Nro. 96.
59. Jahrgang.
Amts- mul Intelklgenzbkatt für äen Aezirl».
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.
Die Einrückungsgebübr beträgt 9 ^ Pr. Spalte, hier und im Bezirk, sonst 12 L.
Samstag, den 16. August 1884.
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Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
Hamburg, 11. Aug. Zwei von den vier an Bord des englischen Dampfers „Elizabeth" verhafteten Matrosen, welche die Most'sche „Freiheit" und den „Rebell" nach Deutschland zu schmuggeln pflegten, sind heute wieder entlassen worden; hingegen haben sich die Anklagepunkte für die beiden andern Matrosen noch bedeutend vermehrt.
— Die neuerdings austretende Meldung, daß Herr v. Bennigsen nicht mehr abgeneigt sei, eine auf ihn fallende Wahl zum Reichstage anzunehmen, ist, wie die Tägl. Rdsch. schreibt, heute ebenso verfrüht, wie vor mehreren Wochen, als sie zuerst verbreitet wurde. Herr von Bennigsen soll sich vor einiger Zeit einem politischen Freunde gegenüber in aller Offenheit über diese Frage ausgesprochen und keinen Zweifel daran gelassen haben, daß er nur dann ein etwa ihm zufallendes Mandat zum neuen Reichstage anzunehmen gedenke, wenn die nationalliberale Partei in einer ansehnlichen Stärke aus den Neuwahlen hervorgehen werde. Nur wenn es ihm vergönnt sein würde, wieder an die Spitze einer einflußreichen und ausschlaggebenden Partei zu treten, würde er geneigt sein, die Mühen und Aufregungen einer parlamentarischen Thätigkeit wieder auf sich zu nehmen und dem Reichstage im allgemeinen Interesse einen Teil seiner Zeit, zu opfern, die seine hanoversche Verwaltungsthätigkeit ohnehin stark in Anspruch nimmt. So ist, wie versichert wird, die wahre Sachlage. Demnach wird sich die Frage, ob Herr von Bennigsen wieder ein Reichstagsmandat annehmen werde oder nicht, erst nach den Wahlen entscheiden, was freilich voraussetzt, daß seine Anhänger auf alle Fälle für seine Wahl werden Sorge tragen müssen. In der That wird denn auch beabsichtigt, ihn in seinem früheren Wahlkreise Otterndorf von Neuem aufzustellen.
München, 11. August. Als R e i ch s t a g s w a h l k a n d i d a t der liberalen Parteien Münchens wird mit großer Bestimmtheit der Gutsund Fabrikbesitzer Hugo v. Maffei genannt. Dieser Mann der zu den bedeutendsten Industriellen und Großgrundbesitzern Baierns zählt und in aller» L Kreisen die höchste Achtung genießt, war schon früher im Wahlkreise München--" ll, zu dem ein Theil der ländlichen Umgebung Münchens gehört, als Can- didat aufgestellt und errang dort dem geistlichen Rate Dr. Westermayer gegenüber zwar nicht die Stimmenmehrheit, wohl aber eine so große Anzahl von Stimmen, daß für den eigentlich städtischen Wahlkreis München i seine Candidatur als eine glückliche umsomehr bezeichnet werden muß, als die politische Gesinnung Maffeis bei durchaus freier Grundanschauung und gediegenem Charakter nach keiner Richtung extrem ist. Noch gilt seine Candidatur nicht als offiziell, aber allgemein bringt man derselben in liberalen Kreisen warme Sympathie entgegen. — Unsere Handelskammer befürwortete in ihrer letzten Sitzung mit Stimmenmehrheit ein Gesuch um Einführung eines Schutzzolles für Cement gegenüber dem österreichischen Wettbewerb, der durch starke Eingangszölle gedeckt ist.
E n H l a n d.
— Ueber 50,000 Personen fanden sich gestern nach der geringsten Schätzung in den Pomona-Gärten in Manchester ein. Die Hauptredner waren Cross, welcher den Vorsitz führte, Lord Salisbury, Chaplin und Lord R. Churchill. Lord Salisbury sprach gegen Chamberlain, Curchill gegen Lord Hartington und Gladstone. Salisbury verglich die liberalen Verheißungen von 1880 mit dem liberalen Errungenschaften von 1884. Statt Frieden auf dem ganzen Erdboden zu wahren, vergoß die Regierung das Blut nackter Wilden wie Wasser; sie besänftigte Irland derart, daß bei einer Parlamentswiederwahl die liebe Schwesterinsel mit 70 bis 80 englandfeindlichen Abgeordneten im Unterhause auftritt; sie kräftigte den Wohlstand so, daß augenblicklich die Schiffe aus Mangel an Fracht seierw, die Banken nicht wissen, wo sie ihr Geld anlegen sollen. Vom Ob er Haufe sagt er: Zugegeben, daß das Oberhaus eine anfechtbare Einrichtung ist — was ich aber durchaus nicht zugebe — wir haben es nicht geschaffen. Wir kamen hinein durch die Staatseinrichtung, so wie sie uns überliefert wurde und wie wir sie vorsanden; sollen wir unsere Pflicht vernachlässigen, weil ein Argwohn gegen dieses Institut laut wird? Aber das Oberhaus ist die einzige Bürgschaft gegen die Tyrannei einer zweiten Kammer. Lord R. Churchill versuchte, die Regierungshandlungen Gladstones als eine einzige Kette von Fehlern, Unfällen und Verderbtheiten darzustellen. Er beleuchtete den Pakt Kilmainham, den Krieg mit den Boeren, die Behandlung Cetewayos, die egyptische Frage, die Konferenz, die parlamentarische Geschäftsordnungsfrage, die Verschwendung u. s. w.
Tages - Neuigkeiten.
Neuweiler. Am Montag, denn 11. d. M., Abends zwischen 7—8 Uhr, ist im Walde des Christian Käppler. Bauer von Würzbach, in der. Nähe vom Emzhof, Markung Würzbach, Feuer ausgebrochen. Durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr von Calmbach wurde das Feuer alsbald gelöscht, so daß kein erheblicher Schaden entstanden ist. Die Entstehungs- Ursache ist unbekannt.
F ^-^"o n der Nagold. 12. Aug. Im Bad Tein ach beträgt die Zahl der Kurgäste wohl noch über 500. Ein allmaliger Rückgang ist bemerkbar. doch treffen täglich neue Gäste und Passanten ein. Wohnungen sind allenthalben zu erlangen. Vorwiegend ist die Zahl der Gäste aus den' Landen jenseits des Main. Genaue Beobachtungen in der Trinkhalle ergeben, daß die Mehrzahl der Mineralwassertriyker der Bachguelle den Vorzug giebt, während der Hirschquelle die Füllungen der zur Versendung nach allen deutschen Gauen und nach Frankreich kommenden Gefässe entnommen werden. Die heiße Jetztzeit giebt diesem Geschäft ununterbrochenen Fortgang bei Tag und bei Nacht, obwohl stündlich 250 Krüge »erfüllt und verkorkt zu werden vermögen. Ausflüge zu Fuß und zu Wagen erfolgen- nach Zavelstein, Calw, Wildbad^Freitag Abend wurde im großen Saale des Kurhauses von den H. H. -M a r u m (Violinist) , Götschius (Pianist) und Duß (Opernsänger), sämtliche aus Stuttgart, ein Concert gegeben, das bei der bekannten
JeiriLLeton.
Brandstifters Jore.
Eine hessische Dorfgeschichte von E. Mentzel.
(Nachdruck »erboteu.1
(Fortsetzung.)
-enetraud wandte ihren Kopf zur Seite, als schaue sie nach irgend einem Gegenstände un nahen Waldpfade. Dabei spielte aber ein so boshaftes Lächeln um ihren Mund, daß keine Spur von der vorigen Anmut mehr in ihren Zügen zu finden war. Doch nur einen Augenblick dauerte diese Veränderung, dann sah sie ihren Geliebten wieder mit unschuldiger Miene an und sagte: „Freilich, wenn Du das meinst, Franzel, wenn ein doppelt Glück davon abhängt, dann Han ich auch doppelt Grund, beherzt und mutig den wichtigen Schritt zu thun!"
„Siehst Du. ich Han ja gewußt, daß ich nur zu guter Stund' das rechte Wort bei Dir auszuthun brauche!" rief er jubelnd, indem er sie, wie eine Mutter ihr Kind, streichelte und liebkoste.
. „Aber jetzt mußt Du geh'n, Franzel, bat sie inständig und machte sich von seinem Arm frei. „Glaub', wenn sie erst unser gemeinsam Fortsein bemerken, dann wird's mein Vater gewahr und dann ist zum Voraus Alles vorbei!"
„Das seh' ich ein, obgleich ich jetzt Dein lieb' Antlitz in einem fort anschau'n und alles Böse von vorhin wieder gutmachen möcht'! Gelt' Lene- raud, denkst' nit mehr d'ran zurück?"
„Wenn Du meine Gedanken nit selbst wieder d'rauf bringen willst, gewiß nit. Aber ich Han dem jungen Schulmeister, der später kommen will, 'nen Walzer versprochen, da wird wohl das alte Lied in neuer Weis' wieder von vorn' angehen!"
„Den blonden Schulmeister fürcht ich nit!" sprach Franz bestimmt. „Doch wenn Du's vermeiden könnt'st, mit dem Hanjust zu walzen, dann gäbst Du mir heut 'nen Liebesdienst, der mich mein Lebtag gegen alle Zweifelqual fest machen könnt'."
„Ich will's schon thun, wenn er mir nur nit nachläuft!"
„Dazu scheint er mir heut kein Schneid zu Han. Er schaut ja wie ein Trübetrost in die Welt und ist vorhin, das Han ick gemerkt, nur auf sein Vater sein Geheiß zum Tanzen gangen."
„So!" rief Lenetraud schnippisch. „Wenn Du das vermerkt hast dann begreif' ich aber nit, vaß Du vorhin so jaloux sein könnt'st!"
„Muß man denn grad' aus Furcht vor eines Andern Lieb' in solchen Zustand kommen?" fragte er bewegt. „Glaub mir, Lenetraud, die Furcht vor eines Andern schöner Gestalt und großem Gut, die Angst vor des Zufalls tückischer Macht über ein Weiberherz, das sind auch Dinge, die einen so weit bringen können!"
„Herr Jesus! Du simulirst ja wie ein Perner!*) gab sie mit merklichem Staunen zurück.
„Die Lieb' macht gescheckt, dys merk' ich jeden Tag!"
„Doch jetzt geh', Franzel, es ist die höchste Zeit!"
') Tu hast ja Gedanken wie ein Pfarrer.