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Die täglichen Witterungstelegramme werden wie dringende Privattele- gramme behandelt und haben daher den VoMang vor anderen Privattele­grammen; sie genießen im M o n a t s abonnement eine Ermäßigung von -M/o der einfachen, für das einzelne Telegramm nach seiner Wortzahl sich ergebenden Taxe, im v i e r t e l j ä h r i g e n Abonnement eine solche von 50o/g mit der weiteren Maßgabe, daß wenn die einzelnen täglichen Witter­ungstelegramme (einschließlich der Adresse) nicht mehr als 8 Worte enthüll­ten, die feste vorauszubezahlende Abonnementsgebühr beträgt:

für 1 Monat.10

1 Vierteljahr .... 24

jeden weiteren Monat je 8 mehr.

Für jedes weitere Wort, welches, die einzelnen Witterungstele­gramme über 8 haben sollten, ist die gewöhnliche tarifmäßige Gebühr von 5 Pfg. nachzubezahlen. Nach den bei der meteorologischen Centralstation ge­troffenen Anordnungen wird übrigens dieser Fall nur selten eintreten.,

Gesuche um telegraphische Beförderung der täglichen Witterungsaus­sichten gegen ermäßigte Abonnementsgebühr sind durch Vermittlung des nächstgelegenen Telegraphenamts bei der K. Generaldirektion der Posten und Telegraphen anzubringen.

In Stuttgart werden die Witterungsaussichten, nebst der ihre Be­gründung enthaltenen Wetterkarte, wie bisher an verschiedenen Stellen an­geschlagen.

Wird von einzelnen der Bezug der Wetterkarte gewünscht, so kann auf ein an die meteorologische Centralstation Stuttgart gestelltes Ansuchen die Zusendung alsbald auf Kosten des Empfängers erfolgen.

Stuttgart, den 26. Mar 1883.

K. Centralstelle für die K. statistisch-topographisches

Landwirthschaft. Bureau.

Werner. Schneider.

Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

Reichstag. Sitzung Montag, 28. Mai. Der Reichstag begann am Montag die dritte Lesung der Gewerbeordnungsnovelle. Zu M 33a (Tingeltangel) wurden einige vom Abg. Baumbach (Soz.) gestellte, von den Abgg. Büchteman und Richter-Hagen (Fortschr.) befürwortete vom Abg. v. K l e i st - Retzow (Kons.) und vom Abg. v. Schalscha (Centr.) sowie vom Geh.-Rath Bödeker bekämpfte Amendements ange­nommen, und zwar mit Unterstützung der Nationalliberalen, yamens deren sich der Abg. Bluhm für die Amendements erklärte. Dieselben bezwecken eine Einschränkung der Polizeibefugnisse gegenüber den Theatern. § 33b (Musikaussührungen rc. im Umherziehen) wird unverändert angenommen. Dienstag 12 Uhr wird die Berathung fortgesetzt. Schluß ö'/z Uhr.

Frankreich.

Eine Uebersicht von den augenblicklichen Zuständen bei unfern Nach­barn jenseits der Vogesen geben wir in Nachstehendem: 1) Seit vorigen Oktober sind 19 neue Deputirtenwahlen vorgenommen worden. Davon waren in Händen der G a m b e t t i st e n 17. Davon blieben ihnen nur 5, elf sielen den Radikalen und Jntransingenten, 1 den Royalisten zu. Be­weis, daß die Zunahme der extremen Parteien, auf die schon früher hin­gewiesen, im beständigen und vielleicht beschleunigten Fortschreiten begriffen ist. 2) Großartige Keilerei in Paris zwischen zwei Partien, einer­seits der Anarchisten, andererseits der Possibilisten (Möglichkeits- oder Halb- Socialdemokraten). Letztere hielten im Theatersaal eines Cafes eine Ver­sammlung ab, als die Anarchisten sich Eingang verschafften und Händel suchten. Sie wurden aber zurück bis ins Cafe gedrängt, wo der Kampf allgemeiner wurde. Der Vorsitzende der Possibilisten befand sich im dichtesten Kampf­gewühl. Die Gäste besonders die Frauen entflohen eiligst, der Wirth suchte vergebens Ruhe zu schaffen. Die in der Minderzahl befindlichen Anarchisten wurden endlich in^die Flucht geschlagen. Die Polizei kümmerte sich um den Trubel gar nicht. Das Beweismittel der Fäuste scheint also in Frankreich noch nicht außer Mode zu kommen. 3) Energischer Protest des Bischofs

von Marseille wegen Schließung einer Capelle durch die Behörde, also auch Zunahme des Kulturkampfes. Was die auswärtige Poli­tik Frankreichs betrifft, so neigt sich das Zünglein mehr und mehr nach dem Ueberseeischen; sie ist durch dieTheilung der Erde" stark in An­spruch genommen und auch, während wir dies schreiben, darin schon bedeutend verwickelt. Zu Tonkin, Senegal und Congo kommt heute Madagascar, von wo sich die Franzosen klüglich zurückziehen zu wollen schienen, jetzt aber doch mit den Waffen eingeschritten sind.

England.

Wieder einmal haben englische Fischer sich eines Ein­griffs in unfern Gewässern schuldig gemacht. Sie haben den deutschen Fischern bei der Insel Norderney das Geräth vernichtet und sind dann abgezogen. Einen Seekrieg zwischen Deutschland und England wird es nun zwar nicht absetzen, es wäre aber doch gut, wenn solchen schon oft da­gewesenen Frechheiten endlich ein Ziel gesetzt würde. Zur genaueren Unter­suchung des Sachverhalts ist das deutsche KanonenbootDrache" nach Nor­derney abgegangen.

Rußland.

Moskau, 27. Mai. Der Kaiser hat an den Minister des Aeu- ßeren, Herrn v. Giers, folgendes Reskript gerichtet:Die Macht und der Ruhm, welche Rußland Dank der Vorsehung erworben hat, die Ausdehnnng des Reiches und seine zahlreiche Bevölkerung lassen keinerlei Gedanken an Eroberung Platz. Meine Sorge ist ausschließlich der friedlichen Entwicklung des Landes, seiner Wohlfahrt, seinen freudschaftlichen Beziehungen zu den Mächten auf Grundlage der Verträge, und der Wahrung seiner Würde ge­widmet. Da Ich in Ihnen einen zuverlässigen, eifrigen, von diesen Ansichten bei der Leitung der internationalen Beziehungen beseelten Mitarbeiter gefun­den habe, verleihe Ich Ihnen den Alexander-Newski-Orden in Diamanten als Beweis meiner Dankbarkeit. Alexander UI.

Moskau, 27. Mai. Die Krönung ist programmäßig ohne Zwischenfall verlaufen. Nachdem alle Personen, welche dem feierlichen Akte in der Krönungskirche (Uspenski- oder Mariä-Himmelfahrtskirche) beizuwohnen eingeladen waren, ihre Plätze eingenommen hatten, und sich der Krönungs­zug in den Sälen des Kreml geordnet hatte, erschien das Kaiserpaar und nahm im Thronsaal unter dem Baldachin Platz. Um 9 Uhr 30 Min. ver­ließ der kaiserliche Zug den Kremlpalast, von enthusiastischen Hurrahrufen, begrüßt. Die Ceremonie dauerte von 10 bis 12^ Uhr. Als der Kaiser knieend das Gebet für das Volk sprach, überwältigte ihn die Bewegung der­gestalt, daß er laut weinte. Die Anwesenden, welche während des Gebetes standen, waren aufs Tiefste ergriffen, mehrfach war lautes Schluchzen hör­bar. Das hierauf folgende Gebet für den Kaiser im Namen des Volkes wurde von den Now-Goroder Metropoliten und den Anwesenden knieend dargebracht, während der Kaiser aufrecht stand. Nach beendeter Feier schritt das Kaiserpaar nach der Vlagowestschensky- und der Archangelskirche M verrichtete dort ein kurzes Gebet, worauf die Rückkehr über die rothe Treppe nach dem Palais erfolgte. Das kaiserliche Paar zeigte sich auf der nach dem Moskwa-Fluß hin gelegenen Terrasse des Kreml dem Volke unter drei­maliger Verbeugung. Um 3 Uhr begann das Festbankett in Granowitaja- Palata. Die Haltung der Bevölkerung war musterhaft, überall herrschte eine ernste und ehrerbietige Stimmung.

Moskau, 27. Mai. Abends 6 Uhr wurde das kaiserliche Manifest verkündet. Es gewährt Erlaß aller Steuerrückstände, Kopfsteuer wie direkte und indirekte Abgaben, ferner dis Strafmilderung aller Urtheile, welche Ge­setzeskraft noch nicht beschritten haben, Erleichterung abzubüßender Strafen, Aufhebung der Polizeiaufsicht und die im administrativen Wege Verbannten; es gewährt letzteren die Rückkehr nach Rußland. Das Manifest enthält fer­ner die Erlaubniß zur Rückkehr für die über die Grenze gegangenen Flücht­linge, für die Theilnehmer an der polnischen Insurrektion, denen bisher der Aufenthalt in den Residenzen und in den polnischen Gouvernementsstädten und der Eintritt in den Staatsdienst verwehrt gewesen war. Ausgeschlossen sind: Mörder, Räuber, Brandstifter. Außerdem ist für eine Anzahl von begangenen Verbrechen eine theilweise Amnestie verkündigt.

bündig den Hergang,die Wilderer Veit und Kemper. Sie zechten gestern Abend vor unserem Hause und thaten sehr geheimnißvoll."

Aer Förster schüttelte den Kopf:Die können es unmöglich sein. Ich faßte pe bereits um 1 Uhr die Nacht im Birkholzer Revier, als sie einen Zehnender fortschaffen wollten. Seitdem sitzen sie fest. Das Birkholzer Revier ist aber nahe an zwei Stunden von der Eberschänke entfernt, wie Ihr wißt."

Ich hab's auch in der Nacht etliche Mal schießen hören und 's hat dazwischen wie ein Hülferuf geklungen."

Der alte Förster hatte inzwischen seine Büchse einer kurzen Untersuch­ung unterzogen und sie dann über die Schulter geworfen. Er legte auf die letzte Aeußerung .des Boten nicht das geringste Gewicht. Die unheimlichen Nachtscenen zwischen Wilderern und Forstbeamten hatten in der letzten Zeit überhand genommen. Seinen wiederholten Gesuchen um Vermehrung des Aufsichtspersonals hatten die ökonomischen Väter der Stadt bisher noch keine Folge gegeben.

Ich will Euch nun in aller Kürze sagen, was Ihr zunächst zu thun habt, Martin Stelzer!" sagte der Förster, vor die Thür tretend und mit dem noch immer scharfen Auge in die Richtung blickend, wo die Eberschänke lag. Geht stracks wieder heim und habt Acht darauf, daß Niemand in's Haus hinein oder hinaus kommt, bis die Polizei dagewesen ist und Alles festgestellt hat. Mein Bursch, der Anton, kann in's Schulzenamt laufen und die Geschichte melden. Der Schulze mag einen reitenden Boten in die Stadt senden. Es wird dann wohl so lange nicht mehr, dauern, bis sie ihn abfangen! ... der kommt nicht weit! . . . pfui Teufel! das ist eine un­heimliche Geschichte, ... der eigene Sohn!... brr!"

Während Anton den durch den Wald nach dem Dorfe führenden Weg einschlug, schritt der alte Emmerling tiefer in den Wald hinein. Er war zu sehr an wilde und schauerliche Scenen gewöhnt, auch zu pünktlich in seinem Dienst, um sich länger, als unumgänglich nothwendig, mit dieser ihm fern liegenden Schreckensgeschichte zu beschäftigen. Nichtsdestoweniger hatte er seine ganze Willenskraft nöthig, um das Grauen nicht merken zu lassen, das zuweilen seine Glieder schüttelte, das Grauen vor dem stillen, im Fin­stern schleichenden Meuchelmord. Der Kampf im freien offenen Walde, Auge ix: Auge, mit Hunderten von Wildschützen dünkte ihm ein Kinderspiel dagegen.

Martin war inzwischen nach dem Wirthshause zurückgelaufen. Das Dienstmädchen der Förstersleute hatte ihn auf das Geheiß der Frau Emmer­ling begleitet und Beide hatten sodann die schwerkranke Liese in ihre Kam­mer getragen und zu Bett gebracht. Der sonst so resolute Knecht war voll­ständig rath- und fassungslos. Der braune Eber konnte als eingegangen betrachtet werden. Der Herr todt und die Wirthschafterin so gut wie todt das Renommee des vortrefflichen Wirthshauses für immer dahin. Wenn er nur mit gutem Gewissen auch gleich hätte auf Nimmerwiederkehr aufbrechen können.

Martin machte sich auf dem Hofe und in den Ställen zu thun, aber die Arbeit wollte ihm durchaus nicht von der Hand gehen. Immer wieder glitt das Auge, wie von einer magnetischen Gewalt angezogen, über die ver­schlossenen Fenster des SchlafzimmeS und alle Augenblicke lief er vor die Thüre, um nach der Polizei auszuspähen, die ihm unverantwortlich lang auszubleihen schien.

(Fortsetzung folgt.)