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Cannstatt, 14. April. Heute Nachmittag 1 Uhr wurde das Volksfest mit Bazar eröffnet. Schnell füllten sich die weiten Räume des Kursaals und gleich zum Anfang wurde dem Volksfest eine Freude und Ehre zu Theil, auf die man bei der ungünstigen Witterung nicht zu hoffen gewagt hatte — der Besuch Ihrer Majestät der Königin. Um halb 3 Uhr erschien Dieselbe mit Ihrer Staatsdame Baronin v. Maffenbach und geruhte nun, eine Schaubude um die andere zu besuchen und von allen Verkaufstischen gründliche Einsicht zu nehmen. Für die Mitwirkenden (meist Söhne und Töchter hiesiger Familien) hatte Höchstdiefelbe überall huldvolle Worte, machte viele Einkäufe und gestattete sogar im photographischen Atelier eine Aufnahme Ihres Bildes. Den größten Jubel aber erweckte es, als Ihre Majestät an der Glückstonne viele Kinder durch die herausgezogenen Gaben glücklich machte. Nachdem die Königin auch noch die Restauration mit einem Besuch beehrt hatte, zog Sie sich nach einem mehr als einstündigen Besuch unter den Hochrufen der freudig bewegten Menge wieder zurück. Mögen auch die folgenden Tage, wie der heutige erste Tag dem Unternehmen günstig sein, vamit der hiesigen Olgakrippe eine nachhaltige Unterstützung und Förderung daraus erwachse.
Vom hintern Murrthal, 12. April. Während überall am Karfreitag feierliche Stille und Ruhe herrscht, bringt dieser hohe Festtag in die Stadt Murrhardt alljährlich ein reges Leben und Treiben. Eine höchst merkwürdige Sitte hat sich nämlich noch aus vorreformatorischer Zeit in unserer protestantischen Gegend erhalten: die Walderichskirche, auf einer lieblichen Anhöhe beim Friedhof der Stadt gelegen, ist an diesem Tag das Wallfahrtsziel vieler Hundert gläubiger Seelen aus dem Murrhardter-, Welzheimer-, Mainhardter Wald, den Löwensteiner- und Limpurger Bergen rc., die nach frommer Betrachtung des dort ausgestellten „Oelbergs" dem in einer Mauerhöle angebrachten Opferstock ihr oft reichliches Scherflein weihen. Es ist unseres Wissens Murrhardt der einzige Wallfahrtsort der evangelischen Kirche. Der Opferbetrag war in früherer! Jahren reichlicher (1000—2000 Gulden) als jetzt (500—1000 Mark); er fällt der Stiftungspflege zu. Wirthe, Bäcker und Metzger machen an diesem Tage die besten Geschäfte. Der Andrang war am gestrigen Tag ein besonders starker; die Wirtschaften waren Nachmittags alle überfüllt.
Tuttlingen, den 14. April. In Folge des zweiten, im Anfang des Monats März hier ausgebrochenen Brandunfalles war noch in derselben Nacht eine Frauensperson als der Brandstiftung verdächtig festgenommen worden. Sie hat ihre Schuld an dem genannten Unglück zugegeben. Letzten Samstag Morgens nun wurde dieselbe erhängt im Gefängnisse des Amtsgerichts gefunden. Was die erste in den letzten Tagen des Januar stattgehabte Feuersbrunst betrifft, so liegt darüber noch tiefes Dunkel.
Blaubeuren, 11. April. Letzten Sonntag Abend wurde ein Knecht von Markbronn, welcher hier den Betrag für gelieferten Haber in Empfang genommen hatte, von einigen Burschen von Gerhausen auf dem Heimwege angefallen und ihm unter Todesandrohung das Geld abgefordert Der Knecht konnte sich der Burschen erwehren, worauf dieselben die Flucht ergriffen. Der Angefallene hat dieselben erkannt und zur Anzeige gebracht. Dieselben wurden verhaftet und am Donnerstag nach Ulm abgeliefert.
Ravensburg, 12. April. In der vorigen Nacht etwa um 12 Uhr wurde hier im Haus des Rechtsanwalts I. in der Eisenbahnstraße ein ungewöhnlich frecher Einbruch verübt, so lange in den benachbarten Wirth- schaften noch Gäste verweilten. Der Dieb stieg auf einer Leiter durch das Abtrittfenster in das von Ingenieur B. bewohnte erste Stockwerk, von wo aus er sich in den Salon begab, um daselbst den Sekretär zu erbrechen. Hiebei erwachte der Besitzer und rief den Eindringling an; dieser flüchtete sich in den Abtritt und riegelte die Thüre von innen zu. B. rief nun auf die Straße um Hilfe; ein Nachtwächter sprang herbei und wollte eine Mannesperson, welche vor dem Haus Wache gestanden war, festnehmen, was ihni aber nicht gelang. Der Fremde feuerte aus nächster Nähe einen Revolver auf den Nachtwächter ab, ohne zu treffen, worauf er davon sprang und eine größere Strecke Wegs verfolgt, aber nicht mehr eingeholt wurde. Während des Vorgangs vor dem Haus war es dem Einbrecher ebenfalls gelungen, durch das Abtrittfenster wieder zu entfliehen.
Ravensburg, 13. April. In den letzten 8 Tagen haben die
Frschotterjäger Ewald und Wilhelm Schmidt 8 Otter erlegt, worunter 5 Ottermütter mit 3 ungeborenen Jungen. Ihre dazu abgerichteten Hunde haben übrigens noch weitere Baue angezeigt.
Metz, den 10. April. Seit gestern ist der Entwurf des auf der Höhe des St. Quentinberges geplanten Mausoleums öffentlich ausgestellt. Dasselbe ist zur Aufnahme der Gebeine aus den Kriegsgräbern um Metz bestimmt und enthält deßhalb in seiner unteren Parthie eine große Gräberhalle, lieber derselben erhebt sich eine terrassenförmige Anlage mit monumentaler Freitreppe und verschiedenen Figurengruppen. Die Hauptfigur stellt den Friedensengel dar, der in der Rechten die Friedenspalme hält, während die Linke den Tapferen den Lorbeer reicht, und befindet sich in einem tempelartigen Aufbau mit Kuppelbedeckung. Das Ganze ist in italienischer Hochrenaissance gehalten und wird bei seinem weithin sichtbaren Standorte eine Hauptzierde des Moselbeckens bei Metz bilden.
Eingesandt.
Bitte.
Nachdem die Turnhalle im Innern in jeder Beziehung dem Zwecke vollständig entsprechend und freundlich hergerichtet ist, so erlaubt man sich auf die sehr unreinen Fenster aufmerksam zu machen und zu bitten, daß für die Reinigung derselben gesorgt wird.
Dieser Bitte schließt sich ein weiteres Eingesandt, jedoch nur im Auszug, an. Der Einsender wünscht, daß die unzähligen Steine auf dem Brühl entfernt und der Weg besser geebnet werden möchte, da diese Anlage mit den neuen — unmöglich mehr zu verunschönenden — Bänken nicht nur an Markttagen Verwendung finden, sondern auch als Promenade für Menschen dienen soll._
Calw.
AanäwirMHastlicker KezirHsoerein.
In der landwirthschaftlichen Haushaltungsschule in Herrenberg beginnt mit dem 1. Mai ein neuer 5 Monate dauernder Kurs. Der hohe praktische Werth dieser Schule für die tüchtige Ausbildung der Töchter aus dem Bauernstands zu ihrem künftigen Berufe bedarf kaum einer besonderen Empfehlung und ist auch im hiesigen Bezirke bereits durch mehrfache Beschickung derselben anerkannt worden. Es wird in dieser Schule nicht nur in den Haushaltungsgeschäften, als Kochen, Backen, Waschen, Bügeln, Putzen, Hausgärtnerei, Geflügelzucht, sondern auch in den sog. weiblichen Arbeiten, einschließlich des Nähens mit der Maschine, im Briefschreiben und der Hausbuchführung, sowie endlich auch in der Gesundheitslehre und Krankenpflege Unterricht ertheilt. Das Kostgeld pro Monat beträgt 24 , während das Lehrgeld aus -er Bereinskasse bezahlt
wird.
Die Schülerinnen sollen in der Regel in dem Jahre ihres Eintritts wenigstens das 17. Lebensjahr zurücklegen. Den Anmeldungen, welche sofort zu erfolgen haben, ist der Geburts- und Impfschein und das Schul« zeugniß beizulegen. Statuten sind bei dem Vereinssekretär zu haben.
Indem wir dies zur allgemeinen Kenntniß bringen, laden wir zur Beschickung der Schule freundlich ein und sind nötigenfalls zur Vermittlung der Anmeldung gerne bereit.
Calw, 14. April 1884. Der Vereinsvorstand:
Flaxland.
E. Horlacher, Secr.
Calw.
Ean^lviet^^aMHee ^ezir^soerei n.
Die Gartenbauschule.
welche seit 2 Jahren von Gärtner Mayer mit Unterstützung des landw. Vereins gehalten wurde, soll auch in diesem Jahr wieder eröffnet werden. Der Unterricht wird in 2 Kursen in den Monaten Mai und Juni ertheilt und können an jedem Kurse 6 Mädchen im Alter von wenigstens 15 Jahren und zwar 2 von der Stadt und 4 vom Lande Theil nehmen. Das Lehrgeld wird auf die Vereinskasse übernommen und außerdem den auswärtigen Schülerinnen ein Beitrag von je 10 -4L zu ihren Auslagen für Kost und Woh-
Und damit faßte er den jungen Musiker bei der Hand und zog ihn an den nächsten Tisch.
„Hier meine Herren!" wandte er sich, das laute Getöse überschreiend, an die an demselben sitzenden Personen; „haben Sie die Gewogenheit, sich diesen jungen Mann einmal näher anzusehen. Das ist der Herr, von dem ich Ihnen sagte, daß die Steine aus dem Straßenpflaster springen und zu tanzen anfangen, sobald seine Fiedel den ersten Ton von sich gibt."
„Hollah!" klang es zurück. „Platz für unseren Musikus — sei willkommen Junge! und ein Dutzend muskulöser Hände streckten sich Werner entgegen, der sich im nächsten Augenblick von einem Kreise junger, keck dreinschauender Bursche umringt sah.
„Na. Blitzjunge!" gurgelte eine dröhnende Matrosenkehle im tiefsten Baß, „hiss auf die Segel und lauf aus. Wilke! Ein Glas Nordpool für den Schwerenöther! Ist etwas zaghaft, die Landratte!"
Werner fühlte sich verletzt, aber das gutmüthige Lachen des Sprechers bewog ihn, seinem Antlitz einen freundlicheren Ausdruck zu geben.
Der Wirth brachte ihm auf einem Präsentirteller ein Glas heißen Grog und flüsterte ihm die Mahnung zu, in den nebenan befindlichen Saal zu treten, dessen Thür bereits geöffnet war und aus welchem die eben an- gezündeten Kerzen des Kronleuchters einen Hellen Schein in das Gastzimmer warfen.
Wie um sich Muth zu dem Kommenden zu holen, stürzte er die dampfende Flüssigkeit hinunter und trat dann in das Nebenzimmer, welches auf die Bezeichnung „Saal" seines geringen Umfanges wegen kaum Anspruch machen
konnte. Ihm nach wälzte sich die Schaar der tanzlustigen Seeleute, die schon, während er sein Instrument aus dem Kasten nahm und zu stimmen begann, ihrer Munterkeit in allerlei grotesken Sprüngen und Pas Ausdruck gaben. Kaum aber waren die ersten Takte eines neuen beliebten Walzers erklungen, als der Jubel der tollen Versammlung in einem donnerähnlichen Gebrüll losbrach, derartig daß die Wände des Saales zu erbeben schienen.
Gleichzeitig begann ein wirres Durcheinander der walzenden, springenden und hüpfenden Paare. Die Haushälterin des Wirthes, welche keineswegs mehr in dem jugendlichen Alter stand, in welchem man an derartigen Vergnügungen Geschmack findet, die Schankmamsell und ein anderes Dienstmädchen wurden herbeigeholt. Auch war es einigen unternehmenden Burschen gelungen, etliche flinke Dirnen aus den Nachbarshäusern zur Theilnahme an der Festlichkeit zu bewegen, und so nahm die Fröhlichkeit bald einen allgemeinen Charakter an.
Werner strich unermüdlich fort. Schnelle Walzer, Galoppaden un- schottische Tänze, in welche er geschickt die bekanntesten und beliebtesten Seemannslieder, zum Polkatact verarbeitet, einflocht, jagten sich in unterbrochener Folge, und die vollständige Zufriedenheit der Tänzer gab sich in reichen Geldspenden kund, welche dem fleißigen Musiker zu Theil wurden.
Zwei Stunden hatte er rüstig fortgearbeitet. Der Schweiß stand ihm in dicken Tropfen auf der Stirn, und er fühlte, daß er einer kurzen Pause zu seiner Erholung dringend bedürfe. Daran aber, das sah er deutlich ein. durfte er für jetzt nicht denken.
(Fortsetzung folgt.)