommt jedesmal um 6 Uhr früh ein Extrazug von Ulm, der ein Bataillon auf unsere Schießstätte zur Gefechtsschießübung bringt. Die Uebungen dauern circa 5 Stunden und haben sich die Soldaten im Schützenfeuer, im Abgeben von Salven und im Schnellfeuer auf wechselnde Entfernung zu üben. Der Abstand der Mannschaft von den 8 aufgestellten Scheibenreihen, die Infanterie, Kavallerie und Artillerie markieren und zwar in verschiedener Aufstellung, beträgt 200—600 m.; auf die Artillerie wird aus noch größerer Entfernung geschossen. Es soll dabei sehr viele Treffer geben. Bei der Uebu-ng des zweiten Bataillons des Regiments 124 war gestern Generalmajor v. Grä- venitz anwesend. Nach Beendigung der Uebungen empfängt die Mannschaft auf einem schön gelegenen schattigen Bergkegel unter dichtbelaubten Buchen das frugale Mahl aus Brot, Wurst und 1 L. Bier bestehend. Um 4 Uhr beginnt die Rückfahrt. Diese Uebungen dauern noch bis nächsten Mittwoch.
Vom obern Brenzthal, 14. Aug. Heute vormittag zog ein schweres Gewitter über unsere Gegend. In Königsbronn schlug der Blitz in das Wohnhaus eines Drechslers, beschädigte den Hausgiebel stark, zertrümmerte die Scheiben eines Fensters und drang ins Wohnzimmer. Dort beschädigte der Blitz einen Glaskasten; ein mehrjähriges Kind wurde von der Bank auf den Boden geworfen, ohne weiteren Schaden zu nehmen. Auch in Heidenheim wurde die Fabrik Ploucquet vom Blitzstrahl getroffen. Heute Nachmittag kam ebenfalls ein sehr starkes Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen.
— Der Prozeß des Hirsch Hausmann dürfte für den Verurteilten noch ein finanzielles Nachspiel haben, indem derselbe, abgesehen von den Civil- prozessen seitens der von ihm Geschädigten, wegen Steuerdefraudation zur Verantwortung gezogen werden wird; man spricht davon, daß sich das Klageobjekt auf nicht weniger denn 72,000 belaufe.
— Die „Konstanzer Zeitung" schreibt:
Der Amtsbezirk Breiten, in welchem Hausmann hauptsächlich sein Wesen trieb, hat unter 24,103 Einwohnern 627 Israeliten; da darf man doch gewiß unterstellen, daß diese Israeliten einander so ziemlich alle persönlich kennen, daß sie von einander wissen, was jeder treibt und thut, auf welche Weise ein jeder sein Geld verdient, und sicher war es keinem Israeliten jener Gegend unbekannt, daß Hausmann in kurzer Zeit aus einem armen ein sehr reicher Mann geworden war. Die Israeliten haben bekanntlich besonders intime Beziehungen unter einander und daher auch einen besonders starken Einfluß auf jeden Einzelnen. Warum war nun unter den 600 Israeliten des Bezirks Breiten oder doch unter den etwa 150 Israeliten in Flehingen, der Heimat Hausmann's, niemand zu finden, dem das schmähliche Treiben des Wucherers einen solchen Abscheu einflößte, daß er feine Genossen aufgefordert hätte, dem schlechten Kerl das Handwerk zu legen?! Fühlte kein Israelit jener Gegend, welch' häßlichen Makel Hausmann dem jüdischen Namen anheftete? Wahrlich, es wäre an der Zeit, daß die Juden selbst alles aufbieten würden, diese Pestbeulen aus ihrer Gemeinschaft auszuschneiden! Nur wenn das Volk sieht, daß die guten und ehrbaren Israeliten sich mit Abscheu von jenen Unmenschen abwenden und selbst das Ihrige dazu beitragen, sie an's Messer zu liefern, erst dann kann das gegen die Judenschaft so vielfach bestehende Vorurteil zu schwinden beginnen. Wir haben diesen Appell an die gutgesinnte Judenschaft in wohlmeinendem Sinne geschrieben und wünschen, daß er überall so ausgefaßt werde.
, — Ueber die Ernte-Aussichten in Rußland schreiben die „Nußk. Wed.":
Die Sommerkornernte ist in einigen Teilen des Dänischen Gebietes ganz vorzüglich ausgefallen. Man findet in den Weizenähren, was noch nie in
Ruhe und Frieden herrschte ringsum, nur das Gezirp der Grillen und Ci- kaden auf dem blumigen Waldrain, und der wirbelnde Gesang der Feldlerche, die in bogenförmigen Drehungen aus dem silbergrauen Saatfeld in den Aether emporschwebte, unterbrach die feierliche Stille. Den einsamen Wandrer am Waldesrande that in seiner jetzigen Stimmung dieser Friede unendlich wohl, und er zuckte wahrhaft zusammen, als derselbe durch die aus dem Wirtshaus herüberklingende Melodie eines lustigen Ländlers grell unterbrochen wurde.
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Um dieselbe Zeit, als der junge Lehrer den Heimweg antrat, schritt ein seltenes Paar langsam den allmählich absteigenden Waldpfad hernieder, welcher an dem thronartigen Abhang vorbeiführte und in den hinab nach der Vorhöhe laufenden Tannengang mündete.
Es war ein kleiner buckliger alter Mann mit schneeweißen Haaren und ehrwürdigen Zügen und ein großgewachsenes junges Mädchen, dessen schönes Antlitz durch einen fast an Kummer grenzenden ernsten Ausdruck doppelt anziehend erschien. Die Begleiterin des alten Mannes trug, wie die blonde Lenetraud vom Klosterhofe, die hessische Bauerntracht, nur daß ihr Anzug unendlich einfacher, ja fast ärmlich zu nennen war. Kein Bandstreifen saß auf dem schlichten dunklen Rock, keine Borde verzierte den Ausschnitt des abgetragenen dunkelroten Mieders und keine Kette schmückte den kräftig geformten, leicht gebräunten Hals. Und doch war es, als müsse Alles so sein, als wäre gerade die schmucklose Einfachheit der richtige Rahmen für die eigentümliche Schönheit der königlichen Erscheinung. Denn so konnte man sie fürwahr nennen, die einzige Tochter des Brandstifterjost, der durch ein furchtbares Verbrechen seinem Kinde in den Augen der Landleute für immer ein Kainszeichen auf die Stirne geprägt hatte.
(Fortsetzung folgt.)