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didat Cronemeyer mit einem Vorsprung von etwa 600 St. gesiegt und in der Presse der siegreichen Partei herrscht Jubel und Frohlocken. Ist ja doch wieder ein Wahlkreis, und noch dazu derjenige, den der Führer der nat.lib. Partei lange Jahre hindurch vertreten, dem radikalen Liberalismus gewonnen! Schw. Merk.
Metz, 2. Oktober. Der Reichstagsabgeordnete Antoine ist gestern Abend unter der Anklage des Landes- verraths verhaftet worden.
Frankreich.
Paris, 29. Septbr. Der König von Spanien traf heute Nachmittag kurz vor 4 Uhr mit einem Spezialzug aus Brüste! hier ein. Auf dem Perron des Bahnhofs empfingen ihn der spanische Botschafter nebst dem Botschaftspersonal und geleiteten ihn, mährend die im Bahnhof aufgestellte Ehrenwache präsentirte und die Musik der Garde republiguaine die spanische Nationalhymne spielte, nach der mit rothem Sammt ausgeschlagenen und mit Blumen, französischen und spanischen Fahnen geschmückten Empfangshalle, in welcher der Präsident der Republik, umgeben von den Ministern und anderen höheren Beamten, dem König einige Schritte entegentrat und ihn begrüßte. Nach einem kurzen Austausch von Höflichkeiten estieg König Alfons, der die spanische Generalsuniform, aber mit einer Kappe ohne Schild und nicht mit dem zur Galauniform spanischer Generale gehörigen, dem deutschen ähnlichen Helm trug, einen der Wagen der span. Botschaft und fuhr, begleitet von den Ministern Ferry und Challemel-Lacour, nach dem Botschaftshaus, während Grevy und seine Offiziere nach dem Ely- söe fuhren. Die auf ca. 2000 Personen zu schätzende Menge, die den Platz vor dem Bahnhof füllte und zu einem beträchtlichen Theil aus Blousen- männern und Straßenjungen bestand, übertönte, als der König vorüberfuhr, die Militärmusik, die auf dem Platze die span. Nationalhymne spielte, mit dem Ruf: „Es lebe die Republik!" in welchen sich auch vernehmlich der Ruf: „Nieder mit dem UHIanen!" und schrilles Pfeifen einmischte. Von mehreren Seitenstraßen schwenkte Militär ein, um vor dem König zu salu- tiren; das Publikum klatschte den Truppen Beifall und rief: „Es lebe die Linie! Es lebe die Armee! Es lebe Frankreich!" Dem König Alfons hingegen wurde auf der Rue Lafayette und die Boulevards entlang fortwährend „Nach Berlin!" und „Nieder mit dem Nhlanen!" zugerufen. Während der ganzen Fahrt des Königs vom Bahnhof bis zum Botschaftshotel wurden von der Esplanade des Jnvalihenhotels aus Artilleriesalven abgefeuert. Von der Magdalenenkirche an wurden keine Rufe mehr laut; die Menge, durch welche der königliche Wagen hindurchfuhr, verhielt sich kalt und schweigend. Auf dem Konkordienplatz fand keine Kundgebung statt. Gegen 5 Uhr stattete der König in einem Galawagen dem Präsidenten der Republik einen Besuch ab.
Tages. Neuigkeiten.
— In O b er h a u g st e t t ist heute früh V-8 Uhr in gefährlicher Umgebung in einer Scheuer ein Brand ausgebrochen. Näheres ist noch nicht bekannt.
VV. 6. Stuttgart, 1. Oktbr. Die Weinlese für die Frühsorten, als Klevner, Portugieser, beginnt schon in den nächsten Tagen auf hiesiger Gemarkung fast in allen Lagen und wurden schon Preise von 130 bis 180 pr. 3 1,1 (1 Eimer) erlöst. Auf dem Volksfest gab es schon vielen und guten neuen Wein, namentlich Pfälzer, aus Neustadt a. d. H. u. s. w. sowie Portugieser. Die allgemeine Weinlese dürfte, falls sich die Witterung nicht zum Schlimmem wendet, nicht vor Mitte d. M. beginnen.
— Auch diesmal war Herr Hofjuwelier Ed. Föhr ausersehen, die Gabe, welche Se. Maj. der Kaiser Wilhelm als Ehrenpreis für die Armee- Wettrennen in Baden-Baden stiftet, auszuführen. Unter die ihm vorgelegten Entwürfen wählte der Kaiser einen von dem Prof. Herdtle in Wien entworfenen Kolostalhumpen (Willkomm). Derselbe ist ausgeführt in Altsilber im Stile der italienischen Renaissance. Die Höhe beträgt 63 cm. Sockel und Deckelrand sind mit halbkugelsörmigen Buckeln verziert und mit Ornamenten in wechselnden Motiven ausgestattet. Der Henkel ist reich gegliedert und mit Masken verziert. Auf dein Deckelknauf ist ein Reiter auf springendem Pferd. Der Gefäßleib ist in senkrechte Felder getheilt durch arabeskenartig komponirtes Rahmenwerk, bestehend in Säulchen mit bogenartig sich wölbenden Ornamentranken , zwischen denen Reliefs von Pferdeköpfen in kreisförmigen Medaillons sich befinden, sowie Schriftschilder niederhängen. Am Gefäßhalse ist die Inschrift eingravirt. Es ist dies wiederum eine Arbeit, welche nicht nur dem renommirten Atelier von Ed. Föhr, sondern namentlich auch dem Künstler Prof. Herdtle die größte Ehre macht.
Ravensburg, l. Okt. Ein schweres Unglück ereignete sich heute Nachmittag in einem Hause am Roßbach. Es fand daselbst ein Auszug statt und wurden dabei verschiedene Gegenstände aus den Fenstern der oberen Stockwerke vermittelst eines Seiles auf die Straße hinunter gelassen. Unten spielten Knaben; in einem unbewachten Augenblick näherte sich ein solcher dem Aufzug, die Uebrigen riefen „auf" und das Seil wurde in die Höhe gezogen, da es vom Aufzugsort nicht gesehen werden konnte. Am 4. Stockwerk angekommen, ließ der unglückliche Knabe los und stürzte aus der beträchtlichen Höhe in-die Tiefe, wo er zerschmettert neben seinen Kameraden niederfiel; es ist der erst 9 Jahre alte Sohn eines hies. Zimmermanns.
Baden, 29. Sept. S. M. der deutsche Kaiser und König von Preußen ist mit hohem Gefolge und Dienerschaft mittelst Extrazuges Mittags 4 Uhr 36 Min. hier eingetroffen und im Hotel Meßmer bei Ihrer Maj. der Kaiserin abgestiegen. Der Großherzog und die Großherzogin von Baden waren schon in gestriger Nacht auf dem Schlosse eingetrosten; nebst S. K. Hoheit dem Erbgroßherzog und S. Gr. Hoh. Prinz Ludwig Wilhelm. Heute trafen auch noch ferner hier ein der Kronprinz und die Kronprinzessin des deutschen Reichs und deren Tochter Prinzessin Viktoria, und ferner der Großherzog von Sachsen-Weimar, welche sich dem Kaiser angeschlosten hatten.
Zürich, 28. Sept. Die Rutschungin Horgen scheint weniger bedeutend, als man anfangs fürchtete; die gewöhnlichen Züge fahren wieder über die verhängnißvolle Strecke, immerhin mit aller Vorsicht. Die Messungen ergaben an der versunkenen Stelle eine Tiefe des Sees von 50—70' gegen früher 10—20'. Bereits wird mit Eifer angefüllt.
— Dampfer „Normandi e" der Compagnie Generale Transatlan« tique, welcher am 22. September von Havre in See gieng, kam nach einer Fahrt von 8 Tagen 20 Stunden am 1. Okt. wohlbehalten in Newyork an.
Tie Generalversammlung des landwirthschaftlichen Bezirksvereins am 21. Septbr. in Teinach.
(Schluß.)
V. Der nächste Gegenstand der Tagesordnung war ein Vortrag des Secr. Horlacher über „rationelle Mostbereitung", welchen derselbe einleitend theils mit dem diesjährigen reichen Obstsegen, theils mit den mancherlei Fehlern und Mißgriffen, die fast allgemein gemacht werden, als angezeigt begründete. Er verkenne zwar nicht die Schwierigkeit, gegen das allgemeine Vorurtheil anzukämpfen, wonach ein jeder Moster die beste Methode zu haben glaube; allein 35jährige Erfahrungen und Beobachtungen berechtigen ihn wenigstens, seine Ansicht auszusprechen. Der Most sei ein angenehmes, erfrischendes und, wenn gut bereitet, auch stärkendes Getränke, unentbehrlich für den landwirthschaftlichen, wie für den gewerblichen Arbeiter, unentbehrlich aber auch in der Familie, deren einziges Labsal er oft bilde. Dieß gelte vorzugsweise von Württemberg, wo die Mostbereitung in Dorf und Stadt zu Hause sei und das trotz des ausgedehnten Obstbaus des eigenen Landes alljährlich noch außerordentlich große Quantitäten von Obst einführe aus Ländern, in denen starker Obstbau getrieben werde, in denen aber die Mostbereitung eine ganz untergeordnete Rolle spiele, wie in Rheinhesten, Rheinbayern, der Schweiz und selbst Oesterreich. Dort sei theils der Wein, theils das Bier oder der Schnaps das Hausgetränke, während bei uns Alles, Alt und Jung, Herr und Diener an den Most gewöhnt sei. Um so größere Aufmerksamkeit verdiene daher auch seine Bereitung, die so vielfach eine fehlerhafte, nur auf die Menge und nicht auf die Qualität berechnete sei.
Zunächst komme die Wahl der Obstsorten in Betracht. Die beste einheimische Sorte sei der rheinische Bohnapfel, sodann der Luike, dann die Goldparmäne; bald höher, bald niederer im Werth stehen eine Menge lokaler Sorten und gebe die beste Auskunft die Mostwaage, auf welcher der wasserfreie Saft des frisch gemahlenen Obstes zu wägen sei. Unter den Birnen stehe weit oben an die Wolfsbirn, die schon ein Gewicht von 78« geliefert habe, dann komme die deutsche (od. Champagner) Bratbirn, der Wildling von Einsiedel, die Träublesbirn mit je 70—72«, die Pommeranzenbirn vom Zabergäu, die Hosenbirn, Rummelterbirn mit 67«, die welsche Bratbirn (Steinlacherin) mit 60« u. s. w. Erste Bedingung eines guten Mostes sch daß das Obst vollkommen reif sei, weil reifes Obst mehr Zucker und weniger Säure enthalte, aus dem Zucker aber sich Weingeist entwickle und von dem Gehalt an Weingeist die Haltbarkeit des Mostes abhänge. Also nicht zu frühe erndten! Sodann sei die größte Sorgfalt auf die Reinlichkeit des Obstes, durch Auslesen alles Faulen, noch mehr aber auf die Reinlichkeit der Presse und der Geschirre zu verwenden, weil durch das Hängenbleiben älterer Obsttheile, die sauer geworden, leicht der Keim der Essigsäure in das Getränke hineinkomme. Gleichgültigkeit in dieser Beziehung trage oft die Schuld daran, daß aus gutem Obst ein schlechter Most gewonnen werde; es empfehle sich also die sorgfältigste Reinigung der Presse und der Geschirre vor dem Gebrauche.
Das Verfahren bei der Mostbereitung selbst nun sei ein manchfach verschiedenes. Das gewöhnlichste, aber auch das schlechteste Verfahren sei dasjenige, wobei das gemahlene Obst mit oder ohne Wasserzusatz sofort oder auch vielleicht nach einigen Tagen vollständig ausgepreßt und dann der Trester wieder mit Wasser übergoffen werde, um so einige Tage, meist so gut wie gar nicht bedeckt, also der Einwirkung der Luft preisgegeben, stehen zu bleiben und dann noch einmal ausgepreßt zu werden. Der Zusatz von Wasser zum gemahlenen Obste habe aber nicht nur den Sinn, daß das Quantum vermehrt werden solle, sondern es werde dadurch auch die vollständige Ausnützung des Obstes erreicht, weil das Wasser in die Saftzellen eindringe, den Obstsaft daraus verdränge und bei richtiger Gährung in der Bütte das Aroma, das in der Schale liege, in sich aufnehme. Wenn aber schon bei der ersten Pressung mit einem großen Aufwands von Kraft der letzte Tropfen herausgepreßt worden, so bleibe für die Extraktivkraft des Wassers nichts mehr zu thun übrig und man erhalte um den Preis doppelter Preßkosten nur ein schales, fades Getränke, das man kaum mehr Most nennen könne; denn wo der zuckerhaltige Saft schon vorher so gründlich entfernt worden sei, könne von einer Gährung und Umbildung von Zucker in Weingeist nicht inehr die Rede sein. Viel bester und richtiger sei ein anderes Verfahren, wobei der gemahlene Troß, zunächst ohne Wasser, in eine Gähr- bütte komme, aus der nach etwa 2 Tagen der reine Saft abgelassen werden könne. Hierauf werde Master auf den Troß gegossen, und das Ganze einer, je nach der äußeren Temperatur, länger oder kürzer, in der Regel 2—4 Tage dauernden Gährung überlassen, alsdann werde zuerst wieder der Vorlaß genommen und der Rest gepreßt. Hiebei habe man es in der Hand, verschiedene Qualitäten in den Keller zu legen: den ersten Vorlaß besonders als die beste, den zweiten Vorlaß und den Druck zusammen als zweite Qualität; wer aber nur eine Qualität wolle, werfe Alles in ein em Fasse zusammen.
Nothwendige und unerläßliche Voraussetzung dieser Behandlungsweise sei aber ein richtiges, gutes Gährgeschirr, entweder eine Gährbütte mit Senkboden-Einrichtung, wodurch der Troß bei eintretender Gährung am Aufsteigen verhindert werde, dagegen der Most über den Troß aufsteige und dadurch die saure Gährung desselben verhindere; oder in Ermangelung einer solchen Einrichtung irgend ein größeres, wenigstens zum Ablasten des Sastes eingerichtetes Geschirr. In beiden Fällen sei aber absolut nöthig die möglichst