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Mhe des gleichen Ortes vergriffen sich gestern Nachmittag zwei Stromer an einem seines Amts waltenden Landjäger und suchten ihm das Gewehr zu entreißen, so daß der Angegriffene zum Haubajonett greifen mußte. Das half. Die beiden strolche konnten noch gestern Abend ans Amtsgericht Balingen eingeliefert werden.
Boston, 19. Jan. Der Dampfer City of Kolumbus mit 81 Passagieren-, mm denen ein Drittel Frauen und Kinder waren, scheiterte gestern auf eineKFahrt von Boston nach Savannah bei dem Cap Gayhead an der Westspitze der Insel Martha Vineyard an der Küste von Massachusetts. 104 Personen kamen dabei um, darunter 55 Paffagiere erster, 15 zweiter Klaffe und 34 Personen von der Mannschaft. 22 Personen wurden gerettet. Im Augenblick des Scheiterns stürzte alles auf das Deck und wurden fast alle von den Wellen fortgeriffen. Unter den Ertrunkenen befindet sich O. Jafigi aus Boston, türkischer Generalkonsul für die Union. Nach weiteren Meldungen sind 119 Personen dabei umgekommen. Nach der Schilderung von Geretteten soll das Unglück dadurch veranlaßt worden sein, daß der Steuermann das Steuerrad auf etwa 20 Minuten verlassen hatte, während welcher Zeit das Schiff von seinem Kurse abgewichen und zwischen Felsen gerathen war. Der Steuermann suchte schließlich das Schiff gegen die Küste zu treiben, dasselbe sank indeß innerhalb 10 Minuten.
Die württembergische Arbeiterkolonie Dornahof, bei Althausen,
Oberamt Saulgau.
Nachdem diese Kolonie den 15. November v. Js., zunächst mit zehn Kolonisten, eröffnet wurde, wurde am 30. Nov. v. I. die Anschaffung von weiteren 20 Betten beschlossen, da der Zudrang der Arbeitsuchenden sich mit Eintritt des Winters von Tag zu Tag mehrte. Heute ist jeder verfügbare Raum besetzt und es mußten schon viele, welche um Aufnahme nachsuchten abgewiesen werden.
Unsere 30 Kolonisten, welche sich derzeit hier befinden, rekrutiren sich aus den verschiedensten Ständen, unter denen jedoch die Taglöhner, meist landwirthschaftliche Arbeiter, mit 13 Mann vorherrschen. Ferner haben wir je 2 Bäcker, Kaufleute, Buchdrucker, Viehfütterer resp. Melker, sodann je 1 Gärtner, Bierbrauer, Schreiner, Säger, Heizer, Jpser, Ziegler, Hafner, Goldarbeiter.
Abgegangen sind 2 landwirthschaftliche Arbeiter in feste Stellen, ein Kaufmann wegen Kränklichkeit, 1 landwirthschaftlicher Arbeiter wurde wegen Unbotmäßigkeit entlassen, und 1 Schneider verließ die Kolonie aus Heimweh nach dem Zuchthaus, indem er wiederholt erklärte, er mache, daß er wieder nach Rottenburg komme, dort habe er es besser als hier.
Man begegnet so häufig der Ansicht, daß sich in den Arbeiterkolonien nur der Abschaum der Menschheit zusammenfinde; dem ist aber durchaus nicht so. Wir haben ein sehr gutes Mittel, die Arbeitsscheuen fern zu halten, das ist strenge Arbeit und Ordnung. Die eigentlichen Vagabunden ziehen entweder mit Hohn an unserer Kolonie vorbei, oder meiden die Gegend ganz, weil sie beim Fechten der stereotypen Antwort begegnen: „geht in die Arbeiterkolonie."
Wir haben zum Theil ganz tüchtige Arbeiter, welche durch vorübergehende Arbeitslosigkeit sich veranlaßt sahen, Aufnahme in der Kolonie zu suchen. Sie bilden auch immer den Kern der Kolonie, um welchen sich die übrigen gruppiren.
Der.Tageslauf in unserer Kolonie ist folgender: Morgens um 5^ Uhr wird aufgestanden; dann waschen sich die Leute, richten die Betten und reinigen die Zimmer. Um 6^ Uhr ist Frühstück, nach demselben eine kurze Morgenandacht und um 6>/z Uhr beginnt die Arbeit, welche von Martini bis Lichtmeß ununterbrochen bis 12 Uhr währt. Von 12—1 Uhr ist Mittagessen und Ruhezeit, wonach die Arbeit wieder von 1—6 dauert. Um 6Vz Uhr ist Abendessen, von 7—8>/z Uhr beschäftigen sich die Leute mit Lesen u. s. w. Sodann ist die Abendandacht und um 9 Uhr ist Alles in Ruhe. Von Lichtmeß bis Martini ist Vor- und Nachmittags je V? Stunde Pause zum Einnehmen des Vespers. Die Kost ist möglichst einfach aber kräftig mit drei Fleischrationen in der Woche.
Die Arbeit besteht, soweit die Leute nicht auf ihr Handwerk zu thun haben, also insbesondere in der Schneiderei, Schusterei, Schreinerei und Gärtnerei, aus den gewöhnlichen ländlichen Arbeiten; die Stallungen werden durch die Kolonisten besorgt; das Wenige, was an Früchten übernommen wurde, wird mit dem Flegel gedroschen, das Futter mit der Maschine durch Handarbeit geschnitten. Sodann haben wir ausgedehnte Ent- und Be- wässerungsarbeiten mit massenhaftem Erdtransport. Sind doch in den letzten Wochen mehr als 400 Kubm. Schlamm aus dem, durch das Gut fließenden Bach und aus dem Hauptabzugskanal herausgeschafft und zu Kompost aufgesetzt worden. An Arbeit wird es auch in den nächsten Jahren nicht leicht fehlen.
Fragen wir nun nach der erzieherischen Thätigkeit, welche durch unsere Anstalt auf die Kolonisten ausgeübt werden soll, so ist natürlich der Zeitraum ihres Bestehens noch zu kurz, um hier von Resultaten sprechen zu können. Aber so viel läßt sich doch mit Sicherheit sagen, daß von vielen der Aufenthalt in der Kolonie als eine Wohlthat betrachtet und anerkannt wird, da er die Leute vor dem Umherliegen auf den Straßen und in den Herbergen bewahrt, und ihnen die Segnungen eines geregelten Hauswesens mnd solider Arbeit bietet, sowie zugleich den Vortheil sich während ihres Aufenthaltes in den Kleidern so auszustatten, daß sie als anständige Menschen wor die Arbeitgeber treten können, — ein Vortheil, welcher durchaus nicht ZU unterschätzen ist.
Ob der Verein von Seiten der Kolonisten viel oder wenig Lank erntet Ar seine Bemühungen, wird erst die Zeit lehren, aber so viel steht fest, daß «ie Arbeiterkolonien für jeden arbeitslosen Menschen, welchem es darum zu thun ist, auf menschenwürdige Weise sein Brod zu verdienen, ein großer Segen sind, und deßhalb der thätigen Sympathie aller Gutgesinnten, sowie
der kräftigen Unterstützung des Staats und der Korporationen sich erfreuen sollten.
Vermischtes.
Prinz Heinrich von Preußen ist auf der Heimkehr von seiner großen Tour begriffen. Die westindischen Inseln find von ihm sehr eingehend besucht worden. Vom Ende November bis Mitte Januar hielt sich Sr. M. Schiff „Olga" in diesen Gewässern auf. Am 23. November kam die Corvette von Kingston auf Jamaica an; am 1. December ging sie nach Santiago auf Cuba wieder in See; am 16. December verließ das Schiff wieder den Hafen und lief am 5. Januar in den Hafen von Havanna ein. Von dort trat die Corvette die Heimfahrt an. Sie wird nun noch zwei wissenschaftliche Abstecher nach den schwimmenden Tangwiesen des Sar- gussum-Meeres und der Südgrenze des nördlichen Treibeises machen, und nach den Azoren, der letzten Poststation vor der Heimkehr, gehen. Im März soll die Corvette dann in die Kieler Bucht einlaufen, von wo sie vor zwei Jahren ihre Tour rund um die Erde begann.
Der Frauenmörder Schenk. Die Untersuchung gegen Hugo Schenk und Genossen hat zwei weitere Verbrechen aufgedeckt, von denen das eine durch einen Zufall verhindert, das andere aber gelungen ist. Im Monat Juli v. I. erhielten einige in Wien ansässige Juweliere und Wechselstubenbesitzer aus Marbach in Niederösterreich Briefe, in welchen I dieselben aufgefordert wurden, Werthpapiere und Pretiosen' gegen Postnachnahme nach Marbach zu schicken. Unterschrieben waren diese Briefe mit den Namen des Pfarrers und des Försters von Marbach. Da bei einer Sendung mit Postnachnahme keine Gefahr zu befürchten ist, so gingen tatsächlich von einzelnen Firmen die bestellten Gegenstände nach Marbach ab. Die Postverbindung mit Marbach ist derartig, daß der Briefträger des Ortes von der in der Nähe befindlichen Eisenbahnstation die Briefschaften und Postsendungen abholt und dieselben dann nach Marbach trägt. Der Weg führt durch einen großen dichten Wald und auf diesen Umstand hatten die verwegenen Gesellen ihren Plan aufgebaut. Alle Drei lauerten zur bestimmten Stunde» da der Briefträger den Wald pasfiren mußte, dem Postboten auf, von dem sie wußte», daß er die mit Nachnahme aus Wien eingelangten Sendungen mit sich führe. Der Plan war dermaßen verabredet worden, daß Schloffarek, wie von ungefähr, dem Briefträger sich anschließen und ihn begleiten solle. Nach einiger Zeit sollte er den Briefträger durch ein starkes narkotisches Mittel betäuben, worauf Karl und Hugo Schenk sich an die Ausräubung der Tasche des Briefträgers gemacht hätten. So weit wäre der Feldzugsplan entworfen gewesen, und es unterliegt auch kaum einem Zweifel, daß er gelungen wäre, wenn nicht ein zufälliger Umstand alle Combinationen zn Nichte gemacht hätte. An jenem Tage nämlich hatte sich, was sonst nie geschah, dem Briefträger ein Postamtsdiener zugesellt, und Schlosserak, der als Erster ins Treffen geschickt werden sollte, hatte nicht den Math, es mit Zweien aufzunehmen. Die Raubmördergesellschaft überlegte dann noch, ob es nicht möglich wäre, sich der angelangten Werthpapiere und Pretiosen durch einen Einbruch im Postgebäude zu versichern, allein die Situation war so ungünstig, daß auch diese Idee aufgegeben werden mußte, und so zogen denn die Drei unverrichteter Dinge wieder ab. Der zweite Fall, der in den Monat April des Jahres 1881 fällt, ist der folgende: Zu jener Zeit hat ein Mann, der sich Langer nannte und dessen Personsbeschreibung auf Hugo Schenk paßt, einem bei einer Wiener Firma beschäftigt gewesenen Comptoiristen unter der listigen Vorspiegelung, daß er ihm einen Dienstposten als Magazinier in der Schafwollwaarenfabrik Franz Kallab und Söhne in Groß-Meseritsch verschaffen werde, als angebliches Darlehen einen Betrag von 70 fl. entlockt. F. I.
— Eine lustige Geschichte von einer mißlungenen Bürgermeisterrede ist die folgende, welche Schw. Fol. erzählt. Jakob ll. König von England kam auf einer Reise nach Southwold, woselbst ein festlicher Empfang beschlossen worden war. Der Bürgermeister hatte sich von dem Stadtschreiber eine Rede verfassen lassen, solche jedoch der Kürze der Zeit halber nicht ordentlich memoriren können und daher den Betreffenden beauftragt, sie zu souffliren. Die Erscheinung des Herrschers verwirrte ihn aber derart, daß er über den Beginn: „Eure Majestät" nicht hinauskam. Der Stadtschreiber wollte ihm Muth einflößen und flüsterte: „Haltet doch den Kopf aufrecht wie ein Mann." Und der unglückliche Bürgermeister wiederholte mechanisch mit zitternder Stimme: „Eure Majestät, haltet doch den Kopf aufrecht wie ein Mann." — „Seid Ihr denn des Teufels, Sir?" fragte der Souffleur leise und betroffen, das Stadtoberhaupt hatte aber jetzt vollends die Fassung eingebüßt und wiederholte laut: „Seid Ihr denn des Teufels, Sire" — „Ich sage Euch, Ihr werdet uns zu Grunde richten!" murmelte der Schreiber verzweifelt und mit schweißtriefender Stirn rief der Bürgermeister nach: „Ich sage Euch, Ihr werdet uns Alle zu Grunde richten!" man kann sich die Wirkung dieser Ansprache vorstellen. Zornglühend wandte der König den total niedergeschmetterten Stadtvätern den Rücken, bestieg seinen Wagen und fuhr mit seinem Gefolge weiter.
Die Einsegnung des Suezkanals, welche den Satzungen der griechischen Kirche gemäß am jedesmaligen Feste der Erscheinung Christi vollzogen wird, fand am 18. d. M. in Port Said mit großem Pompe statt. An der Spitze einer Procession, in welcher Chorknaben in weißer Stola Kreuze trugen, begab sich der Patriarch in vollem Amtsornate nach dem Quai, wo er ein kurzes Gebet verrichtete, den Canal segnete, und ein schwere- goldenes Kreuz in das Meer schleuderte. Ein Dutzend halbnackter Männer, die in Booten warteten, sprangen in das Meer, und es entspann sich ein lebhafter Wettstreit um die Wiedererlangung des Kreuzes. Der Mann, der den Preis davon trug, rannte triefend von Wasser nach der Kirche, wo ee die herkömmliche Belohnung erhielt.