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mittels Separatzuges nach Görz überführt. Die Gräfin und sämmtliche hier weilende Cavaliere reisen mit demselben Zuge nach Görz. Dort wird der Leichnam in feierlichem Aufzuge in das auf einem Berge gelegene Franziskaner-Kloster Costagnien überführt und in der unterirdischen Gruft, in der auch der letzte Bourbonenkönig Frankreichs, Karl X., und die Herzogin von Parma ruhen, beigesetzt. Die Mutter des Grafen ist in der Schloß­gruft in Mureck bei Brunnsen in der Nähe von Görz beerdigt. Die feier­liche Einsegnung in Frohsdorf wird der Päbstliche Nuntius Monsignore Vannutelli vornehmen. Heute langte hier der Secretär desselben an, um Verfügungen zu treffen.

DerNational", das Organ Chalemel Lacours, bittet seinen In­spirator, die Erwiderung auf dieFrechheiten" derN. A. Ztg." ganz der französischen Presse zu überlassen und sich nicht einzumischen.Käme es zum Kriege, so stünde Frankreich allein und keine fremde Macht würde Bismarck in den Arm fallen, selbst von Rußland sei dieser Dienst nicht zu erwarten." Das ist sehr vernünftig gesprochen und man sieht daraus, daß die deutsche Warnung gewirkt hat. Während man bis vor wenigen Tagen einstimmig nach der Wiederherstellung des Zustandes vor 1870 und nach der Bundes­genossenschaft mit allen Feinden Deutschlands geschrieen hat, will man jetzt mit einem Male einfriedliches Einverständniß" mit dem mächtigen Nachbar. DieRöp. franq." spricht die Hoffnung aus, der Hintergedanke des Artikels derN. A. Ztg." werde in der bevorstehenden deutschen Reichstagssession enthüllt werden. Heute findet das Isch i'a - Fest statt. Die Betheiligung wird eine sehr große. Der italienische Gesandte, der auf dem Lande weilt, wird dem Fest übrigens nicht beiwohnen. Auch das AlbumParis-Jschia" ist erschienen.

England.

London, 27. Aug. Aus Batavia wird gemeldet: Vergangene Nacht gab es auf der vulkanischen Insel Krakatoa furchtbare Eruptionen, welche bis Surokarta gehört wurden, der Aschenregen siel bis Tjeribon und die Feuererscheinungen waren in Batavia sichtbar. Serang ist vollständig in Dunkelheit eingehüllt; ausgeworfene Steine sind dort niedergefallen. Auch in Batavia herrschte vollständige Finsterniß; alle Gaslampen sind gestern Abend verlöscht. Der Verkehr mit Anjer an der Westküste ist unterbrochen; es werden Befürchtungen für diesen Ort gehegt.

Tages - Neuigkeiten.

Calw, 29. Aug. Am letzten Sonntag war es unserer Stadtkapelle wieder einmal vergönnt, ein Garten-Concert, vom besten Wetter begünstigt, im Thudium'schen Garten abhalten zu können. Der Besuch war deßhalb ein nicht ungewöhnlicher. Mit Freuden konnte man wahrnehmen, daß trotz der öfteren Ungunst der Witterung für die hies. Stadtkapelle, dieselbe doch nicht erlahmt, sich zu vervollkommnen, auch zeigte das Programm verschiedene neue Nummern. Am 22. und 23. Sept. werden vom bad. Drag.-Regmt. Nr. 21 (Bruchsal) die 5. Eskadron (4 Offiziere, 14 U'offiziere und 95 Ge­meine) hier einquartiert. Althengstett und Neuhengstett erhalten die 4. Es­kadron. Musik wird keine mitkommen. Als patriotischen Beitrag zur Feier des Nationalfestes werden etwa 12 Schüler des ReallyceumsZio's Opferwahl" d. h. eine Scene aus WeinlandsKuning Hartfest" dramatisch in der Turnhalle aufführen. Die Scene schildert die ersten Kämpfe der Deutschen mit den Römern, wobei neben deutscher Tapferkeit und Biederkeit auch edler Römersinn zur Geltung kommt. Die erste Aufführung soll am Samstag, Abends 5 Uhr, bei freiem Entree stattfinden und wird am Montag bei beliebigem Entree zur Deckung der Kosten wiederholt.

Wildbad, 27. Aug. Das Hotel de Russie von Fr. Comberger ist sammt Inventar in den Besitz des Eugen Wetzel zum König!. Badhotel um den Preis von 200,000 übergegangen.

zv. 6. Stuttgart, 27. Aug. Der Schreinerstreik hat unserer Polizei schon viel zu schaffen gemacht, namentlich in den letzten Tagen. Vor­gestern ist wieder eine größere Zahl von Arbeitern in Folge Auftrags von

Wien hier angekommen und sofort bei den Fabriken, die noch nicht wieder voll versehen sind, in Arbeit getreten. Es war ihnen eine Lohnversprechung gemacht, die auf der Voraussetzung beruhte, daß sie gleich leistungsfähig seien, wie die hier in Arbeit gestandenen und nun streikenden. Diese Voraussetzung erfüllte sich aber nicht; sie konnten in ihren Leistungen den Anforderungen, die bei den hiesigen Geschäftsverhältnissen an sie gestellt werden mußten, nicht genügen und da sie somit nicht so viel verdienen konnten, als sie zu er­warten glauben durften, stellten sie die Arbeit selbst wieder ein. Ein Theil ist sofort wieder abgereist, ein anderer ohne die nöthigen Mittel dazu, treibt sich noch hier herum und soll sich an den österreichischen Gesandten, um die Mittel zur Heimreise zu erhalten, gewendet haben, die er aber nicht abgeben zu können erklärte. Nur ein kleinerer Theil blieb in Arbeit und kann ge­nügen. Uebrigens sind die meisten der ursprünglich Streikenden, soweit sie sich nicht von hier entfernt hatten, wieder in Arbeit getreten und unter den früheren Bedingungen.

Reutlingen, 27. Aug. Als Curiosum wurde der Reutl. Ztg. eine Kartoffel, welche durch die Höhlung eines größeren Knochens gewachsen ist und einen absonderlichen Anblick bietet. Gestern wurden in einem Wein­berge an der Achalm neben gefärbten Trauben noch blühende Trauben ge­funden. Auch Aepfelblüthen auf reich mit Früchten beladenen Bäumen sind Heuer vielfach zu sehen.

Biberach, 27. August. Vergangene Nacht kurz nach 1 Uhr ertön­ten die Landfeuersignale. In Rindenmoos war das große Oekonomiewesen von Jäckle in vollen Flammen. Das Gebäude, welches zum Theil mit Stroh gedeckt war, wurde vollständig ein Raub der Flammen. Ein Füllen, zwei Schweine und sämmtliches Mobiliar, wie alle Futter- und Getreidevorräthe sind verbrannt. Mit Mühe nur konnten die Bewohner ihr Leben retten und unter großer Gefahr den Viehstand in Sicherheit bringen. Hilfe war von den Einwohnern von Rindenmoos schnell bei der Hand und es wurde durch die energische Thätigkeit der herbeigeeilten Mannschaften von Reuthe, Biberach und Mittelbiberach weiteres Unglück verhütet. Der Beschädigte ist versichert. Brandstiftung wird vermuthet.

Ulm, 27. Aug. Die Betheiligung an dem 20. oberschwäbischen Schützenfest, das gestern hier begonnen hat, ist eine sehr starke. Das Schießen in der Friedrichsau begann um 1 Uhr Nachmittags. Die Ausstellung der Preise und Ehrengaben weist in erster Reihe einen prächtigen Goldpokal auf, den die Stadt Ulm gestiftet hat. Die Stuttgarter Schützengilde hat durch Oberschützenmeister Föhr einen schönen Pokal überreichen lassen; vom hies. Schützenverein und den Schützengesellschaften der anderen Städte sind zahl­reiche weitere Ehrengaben eingelaufen; besonders reich ist die Jndustriescheibe dotirt. Den ganzen Nachmittag bis 6 Uhr wurde lebhaft geschossen. Abends 8 Uhr versammelten sich die Schützen und Festgäste in der Krone zu einem Bankett. Dabei wurde das 25jährige Jubiläum des Oberschützen­meisters Angele von Biberach gefeiert, der seit dem Bestehen des Bundes der Schützenvereine in Oberschwaben diese Ehrenstelle bekleidet. Heute ist die Fortsetzung des Schisßetis ; Abends Preisvertheilung.

Vaihingen a. E., 27. Aug. Das gestrige Fest des 25jährigen Bestehens unserer sreiw. Feuerwehr nahm, vom schönsten Wetter be­günstigt, einen glänzenden Verlauf. Von den eingeladenen württ. und bad. Feuerwehren waren 59 theils durch Abgesandte, theils durch ganze Abthei­lungen vertreten, die 21 Bezirksfeuerwehren waren fast vollzählig erschienen. Die Zahl der Mannschaften betrug 2200. Der großartige Festzug wurde, nachdem der Aufmarsch der einzelnen Feuerwehren, wovon 5 ihre Musik mit­gebracht hatten, vollendet war, in der Grabenstraße geordnet und reichte bis herauf zum Oberamt. In demselben befanden sich auch sämmtliche Feuer- löschgeräthschaften der hiesigen Feuerwehr. Um ^11 Uhr setzte er sich in Bewegung und kam durch die Kleinglattbacher, Stuttgarter Straße an das Enzweihinger Thor, von dort durch die Stuttgarter und Mühlstraße an das Jllinger Thor, von da zurück auf den Marktplatz, wo sich die sämmtlichen Feuerwehren auf der Straßenseite und neben dem Rathhaus aufstellten. Nachdem sodann Stadtschultheiß Dieterich die Festgäste bewillkommt und noch paffende Worte über die Bedeutung des Festes gesprochen, sowie der

Punkt vollständig aufgeklärt war. Ich warf hastig einige Zeilen auf ein Blatt Papier und adressirte sie an den Polizei-Anwalt des Städtchens. Sie hatten den Zweck, die Wachsamkeit hinsichtlich des Schauspielers nicht eine Minute lang aus den Augen zu lassen. Daraus reiste ich unverzüglich nach der Hauptstadt und begab mich ohne Weiteres zu der Zimmervermietherin, bei welcher der Doktor Berklitz vor seiner Verhaftung gewohnt hatte."

Ich gewann ihr Vertrauen sofort als ich mit jener geheimnißvollen Art, welche für Frauen so große Anziehungskraft besitzt, ihr mittheilte, daß ich von oben her beauftragt sei, Materialien für die Unschuld ihres Miethers zu sammeln. Sie zeigte sich sogleich bereit, mir das Zimmer des jungen Mannes zu erschließen. Die Polizeimänner wären zwar schon einmal zur Haussuchung dagewesen, sonst aber wäre nichts verändert, es läge noch Alles so, wie es von Anfang an gelegen und würde auch so bleiben, bis der Herr Doktor zurückkehre. Sie war im Uebrigen unerschöpflich im Lobe ihres Miethers und schien felsenfest von seiner Unschuld überzeugt."

Die Wohnung des jungen Mannes machte einen durchaus wohlthuen- den Eindruck. Die Ausstattung bot nach keiner Richtung hin etwas beson­ders Auffälliges. Ein umfangreiches Bücherspinde, mit Lexikons und wissen­schaftlichen Werken angefüllt, stand neben dem Schreibtisch. An den Wän­den hingen die Bilder berühmter Aerzte, wie Boerhave, Hufeland, Tiffot u. s. w. Die Schubläden waren unverschlossen und was nicht von Briefen, Notizen und sonstigen Schriftstücken zu den Untersuchungsakten genommen war, lag wohlgeordnet, in kleinen Päckchen aufgeschichtet, neben einander. Eine beinahe peinliche Sauberheit und Sorgfalt verriethen die chirurgischen Instrumente. Es hätte aller weitläufigen Verhandlungen gar nicht bedurft, um festzustellen, daß die Jugend des Verhafteten in unausgesetzter anstrengen­der Geistesarbeit und praktischer Thätigkeit verstrichen war."

Und doch war es mir, als müsse ich nach dem Sonnenstrahl suchen, der dieses öde Dasein erwärmt, nach der blauen Blume, deren köstlicher Blütenduft und Farbenschmelz dem jungen Mann Lust und Liebe zu der ernsten Thätigkeit, Muth und Ausdauer in seinem schweren Wirken verliehen hatten. Und ich suchte bis zur Müdigkeit und Erschöpfung. Ich hatte bald jedes Blättchen gemustert, ich hatte einen großen Theil der Bücher durch­blättert in der Hoffnung einen Fingerzeig zu finden, der mich zu der ge­heimnißvollen Blume Wunderhold hätte geleiten können. Da zuletzt, ganz zuletzt als ich fast schon verzweifelte, komme ich auf den Gedanken, die unterste bisher nicht beachtete Reihe der in dem Bücherschrank befindlichen Bände gleichfalls einer Musterung zu unterziehen. Cs waren alte vergilbte Scharteken zum Theil in Schweinsleder gebunden, doch mochten sie für den Mann der Wissenschaft von Interesse sein. Und kaum hatte ich einen dieser Riesen hinweggeräumt, als mein Auge auf den mit Gold verzierten Rücken eines äußerst elegant gebundenen Buches fiel. Das blühende Leben unter tobten Gespenstern? Mit diesem Gedanken riß ich den Band an mich und gewahrte im selben Augenblick, daß ich ein Photographie-Album in der Hand hielt. Wie mochte der Fund der Spürnase der Polizei-Vigilanten entgangen sein? Ich hielt mich keine Secunde lang bei diesem Gedanken auf, denn schon passirten die Bilder aller derjenigen Persönlichkeiten, welche dem Be­wohner dieses Zimmers nahe gestanden haben mochten, vor meinem Auge Revue: Vater und Mutter, Vettern und Basen, Studiengenossen und dank­bare Patienten und auf der letzten Seite ein unnennbar schönes, von rühren­der Melancholie und einer sanften Schwärmerei angehauchtes Mädchengesicht."

(Fortsetzung folgt.)