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Köller beantragt, die in zweiter Lesung gestrichenen Positionen zum Bau von KasernementS in Kassel wiederherzustellen. Abg. Richter- Hagen be­antragt, unter Ablehnung dieser Position, die Regierung aufzufordern, Er­wägungen darüber anzustellen, ob sich nicht durch den Verkauf alter Kaserne- ments in Kassel ein bedeutender Ertrag erzielen und zur Deckung eines etwa nöthigen Kasernen - Neubaues verwenden ließe. Abgeordneter Schwarzen­berg befürwortet diesen Antrag, der von dem BundeSkommifsar und den Abg. v. Koller und v. Minnigerode bekämpft wird. Letztere befürworten lediglich die Wiederherstellung der Position. Das Haus lehnt indessen diese Wiederherstellung und den Antrag Richter ab, so daß es lediglich bei dem Beschlüsse zweiter Lesung verbleibt. Zum Schluß der Sitzung wurde ein Antrag des Abg. Reichensperger (Crefeld) ange­nommen, für den Entwurf zum Bau eines Kaiserpalastes in Straßburg eine engere Konkurrenz auszuschreiben. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr. Tag.- Ordn.: Etat und Wahlprüfungen. Schluß 5 Uhr.

Reichstag. Sitzung Freitag 16. Febr. Der Reichstag konnte in seiner heutigen (Freitag) auf 11 Uhr anberaumten Sitzung mit der Etat- berathung nicht zu Ende kommen. Nachdem der Präsident mitgetheilt, daß an Unterstützungen für die Ueberschwemmten aus Amerika 588,000 Mark im Ganzen eingegangen sind, wurde zunächst der Post-Etat erledigt. Die Frage der Sonntagsheiligung und die Sonntags-Feier für Postbeamte wurde ein­gehend erörtert. Die Resolution darüber kam noch nicht zur Abstimmung. Die Abg. Hänel, Löwe-Berlin und Richter-Hagen führten Be­schwerde über die Ausschließung von Telegrammen, wurden aber von der Majorität nicht unterstützt. Dagegen nahm das Haus die Anträge seiner Kommission an, welche der Postverwaltung eine strengere Spezialisirung ihres Etats zur Pflicht machen und vertagte sich hierauf bis heute Abend 8 Uhr. Schluß 5'/4 Uhr.

TagesNeuigkeiten.

Stuttgart, 17. Febr, Zu Ehren des Geburtssestes I. Kais. Hoh. der Großfürstin Vera fand gestern eine Galavorstellung iin Zirkus Kremb- ser statt. Es war in der That eine Festvorstellung; jede Numer, die zur Ausführung kam, war ein kleines Juwel, und wurde vom Publikum, das in den besseren Plätzen gut vertreten war, so aufgefaßt und mit dem reichsten Beifall begleitet. -Die 4 russischen Rapphengste, von Dir. Krembser vorgesührt, haben sich seit seinem Hiersein bemerklich vervollkommnet und gehorchen ihrem Herrn jetzt auf den Wink, ebenso wie die beiden wohlge­nährten korsikanischen Ponnies; in der hohen Schule hat Dir. Krembser Don Carlos, einen arabischen Rapphengst, in allen Gangarten, Schrittwechsel spanischen Tritt u. s. w., als Meister des Faches vorgeführt. Unter den Damen waren es die Frl. Madigan auf dem Telegraphendraht und Frl. Bonnet als Luftkünstlerin, vor Allen aber Frl. Adele Seiffert als Grotesk­reiterin, die zu erwärmen verstanden; das waren Leistungen, die dem kühn­sten Reiter zur Ehre gereicht hätten; sie zeichnete sich noch durch vollendete Sicherheit aus. Dafür konnte das Publikum aber auch fast nicht müde werden, die junge Dame zu rufen. Hr. Tomasso, die kleine muskulöse Gestalt ist auf dem Pferde zu Hause. Der Sprung frei in den Sattel gelang ebenso vortrefflich und flott wie der Sprung stehend aufs Pferd. Den Schluß bildeten, zum Theil unter elektrischem Lichte, die heiteren Szenen des Karnevals auf dem Eise. Wenn Hr. Krembser, wie er es ver­dient , eine angenehme Erinnerung an Stuttgart mitnehmen soll, so wäre sein Zirkus einer bisweilen etwas lebhafteren Theilnahme des Publikums zu empfehlen.

6. Stuttgart, 18. Febr. Das sozialdemokratische Schwäbische Wochenblatt theilt mit, und in diesem Punkt kann es gut unterrichtet sein, daß vr. Dulk in Folge eines Vortrags in der Freidenkerge'meind e wegen Gotteslästerung in Anklagestand versetzt worden sei. Heute hielt der­selbe in dieser Gemeinde wiederum einen Vortrag, wobei er als Thema den Geisterglauben der Gegenwart (Spiritismus) wählte.

über dem Rücken zusammengelegt, die Stirn in düsteren Falten, das finstere schwarze Auge auf den Boden gerichtet. Er war unzufrieden mit sich selbst, war auch das seit einer Stunde erlebte etwas so unerhörtes und für un­möglich gehaltenes, daß es nicht allein seinen unermeßlichen Adelstolz tödtlich verletzte, sondern auch alle seine Pläne für die Zukunft seiner Tochter und seines Hauses völlig zu vernichten schien, so daß ein anderer wohl die Fassung hätte verlieren müssen, so verdroß es ihn doch auf's empfindlichste, daß ihm dies geschehen, ihm, der noch nie einem Menschen gegenüber auch nur haaresbreit aus den Grenzen stolzer Ruhe und kalter Selbstbeherrschung herausgetreten war. Mit einemmale wir es über ihn gekommen, er hatte kaum gewußt, daß er ein Pistol in der Hand gehalten, er hatte nicht gezielt überwältigt von Schmerz und Wuth hatte er die Waffe nach dem Gegner gerichtet, als er plötzlich, unerwartet sein Kind an dessen Brust stürzen, in seinen Armen zusammen sinken sah. Er glaubte seine Tochter getödtet zu haben. Tie That selbst reute ihn nicht. Daß kein Laut von dem Geschehenen in die Oeffentlichkeit drang, dafür wußte er zu sorgen, daß er aber dem Verführer seines Kindes, einem dienenden Menschen gegenüber sich seiner Würde begeben und daß er im Augenblick der That zur Erkennt­nis kommend, gleichsam als könne er damit seiner Uebereilung entrinnen, aus deni Zimmer gestürmt nun überdies im Unklaren darüber, was sein Schuß eigentlich angerichtet das verdroß und ergrimmte ihn auf's tiefste. Sollte er zurückkehren und Nachsehen? Das gieng nicht, das war seiner unwürdig wenn nur jemand gekommen wäre, um ihm Nachricht zu geben allein Niemand im Schlosse schien den Schuß weiter gehört zu haben und der Verwalter hatte sich vielleicht feige, wie er bereits gehandelt, davon gemacht, es dem Zufall überlassend, wer die Leiche der jungen Gräfin finden werde.

Eine peinvolle Stunde war auf diese Weise vergangen und der Graf

Tan nhausen, 13. Febr. Ein Istjähriger Bursche wollte bei einer Taufe einige Schüsse abgeben. Der Lauf des Geschosses zersprang und ein Stück desselben drang ihm quer durch den Kopf hindurch. Die Verletzung des Gehirns ist eine entsetzliche und der junge Mensch liegt hoffnungslos darnieder. _

Vermischtes.

Der Dtsch. Reichsanz. widmet Richard Wagner folgenden Nachruf: Die deutsche Kunst hat durch den am 13. Febr. in Venedig erfolgten plötz­lichen Tod Richard Wagners einen erschütternden, herben Verlust erlitten. Was er dem Kunstleben der Gegenwart war, was er für die Zukunft be­deutet, das wird die Nachwelt festzustellen haben, denn noch schwankt der Kampf der Meinungen für und wider .sein Wirken hm und her. Daß mit ihm aber eine mächtige Persönlichkeit dahingegangen, welche im Stande war die Menschen zu erheben und zu erregen, wie kaum eine andere in der ge- sammten Kunstgeschichte vor ihm, steht außer Zweifel, und wir dürfen stolz darauf sein, daß diese epochemachende Erscheinung der deutschen Kunst ange­hörte. Auch seine Gegner müssen zugestehen, daß seine Werke zwingende Macht bewiesen und daß sich an ihnen Hunderttausende von Menschen er­freut und erbaut haben. So wird es auch nach seinem Tode bleiben." Wagner hat nach Erzählungen der Familienmitglieder seinen Zustand und sein Leiden längst erkannt und sein Ende herannahen gefühlt. Als im Dez. eine Probe seiner erster Jugendsinfonie stattfand, welche er persönlich mit den Professoren und Zöglingen des Venediger Lyceo Marcello leitete (die Sinfonie sollte zu Weihnachten, dem Geburtstage seiner Gattin, zur Auf­führung gelangen) wurde er während der Probe von einem Unwohlsein überfallen, von dem er sich jedoch nach wenigen Minuten wieder erholte. Als die Probe beendet war, legte er den Taktstock nieder und rief den An­wesenden zu:Ich werde nicht mehr dirigiren und auch nichts mehr schrei­ben. Parsival ist mein letztes Werk." Alle, welche diese Worte hörten, umringten den Meister und fragten ihn, wie so plötzlich diese Stimmung über ihn gekommen sei. Wagner erwiderte:Ich werde bald sterben, das fühle ich schon lange und heute mehr denn je." Mitte Jan. ließ er sich in einer Gondel zum Friedhofe führen, wurde aber in dem Augenblicke, als er an das Land steigen wollte, ohnmächtig und mußte in die in der Nähe befindliche Kapuzinerkirche gebracht werden. Dort wurde er von den Mön­chen gelabt und konnte erst nach längerer Zeit die Rückfahrt antreten. Die Leiche Wagners wurde bald, nachdem der Tod konstatirt worden war, vom Schlafzimmer in das Arbeitszimmer gebracht. Wagner trägt den be­kannten, prächtig mit Gold und Silber gestickten Schlafrock, in den er beim Eintreten des Todes gehüllt war. Der Vorstand des Berliner Wagner­vereins beabsichtigt eine Sammlung für ein Wagnerdenkmal in ganz Deutsch­land zu veranstalten. Das Denkmal soll entweder für Leipzig, als dem Geburtsort des Verstorbenen, oder für Nürnberg, als derjenigen Stadt Deutschlands, welche Wagner durch seine Musik verherrlicht hat, gestiftet werden. Auch in München, Frankfurt und Wien spricht man schon von Wagnerstandbildern. _

Calw.

AanäwirtUckaUicker Rezikksoerein.

Da der Bedarf an Ob st bäumen zum Ersatz der vielfachen Verluste in Folge des Frostes der letzten Winter im Bezirke noch lange nicht gedeckt ist, erbietet sich der landw. Verein auch Heuer wieder zur Vermittlung des Ankaufs von gut gezogenen, kräftigen Bäumen aus solidester Quelle. Vor dem Ankauf von herumziehenden Händlern kann nicht dringend genug gewarnt werden, da dieselben entweder Ausschuß oder wilde Bäume aus dem Walde feil bieten, die niemals ein Gedeihen haben. Bestellungen sind spätestens bis

Samstag, den 3. März

zu richten an

E. Horlacher.

Secr.

schien eben doch zu dem Entschlüsse gekommen, selbst nachzusehen, als die Thür sich leise öffnete und Fräulein Ilona, die blonde Horcherin, mit wich­tiger Miene eintrat, das blaue Auge unterwürfig und doch keck auf den strengen Herrn gerichtet. Fräulein Ilona war die Gesellschaftsdame der jungen Gräfin, die Tochter einer angesehenen, aber armen Beamtenfamilie, welche schon seit einigen Jahren eine Mitbewohnerin des Schlosses bildete. Als wirklich dienstbereite und aufopfernde Pflegerin seiner verstorbenen Ge­mahlin hatte sich Fräulein Ilona so in der Gunst des Herrn festzusetzen ge­wußt, daß er dem sonst etwas voreiligen Wesen der Dame manches nachsah, was er von einem anderen nicht geduldet hätte. Ursprünglich hatte Fräu­lein Ilona geglaubt, die Augen des Schloßherrn auf sich lenken und viel­leicht noch die Herrin des Hauses werden zu können, denn bei ihrem ächt magyarischen Ursprung bildete sie sich auf ihr reiches, blondes Haar und ihren blauen Augen nicht wenig ein und wußte auch bereits seit vielen Jahren, daß sie ein recht hübsches Gesicht habe. Allein sie hatte sich bitter getäuscht; der Graf blieb bei aller dankbaren Freundlichkeit für die Pflegerin seiner verstorbenen Gemahlin kalt und von ihren Reizen ungerührt und so mußte denn Fräulein Ilona sich nach einem anderen Bewunderer Umsehen. Dem Locken ihrer blauen Augen und dem Lächeln ihres Mundes hatte der das Schloß vielfach besuchende, höchst sinnliche Graf Jrtvany nicht lange widerstanden und bald waren die beiden mit einander sehr gut bekannt, ob­wohl die Dame schnell genug merkte, daß der Graf bei aller ihm geschenkten Gunst nicht im Entferntesten daran denke, das arme Mädchen von bürger­licher Herkunft zu seiner Gemahlin zu machen. Sie sah ein, daß wohl nur gleich und gleich sich gut geselle und so hoffte sie, den bildschönen Verwalter mit den Trümmern ihrer Jugend zu beglücken. Allein, wie wir aus ihrem, eigenen Munde gehört haben, bisher ohne den geringsten Erfolg.

(Fortsetzung folgt.)