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schau gerade ebenso rücksichtslos gegen die deutsche Sprache und die deutschen Beamten gewirthschaftet. Der Antrag wird einer besonderen Kommission von 2 t Mitgliedern zur Vorberathung verwiesen. Es folgt die Berathung des Antrages Stauffenberg-Hyffmann.den Reichskanzler zu ersuchen, Erhebungen darüber anstellen zu lassen, ob es sich empfiehlt, solchen ehemaligen Militärpersonen einen Pensionsanspruch zu gewähren, bei denen im Kriege erlittene Beschädigungen erst nach dem Präklusivtermin hervorgetreten sind. — Kriegsminister Bronsardt von Schellendorf bemerkt, daß Erhebungen, wie sie in dem Anträge gewünscht werden, in dem preuß. KnegSministerium stattfinden, auch jetzt schon haben die Behörden in allen Fällen, wo der Präklusivtermin nicht inne gehalten werden konnte, aus dem Dispositionsfonds den Verletzten Entschädigungen gewährt. Abg. von Minnigerode (Kons.) hält den Antrag für erledigt durch die Erklärungen des Kriegsministers, während die Abg. Hoffmann (Freis. Part.) Buhl (Nat.-Lib.), Windthor st und Remdel (Zentrum) für die Annahme des Antrages stimmen werden. Der Antrag wird hierauf angenommen. Das Haus vertagt sich. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr: Militär-Pen- sions-Gesetz, Relikten-Gesetz und Hilfskassen-Vorlage.
— Wie aus Alexandria gemeldet wird, sind Dr. Koch und die übrigen Mitglieder der deutschen Cholera-Commission von Kairo daselbst eingetroffen, um sich mit dem nächsten Postdampser nach Brindisi einzuschiffen. Dieselben sollen die Ansicht ausgesprochen haben, daß, da sich bei dem Eintreten der intensiv heißen Jahreszeit in Egypten keine Cholerazeichen ergeben hätten, das Land in diesem Jahre voraussichtlich von der Cholera befreit bleiben würde.
— Aus Kiel wird dem Franks. Journal über die Probe-Mobilisirung der deutschen Flotte und die Indienststellung des diesjährigen Uebungs- geschwaders berichtet. Die Panzerkorvetten „Baden," „Bayern", „Sachsen" und „Württemberg" wurden mit je 354 Mann, die Panzerkanonenboote „Biene" , „Camäleon", „Crocodill" und „Hummel" mit je 76 Mann, die Torpedoboote „Kühn", „Scharf" und „Vorwärts" mit je 13 Mann und die Avisos „Blitz" und „Grille" mit folgeweise 127 und 82 Mann besetzt. Die Mobilisirung erfolgte im Laufe von drei Stunden und ist dadurch die Schlagfertigkeit unserer Marine in glänzender Weise documentirt.
O e st e r r e i ch.
Wien, 23. April. In Krakau schleuderte gestern ein gewisser Ma- lankiewitz eine Petarde gegen das dortige Polizeidirektionsgebäude, und wurde darauf verhaftet. Derselbe ist zweifellos das Werkzeug einer geheimen Sozialistengesellschaft; er gab an, daß er den Polizeikommiffar Kostrzewski tödten wollte, weil dieser die Sozialisten verfolge.
Frankreich.
— Telegramme aus Tongking melden, daß in der Expeditions-Armee der allgemeine Schlachtruf: „Nach Peking" laut wird, und daß dieses Verlangen bald die allgemeine Loosung im Heere sein wird. Es scheint geboten, diese kleinen Tendenzdepeschen nicht außer Acht zu lassen, ob sie nun wirklich aus Tonkin geflogen kommen oder ob man ihnen diese Reise erspart und sie einfach in einem Pariser Ministerhotel ausgeheckt hat. Der Gedanke eines frischen, fröhlichen Zuges nach Peking beseelte von Anfang an den Ministerpräsidenten sowie den gegenwärtigen Marineminister.
Rußland.
— Ein Gerücht will wissen, Degajew, der Mörder Sudeikin's, sei in Odessa verhaftet worden. Es sind indessen über Degajew schon so viele Gerüchte verbreitet gewesen, daß auch dieses mit Argwohn aufzunehmen ist. Daß übrigens die Nihilisten wegen der Entdeckung Degajew's sehr besorgt sind, beweisen die fortgesetzten Vertheilungen von Proklamationen, namentlich unter den Bauern und Arbeitern, in welchen unter Todesandrohungen vor Angeberei gewarnt wird.
Schweden.
— O diese Weiber — ist man versucht auszurufen, wenn man erfährt, daß sich in Stockholm gegen 100 Frauen und Jungfrauen, darunter viele Gemahlinnen und Töchter höherer Offiziere zu einem „Schwedischen Frauenverein" zusammengethan haben. Der Ueberschuß der jährlichen Einnahmen werden dem Könige als Beitrag zur schnelleren Vollendung der Festung Karlsberg zur Disposition gestellt.
Türkei.
— Zu Ehren des österreichischen Kronprinzenpaares wird in Konstantinopel eine selbst für den Orient unerhörte Pracht entfaltet. Wir waren bisher der Ansicht, daß die türkischen Finanzen durchaus nicht so g länzende seien, daß man sich s olche Extraausgaben gestatten könnte.
Tages - Neuigkeiten.
Calw. Der Stuttgarter „Zitherkranz" hat sich auf Wunsch von einigen hiesigen Freunden bereit erklärt, ohne irgend welche Ansprüche, hier ein Concert zu geben und hat sich der „Calw er Liederkranz" entschlossen, dasselbe in Gemeinschaft mit diesem Verein an einem Sonntag im Mai zur Ausführung zu bringen.
Stuttgart, 23. April. Oberbürgermeister Hackh hat sein Mandat als Abgeordneter für Stuttgart (Stadt) niedergelegt.
W. 0. Stuttgart, 23. April. Von den französischen Juwelenschwindlern sind ganz zuverlässigen Berichten zufolge, entgegen früheren ungenauen Berichten, 2 noch in Haft, wie auch ihre Waarenvorräthe in Gerichtshänden sind. Die Untersuchung ist noch nicht beendigt. Die Verhaftung erfolgte auf auswärtige Requisition.
Vaihingen a. E., 21. April. Der Schaden an den Reben durch den Frost dürfte nach dem Ulmer Tagblatt auf drei Viertel der aus der Wolle geschlüpften Schosse anzugeben sein. Wie weit die noch weniger vorgeschrittenen Augen gelitten, kann erst in ein paar Tagen mit Sicherheit an, gegeben werden.
Ludwigsburg, 21. April. Die „Ludw. Ztg." berichtet: „Heute früh hatten wir am Neckar starken Reif und Eis. Gut war's, daß die Morgensonne von Wolken verschleiert war. Die Obstbäume scheinen daher wenig Noth gelitten zu haben; denn hell und klar prangen sie wieder in ihrem Blüthenschmuck. — Vom Remsthal erfahren wir, daß der Schaden der Frostnacht in den Weinbergen dort theilweise bedeutend sei."
— Dem Apotheker Niethammer in Lonsee, welcher unbefugt den Bahnkörper zwischen den Stationen Westerstetten und Lonsee betreten hatte, wurde am 22. d. M. um l'/i Uhr Morgens vom Güterzug 613 der rechte Fuß abgefahren.
Ravensburg, 23. April. Als Kuriosum mag mitgetheilt werden, daß bei der Musterung hier sich aus der Gemeinde Blitzenreute ein Rekrut befand, der sammt Stiefeln, Kleidern, Hut und Strauß 23 Kilo gewogen hat; seine Länge mag etwa 1 Meter betragen. Unter den Ravensburgern war einer mit 26 Kilo und ungefähr von derselben Größe wie der von Blitzenreute.
Gebhardsweiler, 22. April. Dieser Tage verkaufte Gutsbesitzer Benzing von hier an den Händler Huber in Uhldingen sein dieses Jahr zu erwartendes Kirschenerträgniß von 25 Zentner zu 6 per Zentner franko Station Uhldingen, ohne den Arbeitslohn.
Aus dem Vorbachthale, 21. April. Mit banger Ahnung bemerkte man gestern Abend gegen 8 Uhr das Aufhellen des Firmaments und richtig brachte die vergangene Nacht solch empfindlichen Frost, daß es diesen Morgen allenthalben Eis gab. Der junge Klee hat sehr gelitten, empfindlicher noch hat aber die Kälte den reichen Blüthenschmuck der Obstbäume getroffen; die Blüthen sehen zum größten Theil gelb aus und fallen ab. Auch die Weinstöcke — namentlich die etwas vorgeschrittenen Triebe — sind theilweise erfroren.
Heilbronn, 23. April. Auf der Werste des Herrn I. A nderssen in Neckarsulm fand nach der Neckar-Ztg., gestern Nachmittag der Stapellauf eines neuen Kettendampfers der Schleppschifffahrt auf dem Neckar anstandslos statt. Nach Montirung dieses neuen Fahrzeugs, das voraussichtlich in den ersten Tagen des Juli in Dienst gestellt werden kann, ist die Gesellsaft im Besitz von 6 Dampfern, eine Zahl, aus der in erfreulicher Weise das Prosperiren des Unternehmens hervorgeht. Die Außendimensionen der früher gebauten fünf Kettendampfer wurden beibehalten nämlich 45 m Länge über Deck, 6,5 m Breite und 2,4 m Höhe mittschiffs; im Inneren des Schiffes dagegen sind einige erfahrungsgemäße Verbesserungen angebracht worden. Der Kettendampfer Nr. Vl erhält nun im Hafen von Neckarsulm seine beiden Dampfkessel; dieselben sind Wellrohrkessel, auf der Werste selbst
„Ich wollte eben sagen, Sie seien ein Schlaukopf, daß Sie ein so prächtiges Instrument zu einem solchen Spottpreise erstanden Haben," nahm Werner das Wort; „aber wie ich mich jetzt überzeuge, haben Sie gerade kein gutes Geschäft gemacht. Einmal ist der Ton sehr matt, die Tasten sind vollständig abgeleiert und dann bedarf es auch in äußerer Hinsicht einer
Reparatur. Auch ist es nicht wenig verstimmt. Was sagen Sie dazu,
junger Mann?"
Der Clavierspieler, an den diese Frage gerichtet war, saß unbeweglich. Kein Zug in seinem Antlitz verrieth, daß er den Sinn der soeben gesprochenen
Worte erfaßt hatte. Der Wirth krazte sich verlegen hinter dem Ohr.
„Warum haben Sie mich nicht zu Rathe gezogen?" fuhr Werner fort.
„Hm, hm! wollte Ihnen eine Ueberraschung machen! Glaubte, es Wunder wie billig erstanden zu haben. Versicherte mir doch der alte Moses, es sei unter Brüdern seine Hundertundfünfzig werth, und so viel wollte er auch haben für das Ding. Neu ist freilich der alte Klapperkasten nicht mehr, aber zu theuer glaubte ich ihn auch nicht bezahlt zu haben.
„Nun wir wollen sehen, wie es sich macht!" beruhigte ihn Werner; „jedenfalls haben Sie gut daran gethan, ein Instrument anzuschaffen. Es ist immer besser, als wenn ich allein Musik machen müßte, und Sie werden Ihre Rechnung schon finden."
„Ich hoff doch, es soll wieder einkommen," meinte Wilke kleinlaut, m dessen Zügen deutlich der Verdruß über seine Leichtgläubigkeit ausgeprägt lag.
Der Pianist hatte während all' dieser Vorgänge nicht das leiseste Zeichen von Theilnahme kund gegeben. Fort und fort stierte er auf die Tastenreihe, und keine Minute hatt^sein Antlitz den Ausdruck des Stumpf-
uns verleugnet, der auf seinem ganzen Wesen ausgeprägt lag. Drauße» n Schänkzimmer aber schwirrte es bereits wie in einem Bienenschwarm, nd hin und wieder drangen einzelne Matrosen mit lautem Rufen, Lachen der Singen in den Saal.
„Ich denk', wir können anfangen," wandte Werner sich an den stummen
tollegen. , . .
Aber auch diese Anrede schien Jener überhört zu haben, denn noch rimer nicht zeigte sich eine Spur von Leben in den starren Zügen.
Werner legte ihm die Hand auf die Schulter: „Habt Ihr nicht ge- vrt, Freund? wir wollen anfangen!" ^
Wie aus einem düsteren Traum erwachend, schreckte der Angeredete uf. Den Kopf emporwerfend, schaute er beinahe verwundert den Violinisten nt offenem Munde an. Der Letztere konnte eine Regung des Mitleids icht unterdrücken, als er in die großen, wafferblauen Augen sah und darin eben dem Ausdrucke einer tiefen Zerrissenheit des Gemüths jene stupide Gedankenlosigkeit zu erkennen glaubte, die auf eine große geistige Verkommenheit chließen laßt. ^ , .. ...
„Anfängen? was?" fragte er in dumpfem Tone, als besinne er sich uf etwas, das seinem Gedächtniß längst entschwunden.
„Der Mann scheint sehr schwer von Begriff zu sein," murmelte Werner mmuthig vor sich hin. „Freund!" fuhr er laut fort, „thut doch nicht, als >b Ihr den Verstand verloren hättet. Seht Euch doch die Leute hier m," flüsterte er ihm in's Ohr. „Die wollen tanzen und lustig sein, und >aß sie dieses können. dazu sind wir hier. Wollen wir unsere Rechnung inden, so dürfen wir es nicht mit ihnen verderben. (Forts, folgt.)