Uro. 97.

58. Jakrgang.

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Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 17. Aug. Der Kaiser hat für I s ch i a 50,000 gegeben. Gestern hat der Kaiser die Neuangekommenen türkischen Offiziere in Audienz empfangen. Wie dieNat.-Ztg." wissen will, hat der Kaiser den König Alfons von Spanien telegraphisch wegen der glücklichen Unter­drückung des Aufstandes beglückwünscht. Morgen (Samstag) findet die Taufe des neugeborenen Sohnes des Prinzen Wilhelm im königl. Stadt­schlosse zu Potsdam statt. Als Taufkapelle ist das Bibliothekzimmer Fried­rich des Großen hergerichtet. Die Prinzessin Wilhelm wird dem Akt bei­wohnen. Der Kaiser wird seinen Urenkel selbst über die Taufe halten. Der Geburtstag des Kaisers von Oesterreich wird heute sowohl bei Hofe als von Seiten der hier lebenden Oesterreicher in solenner Weise be­gangen. Am Samstag findet ein Festbankett im Norddeutschen Hofe statt.

Zu dein Schreiben des Kronprinzen an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck vom 10. August bemerkt dieProvinzial - Corresp.": Zum ersten Male seit Begründung des Deutschen Reiches ist die Nation Namens des Reichs zur Betheiligung an einem Unternehmen aufgerufen worden, das einen außerhalb des Kreises unserer nächsten Interessen liegenden Zweck verfolgt. Neben dem bewältigenden Eindruck, den das schreckensvolle Ereigniß selbst macht, wird dieser Umstand dazu ausreichen, Herzen und Hände der Deutschen einer Sache zu öffnen, deren ersprießliche Durchführung zugleich eine menschliche und eine nationale Ehrensache geworden. DieWiener N. Fr. Pr." meint, daß diese Aeußerung des Organs der preußischen Re­gierung keinen Zweifel an dem politischen Charakter der Sammlungen von Jschia zulasse. Sie bemerkt darüber:. ».

Man hat in Italien seit längerer Zeit auf einen Beweis der Freund­schaft aus Deutschland geharrt, wohl auch darüber geklagt, daß^die beiden Kaisermächte das Entgegenkommen Italiens etwas spröde hinnehmen. Nun wird man wenigstens in Bezug auf Deutschland jenseits der Alpen nicht mehr sagen können, daß man die Werbungen des Südens unerwidert lasse. Der Schritt des deutschen Kronprinzen dürfte in den Annalen der Höfe kaum seinesgleichen haben und führt aus den engen Rahmen der herkömm­lichen Etiguette heraus. Darum wird er auch in Italien einen tiefen und nachhaltigen Eindruck Hervorbringen. Ueberall in Italien wird der Brief des deutschen Kronprinzen von den unzähligen kleinen Blättern des Landes bis in die entlegensten Städte verbreitet, gelesen und beklatscht werden; überall wird man sagen: Die Deutschen sind wahrhaft unsere Freunde, sie springen uns in der Noth bei, und während in Paris nur Schriftsteller und Künstler unser gedenken und die offizielle Welt sich fernhält, tritt in Deutschland der Erbe der Krone mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit für das wohl- thätige Werk ein, das unseren unglücklichen Landsleuten zugute kommen soll. Das Schreiben des Kronprinzen ist der Menschenliebe entsprungen, aber

ein wenig hat. auch die deutsche Staatskunst daran Theil. Man wollte die Gelegenheit ergreifen, um den Italienern ein Zeichen der deutschen Freund­schaft zu geben. Keine ministerielle Rede, keine offizielle Kundgebung irgend welcher Art konnten die Herzen der Italiener sicherer erobern, konnten sie besser davon überzeugen, daß sie an dem Deutschen Reiche einen ehrlichen und verläßlichen Verbündeten errungen habe, als die seltene Erscheinung, daß der Kronprinz des mächtigsten Staates in Europa einen Aufruf zu milden Sammlungen für fremde Unterthanen erläßt. Sein Brief ist ein Seitenstück zu dem Schauspiele, das er den Römern geboten, als er mit dem kleinen Prinzen von Neapel im Arme auf den Balkon des Quirinals hinaustrat, um dem Volke der italienischen Hauptstadt seinen künftigen König zu zeigen. Derselbe Jubel, der ihm damals eutgegentönte, wird jetzt seinen Brief begrüßen, denn dieser ist von der nämlichen Eigenschaft diktirt, die jene Balkonscene veranlaßte und an Fürsten über Alles hochgeschätzt wer­den muß: von einfacher natürlicher Herzlichkeit.

Potsdam, 19. Aug. Die Taufseierlichkeiten des am 7. Juli d. I. geborenen zweiten Sohnes Sr. königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm hat in Gegenwart der höchsten und allerhöchsten Herrschaften, sowie der geladenen fürstlichen Gäste stattgefunden, der neugeborene Prinz erhielt die Namen Wilhelm, Eitel, Friedrich, Christian, Carl.

Italien.

Aus Cas amicciola, den 13. August schreibt man derFrkf. Ztg.": Seit einigen Tagen befinde ich mich mit mehreren jungen Leuten der Neapler deutschen Kolonie auf Jschia, um, so viel es geht, den Mitgliedern des Rothen Kreuzes" beizustehen. Man macht sich trotz aller Berichte in den Zeitungen keinen Begriff von der Größe des Unglücks und der Zerstörung. Das Wetter ist schlecht, es regnest; die Leute, sind in Baracken untergebracht, uüd- es ist ein entsetzlicher Anblick, dieselben vom Nöthigsten entblößt, frierend und weinend umherlaufen zu sehen. Wir theilten Brod, Lebensmittel und Kleidungsstücke aus.

Frankreich.

Das Befinden des Grafen vvn Chambord gab in den letzten Tagen zu sehr ernsten Besorgnissen Anlaß, daß man bereits den Beginn des Todes, kampfes Melden zu müssen meinte. Seit gestern Nachts scheint eine geringe Besserung eingetreten zu sein. Bis zum Montag konnte zwar die Ernährung nicht recht bewerkstelligt werden, seither nimmt aber Graf von Chambord Pepsin in Pulverform, welches den Magen bedeutend kräftigte. Gestern ge­noß der Graf Fleischbrühe, Bordeaux, Bratensaft und behielt Alles bei sich. Die Hauptsorge ist jetzt darauf gerichtet, den Kranken auch fernerhin zu er­nähren. Wenn dies, wie die Aerzte hoffen, gelingt, kann der Patient viel­leicht noch einige Tage leben. Seine Kräfte sind jedoch in einem Grade aufgezehrt, welche dem Patienten die Annahme von Besuchen verbietet. Die Wiener Aerzte befinden sich gegenwärtig wieder an seinen! Krankenbette, haben aber wenig Hoffnung. Die legitimistische Partei wird, wie es heißt, in Zu-

Feuilleton.

(Nachdruck verboten.)

Der Sohn des tzöerwirths.

' Kriminal-Novelle von Karl Zastrow.

(Fortsetzung.)

Ja, ich liebe ihn, Oheim. und nie werden die Jntriguen seiner Cök- legen mich dahin bringen, ihm auch nur den kleinsten Theil meiner Achtung und Liebe zu entziehen."

Der Bürgermeister zuckte leicht die Schultern. Er hatte kerne Lust, heute mit seiner Nichte über dieses Thema eine aufregende Diskussion zu führen. So schwieg er denn und nahm die unterbrochene Zeitungslektüre wieder aus. Jur Stillen tröstete er sich mit dem Gedanken daß Adelaide noch jung sei und mit dem Heirathen sich nicht zu übereilen brauche. Mit der Zeit mußte sie ja vernünftig werden und sich den Abenteurer aus dem Sinn schlagen, der brod- und namenlos durch die Welt irrte. So dachte der würdige Herr Bürgermeister. ,

Tage und Wochen schwanden. Die Physiognomie der kleinen Stadt veränderte sich wenig, aber die Natur legte allmälig ihr herbstliches Ge­wand an. ....

In die einsame Zelle des Gefangenen drang nur selten ein freund­licher Lichtstrahl. In peinlicher Langeweile schwanden ihm die Tage hm, Die lange Haft, die qualvolle Ungewißheit hatten die Farbe der Gesundheit

aus seinem Antlitz verdrängt, das Feuer seiner Augen gedämpft, die Be­weglichkeit seiner Glieder gebrochen. In stiller Resignation sah er seinem Schicksal entgegen.

Da endlich drang die Nachricht an sein Ohr, daß die Geschworenen zusammen seien und die öffentliche Gerichtsverhandlung in den nächsten Ta­gen beginnen werde. Eine fieberhafte Aufregung durchzuckte alle Schichten der Bevölkerung. Von nah und fern strömten die Neugierigen herbei und der Andrang zum Sitzungssaal war ein ungeheürer. Nur der kleinste Theil des schaulustigen Publikums konnte mit Einlaßkarten bedacht werden. Die größere Mehrzahl war auf die nach außen dringenden Gerüchte angewiesen.

Dichtgedrängt saßen die Zuhörer auf den Tribünen. Aller Augen waren auf den Angeklagten gerichtet, der blaß und gesenkten Hauptes dasaß.

Die Verhandlungen begannen und die Zeugen wurden vernommen. Die Wagschale stieg bald zu Gunsten, bald zum Nachtheil des Jnculpaten. So wollten einige dem Doktor nahestehende Personen diesen stets mit einer gewissen Achtung von seinem Vater haben sprechen hören, wogegen wieder andere versicherten, daß die Feindschaft zwischen Beiden geradezu einen dä­monischen Charakter getragen habe, und ein tödtlicher Ausgang auf der einen oder anderen Seite als unvernreidlich vorausgesehen worden sei. Fer­ner sollten nach der Aussage Martins die Art der Banknoten, welche man bei Berklitz vorgefunden hatte, in der Eberschenke gar nicht im Verkehr ge­wesen sein, wogegen wiederum Zeugen mit der Behauptung des Gegentheils auftraten. Als den vertrautesten Freund des Doktors, für den er die Bürg­schaft geleistet, hatte man bald den einen., bald den anderen alten Nniverfi-

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