38
Frankreich.
— Im Senat kritisirte Busset die finanziellen Maßnahmen der Regierung und betrachtet die Behauptung, daß das Budget im Gleichgewicht stehe, als eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes. Die Situation sei keine verzweifelte, aber 'eine gefährliche und schwierige. Der Finanzminister wies die Angriffe Busset's zurück; er rechtfertigte das Anwachsen der Ausgaben, er kennt aber als unverläßlich an, dieselben sofort einzuschränken. Demnach muß die allgemeine Finanzlage Frankreichs doch nicht allzu glänzend sein.
— Die Frage der Lumpen- und Kehrichtsammler (Chiffonniers), welche durch die letzte auf Erhöhung der Sanitätsverhältnisse in Paris gerichtete Verfügung des Seinepräfekten in ihrem Erwerb geschädigt worden sind, beschäftigt die Stadt Paris in erster Linie. Die Chiffonniers hatten am Samstag in der Nue Marcadet eine Versammlung, der viele Weiber und Kinder anwohnten. Dieselbe nahm eine Adresse an den Seinepräfekten an; dieser Protest soll am Montag durch eine Deputation überbracht werden. Es wird in der Adresse gesagt, der Erlaß des Präfekten müsse abgeschafft und verlangt werden, daß der Kehricht wie bisher auf die Straßen geworfen werde. Man könne nicht 30,000 Menschen mit einem Federstrich das Brot entziehen. Man glaubt, daß der Präfekt den Erlaß zurückziehen und daß der Kehricht in Paris nach wie vor auf die Straße geworfen wird, wo die Kehrichtmänner morgens zuerst das Beste daraus annektiren, ehe die Abraumwagen kommen und den Rest abführen. Paris wird diese nichts weniger als appetitliche Eigenthümlichkeit behalten.
Rußland.
— In Tiflis hat eine ziemlich heftige mit unterirdischem Getöse verbundene Erderschütterung stattgesunden.
Aegypten.
— Die Engländer meinen es jetzt ernst im Sudan. General Gor - don, ein ausgezeichneter Kenner der dortigen Verhältnisse, ist nach Epypten abgereist, um Bericht über die militärische Lage zu erstatten, sowie Vorsorge für die europäischen Bewohner Khartums zu treffen. In England wird das Vorgehen der Regierung mit lebhafter Genugthuung begrüßt.
. Tages - Neuigkeiten.
Calw. (Eingesandt.) Ein Beispiel von der Verdorbenheit der Jugend, und deren Erziehungsweise heutzutage, liefert ein am letzten Montag in der Nonnengasse vorgekommener Fall: Ein hiesiger Bürger trifft da einen etwa 12jährigen Jungen, der ihm, als Hunden, Katzen u. s. w., aber auch Kindern sehr gefährlich bekannt ist, wie er wieder einen andern Knaben auf seine empörende Weise traktirt, und will ihm seine Unart verweisen, indem er den Schlingel nur am Wamskragen faßt und von seinem Opfer wegzieht, schlägt derselbe mit seiner, mit einem Schuhmacherkneipen und einer Scheere bewehrten Hand, nach dem Manne, ihn so gefährlich in die linke Hand treffend, daß die bis auf die Knochen gehende große Wunde von dem nahen Arzte zugenäht und verbunden werden mußte, und wird der Mann, wenn alles gut ablauft, mindestens 2—3 Wochen arbeitsunfähig sein. — Man sollte nun denken, die Eltern des Jungen würden ihm die wohlverdiente Züchtigung angedeihen lassen, allein da kommt es ganz anders, denn die Mutter geht mit ihrem Gutedel in das Haus des beschädigten Mannes, wo der Junge die Thatsachen, die von Nachbarn bestätigt werden, einfach frech wegleugnet, und die Mutter macht dem Verletzten die schönsten Grobheiten, droht mit Verklagen, und meint, es sei ihm recht geschehen, er dürfe den Buben nicht schlagen rc., statt daß sie, wie der Junge, nur ein Wort des Bedauerns für den Mann hätten. —
o. Letzte Nacht 11^ Uhr ist in Beinberg bei Liebenzell in dein ein- stockigten Wohnhaus des Webers Ludwig Roller daselbst Feuer ausgebrochen, welches in kurzer Zeit, da weder Hilfe noch Wasser sofort zur Hand war, niederbrannte. Eine Abtheilung der Liebenzeller Feuerwehr, war, durch Stationskommandant Schneider auf der Nachtstreife allarmirt, sehr bald zur
Stelle. Ein nahestehendes Haus blieb verschont. Der Eigenthümer ist versichert. Die Entstehungsursache wird in einem Kamindefect vermuthet.
W. 6. Stuttgart. 21. Jau. Der nächste Hofball wird dem St.-A. zufolge am 31. d. Mts. im Königsbau abgehalten werden, gemäß Höchsten König!. Befehls. — Wie die Württ. Lds. - Ztg. wissen will, würde der 3. und letzte Hofball am Fastnacht Dienstag, d. h. am 26. Feb. gleichfalls im Königsbau stattfinden.
— Verlagsbuchhändler Karl Hallberger hat das Ritterkreuz 2. Kl. des Ordens der Württ. Krone verliehen erhalten.
— Das König!. Justizministerium macht im St.-A. bekannt, daß es demnächst mit der Herausgabe eines Amtsblattes des K. Württ. Justizministeriums beginnen werde. Der Preis für Privatabonnenten ist auf 1 70 L jährl. festgestellt.
— Die Stadtgemeinde Hall ist zur Erhebung einer örtlichen Verbrauchsabgabe auf Fleisch ermächtigt worden.
Stuttgart, 22. Jan. Heute, am 22. Jan., feiert unser Landsmann vr. xü. Ist. st zur. Eduard Zeller, Professor an der Uni- verfität in Berlin, seinen 70. Geburtstag. Leider wird ihm derselbe durch den Tod seines theuren Bruders zu einem Trauertag. Die Tausende von Verehrern und Freunden, welche Zeller im schwäbischen Lande zählt, senden ihm zu dem festlichen Tag die herzlichsten Glückwünsche nach Berlin; möge der Gelehrte, welcher längst eine der ersten Zierden des schwäbischen Stammes ist, noch lange Jahre mit frischer Kraft seines hohen Berufes als Vertreter der Wissenschaft walten und unter der Fahne freier Forschung, die er in weniger erfreulichen Zeiten hoch gehalten, noch viele Hunderte vor begeisterten Schülern sammeln!
Stuttgart, 22. Jan. Auf dem Lebensmittelmarkt zeigen sich Produkte, deren Erscheinung nur durch die seltene Milde des Winters zu erklären ist. Hopfensprossen mitten im Winter dürften nicht häufig zum Verkaufe angeboten werden; sie sind nur denkbar bei anhaltend offenem Erdreich. Spargeln lassen sich im geschützten Kasten erzwingen und werden auch um diese Jahreszeit hier Liebhaber finden. Schnecken, die Austern des Nordens, werden in großer Menge angeboten; eigentümlicher Weise hat diese Waare einen festen Preis, der, wie es scheint, von den Gesetzen des Angebots und der Nachfrage völlig unabhängig ist. Der Pflanzenmarkt ist für die Jahreszeit nicht minder karrieristisch. Wann hätte sich eine weiche Gesneria um diese Jahreszeit ins Freie gewagt? Von Faiß in Feuerbach kommen blühende Nelken (remontirend) zum Verkaufe. Weise Levkoyen werden geschnitten angeboten; Rosen und Anemonen, gelbe Margarethchen stammen aus wärmerem Klima. Daß aber der Obstmarkt immer noch in einer fast großartigen Weise befahren werden kann, das verdanken wir wieder der Milde des Winters. Bei 10« Kälte würde der Großmarkt wohl völlig verödet sein. Heute war, insbesondere für einen Dienstagsmarkt, der Umsatz wieder ein sehr erheblicher.
Ulm, 21. Jan. In letzter Zeit hat der hies. Fischerklub von seinen Mutterfischen ca. 30,000 Eier gewonnen, welche in die Brutapparate der Fischzuchtanstalt verbracht wurden. Eine weitere Anzahl Eier steht noch zu erwarten. Wenn die Witterung kalt bleibt, so unterliegt es keinem Zweifel, daß das Austreiben gut von Statten geht, die vor einigen Jahren ausgebrüteten amerikan. Forellen sind in den Streckteichen zu ansehnlicher Größe herangewachsen.
Ebingen, 18. Jan. Das kaum begonnene Jahr hat uns eine höchst bedauerliche Bereicherung der Unglückschronik gebracht. Nachdem Ädrige Woche ein kaum 20jähriges Mädchen durch grundlose, böswillige Denunziation geängstigt, seinem jungen Leben durch Erhängen ein Ende gemacht, hat sich gestern Abend ein erst 17 Jahre alter, schon längere Zeit an Schwermuth leidender braver Jüngling im Garten seiner Eltern durch die Brust geschossen. — In dem eine Stunde von hier entfernten Dörfchen Margarethausen ist gestern Abend ein größeres Wohn- und Oekonomiegebäude sammt Vorräthen fast gänzlich ein Raub der Flammen geworden. — In der
wie ein Zucken blitzschnell durch ihre Züge ging und für einen Augenblick alle Röthe aus dem kindlichen Antlitz verschwand.
Aber wenn Emmy wirklich liebte, so war sie ein starkes Mädchen; denn sie faßte sich wunderbar rasch und sagte einfach: „So? da gratulire ich Ihnen von Herzen, Herr Werner! und Sie wollen gleichzeitig selbstständig ein Geschäft anfangen? das begreift sich und rechtfertigt Ihren Schritt vollkommen!"
„Sie weiß also doch noch nichts", dachte er. Gleichwohl wußte er nicht, was er zu ihrer stoischen Ruhe sagen sollte. In der eigenthümlichen Stimmung, in welcher er sich befand, hätte es ihn so wohlthuend berührt, wenn die kleine lachende Psyche in aufwallender Eifersucht plötzlich zur trauernden Ariadne geworden wäre.
Aber das liebliche Kind blieb doch ziemlich gleichgiltig und kalt bei seinen Worten, gerade so, als habe er die gewöhnlichsten Dinge von der Welt gesagt. Sie deutete mit dem eleganten Regenschirm auf die Straße hinab und fragte:
„Haben wir einen Weg, Herr Werner?"
„Wenn Ihnen meine Begleitung nicht unangenehm ist, Frl. Emmy."
„Kommen Sie!"
Während, Beide die Straße hinunterschritten, plauderte das junge Mädchen in heiterster und unbefangenster Weise über allerlei tägliche Geschichten, so daß es beinahe den Anschein gewann, als habe die unbedeutendste Sache größere Wichtigkeit für sie, als ihres Begleiters Heiraths-Angolegenheit.
Stumm schritt dieser neben dem Mädchen her und erst, als nach einer Pause Emmy sich mit der Frage an ihn wandte: „Und nun, Hr. Werner, darf man so indiscret sein, zu fragen, welcher Dame es gelungen ist, Ihr Herz zu rühren?" erwiderte er scheinbar gleichgiltig:
„Gewiß, Fräulein Emmy I Sie vor allen Dingen haben ein Recht zu dieser Frage. Doch erschrecken Sie nicht, wenn ich Ihnen sage, daß der
Gegenstand meiner Liebe kein Kind des Glückes ist und durchaus nicht von vornehmer, begüterter Familie stammt. Keine Honoratiorentochter — Fräulein Emmy —, sondern eine arme Preßnitzer Virtuosin, die mit ihrer Fertigkeit im Harfenspiel ihren Unterhalt erwirbt, hat mein Herz gefangen genommen. Nun, was sagen Sie dazu?"
Erst jetzt nahmen die kindlichen, heiteren Züge des Mädchens einen ernsteren Ausdruck an, und ihren Begleiter zweifelnd ansehend, fragte sie:
„Es ist also wirklich wahr, Edmund?"
„Glauben Sie, daß ich im Stande wäre, in leichtsinniger Weise über Sachen zu scherzen, die das Herz angehen?" fragte Werner.
„Ich hielt es für ein Märchen, Edmund!"
„Man hat Ihnen also bereits Mittheilungen über mein Verhältniß zu Fräulein Zriny gemacht?" forschte Werner.
„Mein Vetter Burghardt — Sie kennen Ihn ja" — antwortete Emmy. „Sie wissen, er bewirbt sich um meine Hand. Er sagte mir, wie er aus sicherer Quelle erfahren habe, daß Sie einem sogenannten — Harfenmädchen aus dem Bendler'schen Kaffeehause in auffallender Weise den Hof machten. Er will Sie unausgesetzt beobachtet haben."
„In auffallender Weise?" fragte Werner lächelnd und -schüttelte den Kopf; doch es kommt darauf an, was der gute Mensch unter auffallend versteht, und gesetzt, es wäre wirklich der Fall, was liegt denn darin Merkwürdiges ? Das Mädchen ist gut und unschuldig, besitzt hinreichende Bildung und ein tiefes Gemüth. Wer kann also das Geringste dagegen einzuwenden haben, wenn ich sie zu meiner Frau machen will?"
„Und Sie haben die Ueberzeugung, daß Sie von ihr geliebt werden?"
„Gewiß habe ich sie", antwortete er nach einigem Zögern, wobei er es jedoch vermied, ihrem forschenden Blicke zu begegnen; „wie ich sie kenne, würde sie mein Weib nicht werden, wenn sie mir abhold wäre."
(Fortsetzung folgt.)