58. Jakirgang.
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Amts- unä Intekklgenzbkatt sür äen Kezirh.
Samstag, den 17. Marz L88L
AbonnemmtSpreiS halbjährlich 1 ^ 80 L, durch dir Post brzogen im Bezirk 2 30 L, sonst in ganz
Württemberg 2 ^ 70 L.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.
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Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 14. März. Der Reichsanz. veröffentlicht das Gesetz über den Reichshaushalts - Etat und das Anleihe-Gesetz; ferner die Verordnung, betr. das Verbot der Einfuhr von Schweinen und Schweinefleisch einschließlich Speckseiten und Würsten amerikanischen Ursprungs. — Der Reichskanzler richtete ein Schreiben an den Bundesrath, worin er zur Verhinderung der Umgehung des Einfuhrverbots für Schweine rc. aus Amerika eiupfiehlt, die Einfuhr derartiger Gegenstände auch aus anderen Ländern als Amerika künftig nur zuzulaffen, Wenn durch behördliche Zeugnisse nachgewiesen wird, daß die Gegenstände nicht amerikanischen Ursprungs sind,
— Nach der „Post" gilt die Annahme des Entlassungsgesuches des Chefs der Admiralität, Generals der Infanterie v. Stosch, als sicher. Ms Nachfolger werden der Kommandeur des Nordseegeschwaders, Vize-Admiral Bätsch, und General v. Caprivi genannt. — Die „Post" schreibt: „Die Meldung, Kultusminister v. Goßler beabsichtige, eine kirchenpolitische Novelle, betreffend die Anzeigepflicht, dem Landtage vorzulegen, hat, wie wir aus guter Quelle berichten können, ihre Grundlage verloren. Es wird fetzt versichert, die Meinung des Ministers gehe dahin, die bestehende Gesetzgebung nach dieser Richtung in der nächsten Zeit nicht abzuändern." Dieses Dementi hat um so mehr Bedeutung, als gerade von der „Post" die bestimmtesten Mittheilungen über die Absicht der Einbringung einer solchen Novelle ausgegangen waren.
Tages - Neuigkeiten.
* Calw, 13/März. Wie seit einigen Jahren beabsichtigt der Kirchengesangverein am Palmsonntag Mittag als weihevolle Einleitung in die Charwoche verschiedene Pasfionsgesänge alter Meister aufzuführen. Unter anderem sind verschiedene Sologesänge und Choräle aus den Bach'schen Passionsmusiken ausgewäblt, auf die wir die Musikfreunde aufmerksam machen. Wer namentlich letztere ernmal gehört hat, vergißt sie nimmer und wird sie, da sie sich dem Wort möglichst genau anschließen, stets mit wahrer Erbauung hören. Die Wahl einer Nachmittagsstunde für die Aufführung ermöglicht vielleicht auch denr und jenem Musikfreund aus der Umgegend den Besuch derselben.
Tübingen, 12. März. Zu dem Einschreiten der Behörden in Sachen der Studentenwohnungen bemerkt die „Tüb. Ehr.": Es steht nur zu hoffen, daß in dem den Studirenden zur Verfügung zu stellenden Mieth- vertragsformular auch den berechtigten Interessen des Vermiethers, namentlich bezüglich des Termins für die Bezahlung des Miethzinses und der täglichen Auslagen, in geeigneter Weise Rechnung getragen wird, woran übrigens
angesichts des Strebens des akademischen Senats, beiden Theilen gerecht zu werden, von vornherein nicht zu zweifeln ist. Es erübrigt uns noch, eines weiteren Punktes zu gedenken, welcher in der Presse seinerzeit eine unzutreffende Erörterung erfuhr, in der jüngsten amtlichen Veröffentlichung aber unberührt blieb: es ist die Frage, ob die Zahl der vorhandenen Wohnungen dem Bedürfniß genügt. Bezüglich dieses Punktes hat sich ergeben, daß im Sommersemester 1882 kein Mangel an Studentenwohnungen war und daß kein einziger Student deßhalb abgereist ist, weil er keine passende Wohnung fand, daß endlich durch Neubauten so viel neue Studentenwohnungen im verflossenen Jahre geschaffen worden sind, daß auch eine die Ziffer des Sommersemesters von 1882 beträchtlich übersteigende Zahl von Studirenden hier ausgenommen werden kann.
— Das Stadtschultheißenamt Hall erläßt eine Bekanntmachung im dortigen Tagblatt, worin dasselbe die Einwohner aufmerksam macht auf den in erschreckender Weise zunehmenden Zuzug von mittellosen Arbeitern und Taglöhnern. Ter Grund dürfe wohl in dem Bestreben anderer Gemeinden derartige Leute los zu werden und in der durch örtliche Stiftungen besseren Armenfürsorge der Stadt zu suchen sein. Enorme Erhöhung der Armenkosten, Benachtheiligung von Armen der Stadt selbst und Zunahme des Häuserbettels fei die Folge. Den Hausbesitzern biete sich am Besten die Gelegenheit, Abhülfe darin zu schaffen, und zwar indem sie ihre Wohnungen an irgendwie zweifelhafte, worüber das Stadtschultheißenamt gerne Auskunft zu geben bereit fei,, absolut nicht vermiethen, ebenso sollen alle Einwohner Unterstützungsgesuche von solchen Leuten oder deren Kinder abweisen. Dadurch werden solche Familien keineswegs hilsslos, sondern nur genöthigt, sich an die Behörde zu wenden, und dieser werde nunmehr die Möglichkeit verschafft, den zur Unterstützung verpflichteten Armenverband mit Ersatzansprüchen in Anspruch zu nehmen und ihn eventuell zur Uebernahme der Hilfsbedürftigen zu nöthigen. Wir machen, schließt die Bekanntmachung, für diese Nothstände in erster Linie alle Diejenigen verantwortlich, welche jene falsche Weichherzigkeit nicht verbannen wollen, die das Uebä genährt und groß gezogen hat.
Freiburg, 15. März. Bei Hugstetten ist gestern Abend wieder ein Zug entgleist, diesmal in Folge von Schneeanhäusungen. Die Maschine fand sich 2 Meter vom Bahnkörper aufrechtgestellt vor, 2 Waggons waren zertrümmert, Menschenleben sind nicht zu beklagen.
Köln, 9. März. Durch die Presse lief vor ungefähr 14 Tagen die Historie, im Kölner Vororte Lindenthal sei in den ärmlichsten Verhältnissen ein Fräulein v. Falkenberg, „eine Tochter des großen Napoleon", gestorben. Dieselbe sei 1811 zu Köln im jetzigen erzbischöflichen Palast als Tochter Napoleon I. und einer hochadeligen Dame geboren worden, und König Friedrich Wilhelm Ui. habe die Pathenstelle übernommen, da die Mutter bei dem preuß. Hofe sehr angesehen gewesen. Weiter wurde erzählt, wie die junge Gräfin zu Rom in einem Kloster bis zu ihrem 20.
(Nachdruck verboten.)
Irma.
Erzählung aus Ungarn von Wirhr,lm Braunau.
(Fortsetzung.)
Irma hatte, abgespannt von den Aufregungen der letzten Tage und nach der schlaflos verbrachten Nacht ihrer Flucht aus der Nähe des Vaters, sich dem Gefühl der Sicherheit, welches sie in dem freundlichen Stübchen der geschwätzigen Wittwe überkam, voll hingegeben und war, gänzlich ermüdet. kaum eine Stunde nach ihrer Ankunft, in dem einfachen Lehnstuhl eingeschlafen. Erquickt von der kurzen Ruhe hatte sie sich erhoben und warf eben einen Blick durch die kleinen Scheiben auf die sonnenbefchienene Straße als sie mit einem Schrei des Entsetzens zurückfuhr und wie betäubt in die Stube taumelte. Durch die Scheiben des Fensters blickte, hoch zu Rosse, das häßliche Gesicht des Grafen Jrtvany, das zu einem höhnischen Lächeln verzogen ob des ungeahnten Wiedersehens noch immer vor dem Fenster rveflte, als müsse der Mann sich seines Glückes ganz versichern. Ehe noch Irma zu einem Entschluß kommen konnte, hatte der Graf sein Pferd an der Thür angebunden und trat in das kleine Stübchen.
Kaum aber hatte er die Verfolgte erblickt, die, eingepreßt in das etwas zu enge, schmucklose Kleid, das die ganze Schörcheit ihrer Gestalt unwillkürlich im vollsten Maße zur Geltung brachte, als der Ausdruck des Hohnes sofort verschwand und dem der niedrigsten Gier und sinnlicher Lust Platz machte.
! So schön war chm Irma noch nicht erschienen, als in dem knapp anschließen- I den, hellbraunen Bauerngewand, das ihre Formen in reinster Liebe ausprägte. Und dieses köstliche Geschöpf hatte ihn verschmäht und schon in den Armen eines anderen, eines viel geringeren Mannes gelegen.
Er hatte, nachdem er am Nachmittag des verflossenen Tages zu Pferde aufgebrochen war, um den Grafen mit seiner Tochter aufzusuchen und ihnen durch Eröffnung des von ihm entdeckten Geheimnisses eine Niederlage zu bereiten, auf seinem Wege, den er den Spuren des Reisewagens nach einschlug, gegen Abend den Wagen einer kleinen Zigeunertruppe eingeholt, die sich mit ihrem müden Pferde langsam vorwärtsbewegte. Er wünschte mit den von ihm verachteten Leuten nicht weiter in Berührung zu kommen und lenkte darum sein Pferd hinter dem mit einer schmutzigen Plane bedecktem Wagen vorüber, nach der anderen Seite des Weges, als eine Hand die Decke hob und ein Gesicht neugierig nach dem späten Ritter schaute. Trotz der Dämmerung hatte das scharfe Auge des jungen Mannes die schönen Züge des Mädchens wieder erkannt, mit welchem er bereits einmal zusammengetroffen war und in der Hoffnung, mit derselben seine flüchtige Bekanntschaft erneuern zu können, hatte er, ein Stück vorausreitend, die von den Zigeunern eingeschlagene Richtung genommen und war, freilich ohne seine Absicht zu erreichen, mit ihnen in. dem gleichen Dorfe übernachtet, in dessen Schenke Irma sich versteckt hielt. Als er früh nach den Zigeunern sich umfchaute, waren diese, denen die Absicht des Grafen nicht unbekannt sein mochte , verschwunden und Graf Jrtvany ließ sein Pferd satteln, um der kleinen Stadt zuzureiten, nach welcher sein künftiger Schwiegervater offenbar seine Reise gelenkt, hatte. Hoch zu Rosse sitzend, hatte er nur zufällig durch das kleine Fenster der Stube geblickt und überrascht den schönen, frischen Mädchenkop