390
Tages - Neuigkeiten.
Stuttgart, 14. Aug. Gestern gelang es, einem frechen, schon eraume Zeit fortgesetzten Diebstahle auf die Spur zu kommen. Im See- ade der Neuner'schen Badeanstalt wurden im Laufe des Sommers mehreren Badegästen aus den Ankleidekabineten Uhren, Börsen und andere Werthgegenstände gestohlen, ohne daß man sich über die Person des Diebs Klarheit verschaffen konnte. Gestern Abend nach 7 Uhr wurde nun einem hiesigen Generalagenten, während derselbe badete, ein Betrag von 75 »tL, einem andern Herrn 47—50 ^ und einem dritten ein Schlüsselchen zu einem in der Badeanstalt angebrachten und zur Aufbewahrung der den Badenden gehörigen Werthsachen dienenden Behälter entwendet. Der Verdacht fiel auf einen 15jährigen Burschen, der eben dabei von einem Herrn betreten wurde, als er besten Portemonnaie einer Besichtigung unterzog. Außer dem zweitgenannten Betrage wurde alles Gestohlene bei dem Bürschchen gefunden, der überdies eine Anzahl Zwicker, Stecknadeln rc. in seinen Badhosen am Leibe trug. Durch das rasche Eingreifen des Schwimmmeisters Scheel wurde der jugendliche Dieb sofort in dem Berger Ortsgefängniß untergebracht; derselbe ist der Sohn eines hiesigen Schneiders.
Aus dem badischen Seekreis, 10. Aug. Bei den gegenwärtig stattfindenden Prämirungen von Zuchtstuten und Stutfohlen stellt sich ein bedeutender und erfreulicher Fortschritt in der Pferdezucht heraus. Wenn in den nächsten Jahren gleich systematisch so fortgezüchtet wird, werden wir die Thatsache erleben, daß die so viel geschmähte Pferdezucht auch für den kleinen Landwirth eine reiche Erwerbsquelle wird. Die Nachfrage nach Pferden ist zur Zeit sehr stark. Für ein Saugfohlen wurden kürzlich 740 und für ein zweijähriges 735 erlöst. Das ist gewiß ein Erträgniß, wie es bisher bei keinem andern landwirthsch. Betriebszweige erzielt werden konnte. Die Leute sehen aber auch ein, daß sie die guten Zuchtstuten auch behalten müssen und nicht verkaufen dürfen. Ein gutes Hengstmaterial genügt nicht; der Züchter muß die besten Stutenfohlen zur Aufzucht behalten. Um die Pferdezucht in Baden haben sich Medicinalrath Lydtin und Oberst v. Chelius in den letzten Jahren besonders verdient gemacht.
London, 15. Aug. Zwei große Feuersbrünste rötheten am Dienstag den nächtlichen Himmel Londons, der bis zum Tagesgrauen von einer feurigen Glut übergossen war. Beide Feuer wütheten im Süden der Stadt am rechten Themseufer. Das eine zerstörte gänzlich die Firniß- und Lackfabrik von Noble u. Hoare in Lambeth, das andere verwandelte das Hanf- und Jutewaarenhaus von I. Cook u. Co. in einen Aschenhaufen. Die 9 Dampffeuerspritzen, welche vor dem letzteren Gebäude angefahren kamen, waren dem wüthenden Elemente gegenüber machtlos.
Vermischtes.
— Prof. Palmieri ist bei seiner Ankunft auf Jschia vom Minister Genala empfangen worden; Palmieri nahm einen Rundgang auf der ganzen Insel vor und machte an den Stellen, die am meisten gelitten hatten, vorläufige wissenschaftliche Beobachtungen. Er erklärte sich mit dem Orte, wo der Minister die Baracken für die Einwohner errichten ließ, einverstanden, da er denselben für den Fall fernerer etwaiger Erdstöße günstig gelegen fand.
— Die Germania auf dem Niederwald. Von der monumentlalen Größe und erhabenen Idealität dieser herrlichen Frauengestalt, die wie ein hohes Lied in Stein in vollendetem Rhythmus kühn und gewaltig dasteht, i» stolzer Begeisterung die Krone des wiedergeeinten Reichs hoch in der Rechten über dem mit Eichenlaub bekränzten Haupte schwingend und die kraftvolle Linke auf das lorbeerumwundene Riesenschwert stützend, kann eine Beschreibung natürlich nur ein schwaches Bild geben; da aber wenige unserer Leser dies Meisterstück nicht so leicht zu Gesicht bekommen werden, so sei hier eine kurze Schilderung nach der Magd. Z. gegeben. Photographien sind in Dresden erschienen. Das Antlitz der Germania, nicht zu jugendlich, sondern dem einer vollen, reifen Frauenschönheit entsprechend, umwallt von reichem welligem Haar, das über den Rücken fluthet, ist, wie es gleichsam von innerer Bewegung durchglüht in die Ferne weithin über den Strom der Ströme
Der alte Herr gerieth in Verlegenheit. Er hatte diese Frage nicht erwartet. Ein plötzliches Vorgehen in irgend einer Angelegenheit war gar nicht seine Sache. Er haßte alle aufregenden Erörterungen, die aus gegenseitiger offener und unverhüllter Aussprache entspringen. Er hatte es am liebsten, wenn eine Sache sich allmälig und von selber machte, wußte er doch aus Erfahrung, daß man entschlossenen weiblichen Charakteren gegenüber Diplomat sein muß, weil man mit schroffer Vertheidigung seiner Ansicht nur zu häufig das schnurgerade Gegentheil bezweckt.
„Mein liebes Kind," erwiderte er bedächtig, „Herr Sternberg ist ein vortrefflicher Mensch, das läßt sich nicht leugnen; aber er ist kein guter Beamter und wird nie einer werden. In dieser Beziehung muß ich mich wohl oder übel dem allgemeinen Urtheil anschließen."
„Zweifelst Du an Sternberg's geistiger Begabung, lieber Oheim?"
„Das nicht gerade .... aber es ist noch mehr von Nöthen: Klugheit, Scharfsinn, Energie, gerade diese Eigenschaften sind es, die man von einem Kriminalbeamten verlangt. In wie geringem Maße er sie besitzt, hat er hinlänglich bewiesen."
„Ich bin im Gegentheil der Ansicht, lieber Oheim, der gewiegteste Polizeimann hätte sich in einem so schwierigen Falle wie der Berklitz'sche, nicht mit größerer Umsicht und Energie benehmen können. Hättest Du es der Mühe werth gehalten, Dich von den Maßnahmen ernstlich zu unterrichten, die er in dieser Angelegenheit als Kommissär gethan, Du würdest erstaunt gewesen sein über die Geistesgegenwart und Unerschrockenheit, welche er an den Tag gelegt hat."
„Mag sein, wir wollen nicht darüber streiten. Allein Eines wirst Du
schaut, von hinreißender Schönheit. Meister Schilling soll diesen Zügen und diesem Kopf eine gewisse Aehnlichkeit mit seiner ältesten Tochter gegeben haben. Auch das lange, blonde Haar seines Kindes — alle Schilling'« können sich dieses Schmuckes rühmen — entsprach völlig dem Typus der deutschen Maid, als welche selbstverständlich die Germania, diese Personifikation der edelsten Leidenschaften und des besten Wesens des Deutschthums, darzustellen war. Die mächtige Brust deckt ein Brustpanzer, auf dem der deutsche Reichsadler als Flachrelief erscheint. Unterhalb des Panzers und an den entblösten Armen wird ein Kettenhemd sichtbar. Um die Schultern ist ein schwerer, vorn durch eine Agraffe zusammengehaltener Mantel geschlungen, der nach hinten und mehr zur Linken der Gestalt herabwallt und sich theilweise über den Sessel legt, rechts hingegen, in der Höhe der Hüften, durch den mit Löwenköpfen besetzten Schwertgürtel ausgenommen ist und sich vorn mit dem einen Zipfel um Taille und Leib legt. Unterhalb dieser Draperie wird das zu den Füßen in breiten Falten herabfließende Untergewand sichtbar. Der Mantel ist mit einem breiten Saum umgeben, auf welcher Adler von jeder eigenthümlich birnenförmigen Gestalt, der Textil-Adler des Mittelalters, aufgelegt sind. Eine Borte von kastenförmig gefaßten und zu Rosetten und Sternen vereinigten Edelsteinen schließt den Saum nach dem äußeren Rwde hin ab. Das Untergewand ist mit aufsteigendem Rankenwerk, dem UM Schwäne, dann Drachen, Raben, springende Hirsche, Tauben u. s. w. einge- fügt sind, auf gewebeartig ciselirtem Grunde prächtig gemustert. Behufs Ausführung dieser Musterung machte Schilling vorzugsweise Studien an dem herrlichen Grabdenkmal Kaiser Maximilian's in der Hofkirche zu Innsbruck. Das herrliche Standbild ist allein 10 Meter hoch. Das Gußmodell desselben mußte in etwa 5 oder 6 Stücken aufgebaut werden. In Summa wog es etwa 700 Ctr., und für dieses Gewicht war auch die Drehscheibe, auf welche es in dem engen Atelier stand, berechnet. Die riesigen Gipsmassen zu bewältigen und „anzupacken," wie der Kunstausdruck lautet, war ein schweres Stück Arbeit. Oft lösten sich plötzlich einzelne Theile los und fielen herab. So stürzte die mehrere Ctr. schwere linke Hand, welche den Griff des etwa 7>/z Meter hohen Schwertes umfaßt, als sie noch ohne diese Unterstütznng war, aus jener bedeutenden Höhe nieder, schlug den Boden des Gerüstes durch und grub sich tief in die Erde ein. Aber alle Schwierigkeiten wurden von Meister Schilling und seinen Gesellen glücklich überwunden und so steht das Denkmal denn da, Deutschland zur Ehr, dem Feinde zur Warnung für alle Zeiten. —
— Vom Rhein wird der „Kobl. Volks-Ztg." geschrieben: „Gibt es doch überall Druckereien, welche allerlei Schund drucken und verbreiten, so namentlich auch in Reutlingen in Württemberg. Fällt mir da dieser Tage ein solches Reutlinger Büchlein in die Hände, welches Prophezeiungen für die nächsten 7 Jahre enthält. Darin wird nebst anderem Unsinn für den 11. Juni 1886 die Erfindung einer Flugmaschine prophezeit, dieselbe soll in einem einfachen Draht bestehen, mit welchem umwickelt man sofort durch die Luft fliegt. Wir wünschen, daß Verfasser und Verbreiter dieser Prophezeigng von Amtswegen mit diesem Draht umwickelt an die Lust gesetzt werden. Ferner wird für 1886 der Untergang der katholischen Kirche angekündigt; die Altkatholiken sollen dann Herren der ganzen Welt sein u. s. w.
Calw.
Eanäwirt^iHaMcker Oezirksoerem.
Die Wetterprognosen betr.
Nach einer Mittheilung der K. Centralstelle für Landwirtschaft werden von jetzt ab bis auf Weiteres die Wetterprognosen der meteorologischen Centralstation mit dem Abends 655 von Stuttgart nach Calw abgehenden Zuge an alle Stationen zum Anschlägen am Stationsgebäude abgegeben, wovon wir die Bewohner der an der Bahn liegenden Orte hiemit in Kenntniß setzen.
Calw, 15. Aug. 1883.
Der Vereinsvorstand:
F l a x l a n d.
E. Horlacher, Secr.
mir zugeben: der junge Mann besitzt ein eminentes Talent, sich alle Welt zum Feind zu machen. Hat man einen Auftrag glücklich zu Ende geführt, so soll man als Beamter bescheiden in den Hintergrund zurücktreten und dem Vorgesetzten die Ehre überlassen, der ja auch in den meisten Fällen die Verantwortung tragen muß, sie sogar tragen muß, wenn , das Unternehmen einen schiefen Ausgang genommen. Siehst Du, Adelaide, daß ist die Quintessenz aller amtlichen Grundsätze, die Hauptmaxime des Kardinals Richelieu, der bekanntlich auch ein großer Beamter war, deren Kenntniß jedoch unserem guten Sternberg vollständig abgeht ... und darum wird er es im Leben zu nichts Rechtem bringen."
„Ja, lieber Oheim, Du hast Recht," versetzte Adelaide mit eisiger Kälte und dabei erhob sie sich von ihrem Sitze und trat mit Blitzesschnelle einen Schritt zurück, „Du hast vollkommen Recht — eine Bedientenseele ist der Georg nicht. Seine Ansicht spricht er offen und ehrlich aus und hängt den Mantel nicht nach dem Wind. Hat er einen Auftrag gewissenhaft und mit Glück ausgeführt, so freut er sich dessen, und hat ein Vorgesetzter einen Fehler gemacht, so läßt er sich denselben nicht in die Schuhe schieben, sondern sagt unerschrocken Jedem, der es hören will, seine Meinung. Natürlich solch ein Untergebener ist wenig beliebt. Ein solcher Arbeiter wird auf die Dauer unbequem und lästig. Man könnte ja eines schönen Tages plötzlich an maßgebender Stelle die enormen Fähigkeiten entdecken und andere Hohlköpse seinetwegen zurücksetzen!" ..
„Adelaide," warf der alte Herr ein, „Du vertheidigst Sternberg, weit Du ihn liebst . ."
(Fortsetzung folgt.)