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welche wegen ihres trotzigen Aussehens von der Bevölkerung den Namen Kuder (Wildkatze) erhalten hat. Dieser Torfstich mit seiner Umgebung bildet eine ganz eigenartige Welt und ist der Besichtigung wohl werth. Sollte der Besuch des Weckenhardts statt von Teinach aus — wohin die Adresse des „Hirsch in Würzbach" deutet — von Calw, Hirsau oder Liebenzell aus beabsichtigt werden, so wäre der Führer im Hirsch in Oberre'ichenbach zu suchen und zu finden.
Von der oberen Nagold. Große Begebenheiten werden dem Schw. Merk, gemeldet: In der fischreichen Waldach, rechter Zufluß der Nagold, tauchen immer von Zeit zu Zeit Fischottern auf. Der bekannte Fischotternjäger, der voriges Jahr auch Nagold und Waldach absuchte, hat zwar keinen der Fischräuber entdeckt. Jetzt ist es dem Forstwächter Saile in Bösingen gelungen, mittelst einer Falle einen solchen zur Haft zu bringen. Nachdem die Falle von ihrem Standort verschwunden, ging man eifrig den Spuren des Gefangenen nach und fand gestern den mit dem Gefängniß Entflohenen im Gebüsch versteckt. Trotzdem derselbe sichtlich ermattet war, bedurfte es doch verschiedener Streiche, um ihn unschädlich zu machen. Er wog 18 Pfund. Da sichere Spuren noch auf einen oder mehrere Genossen desselben Hinweisen, so soll demnächst noch eine weitere Falle in Thätigkeit gesetzt werden.
Cannstatt, 14. Juni. Ein außerordentlich bedauerlicher Un- glü cksfal l ereignete sich gestern Nachmittag hier: unterhalb der Mühle beim neuen Steg fiel der 12jährige Sohn eines Schlossers in den ziemlich stark angeschwollenen Neckar und wäre sicherlich ertrunken, wenn nicht der 24 I. alte Taglöhner Kohnle aus Aixheim, O.-A. Spaichingen, der die Gefahr erkannte, ohne Besinnen, obwohl des Schwimmens unkundig, in das Wasser sich gestürzt und den mit dem Tode Ringenden erfaßt Hätte; bereits glaubte man das Nettungswerk gelungen, als Kohnle in eine durch das Ausbaggern entstandene Untiefe gerathen war, er ließ den Knaben los, welcher inzwischen von herbeigeeilten Leuten gerettet wurde, während der brave Mann seinen Opfermuth mit dem Leben bezahlen mußte. In 14 Tagen wollte Kohnle sich verheirathen, und eine entsetzliche Fügung war es, daß seine Braut, zufällig des Weges kommend, ihren Bräutigam in den Tod gehen sehen mußte.
Reutlingen, 12. Juni. Letzten Freitag Abend fand hier, laut „Vfr. aus Schw.", eine Studentenhetze statt. Am Burgplatz, Marktplatz und am Tübinger Thor kam es zu Raufereien, die mit einem Bombardement mit Steinen nach den Studenten, resp. der Chaisen endigten. Polizei und Landjäger waren zwar auf dem Platze, konnten jedoch dem Skandal Leinen Einhalt thun. Soviel man hört, tauchten einige Bürger einen Studenten, der sich ungeziemend benommen hatte, in den Brunnen beim „Stern," woraus dieser „Bursche raus" schrie. Hierauf stürzten die im Stern befindlichen Studenten herbei und bald waren an die tausend Menschen versammelt, besonders als es hieß, ein Bürger sei gestochen worden. Man scheint sich die Köpfe beiderseits tüchtig gewaschen zu haben, und erst nachdem sich die Studenten, von einer Kanonade begleitet, entfernt hatten, wurde es in den Straßen der Stadt wieder ruhig.
Neu Hausen, 13. Juni. Heute früh nach fünf Uhr wurden wir durch Feuerallarm in nicht geringen Schrecken versetzt. Die Scheuer des Ziegeleibesitzers Th. Gugel stand in Flammen und brannte ab, dagegen wurde das angebaute Wohnhaus gerettet. Der Beschädigte ist nur ungenügend versichert.
Heilbronn. In der letztverflossenen Woche wurde der an dem Pulvermagazin in der Nähe des Militärschießplatzes im Köpferwald stehende Wachposten von vier mit Prügeln versehenen Burschen nächtlicher Weile angegriffen. Derselbe mußte zu seiner Vertheidigung auf die Angreifer feuern, da sich diese trotz ergangener Androhung des Gebrauchs der Waffe nicht entfernten. Leider ist bis jetzt keiner der Burschen gefaßt worden. Die Mannschaft ist verstärkt.
Ulm, 13. Juni. Aus dem Blau- und Lauterthal wird der „U. Schnellpr." berichtet, daß weit und breit die Halmfrüchte in schönster Blüthe stehen. Sobald das Negenwetter aufhört, geht es an den Grasschnitt. Der Ertrag desselben wird sehr reich ausfallen. Auch die Obstbäume sind reich gesegnet.
Vermischtes.
— Ein Dresdener Journalist läßt sich über die Bivisection, zu der selbst im dortigen Thier schutzverein einige Mitglieder Stellung genommen haben, wie folgt aus: Es gibt hier weitsichtige Leute, welche aus dem Grunde für den Thierschutz sind, damit für vivisectorische Operationen das nöthige Material nie fehle. Warum vivisecirt man blos unsere treuen Hunde, unsere drolligen Affen, unsere zutraulichen Kaninchen rc.d Könnte man denn nicht anstatt aller anderen Thiere, die — ja ohnehin dem Tode geweihten Ochsen, ehe man ihnen mit der Hacke einen Deuter auf den dicken Hirnschädel gibt, vorher viviseciren? Dann hätte die Wissenschaft ein weitgrö- ßeres Versuchsobjekt, auch der ideale Begriff Ochse erführe eine wissenschaftliche Veredlung, auch das versittlichende Viviseciren käme mehr in die Mode und jeder zu vivisecirende Ochse wäre im Handumdrehen ein boeuk ä Is mocke. Es könnte fortab jeder vivisecirende Ochse mit dem erhabenen Bewußtsein sterben, zur Hebung der Wissenschaft beigetragen zu haben, und ich beantrage aber auch zugleich, daß die Hörner des allerersten auf solche Weise bewissenschastlichten Ochsen, in irgend einer Aula zum ewigen Gedächt- nisse an die große Epoche aufgehängt werden, in welcher man endlich zur Erkenntniß gelangte, daß eine zu weit getriebene Liebe und Empfindlichkeit (viäe „Dresdener Anzeiger") gegen Thiere nur eine Unsittlichkeit sein kann, und daß es im Uebrigen doch am besten sei, daß anstatt der Hinopferung sympathischerer sogenannter niederer Thiere, fortab lieber die, ohnehin ihre Haut so gerne zu Markt tragenden Ochsen für die vivisectorische Wissenschaft sterben zu lassen, zumal wir ohnehin an Ochsen ersichtlichen Ueberfluß haben. _
Gemeinnütziges.
— Ein Mittel gegen Diphtheritis wird in dem „Pharmaceut. Central- Anzeiger" von einem Apothekenbesitzer veröffentlicht: „Im Laufe der letzten Woche wurde mein siebenjähriges Töchterchen zweimal von heftigem Fieber (ziemlich 40° C. Körperwärme) von Diphtherie befallen, und beide Male wurde das Mittel mit sicherem Erfolg angewendet. Es ist Oleum terebin- Idinao rectiüoatum (gereinigtes Terpentinöl) für Kinder ein Theelöffel voll früh und am Abend. Erwachsene nehmen 1 Eßlöffel voll ebenso. Zum Nachtrinken gibt man Kindern laue Milch, mischt auch wohl den zweiten Theelöffel voll Oel damit, weil letzteres dann besser genommen wird, und gibt auch hier Milch nach, damit das schädliche Brennen im Halse der armen Kleinen bald nachläßt. Der Erfolg ist ein wahrhaft wunderbarer; schon nach einer halben Stunde nach dem Einnehmen des Oels tritt eine hellere Röth- ung am Rande des diphtheritischen Belages ein, welcher immer mehr nach innen fortschreitet. Der Belag, auch wenn sehr groß, schrumpft mehr und mehr zusammen, ballt sich förmlich und verschwindet gewöhnlich innerhalb 24 Stunden, ohne eine Spur zu hinterlassen, vollständig. Mein Kind gurgelte außerdem mit schwacher (' 4 a Kalichlorikumlösung erst zwei-, dann dreistündig, um die sehr entzündeten Mandeln zu beruhigen. Ich bitte du gesammte Kollegenschaft ebenso herzlich als dringend, im Interesse der Kinder von meiner obigen Mittheilung vorkommendenfalls Gebrauch zu machen und namentlich die Herren Aerzte dringend zu Versuchen aufzufordern. Der Erfolg blieb nie aus, und ich bin fest überzeugt daß alle die Kinder, welche von der scheußlichen Krankheit befallen werden, bei rechtzeitiger Anwendung des Mittels sicher gerettet werden können. Wir haben noch eine Menge Fälle sowohl von Erwachsenen als Kindern, wo das Mittel stets mit gutem Erfolg gegeben wurde; kein einziger Fall verlief ungünstig." Die Erwähnung des vorstehenden Mittels dürfte vielen Familien willkommen sein, lieber die Anwendbarkeit des obigen Mittels höre man jedoch zuvor den Arzt.
Kgl. S t a « d e s a m t C a l w.
Vom 8. bis 14. Juni 1883.
Geborene.
11. Juni. Curl Gustav, Sohn des Carl Bozenhardt, RothgerbereibesitzerS.
12. , Anna, Tochter dcs Herkules Bob, Sortirmeisters.
Gestorbene.
tO. , Joh. Jakob Beißer, Bäckers Wittwe, Dorothea §cb. Köhler, 80 Jahre alt.
12. „ Frida, Tochter des Friedrich Moros, Kutschers, 22 Wochen alt.
ein pensionirter Ministerialbeamter, verfügte, hatten ihm nicht gestattet, einen seinen Neigungen entsprechenden Lebensberuf zu wählen. Er mußte die Beamtenlaufbahn einschlagen und durfte in dem riesigen Wettlauf der zahlreichen Aspiranten keine Gelegenheit sich auszuzeichnen, vorübergehen lassen. So strebte er denn mit der ganzen Energie seines Charakters dahin, Carriers zu machen, schon aus dem Grunde, weil er verliebt war. Er hatte die Erwählte seines Herzens auf einem patriotischen Feste kennen gelernt, das der Magistrat den heimkehrenden Kriegern zu Ehren gegeben. Hier hatte Adelaide, die Nichte des Bürgermeisters der Stadt, als Königin geglänzt. Georg, den seine dienstlichen Funktionen zuweilen in die Wohnung des Bürgermeisters führten, fand bald Gelegenheit, sich mit Adelaiden zu erklären, und wie groß war seine Freude, als er erfuhr, daß sie seine Neigung erwiederte. Von Stunde an setzte Sternberg Alles daran, baldigst zu einer entsprechenden Lebensstellung zu gelangen. Erst dann wollte er in aller Form bei dem Oheim um die Hand der schönen Nichte — die Eltern waren nicht mehr am Leben — anhalten, und bis zu diesem Zeitpunkt sollte weder eine persönliche Zusammenkunft noch ein schriftlicher Gedankenaustausch stattsinden.
An alles das dachte Sternberg, als er, in der Ecke seines Coupee's lehnend, den Rauchwolken nachblickte, welche langsam zum offenen Fenster hinauswirbelten. Wenn es ihm gelang, den Verbrecher zu ermitteln und zu überführen, so war sein Renomöe als tüchtiger Polizeibeamter für immer festgestellt, und er durfte sich rascher Beförderung versichert halten.
Bis jetzt hatte man ihn wenig beachtet. Man erkannte zwar seinen Fleiß, seine Gewandtheit im Bureauwesen an, hervorragende Fähigkeiten für
den schwierigen Beruf eines Polizeibeamten wollte jedoch Niemand in ihm entdeckt haben. So hatte er sich längst nach einer Gelegenheit gesehnt, die in ihm schlummernden Anlagen zur vollen Entfaltung zu bringen und sich im innersten Herzen gefreut, als sein unmittelbarer Vorgesetzter ihn mit der Untersuchungssache gegen den Mörder des Eberwirths betraut hatte. —
Nach ziemlich langer Fahrt hielt der Zug. Georg sprang auf den Perron und wandte sich sofort zu einem am Ausgangsportal stehenden Polizisten , legitimirte sich und frug, ob man beim Einlaufen des Frühzuges irgend welche verdächtige Individuen wahrgenommen habe.
Der Beanrte verneinte es. „Unsere gesammte Polizei ist auf den Beinen," berichtete er. „Es waren wohl an die sechs Beamte in Civil an jedem Wagen aufgestellt. Allein wir haben Niemand wahrgenommen, auf den die telegraphisch eingetroffene Beschreibung gepaßt hätte. Der Raubmörder muß sich in anderer Richtung aus dem Staube gemacht haben."
Der junge Beamte schüttelte sinnend den Kopf. Der Andere fuhr
fort:
„Glauben Sie mir, junger Herr, es ist so, wie ich Ihnen sage, Stettin ist der Mörder bis jetzt nicht eingetroffen. Wäre dies der Fall, so hätten wir ihn bereits in Nummer Sicher. Unsere Polizei ist vortrefflich geschult. Uns entgeht nicht der kleinste Umstand. Es ist bis jetzt kein Passagier ausgestiegen, den wir nicht sofort aufs Korn genommen hätten; aber es hat sich wirklich nichts Verdächtiges herausgestellt!"
(Fortsetzung folgt.)