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gewähren, und so geschah denn, was geschehen mußte: es erhob sich ?in Aufstand gegen den an den Sitten seiner Väter untreu gewordenen Fürsten, der es nicht vermocht hatte, die Zerstückelung seines Landes zu verhindern. Jedenfalls wird kein neuer Beherrscher des Zululandes für England jene Ergebenheit haben, wie der von den Aufständischen erschlagene Ketschwayo, und dessen Tod hätte sich so leicht verhindern lassen, wenn man ihm so lange den nothwendigen Schutz hätte angedeihen lassen, bis die Verhältnisse im Zululande consolidirt und die Folgen der Veränderungen, die der Krieg herbeigeführt hatte, überwunden worden wären.
Wie sich die Dinge nunmehr im Zululande gestalten werden, läßt sich schwer voraussehen, jedenfalls wird es wiederum einer Englischen Intervention bedürfen, um sie in ein geordnetes Geleise zu bringen. Ein Theil der Anstrengungen, die jetzt angewandt werden müssen, würde genügt haben, um des armen Ketschwayo's Leben und Herrschaft zu erhaltzn.
Tages. Neuigkeiten.
Stuttgart, 3. Aug. Die zur Concursmasse gehörige Chocolade- Fabrik Starker und Pobuda ist nach längeren Verhandlungen zwischen der Concursverwaltung einerseits und Bankier A. Dann und Kaufmann Gaum (in Firma Nestel und Gaum) andererseits, für den Preis von 130,000 welche baar ausbezahlt wurden, in den Besitz der beiden Letztgenannten übergegangen.
Stuttgart, 4. Aug. Im Nill'scheu Thiergarten ist das junge Lama mit dem Tode abgegangen. Dagegen entwickelt sich vortrefflich der Chimpanse und zeigt viel Gelehrsamkeit. Mit Löffeln versteht er schon recht gut umzugehen und stolz schreitet er neben Herrn Nill jr. bei seinen Spaziergängen einher. Für seinen Reinlichkeitssinn spricht die fortwährende Benützung eines Handtuches, womit er sich Gesicht, Füße und Hände abreibt, auch auf seine Haartoilette verwendet er mit einer Haarbürste gewisse Sorgfalt. Sein Käfig ist fortwährend von Besuchern umstellt.
>V. 6 . Stuttgart, 5. August. Se. Majestät der König, dessen Gesundheit sich gottlob in Friedrichshafen immer mehr gekräftigt hat, wird von morgen an für einige Wochen in Bebenhausen Aufenthalt nehmen, wo die kräftige Waldluft des Schönbuch vollenden möge, was die frische Seeluft des Bodensee erfreulicher Weise begonnen hat.
— Der neue Kriegsdepartementschef, Generalmajor v. Steinheil hat nunmehr sein Amt übernommen; ist übrigens, da er bis vor einigen Wochen schon eine bedeutende Stellung im Kriegsministerium seit Jahren bekleidet hatte, mit dem Personal hinlänglich bekannt, wie mit den Geschäften.
Schorndorf, 4. Aug. Der Umfang und die Größe des verheerenden Hagelwetters am 10. v. Mts. ist nun festgestellt. Dasselbe hat sich auf 13 Markungen erstreckt und es beträgt der Gesammtschaden 1,103,440 Was diese Summe zu bedeuten hat, wird klar, wenn berücksichtigt wird, daß der Verlust im vorigen Jahre 637,780 betragen hat und daß der Bezirk Schorndorf in den letzten 14 Jahren nicht weniger als 12 Mal von Hagelschlag heimgesucht worden ist.
Ebingen, 2. Aug. Gestern wurde der 27 Jahre alte Wilh. Frei beim Weidenschneiden auf hiesiger Markung von einer Otter in den Finger gebissen; er versuchte sofort das Gift auszudrücken, konnte aber dasselbe nicht ganz entfernen. Hand und Arm schwollen plötzlich an. Er wollte sich so schnell als möglich nach Hause begeben; ehe er jedoch seine Wohnung erreichen konnte, fiel er in der Nähe des Kirchhofs ohnmächtig zu Boden und mußte heimgetragen werden. Neber sein Aufkommen kann noch nichts Bestimmtes gesagt werden.
Möglingen, O.-A. Ludwigsburg, 3. August. Gestern starben hier 3 Kinder im Alter von Ve bis 0/4 Jahr, welche an ein und demselben Tage geimpft worden waren. Die Pusteln verliefeln normal, bis sich nach dem Abnehmen des Impfstoffes fieberhafte Erscheinungen einstellten, welche mit dem Tode endigten. Zwei weitere Kinder, von denen man Impfstoff genommen, sind noch krank. Es sei, wie die Leute sagen nach Abnahme des Impfstoffs etwas sehr stark „schmeckendes" (riechendes) in die Wunde gepinselt worden. Der Beschreibung nach Jodoform. Eine amtliche Untersuchung ist eingeleitet.
Balingen, 2 . Aug. Auf dem hiesigen Jakobimarkt hat sich Mittags ein Unglück ereignet, welches allgemeine Theilnahme hervorrief. Der alte Jsinger Bote, M. Schwarz, ein hier vielgekannter Mann, war auf dem Heimwege begriffen, als eine losgewordene Kuh in rasendem Laufe die Bahnhofstraße entlang und den Schwarz derart zu Boden rannte, daß er wenige Stunden nachher in Folge der erlittenen Gehirnerschütterung im hiesigen Krankenhause verstarb.
Heidenheim, 3. August. Heute Nacht um 12 Uhr kam die Nachricht hierher, daß in Heuchlingen, wo schon in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag Feuer gelegt war, wieder ein Brand ausgebrochen sei. Es brannte in demselben Hause wieder und der Thätigkeit der dortigen Feueuerwehr und der Wasserleitung dort ist es zu danken, daß nur dies eine Haus, welches zwischen Strohdächern steht, niederbrannte.
Frankfurt a. M. Wohin Fa milien st reitigkeiten führen, zeigt uns eine Schuhmachersfrau, die mit ihrem Manne nach einer 20jährigen Ehe wegen der Verheirathung ihrer Tochter in Streit und .dann in einen für sie nachtheilig ausgefallenen Ehescheidungsprozeß gerieth. Ihre Erbitterung hierüber hat sie verleitet, ihrem ehemaligen Manne eine» sehr unschönen Streich zu spielen. Sie zeigte den Mann nämlich weg« Unterschlagung an zum Nachtheil einer Gesellschaft, von welcher derselbe über fünftausend Mark zu fordern und eingeklagt hat. Der Beschuldigte wurde polizeilich sistirt, der Ungrund der Anzeige aber sehr schnell ermittelt und es ist nun Klage gegen die Frau wegen wissentlich falscher Denunciation erhoben. Es dürfte sie eine recht empfindliche Strafe treffen.
Bern, 3. Aug. Der Choleragefahr wegen hat der Bundesrath die Ei'nfuhr von egyptiscker Baumwolle verboten.
Neapel, 4. August. Gestern Nachmittag 2^/4 Uhr fand in Casa- micciola abermals eine heftige Erderschütterung statt, wodurch der Gipfel des Epomeoberges abrutschte. JnForio fand ein weiterer Häusereinsturz statt mit drei Verwundeten. Die Arbeiter in Casa- micciola scheinen unversehrt. In Lacco-Ameno wurden drei Personen lebend ausgegraben. Professor Palmieri dementirt das Gerücht, daß er ein Erdbeben in Neapel befürchte. Die ermüdeten Soldaten auf der Insel Jschia sind durch frische ersetzt worden. Die Bevölkerung in Jschia ist ruhiger. Der unermüdliche Eifer des Ministers Gcnala findet überall große Anerkennung.
Nyiregyhaza, 3. Aug. Unter großem Andrang verkündete der Präsident um 11 Uhr das Urtheil, wonach sämmtliche Angeklagte freigesprochen sind, ihre Freilassung angeordnet und der Staat in die Prozeßkosten verfällt wird. Die Motivirung besagt: Des Haupt- und einzigen Thatzeugen Moritz Scharf Aussagen seien durch vielfache Widersprüche dermaßen bedenklich geworden, daß aus denselben ein Schuldbeweis nicht resulirte. Da überdies alle Nebenumstände auf den Mangel an Thatbestand Hinweisen und das Objekt des Mordes vollständig fehle, so mußte ein freisprechendes Urtheil erfolgen; desgleichen in Sachen des Leichenschmuggels, weil nichts dagegw spreche, daß die Dadaer Leiche jene der Esther Solymossi gewesen sei. Bezüglich des rituellen Mords heißt es in der Motivirung: Derselbe konnte einen Gegenstand der Untersuchung überhaupt nicht bilden, da eine solche Möglichkeit niemals angenommen wurde. Die Freigesprochenen wie das Auditorinm vernahmen in lautloser Stille das Urtheil. — Der Privat- klüger erklärte, appelliren zu wollen.
Vermischtes.
— Für st Bismarcks Wohnung in oder vielmehr bei Kis - singen ist bekanntlich die obere Saline, ein vereinzelt gelegens Domänengebäude. Wie es darin aussieht, darüber schreibt man dem Berl. B.K.: „Man vermuthet hinter den grauen Mauern des altfränkischen Hauses durchaus nicht diese prächtigen Wohnräume, diese schöne Ausstattung, mit welcher der Oekonomierath Streit, ein gelehrter Sammler von Alterthümern, des Reichskanzlers Heim geschmückt hat. Ein Möbel aber, das freilich, wenn in der Antike der wahre Werth liegt, keinen Anspruch daraus hat, für werthvoll zu gelten, ein Möbel zieht besonders die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich, denen es gestattet wird, des Reichskanzlers Wohnräume kennen zu lernen, und dieses Stück Möbel ist das S 0 pha im Arbeitszimmer des
Er litt unsäglich unter dem scharf einschneidenden Konflikt, dem alle verstand- und gemüthbegabte Naturen unterworfen sind sobald sie ebenbürtige Personen mit dem Brandmal des Verbrechers bekleidet sehen.
Mißmuthig legte er endlich das Aktenstück bei Seite. Der Gerichtsbote war inzwischen erschienen und hatte die eingegangenen Briefe und Depeschen auf den neben dem Pulte stehenden Tisch gelegt. Er ergriff die Scheere und schickte sich zum Oeffnen der Schriftstücke an.
Die meisten zeichneten sich durch das große amtliche Format aus, nur eines fiel durch kleineren Umfang und größerer Zierlichkeit auf. Bernicki nahm den Brief zuerst in die Hand und und betrachtete lächelnd die Adresse.
„Eine Frauenhand!" flüsterte er vor sich hin. „Die Damen haben natürlich den Vortritt . . . sehen wir, womit wir dienen können."
Er hatte unter diesen Worten das Siegel gelöst und las nun Folgendes :
„Hochgeehrter Herr Staatsanwalt!
Dr. Julius Berklitz ist durchaus unschuldig an dem ihm zur Last gelegten Verbrechen. Eine junge Dame aus höchst ehrenwerthem geachteten Hause ist die gleichfalls schuldlose Veranlassung zu dem furchtbaren Verdacht, der auf ihm lastet. Helfen Sie, retten Sie! ... es handelt sich um zwei Menschenleben und um die Ehre einer hochachtbaren, angesehenen Familie. Dr. Berklitz wird in seiner unerschütterlichen Rechtschaffenheit, in seiner starren Tugend schweigen, aber dieses Schweigen wird ihn auf das Blutgerüst bringen.
Noch einmal: erbarmen Sie sich, helfen Sie! Die Verkettung der
Zufälle, die eigenthümlichen Verhältnisse spielen in dieser verhängniß- vollen Angelegenheit eine fürchterliche Rolle.
Die Dame, deren Zeugniß der Sache eine gänzlich veränderte Lage geben würde, darf nicht sprechen. Im letzten Moment freilich wird sie mit der Wahrheit hervortreten müssen, aber es wird ihr Tod sein...
Ihrer Klugheit, Ihrer Einsicht und Mäßigung dürfte es indessen Vorbehalten sein, diesen Moment wenn nicht gänzlich fernzuhaN, doch wenigstens zu verzögern, wenigstens so lange, bis neue Spure».
zur Ermittelung des wirklich Schuldigen aufgefunden sind.
* *
Drei, vier Mal überlas der Staatsanwalt das Schreiben und immer schüttelte er, wenn er beim letzten Worte angelangt war, den Kopf.
„Ein anonymer Brief!" murmelte er mißvergnügt vor sich hin, „ein gewöhnlicher Kunstgriff, der mich in diesem Falle ganz besonders mißtrauisch gegen den Doktor machen würde, wäre das Schreiben nicht in einem so zum Herzen dringenden Tone abgefaßt. Ich möchte den Brief für das wahre Geständniß eines Entlastungszeugen nehmen. Kann ich es aber? Es fehlt die Unterschrift, es fehlt jeder Anhalt zur Ermittelung des Absenders. Kein Poststempel, kein Datum, sachlich muß ich das Schriftstück als ein Nichts betrachten und ein anonymer Brief ist ja auch in der That em Nichts."
(Fortsetzung folgt.)