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Scheunen angebauten, mit Stroh gedeckten Wohnhäuser konnten nur mit größter Mühe, Dank der Albwafserversorgung, gerettet werden.

Waiblingen, 4. Januar. Heute fand die Beerdigung des Post- verwalters, Gemeinderaths und Landtagsabgeordneten Heß statt. Die großartige Leichenbegleitung, wie hier in vielen Jahren keine gesehen wurde, gab beredtes Zeugniß davon, daß der Verstorbene nicht nur m Stadt und Bezirk sondern auch in weiterem Kreise eine wohl bekannte und geachtete Persönlichkeit war. In trefflicher Rede schilderte Prälat v. Bührer das Leben und rastlose Wirken des Verstorbenen m fernen offentlrchen Stellen in Stadt Bezirk und Staat, bei Vereinen wie auch im Privatleben als .Familienvater, Oekonom und Besitzer zweier großer Thonwaarenfabrrken. Früher mehr demokratischen Ansichten huldigend, begrüßte der Verstorbene die im Jahre 1870 vollzogene Einigung Deutschlands mit Freuden und trat Aach seiner Wiederwahl zum Abgeordneten der deutschen Partei bei. Der Vorstand derselben, Oberstlieutenant und Landtagsabgeordneter v. Wolfs legte in deren Namen einen Lorbeerkranz am Grabe nieder. Dasselbe ge­schah von Gemeinderath Herzog im Auftrag der von dem Verstorbenen hier gegründeten Bürgergesellschaft. Unter der Leichenbegleitung wurde Präsident v. Hofacker, Oekonomierath Ramm und andere Abgeordnete bemerkt. Der Gesangverein schloß die Leichenfeier mit dem LiedeSüß und ruhig ist der Schlummer rc." Hatte der Verstorbene auch manchen politischen Gegner, so ist doch sicher, daß ihn Viele vermissen und noch lange in gutem An­denken behalten werden.

Wertheim, 30. Dezbr. Ein interessanter Fall kam am 24. ds. vor dem hiesigen Schöffengericht zur Verhandlung. Ein Jude von Dertingen, Löb Rothschild, welcher kürzlich eine wegen Anstiftung zum Meineid über ihn verhängte Zuchthausstrafe verbüßt hatte, ließ kurz nach seiner Ent­lassung aus dem Gefängniß einer armen Frau aus Kembach, deren Mann voriges Jahr nach Amerika geflüchtet und deren einziger Sohn zum Mili­tär gezogen wurde, ihren ganzen Kartoffelvorrath bis auf etwa drei Viertel­zentner und noch einige andere Gegenstände pfänden und versteigern. Der Pfarrer des Orts Kembach, Schenk, der schon oft Gemeindeangehörigen aus Wucherhänden geholfen hatte, obschon er selbst eine starke Familie hat, nahm sich der Frau an und geißelte in zwei Artikein in derWerth. Ztg." das gewissenlose Verfahren des Rothschild, den er darin einen Halsabschneider mannte. Derselbe erhob darauf Beleidigungsklage gegen Pfarrer Schenk, welche am genannten Tage zur Verhandlung kam. In der letzteren gaben nicht nur die vom Angeklagten, Pfarrer Schenk, angerufenen Entlastungs­zeugen, sondern auch die vom Ankläger selbst vorgeschlagenen Zeugen ein verabscheuungswürdiges Bild von der gemeinschädlichen Thätigkeit des Roth­schild. Es handelte sich dabei um Fälle bis zu 60 Proz. Wucherzinsen und um den Ruin ganzer Familien. Pfarrer Schenk hob in seiner Vertheidig- uygsrede hervor, wie er sich verpflichtet gefühlt habe, seine Gemeindeglieder, von welchen viele in den Klauen der Wucherer stecken, auf das Treiben ^ines solchen Wucherers aufmerksam zu machen, sie vor ihm zu warnen und ihn mit allen Mitteln unschädlich zu machen. Schenk wurde freige- sprachen und Rothschild in die Kosten verfällt.

Berlin, 3. Januar. Aus dem nahen Rummelsberg wird gemeldet: Gestern Nachmittag wurde der Rummelsberger See von vielen Schlittschuh­läufern benutzt, obgleich eine Eisbahn dort noch nicht eröffnet war. Sieben Personen, darunter drei Kinder des Generals der Infanterie z. D. v. B. sind eingebrochen und ertrunken. Der Sohn des Hrn. v. B. brach zuerst ein; die Schwester sich lang auf das Eis legend, suchte ihn herauszuziehen und mußte den kühnen Versuch mit dem Leben büßen; auch die zweite in der Nähe stehende Schwester brach ein und versank. Die Leichen dieser Geschwister sind bereits gefunden; die Leichen der übrigen 4 Personen noch nicht. Nach einer andern Meldung sind überhaupt nur 4 Personen einge­brochen, 2 Damen und 2 Knaben, und von diesen sind eine Dame und ein Knabe ertrunken.

London, 3. Jan. In der Edmondschen Menagerie in Bol­ton entstand gestern Abend ein furchtbarer Schrecken. Als der Löwen-

rvelcher nur bei besonderen Festlichkeiten in Stand gesetzt wurde und daher heute Abend vollständig leer war. Nur ein mattes Kerzenlicht strahlte von Lern Bronce - Kronleuchter aus, welches die schwarzen Palisander - Möbel in düsterem Schimmer erglänzen ließ.

Emmy," gab er mit gezwungenem Lächeln zur Antwort, zürnen Sie mir nicht, wenn Sie heute die gewohnte Heiterkeit meines Wesens vermissen. Die anstrengenden Arbeiten meines Berufes, mancherlei Geschäftssorgen ließen mich leider nicht früher daran denken, daß es ein Herz gibt, welches wie ich zu hoffen wage, mich mit einiger Ungeduld erwartet."

Sie "schüttelte leicht den Kopf und sah ihm forschend in's Auge. Ein -Ausdruck des Zweifels lag in ihren Zügen, die plötzlich wunderbar ernst geworden waren.

Das sind Ausflüchte, Edmund! So viel ist jetzt nicht zu thun und was haben Sie mit Geschäftssorgen zu schaffen?"

Er fuhr fort, sich zu entschuldigen und bot seine ganze Willenskraft -auf, um heiter zu erscheinen, bis es ihm endlich gelang, das holde Wesen zu beruhigen, das ein so lebhaftes Interesse an ihm zu nehmen schien. Sie kehrten zu der Gesellschaft zurück. Werner wurde von dem Vater Emmy's, dem Banquier Wendling, in dessen Geschäft er als erster Buchhalter und Kasstrer fungirte, mit allen Zeichen freundlichen Wohlwollens begrüßt. Bald war die Unterhaltung lebhaft im Gange, und als man an der Abendtafel Platz nahm, fügte es sich, daß Werner neben Emmy zu sitzen kam. Da be­diente sie ihn denn mit einer reizenden Geschäftigkeit. Sie ließ es sich nicht nehmen, sein Glas selbst zu füllen und ihm die besten Stücke vorzulegen. Werner schien vollständig umgewandelt. Er unterhielt durch seine glänzende Beredtsamkeit die Gesellschaft in der angenehmsten Weise. Sein lebhafter Geist äußerte sich in tausend launigen Einfällen, und dennoch hätte ein

bündiger Delmonico in den Löwenkäfig eintreten wollte, sprang ein junger Löwe über seinen Kopf weg mitten in den Zuschauerraum, wo alsbald das Publikum, vom Schrecken erfaßt, den Ausgängen zudrängte. Der Löwe hatte gleichfalls Angst und lief wie toll herum, wodurch die Verwirrung noch gesteigert wurde. In dem Löwenkäfig selbst herrschte die größte Aufregung. Unglücklicherweise kam eine Frau auf der Flucht vor dem jungen Löwen der Löwin im Käfig zu nahe, welche sie mit einem mächtigen Tatzenhieb im Ge­nick faßte und es versuchte, sie in den Käfig zu zerren. Die Wärter hieben mit Eisenstangen und M stgabeln auf die Löwin ein, die jedoch erst nach einer geraumen Weile ihr Opfer fahren ließ. Der Frau wurde ein Stück der Kopfhaut abgerissen und der Hals verletzt. Der junge Löwe lief schließ­lich in ein leeres Faß und war froh, als er sich wieder im Käfig bei seinen Gespielen befand. Trotz des furchtbaren Gedränges sind keine ernstlichen Unfälle vorgekommen und die Besucher der Menagerie kamen mit dem Schrecken und einigen Quetschungen davon.

Literarisches.

DieIllustrirte Welt" (Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, vormals Eduard Hallberger) übt in ihrem neuesten Jahrgang wieder eine gewaltige Anziehungskraft auf ihren großen Leserkreis aus. Das verdankt dieß Journal neben seinem reichen Bilderschmuck der außerordentlichen Fülle und Mannigfaltigkeit seines vorzüglich für die Familie paffenden Unterhal- tungs- und Bildungsstoffes. Zu diesem rechnen wir besonders den prächtigen RomanGlückauf" von B. Renz, der jetzt zum Schluß gelangt, den spannenden Kaufmanns-KriminalromanGold und Liebe" von E. A. König und die ebenso amüsanten wie fesselnden kleinen Erzählungen, Abenteuer, Humoresken und dann die uns aus früheren Jahrgängen wohlbekannten Rubriken, welche Mittheilungen aus der Industrie, sorgfältig ausgewählte Rezepte für Haus, Küche, Keller, Garten, ferner Lotterieziehungen, Anekdoten, Spiele und zum Denken anregende Unterhaltung für die Jugend und noch vieles andere Interessante bringen. Soeben hat auch ein neuer Roman von Rosenthal-Bonin,Schwarze Schatten", begonnen, der nach den ersten Kapiteln zu den besten des allgemein beliebten Autors zu zählen scheint. So finden wir denn, daß für den fabelhaft billigen Preis von nur 30 Pfennig pro Lest wirklich Erstaunliches geleistet wird, selbst der Umschlag der Hefte bietet noch eine höchst stoffreiche Chronik der Jahresbegebenheiten und daß bei diesem Journal -seine große Verbreitung durch alle Kreise des Publikums nichts als eine gerechte Anerkennung des Werthes derJllustrir- ten Welt" ist.

Handel L Verkehr.

Preise auf dem Stuttgarter Wochenmarkt vom 5. Januar.

Kilo süße Butter

^ 1 20

>/, Kilo Schaffleisch

-.60

L

2

Kilo saure Butter

1

1 Gans

5. bis -.

'/-

Kilo Rindschmalz

1 35

1 Ente

2 40

i/

Kilo Schweineschmalz

80

1 Huhn

1 30

1

Liter Milch

- 16

1 Taube

55 L

10

frische Eier

- 70

50 Kilo Kartoffeln

2.60 bis 3.50

10

Kalk-Eier

60

50 Kilo Welschkorn

9. bis.

7-

Kilo Weißbrod

14

50 Kilo Wicken

11.-

i,

^2

Kilo Halbweißbrod

- 13

50 Kilo Haber

6.30 bis 7.

7,

Kilo HauSbrod

10

50 Kilo Gerste

9. bis.

1

Paar Wecken wiegen 80 Gr.

50 Kilo Heu 3. bis 3. 30

7,

Kilo Mehl Nr. 0 21 L; Nr.

1 19 L

50 Kilo Stroh

2.30 bis 2. 50

Kilo Kartoffeln

4 L

1 Raumeter Buchenholz

12 -

Kilo Erbsen

- 17

1 Raumeter Birkenholz

10 50

7-

Kilo Linsen

- 25

1 Raumeter Tannenholz

9 50

Kilo Bohnen

- 18

Prerse in der Markthalle.

Kilo Ochsenfleisch

- 74

'/, Kilo Rindfleisch

58

V-

Kilo Rindfleisch

60

Kilo Schweinefleisch

65

7,

Kilo Schweinefleisch

- 70

Kilo Kalbfleisch

- 64

7-

Kilo Kalbfleisch

65

V, Kilo Hammelfleisch

45

schärferer Beobachter wahrnehmen müssen, daß sein Auge log, daß seine vom Rebensaft aufgestachelte Heiterkeit hin und wieder etwas Unnatür­liches hatte.

Emmy's Blick hing jedoch mit dem Ausdruck inniger Bewunderung an seinen Zügen, und doch erbleichte sie einmal, als ein fieberhaft irrender Blick ihrem Auge begegnete. Erst kurz vor Mittemacht trennte sich die Ge­sellschaft. Werner war einer der Ersten, die sich zum Aufbruch anschickten, obwohl die leichte Falte auf Emmy's Stirn ihm sagte, daß es durchaus nichts geschadet hätte, wenn er der letzte der sich verabschiedenden Gäste gewesen wäre. Auch in der beinahe förmlichen Verbeugung, mit welcher er sich von der Tochter des Hauses verabschiedete, lag eine größere Zurück. Haltung, als er sie sonst beobachtet hatte.

Sich tief in seinen Mantel hüllend und den Hut in die Augen ge­drückt ,trat er hin aus in die kalte, sternenhelle Winternacht. Es drängte ihn, mit seinen Gedanken allein zu sein, daher schlug er rasch den Weg in eine dunkle Seitengasse ein, nur um den in der fröhlichsten Stimmung schwatzenden Gefährten aus dem Gesicht zu kommen. Als er nur noch das Geräusch seiner eigenen Schritte auf dem verödeten Straßenpflaster ver­nahm, athmete er, wie von einer Centnerlast befreit tief auf.

Nein," rief er wild,diesen Zwiespalt in meiner Brust ertrag ich nicht länger. Dieser Qual muß ich ein Ende machen. Ich glaube, es wird am Besten sein, ich sage dem Mädchen klar und offen, wie es mir um's Herz ist. Warum soll diese holde, kaum aufgeblühte Rosenknospe ihren Lebensfrühling einem Wahne opfern? Besser muß es ja sein, einsam durch's Leben zu wandeln, als in jeder Minute zu fühlen, daß der Mann, den sie erwählt, ihre unerschöpfliche Liebe nicht erwidert."

Fortsetzung folgt.