38. Jahrgang.

Nro. 103.

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Dienstag, den 3. September L88L

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Amtkickte Aekllantma«k»llngen.

Calw.

Bekanntmachung.

Unter dem Rindvieh des Bauers Ludwig Bürkle in Oberkollwangen ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen, was hiemit zur öffent­lichen Kenntniß gebracht wird.

Den 1. Sept. 1883.

K. Oberamt.

Flaxland.

Politische Nachrichten.

Mel- UN) Rangsucht in der Schweiz.

Bern, 29. August. Unser Schweizervolk ist stolz und trotzig auf seine Freiheit und demokratische Gleichheit in Staat und Gesellschaft und liebt es, die Völker, die Fürsten, Adel und Ständeunterschiede haben, zu höhnen. Das ist aber nur Theorie, die Wirklichkeit beweist, daß auch in Freistaaten die Begierde nach äußerlichen Auszeichnungen sehr stark vorhanden ist. Die politischen Zustände ändern die menschlichen Leidenschaften viel weniger, als man glaubt. Kein Volk z. B. ist ordenssüchtiger als das fran­zösische, von dem man doch sagt, das Princip der Gleichheit sei bei ihm am meisten in Fleisch und Blut übergegangen. Jeder reich gewordene Handels­mann, Metzger, Bäcker u. s. w. in den Vereinigten Staaten läßt sich heute einen Stammbaum Herstellen, der um so besser bezahlt wird, je weiter er zu­rückreicht; aber mindestens muß er bis in die Zeit Wilhelms des Eroberers führen.

Und wir in der Schweiz? Es gibt bei uns Gegenden, in denen man am sichersten geht, jeden Mann, der nicht halbwegs wie ein Lümp aussieht, mitHerr Präsident" anzureden. Ist oder war er nicht Präsident irgend einer staatlichen oder Gemeindebehörde, so ist oder war er doch einmal Prä­sident irgend eines der unzähligen Vereine, an denen wir in der Schweiz so reich sind. Wer je einen solchen Titel erhalten hat, behält ihn für das ganze Leben.

Bekannt ist, wie wir den Gedanken an stehendes Militär mit Abscheu zurückweisen. Trotzdem gibt man jedem Offizier, schon vom Hauptmann an, den Titel auch in Friedenszeiten, nicht nur ihm, sondern auch seiner Frau. Frau Major",Frau Oberst" hört man immer und überall. Vom Lieute­nant aufwärts unterschreibt sich fast jeder Offizier auch in allen bürgerlichen Verrichtungen mit seinem militärischen Titel. Er unterläßt es nur, wenn er nebenbei auch noch etwa Regierungsrath oder Nationalrath oder sonst einen wohlklingenden Titel führt. In derOstschweiz" wird sogar dem Unteroffi­

zier im Bürgerkleide der militärische Rang nicht versagt und selbst die An­redeFrau- Feldwedel" ist nicht gar selten.

Indessen herrscht nicht nur die Titelsucht, sondern auch die Adelssucht in der freien Schweiz. Wir haben alte adelige Geschlechter, namentlich in den alten Patrizierstädten Bern, Freiburg, dann besonders in Graubünden, im Wallis, im Waadtlande, in Gens und Neuenburg. Viele dieser Familien können ihre Stammbäume ins tiefe Mittelalter zurückführen und haben einst in der Geschichte unseres Landes eine große Rolle gespielt, wie die Salis, die Planta in Graubünden, die Erlach und Wallenwyk rc. in Bern; andere haben ihren Adel erst im vorigen Jahrhundert erhalten oder sich, weil zu den regierenden Geschlechtern gehörend, beigelegt. Außerdem gibt es aber noch eine große Anzahl Namen mit einemvon" , wie die von Arx, von Burg, von Gonten, von Zobel, einfache Bauerngeschlechter, wie Deutschland solche auch hat. Die meisten Angehörigen dieser Geschlechter schreiben mit aller Sorgfalt diesesvon" klein, nur Wenige groß in Verbindung mit dem übri­gen Namen. Andere wieder sind es, die sich ganz willkürlich dasvon" bei­legen und also den Civilstand fälschen, die einen blos im Auslande, die an­dern auch zu Hause. Unterstützt werden sie in ihrem thörichten Beginnen durch den Besitz eines an den Adel anklingenden Namens, wie z. B. durch die Endung . . . berg" oder durch den Besitz eines mit adeligen Geschlech­tern gleichlautenden Namens, wie z. B.Salis", deren es viele durchaus bürgerlichen Ursprungs gibt.

Jüngst hat nun im Waadtlande eine Anmaßung der letzten Art zu einem Prozesse geführt, der einen überraschenden Ausgang nahm und vielleicht auch Ihre Leser interessiren dürfte.

Ein radicales Blatt in Lausanne hatte bei Anlaß der jüngsten National­rathswahlen dem conservativen Candidaten Aloys v. Meuron vorgeworfen, er führe den Adelstitel mit Unrecht und fälsche seinen Civilstand, er sei ein­facher Meuron. Es kam zur Klage und der Vertheidiger des Blattes wies unwiderleglich nach, daß der Vater des Klägers ganz willkürlich seinem Na­men einvon" vorgesetzt habe, denn er gehöre nicht zu den Meuron von Neuenburg, welche im vorigen Jahrhundert von den preußischen Königen geadelt wurden und heute noch rechtmäßig den Adelstitel führen, sondern stamme aus dem waadtländischen Städtchen Orbe, dessen Bürgermeister nichts von einem adeligen Meuron wisse und dessen Civilstandsamt bis auf den heutigen Tag sich weigerte, jenem Aloys von Meuron den Adelstitel zu geben. Trotzdem der Anwalt des Klägers diese Ausführungen nicht zu wiederlegen vermochte, wurde das Blatt doch wegen Beschimpfung zu einer namhaften Buße verurtheilt. Ein solcher Gerichtsspruch ist gewiß auffallend in einem Freistaate, der keinen Adel, kein Vorrecht der Geburt anerkennt, bei dessen Verfassungsrevision der Antrag auf Unterdrückung jeglicher Adelstitel jeweilen eine starke Minderheit auf sich vereinigt.

Einen ähnlichen Fall haben wir im Kanton Schwyz, wo auch ein Mann sich unrechtmäßiger Weise den Adels-, ja sogar den Grafentitel beigelegt und

öUtkkölOlt. (Nachdruck verboten.)

Der Sohn des tzöerwirths.

Kriminal-Novelle von Karl Zastrow.

(Fortsetzung.)

Das wußte er und darum nahm er die Todsünde des Vatermordes auf sich und sagte: Ja ich habe die That begangen, richtet mich, wie ich es verdiene! O, er ist ein so durch und durch edler, starker Charakter, er müßte Richter sein und über seine Henker urtheilen!"

Adelaide! Hättest Du das schöne, von Begeisterung strahlende Ge­schöpf gesehen, gesehen die zarten von schwärmerischer Glut überhauchten Wangen, die tiefen in der Verklärung edler Leidenschaft leuchtenden Augen. Du würdest, wie ich gerufen haben: dieses Weib ist des edelsten und besten Mannes würdig. Warum mußte es die ruchlose Hand eines Mörders sein, die dieses reine, zarte Herzensbündniß zerriß?

Ich erwiderte der jungen Frau, die nun mit einem Male so ent­schlossen und muthbegabt vor mir stand, wie sie noch vor Kurzem schwankend und kleinmüthig erschienen war, daß ich Aehnliches von vornherein vermuthet habe und lediglich nur zu dem Zwecke hergekommen sei, uin für mich allein vollständige Gewißheit zu erhalten. Und da erzählte sie mir denn die alte bekannte Geschichte, die ewig neu bleibt, und die sich wiederholen wird, so so lange es warme fühlende Menschenherzen gibt . . . Betty hatte an einer Augenkrankheit gelitten. Der Doktor Berklitz galt in Bezug auf derartige Kuren für eine Spezialität. Der Vater der jungen Dame kannte ihn indeß

persönlich. So wurde er konsultirt und es gelang ihm in verhältnißmäßig kurzer Zeit die Patientin herzustellen.

Betty und Julius lernten sich kennen und lieben. Der Vater schien den Wünschen seines einzigen Kindes nicht entgegen, und sie wollten sich heirathen, sobald die Praxis des jungen Arztes eine so ausgiebige sein würde daß er ein Haus machen konnte. Der Bankier Winterfeld galt für reich. Vielleicht war er's auch in der That. Wenigstens bewegten sich seine Unter­nehmungen auf soliden Grundlagen. Da erfuhr das Haus eine fürchterliche Erschütterung, der Sturz mehrerer anderer Bankhäuser drohte es mit in den Abgrund zu reißen. Hilfe that Noth, schnelle energische Hilfe. Betty's Vater hatte sich verleiten lassen, seiner Obhut anvertraute Gelder anzugreifen. Er bedurfte einer bedeutenden Summe, um der ewigen Schande, der Ver­zweiflung zu entgehen. Wohl fand sich ein rettender Engel. Der Guts­besitzer v. Friedberg zeigte sich bereit, einen Theil seines nach Millionen zählenden Vermögens dem Verzweifelnden zur Disposition zu stellen, aber er verlangte als Lohn dafür die Hand des reizendsten und liebenswürdigsten Mädchens. Der Geldmann stellte die Ehre des Hauses wieder her, aber das Glück nahm er für immer aus demselben hinweg.

.>vtty hatte sich entschlossen, das Opfer zu bringen. .In einem rühren­den ! ffe schrieb sie dem Geliebten, wie Alles gekommen sei, und nahm Absch von ihm. Sie bat den jungen Mann, sich in das Unabänderliche zu sügvu, denn es müsse sein.

Berklitz entsagte mit einer Ruhe und Ergebung, die für die Hoheit seines Charakters das beste Zeugniß ablegten. Nur um eine letzte Zusammen­kunft bat er die Heißgeliebte, und diese Bitte vermochte Betty nicht abzuschlagen.