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ein weit größeres Interesse für den Zweck der Sache an den Tag legt, als dieses bei dem Filialsystem der großen Centralkassen der Fall ist, welche ihren Sitz mit der Hauptkaffe im fernen Norden Deutschlands haben. Auch läßt sich bei den Ortskrankenkaffen die Mitgliedschaft nicht leicht zu andern, dem Krankenunterstützungswesen vollkommen fremden Zwecken verleiten und benützen, was die Behörden schon zur Schließung von eingeschriebenen Hilfskaffen veranlaßt hat. Die den Ortskrankenkaffen mangelnde Freizügigkeit der Mitglieder läßt sich durch einen Verband derselben leicht Herstellen, wie ein solcher in einer am 19. August d. I. in Stuttgart stattgefundenen Versammlung von verschiedenen Ortskrankenkaffen Württembergs vorgeschlagen und gutgeheißen wurde. In dieser Versammlung wurde den Anwesenden von der Vorstandschaft der allgem. Kranken- und Sterbekaffe „Suevia" unentgeltlich die Anleitung zur Erlangung der Rechte einer eingeschriebenen Hilfscaffe gegeben und ein praktisches Musterstatut verlesen. Es können sich daher Vereine, die die Krankenunterstützung betreiben, und die Rechte einer eingeschriebenen Hilfskaffe erwerben wollen, oder Personen, die die Errichtung einer neuen eingeschriebenen Hilfskaffe beabsichtigen, bei der Vorstandschaft der „Suevia" die schon seit dem 2. Nov. 1877 als eingeschriebene Hilfskaffe zugelaffen ist, die nöthigen Rathschläge geben lassen. Man wolle sich zu diesem Zweck an die Adresse F. Frank, Tübingerstraße 10 in Stuttgart, wenden.
Tages - Neuigkeiten.
Stuttgart, 20. Okt. (Strafkammer.) Gestern wurde eine Berufungssache vor der l. Strafkammer des Landgerichts hier verhandelt. Dem Angekl. Kaufmann Aug. Reitz, früher Besitzer einer Essigfabrik in Cannstatt, wurde im Dez. des v. I. vom Oberamt Cannstatt über eines seiner 3 Pferde die Stallsperre verhängt, weil es in Ulm mit einem rozkranken Pferde zusammengewesen war. Als der Oberamtsthierarzt Reiser daselbst aber bemerkte, daß das mit Sperre belegte Pferd, mit den beiden andern des Reitz auch schon zusammengestandcn hatte, verfügte Reiser auch über diese beiden Pferde die Sperre. Trotzdem verkaufte Reitz im Jan. d.
1. eins davon und deshalb wurde er vom Schöffengericht Cannstatt zu 14 Tagen Gef. verurtheilt; dasselbe nahm an, Reitz habe das erste der 3 Pferde verkauft, was aber falsch war. Dieser Jrrthum kam erst vor der Berufungsinstanz am 22. Juni heraus, und hat sich inzwischen bestätigt. Es war nun aber weiter zu untersuchen, ob sich Reitz doch nicht gegen das Gesetz verging, als er eins von den andern beiden Pferden verkaufte. Der Ver- theidigec R.A. Georgii I!. machte geltend, daß zur Strafbarkeit des Angekl. zwei wichtige Momente fehlen: 1. die schriftliche Verfügung der Stallsperre,
2. die Verfügung einer amtlichen Behörde, hier also des Oberamts. § 12 des Reichsviehseuchengesetzes schreibt vor, daß einer vorläufigen mündlichen Anordnung der Stallsperre die schriftliche behördliche Nachfolgen soll. Da dies in Betreff des 2. und 3. Pferdes des Angekl. unterblieb, war er freizusprechen.
Plochingen, 19. Okt. Der um 4 Uhr 22 Almuten Nachmittags von Kirchheim nach hier abgehende Personenzug wäre gestern beim Einfahren in die Station Oethlingen um ein Geringes verunglückt, indem an einem Personenwagen sich die Zugstange loslöste und sich quer auf die Schienen legte. Die Stange wurde abgeknickt, ohne daß der Zug entgleiste und die Paffagiere kamen mit leichtem Schrecken davon.
Aalen, 19. Okt. Heute Nachm. 2 Uhr ereignete sich auf der Station Goldshöfe ein höchst bedauerlicher Unglücksfall. Der hier stationirte Lokomotivführer Schild Horn wollte daselbst an den Güterzug Nr. 650 einige Wagen anschieben und wurde beim Stillestellen der Maschine von dem vorgeschobenen Hebel zurückgeschleudert und über die Maschine hinuntergeworfen. Er fiel dabei so unglücklich, daß ihm die nur noch ein wenig im Rücklauf befindliche Maschine den rechten Arm abdrückte. Der Unglückliche wurde mit seinem Zuge hieher gebracht und im Verlaufe des Nachmittags fand die Amputation seines Armes statt. Der jederzeit nüchterne und bescheidene Bedienstete wird allgemein bedauert.
Hall, 18. Okt. Auf dem Hofe des Gutsbesitzers Sammet zu Oberlimburg, nahe der bekannten Burgruine gleichen Namens, hiesigen Stadtgemeindebezirks. ist heute stütz Ost? Uhr ein Brand ausgebrochen, der eine große vierbarnige Scheune mit daran gebautem Viehhause bis auf die Um
fassungsmauern einäscherte. Der Schaden an Früchten, Futter, Gebäuden und landwirthschaftlichem Mobiliar ist groß; der Beschädigte ist versichert. Als ein Praktikant des Hrn. Sammet, eines der eifrigsten Landwirthe hiesiger Gegend, um die besagte Zeit einen Sack in der Scheune holte, bemerkte er in einer Ecke des oberen Raumes, wo das Oehmd des Herbstes aufbewahrt lag, verdächtige Helle und als er den Besitzer herbeiholte, schoß die Flamme wie in einer feurigen Garbe aus dem Oehmd hervsr. Bei .dem heftigen Südweststurme, der nach Mitternacht sich erhoben hatte und bis gegen Morgen anhielt, nahm das Feuer seinen verheerenden Fortgang.
Friedrichs Hafen, 17. Okt. Gestern Mittag wurde hier durch Landjäger Dierolf ein Mann verhaftet, die sich verschiedener Betrügereien schuldig gemacht hatte. Ein I. Steimer hatte für eine Konstanzer Firma Nähmaschinen gegen Ratenzahlungen verkauft. Er zog nun die erste Rate mit 15 und 20 von den Abnehmern ein, kam auch in einigen Fällen
wiederholt zu den Betreffenden, um Gelder zu erheben, lieferte jedoch an den Fabrikanten nichts ab, sondern unterschlug die mitunter bedeutenden Summen. Und nicht nur in Nähmaschinen, sondern auch im Kaffee-Geschäft wußte sich der Schwindler Geld zu machen. Unter dem Vorgeben, er könne Kaffee billiger verschaffen als bisher, ließ er sich ebenfalls Beträge vorauszahlen. Der bestellte Kaffee kam jedoch nicht, und diejenigen, welche seinen Versprechungen geglaubt hatten, sahen sich um ihr Geld betrogen.
Frankfurt a. M., 19. Okt. Hier ist vor einigen Wochen eine neue ultramontane Zeitung unter dem Titel: „Frankfurter Tageblatt" aufgetaucht, die von den Herren Karolyi und Dr. Schuhmacher geleitet wurde, ohne in irgend welchen Beziehungen zu der hiesigen katholischen Partei zu stehen. Karolyi war früherer Annoncen - Agent, während Dr. Schuhmacher wegen Kurpfuscherei in Essen mit den Gerichten s. Z. in Konflikt war und aus München vor etwa einem halben Jahre aus demselben Grunde polizeilich ausgewiesen wurde. Die beiden Herren, die jüdischer Abkunft sind , haben bei Gründung des Blattes sich der Zustimmung und Theilnahme der hiesigen Führer der katholischen Partei zu versichern gesucht, wobei sie ihre jüdische Abkunft wohlweislich verschwiegen und sich als gläubige Katholiken ausgaben. Die Parteileiter sprachen sich wenigstens nicht direkt gegen das neue journalistische Unternehmen aus, wenn sie es aus Rücksicht auf die „Franks. Volks-Ztg.", das ältere hier erscheinende katholische Blatt auch nicht zu unterstützen geneigt waren. Der . finanzielle Erfolg des neuen Blattes scheint nun ein so wenig günstiger zu sein, daß es darüber zwischen den beiden Unternehmern gestern zu thätlichen Auseinandersetzungen gekommen sein soll. Die Folge wird wohl sein, daß das Blatt so still wie es gekommen, wieder vom Schauplatze verschwindet.
Dresden, 18. Okt. Der von der hies. Kunstgenoffenschaft zu Ehren des Prof. Schilling veranstaltete Fackelzug nahm einen glänzenden Verlauf. Es waren über 1000 Fackeln im Zuge, getragen von den Mitgliedern der Kunstgenossenschaft, des Architektenvereins, der k. Akademie, der Kunstgewerbeschule, sowie Schülern der obern Klaffen der Gymnasien und Realschulen. Der Vorstand der Kunstgenoffenschaft hielt eine Ansprache an den Meister. Alle Straßen, durch welche der Zug ging, waren glänzend erleuchtet. Später vereinigten sich die Vereine zu Kommersen^_
Vermischtes.
— Als Curiosum sei erwähnt, daß in Blumenfelde (Reg.-Bez. Frankfurt a. d. O.) eine brütlustige Truthenne gegen drei Wochen auf zusammengescharrten Aepfeln gesessen hat.'
— (Wie Herr Dr. Sigel betet,) beweist folgendes Morgengebet, das er in seinem „Vaterland" mittheilt: Herr, sende uns den Moses wieder — Auf daß er seine Glaubensbrüder — Heimführe in das gelobte Land. — Laß' dann das Meer sich wied'rum theilen — Und auch die hohen Wassersäulen — Feststehen wie eine eherne Wand; — Und wenn sodann in dieser Rinnen — Alle Juden sind darinnen — O Herr! dann mach' die Klappe zu — Und wir Christen haben Ruh'!
Handel Sr Verkehr.
Hausen a. d. Zaber, 19. Okt. Mehrere Käufe zü 95 bis 85 gemischt Gewächs, schwarz Gewächs 100 v/L per. 3 KI. Qualität sehr gut. Noch viel Vorrath. Käufer erwünscht.
Gesichte sah er nicht das mindeste, da es von einem dichten schwarzen Schleier vollständig verhüllt war.
„Wer bist Du, Mädchen?" fragte er im rauhen Tone, während seine Stirn sich runzelte.
„Denken Sie nichts Schlechtes von nur, gnädiger Herr!" klang es zurück, und ihre Stimme tönte so gepreßt, so schüchtern und flehend, daß sein Auge unwillkürlich einen milderen Ausdruck annahm; „ich bin zwar ein armes, aber ehrliches Mädchen. Ich hatte zu dem heutigen Abend einen Gang weit außerhalb der Stadt zu machen. Ein Ballkleid, welches ich für die Tochter eines Gutsbesitzers zu fertigen gehabt, mußte zur letzten Zeit abgeliefert werden. Ich half das Mädchen zum Ball ankleiden, und der Abend war bereits angebrochen, als ich den Rückweg antrat. Ich nahm den kürzesten Weg durch den Wald, fühlte mich aber doch ein wenig erschöpft und setzte mich, als ich die Höhe erreicht hatte, auf eine Bank, um eine kurze Rast zu halten. Eine kleine Weile mochte ich träumend so gesessen haben, da wurde ich durch ein Geräusch von Stimmen in meiner Nähe aufgeschreckt. Ich trat rasch in das Gebüsch, welches den Platz, auf dem ich mich befand, von einem in die Tannenschonung führenden Weg trennte. Es war mir, als hätte ich Ihren Namen nennen gehört. „Zwischen zwölf und ein Uhr wird's am Geradesten sein", ließ sich ,eine heisere männliche Stimme vernehmen, „der Wächter kommt nicht bis an das einsame Haus!" „Aber", fragte eine andere Stimme, „seid ihr auch dessen gewiß, daß er auf dem Ball sein wird?" — „Die ganze Stadt sagt es ja", antwortete die andere Stimme. Ich wußte nun daß es auf einen Einbruch in die Wohnung des gnädigen Herrn abgesehen war, und hielt es für das Beste, vor allen Dingen
Sie in Kenntniß zu setzen. Deßhalb schlug ich so schnell als möglich de" Weg nach dem Schützenhause ein. Glücklicherweise habe ich Sie unterwegs getroffen, was mir wirklich lieb ist. Es hätte Aufsehen erregen müssen, wäre ich mit der Schreckensbotschaft unter die heitere Ballgesellschaft gestürmt. Nun eilen Sie, gnädiger Herr, und halten Sie sich das Gesindel vom Leibe! Eilen Sie, ehe es zu spät ist!"
Sie hatte alle diese Worte in fliegender Hast gesprochen und war mit dem Schluß ihrer Rede schon einige Schritte weit entfernt. Ohne eine Entgegnung abzuwarten, schlug sie eiligen Laufes den Weg nach der Stadt ein. Kopfschüttelnd sah er ihr nach. Er hätte sie gern nach ihrem Namen ihrer Herkunft gefragt, hätte gern gewußt, welches Interesse sie an ihm nähme. Aber schon war die schlanke Gestalt in den Baumschatten verschwunden, und in dem raschen Gedanken, daß er des Mädchens Warnung nicht unbeachtet lassen dürfte, setzte er seinen Weg im schnelleren Schritte fort und traf nach wenigen Minuten vor dem einsamen, von ihm bewohnten Hause ein. Er ließ seine Blicke spähend über den mit Bäumen besetzten Platz hinschweifen, doch zeigte sich nichts Verdächtiges in der Nähe. Er umgieng, vorsichtig die Baumschatten und Gebüsche zu seiner Deckung benutzend, das Gebäude und fand Alles ruhig. Er prüfte den Verschluß der Hausthür, aber das Schloß befand sich in demselben Zustande, in welchen er es beim Verlassen des Hauses gebracht hatte. Euch die vom Hofe in den Hausflur führende Thür war verriegelt.
(Fortsetzung folgt.)