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ihre Hand dazu bieten würde, den armen, von den gegnerischen Häuptlingen im Zululande verfolgten König dem Verderben zu überliefem, und ihn einfach aus dem Wege räumen zu lassen, das hielt man für unmöglich. Gleich nach seiner Rückkehr wurde er von dem im englischen Solde stehenden Häuptling mit Krieg überzogen, und ehe der König noch seine Getreuen um sich versammeln konnte, — woran man ihn von Natal aus geschickt zu verhindern wußte — ehe noch sein Ruf nach dem versprochenen Schutze seinen Weg nach England gefunden hatte, war er aus Ulundi vertrieben und aller seiner Habe beraubt. Cetewayo ist somit von derselben englischen Regierung, die über das an ihm von den schlimmen Conservativen verübte „Verbrechen" Feuer und Flammen spie, an seinen Todfeind ausgeliefert, und wenn dieser ihn abschlachtet, so werden ihm die britischen Truppen bei diesem Werke ihre moralische Unterstützung angedeihen lassen! — Diese „Sühne" erregt wie leicht denkbar den Spott der conservativen englischen Presse, welche Mr. Gladstone jetzt mit Zinsen heimzahlt, was er seiner Zeit gegen Lord Bea- konssield laut werden ließ; in liberalen Kreisen aber ist man entrüstet! und selbst das Leiborgan Gladstones die „Daily News" wissen nichts zur Entschuldigung dieses schandbaren Streiches vorzubringen. Mit der Moralität braucht es ja eine Culturmacht wilden Völkerschaften gegenüber doch nicht gar zu genau zu nehmen. Wenn nur der Erfolg da ist, die Mittel sind dann geheiligt!
Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
— Das deutsche Kronprinzenpaar ist, aus Italien kommend, am Sonnabend in Baden-Baden wieder eingetroffen. Die Abreise des Kaisers von dort nach Berlin erfolgte d. 22. Nachmittags. — Die leidenschaftlichen Agitationen, deren Schauplatz die deutsche Reichs- Hauptstadt seit Wochen gewesen ist, sind nun zu Ende und, abgesehen von den berufsmäßigen Agitationen, wird sich wohl Niemand nach ihnen zu- rücksehnen. Die Wahlen zur Berliner Stadtverordnetenversammlung sind in der 1. und 2. Abtheilung durchweg liberal ausgefallen, wogegen in der 3. Abtheilung trotz des heißen Kampfes, nur ein kleines Häuflein Parteigegner durchzubringen war. Im Großen und Ganzen dürfte daher in der Versammlung alles beim Alten bleiben. — Im auswärtigen Amte zu Berlin finden gegenwärtig zwischen Commissarien der Regierung von Preußen, Mecklenburg-Schwerin, Hamburg und Lübeck Verhandlungen statt, welche die von der preußischen Regierung geplante Verstaatlichung der Berlin—Hamburger Eisenbahn zum Gegenstände haben. Das Resultat derselben läßt sich noch nicht voraussehen, da der bisher von der Regierung offerirte Kaufpreis bei den Interessenten auf entschiedenen Widerspruch gestoßen ist. — Die preuß. Staatsregierung beabsichtigt, im Landtage die Kanalvorlage, welche in der letzten Session abgelehnt wurde, nicht wieder einzubringen, will vielmehr die seitens der Gegner gegebenen Anregungen benützen, um die Frage einem nochmaligen eingehenden Studium zu unterwerfen. Diese Vorsicht scheint auch umsomehr geboten, als Frankreich in dieser Beziehung bereits schlimme Erfahrungen mit der übermäßigen Anspannung seiner Finanzkräfte zu productiven Zwecken gemacht hat.
— Die in Hamburg gehegten Befürchtungen betreffs des Post- Kämpfers „Alice Wörmann", welcher am Dienstag Abend von Hamburg nach Westafrika in See gegangen und somit der vollen Wucht der letzten Stürme ausgesetzt war , haben sich bestätigt. Bei Terschilling sind nämlich 3 Leichen unter Wrackstücken, darunter eine Rettungsboje bezeichnet „Alice Wörmann" angetrieben, und in London ist eine Meldung eingegangen, wonach dieser Dampfer thatsächlich gestrandet und total Wrack ist.
England.
— Die liberale Reformkonferenz, welche längere Zeit in Leeds tagte, hat unter anderen einstimmig beschlossen, die Nichtzulassung Bradlaugh's im Unterhause scharf zu mißbilligen und die Abschaffung des parlamentarischen Eides zu fordern. — Die nunmehr bekannt gewordenen Einzelheiten über die von den französischen Soldaten in Hue (Tonking) s. Z. verübte barbarische Abschlachtung der Anamiten hat in der gesammten englischen Presse eine außerordentliche Entrüstung hervorgerufen.
Man ist der Ansicht, daß dieser „Schmutzflecken auf der Ehre und Mensch, lichkeit der französischen Nation sich nicht leicht verwischbar erweisen dürfte.
Rußland.
— Seit den im Marine-Institut zu Warschau erfolgten Verhaft, ungen sind die Executiv-Behörden beständig in angestrengter Arbeit. Die Zahl der jetzt auch in Polen erscheinenden nihilistischen Flugblätter und Proklamationen, welche an Frechheit und Aufreizung zu Gewaltthätig- keiten alles bisher Dagewesene übersteigen, ist bedeutender als je und auch in der vorzugsweise von Deutschen bewohnten Fabrikstadt Lodz beginnt sich die nihilistische Agitation zu rühren.
Madagaskar.
— Wie in Tonking, scheinen auch auf Madagaskar die Franzosen mit ihren Plänen kein Glück zu haben, denn auch hier sind jetzt die Verhandlungen abgebrochen und eine Fortsetzung der kriegerischen Actisn unvermeidlich. Da die Eröffnung der Feindseligkeiten unmittelbar bevorsteht, haben die Bewohner von Tamatave dasselbe in Schaaren verlassen. Die Franzosen erwarten schleunigst Verstärkungen. Die Madagassische Regierung hat die Ausfuhr von Vieh und Landesprodukten sei es auf englischen oder anderen Schiffen verboten.
Tages - Neuigkeiten.
VV. 6 . Stuttgart, 22. Okt. Die Weinpreise ziehen im Allgemeinen besonders für bessere Sorten etwas an, zumalen die Quantität gegen die früheren Schätzungen etwas zurückschlägt. Verkehr im Ganzen lebhaft.
— Das „Neue Tagblatt" berichtet über ein indeß unblutig verlaufenes Pistolenduell zwischen einem württ. Offizier Frhr. v. O. und einem österr. Grafen P. wegen einer Dame, der Gemahlin des elfteren Gräfin v. B., die mit dem Grafen P. von Baden-Baden nach Paris gereist sei.
Oberndorf, 21. ,Okt. Das Gerücht von einer unglückseligen That drang am Samstag Vormittag in die Oeffentlichkeit und bestätigte sich leider. Ein in der hiesigen Gewehrfabrik beschäftigter Ausländer schoß, muthmaßlich in einem Anfall von Eifersucht, auf ein junges Mädchen, nachdem er im Hause von Verwandten der Unglücklichen mit derselben eine Unterredung hatte. Durch einen zweiten Revolverschuß traf er sich selbst ins Hirn, so daß keine Hoffnung ist, ihn am Leben zu erhalten. Für das junge Mädchen, dem die Kugel im Schädelknochen sitzt, ist ebenfalls geringe Aussicht auf Genesung, bei dem Verwundeten fand man ein vor längerer Zeit abgefaßtes Testament, aus welchem sich ergeben haben soll, daß er sich schon den Sommer über mit Selbstmordgedanken trug.
Ebingen, 22. Okt. In der vergangenen Nacht brannten in dem nahen hochliegenden und wasserarmen Meßstetten 3 ziemlich große Bauernhäuser ab. Von den Felderträgnissen, die nun größtentheils zu Hause sind, wurde, wie von den Mobilien, fast nichts gerettet, doch brachte man das Vieh noch ins Freie; hätte es so gestürmt, wie die Nacht vorher, so würde das verheerende Element leicht noch mehrere in der Nähe stehende Gebäude erreicht und zerstört haben; leider sollen von den vier Familien welche verunglückt sind, nicht alle versichert sein. — Auf unfern Bergen liegt bereits ein leichter Schnee.
Ulm, 21. Okt. Zum Herbstmeeting des Ulmer Offizierreitervereins fand sich gestern, wie wir es nicht anders gewöhnt sind, wieder eine recht stattliche Schaar von Reitern ein. Die Jagd — von 20 bis 30 Offizieren und einer Dame — geführt von dem Vorstand des Vereins, brach um 11 Uhr im Rendezvous in der Friedrichsau auf, überschritt die Blau kurz ehe sie ihren Lauf in die Donau beendigt, passirte den schmalen Eisenbahndurchgang und that in dem, dicht dahinter liegenden Steinbruch den Fuchs — Lieutenant Freiherr von Gemmingen l unseres Dragonerregiments — auf. Durch die nicht unbedeutende Steigung des Albabhanges, sowie durch das coupirte Terrain begünstigt, schüttelte derselbe seine Verfolger bald von sich ab, gewann einen bedeutenden Vorsprung und verschwand nach längerem scharfen Laufe hinter den Gehölzen beim Böfingerschlößchen. Die Hunde, ein Artillerie- und ein Dragoneroffizier, verfolgten aber kundig die Fährte und kaum war von der Jagd die Höhe beim Vorwerk Safranthurm erreicht, giengs über Hecken, Gräben und Lavins hinwegspringend, im flotten Galopp
oben, aber er sah den blinkenden Gewehrlauf so fest auf sich gerichtet, das Auge des einsamen Hausbewohners war mit einem so wilden, entschlossenen Ausdruck auf ihn geheftet, daß er es vorzog, seinen Genossen zu folgen, und bald lagerte sich dieselbe Ruhe und Stille um das verlorene Gebäude, die es zu einem so willkommenen Asyl für den Helden unserer Erzählung machte.
Steinfels verharrte noch eine volle Stunde auf seinem Wächterposten, weil er ein Rückkehr der Strolche befürchtete. Dann ging er hinunter, um den Laden zu verschließen und alle Zugänge zu seiner Wohnung zu verrammeln. Sein Antlitz behielt den düsteren, unheimlichen Ausdruck, den es während der Nachtscene angenommen hatte. Man sah es ihm an, daß er zu Allem entschlossen war. Er lud auch seine übrigen Schußwaffen und wollte, da sich bereits ein schwacher Tagesstrahl am östlichen Horizonte zu zeigen begann, eben sein Lager aufsuchen, als ein lautes Klopfen an der Hausthür ihn daran verhinderte.
Mit einem halblaut gemurmelten Fluche schritt er wieder nach dem Vorderzimmer und warf einen Blick zum Fenster hinaus. Er gewahrte mehrere Männer in Uniform, erkannte auch sofort zwei der Strolche wieder, die an den Händen mit Stricken gebunden, von den Beamten in die Mitte genommen waren. Auf sein kurzes „was wünschen die Herren?" lüftete ein anständig gekleideter Mann in Civil seinen Hut, entschuldigte mit artigen Worten die Störung, stellte sich als Polizeicommissär, sein Gefolge als Diener der Polizei vor und bat, ihm den Eintritt zu gestatten, da ein Einbruch in seine Wohnung beabsichtigt sei, ersuchte auch, über die Sache zu berichten und ihm die Möglichkeit an die Hand zu geben, ein Protocoll über den Vorfall aufnehmen zu können.
So unangenehm dem vielfach gequälten Manne auch diese neue Störung kommen mochte, er konnte doch dem Verlangen des Polizei-Beamten, der sich mit seiner Pflicht entschuldigte, den Thatbestand an Ort und Stelle sogleich feststellen zu müssen, nicht ausweichen. So öffnete er denn und ließ den Besucher mit noch einem Polizisten eintreten. In kurzen Worten erzählte er den Hergang. Das Fenster, durch welches die Diebe ihren Einbruch bewerkstelligen wollten, wurde einer genauen Besichtigung unterzogen, und dann brachte der Commissär das Gehörte zu Papier. Steinfels erfuhr auf seine Frage noch, daß die Polizei von einem Nachtwächter auf den Raubversuch aufmerksam gemacht worden sei, und daß man sogleich die nöthigen Anstalten getroffen habe, um die Verbrecher wo möglich bei der That zu ertappen. Man habe die beiden Strolche auch richtig unterwegs gefaßt, werde für ihre Unterbringung gebührende Sorge tragen und auch den noch fehlenden dritten Hallunken baldigst ermitteln. Ob der Herr eine Sicherheitswache vor seinem Hause verlange, fragte der Commissär noch. Steinfels verneinte es unter dem Vorgeben, daß er Mann genug sei, um sich selbst beschützen zu können. Nichtsdestoweniger ließ Jener einen Doppelposten zur Bewachung des einsamen Hauses zurück.
Steinfels trat, als die Beamten abgezogen waren, mit umwölkter Stirn in sein Schlafgemach. Nun endlich konnte er sich der Ruhe hingeben, deren er nach den Aufregungen der Nacht so dringend bedurfte. Ein Gedanke mochte ihn noch beschäftigen. Er trat sinnend an das Fenster und flüsterte: „Von einem Nachtwächter hat es die Polizei erfahren, das ist sektsam in der That." —
(Fortsetzung folgt.)