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Frankfurt, 9. Febr. Im 2. Stocke des Grötzinger'schen Hauses auf der gr. Bockenheimergasse (Nr. 13) wurde heute frühe die Familie Halber st adt, Braun, Frau und 2 Kinder, im Gas erstickt gefunden. Die Kinder und der Mann waren todt; an der Frau waren noch Zeichen des Lebens bemerkbar. Die Verhältnisse der Familie sollen geordnete gewesen sein. Bei näherer Besichtigung des Zimmers, in welchem sich die Todten befanden, ergab sich, daß die Schrauben des Gaskrahnens auf der Erde lagen. Die Leichen des Mannes und der beiden Kinder wurden in das Spital gebracht. Die Frau lebt noch; sie hatte starken Schaum vor dem Munde. (Nach einem anderen Bericht befand sich H. in den letzten Tagen in Verlegenheit wegen Wechselzahlung.)
Hamburg, 9. Febr. Zu der morgigen Verhandlung des Seeamts in der Cimbria - Angelegenheit sind nur Zeugen vom „Sultan" vorgeladen und zwar der Kapitän und andere Leute der Mannschaft. Die Zeugen, welche bereits in der Voruntersuchung vernommen worden, sollen morgen die von ihnen gemachten Aussagen wiederholen und beeidigen, und die geretteten Offiziere der Cimbria einem Kreuzverhör unterstellt werden. Die nächste Sitzung wird am Dienstag stattfinden; zu derselben sind die Zeugen von der Cimbria geladen.
New - Dork, Ende Jan. Die große Eisbrücke, welche sich über den Niagara gebildet hat, erregt gegenwärtig viel Aufmerksamkeit. Tausende von Besuchern strömen täglich herbei, um das Naturschauspiel zu sehen, und in allen Theilen Amerikas werden Vergnügungszüge nach dem "Niagara organisirt. Es gibt keinen Brückenbogen und keinen Krpstallpfeiler, es ist nichts als eine große, roh zusammengefrorene Eisfläche. Der Baumeister ist der Südwind. Ein fortgesetztes Blasen aus dieser Gegend verursacht das Aufbrechen des Eises im Erie See, 25 Meilen entfernt, in gigantische Blöcke, die den Fluß herabschwimmen, bis sie über die Fälle schießen, ein Anblick, der sehenswerth ist und eine lange Reise lohnt. Unterhalb der Fälle setzen sich einige dieser Blöcke fest; der Frost und Schaum kitten sie zusammen und dieser Prozeß nimmt seinen Fortgang, bis der Fluß von Ufer zu Ufer bedeckt ist. Diese Brücke ist die größte, die je gebaut worden, und erstreckt sich vom Fuße des Falls 3 Meilen weit. Sie kann mit Sicherheit begangen werden, an ein Aufbrechen des Eises ist vor dem Eintreten warmer Witterung nicht zu denken. Den Schmugglern ist durch die Eisbrücke eine ausgezeichnete Gelegenheit geboten und sie sind nicht müßig, sich derselben zu bedienen.
Vermischtes.
— Aus einem Nachbarstädtchen in nächster Nähe von Greiz wird der Greizer Zeitung folgendes hübsche Geschichtchen gemeldet. In der Nacht vom Sonntag zum Montag gelang es Dieben, die Werkstatt eines Färbers vom Hofe aus zu erbrechen, und schon hatten sie aus den zum Theil noch nassen Zeugen sich einen ansehnlichen Packen zurecht gemacht, als der Färber *von dem Geräusch erwacht, mit einem Doppelgewehr bewaffnet, ihnen entgegentrat. In der mondscheinhellen Nacht gewahrte er zwei Gestalten, die sich bei seinem Herannahen rückwärts zu conzentriren versuchten. Auf den Ruf: Steht, oder ich gebe Feuer, sprangen beide, wie auf Kommando, in den groben, beinahe gefüllten Jndigobottich und baten flehend um ihr Leben. Ter Färber aber, der sich an der Angst der Diebe weidete, feuerte nun sein Gewehr in die Luft, was zur Folge hatte, daß beide Spitzbuben untertauchten. Dies gefiel dem Färber so wohl, daß er die Herren Spitzbuben dieses Kunststück dreimal wiederholen ließ. Gehörig gefärbt und durchtränkt entließ er dann die Geängstigten; eine Anzeige hat er nicht gemacht, denn der Indigo hatte seine Schuldigkei t gethan. ___
Lan-wirthschaftlichcs.
Zur Verbesserung schlechter Wiesen.
Um im Ertrage nachlassende und von Unkräutern und Moos verwilderte Wiesen auszubessern, empfiehlt sich folgendes Verfahren: Man bestreue die Wiesen im Herbst mit Kali (ca. 6 Ctr. per Hektar) und dünge sie im Frühjahr mit Guano (3 Ctr. per Hektar), das Kali vernichtet das Moos und die Unkräuter, und der Guano wirkt vortheilhast düngend auf die guten Gräser; ebenso gut dürfte Blutdünger sein, wo nicht noch kräftiger, wenn er nur unverfälscht zu haben ist. — Ich habe den Versuch gemacht an einer Wiese, die brachte voriges Jahr beim ersten Schnitt ca. 3Vs Fu
der Heu, ein zweiter Schnitt war nicht zu bekommen, sondern gab nur eine dürftige Nachweide; nach der oben beschriebenen Düngung brachte sie dies Jahr aber beim ersten Schnitt 7 Fuder Heu, und beim zweiten Schnitt 3 Fuder Heu und im Oktober noch eine ziemlich gute Weide; die Wiese war voriges Jahr voller Moos und Unkräuter, dies Jahr aber zeigte sie einen reinen prachtvollen Graswu ch s.
Eingesendet.
Es ist s. Z. nach Einführung der Wasserleitung, vermuthlich im Interesse der Reinlichkeit, bekannt gemacht worden, daß Rindvieh und Schafe nicht mehr an den öffentlichen Brunnen getränkt werden dürfen. Hiemit stimmt es schlecht, wenn alltäglich, sogar am Sonntage, wo die ganze Stadt sauber gekehrt ist, eine Schafheerde am untern Marktbrunnen getränkt wird. Man kann wohl eine Freude haben an dem muntern Treiben der Lämmer, allein die Verunreinigung des Platzes erregt Aergerniß, weßhalb Abhilfe geboten scheint. Andere, die den Marktbrunnen nicht in der Nähe haben, müssen ihr Vieh j a auch im Stalle tränken.
Auf die Erklärung des Hrn. L. Dingler in letzter Nr. d. Bl., die hier nochmals wörtlich folgt:
„Zur Steuer der Wahrheit!"
Laut nur in den letzten Tagen gemachten Mittheilungen ist das — natürlich mit Absicht — böswillige Gerücht verbreitet, als wäre bei meinen Wahlversammlungen hauptsächlich über die Herren Beamten geschimpft worden, insbesondere von den beiden Herren Verwaltungsactuaren. Ich erkläre nun, daß dies eine jener infamen Verdächtigungen ist, mit welchen ein gewisser Theil meiner Gegner sich schon von Beginn an besonders auszuzeichnen beliebten. L. Dingler.
richten Mitglieder des bei der Abgeordnetenwahl für Hrn. Jul. Staelin thätig gewesenen Comites an Hrn. Dingler hiemit die Aufforderung, entweder öffentlich, oder in einer Zuschrift an eines der Comite-Mitglieder (vergl. Nr. 149 d. Bl. v. 1882) anzugeben, wer diejenigen seiner Wahlgegner sind, welche mit Absicht böswillige Gerüchte verbreitet und sich „schon von Beginn an" durch infame Verdächtigungen ausgezeichnet und in welcher Weise sie dies gethan haben.
Wir sind überzeugt, daß Hr. Dingler nicht unbedachter Weise so schwere Vorwürfe niederer Gesinnungs- und Handlungsart gegen seine Wahlgegner öffentlich verbreitet, daß er vielmehr für diese seine Behauptungen im Besitze genügenden Beweises ist, der die Oeffentlichkeit nicht zu scheuen hat, er wird es deßhalb als Bedürfniß empfinden, diesen Beweis entweder öffentlich oder in der angegebenen Weise anzutreten.
Im Namen des Staelin'schen Wahlcomiläs:
Der Vorstand Gustav Wagner, jr.
Literarisches.
- Lorvlii« Gcsckilck,!,! ü;r Neuzeit. Verlag von Greßner <L Schramm in Leipzig. — Wiederum liegen uns mehrere Lieferungen dieses von uns schon mehrmals lodend erwähnten Volksbuches vor, die an interessantem Inhalt den früheren Lieferungen nicht nachstehen. Je mehr das Corvinsche Werk sich seinem Abschluß nähert, desto mehr scheint cs durch vie g-ülle des Neuen und Interessanten, das es bietet, den Leser fesseln zu wollen. Eorvinsche Schilderung dcS amerikanischen Krieges kann sich den besten Werken über diesen Krieg würdig an die Seite stellen; iu unserer Literatur, der bisher ein mit gleicher Gründlichkeit und Sachkcnntnitz geschriebenes Werk fehlte, füllt sie unstreitig eine oft cmp- fundcne Lücke aus. _
Georgeniium Eakw.
Mittwoch) dm 14. Mmr 1883) Abends 8 Hl)
Oeffeutlicher Bortrag
des Hrn. Hofcaplans Or. Braun von Stuttgart
„Kine deutsche ALchterfaßrt im 17. Jahrhundert."
Zügen. Ein eisiger Blick vernichtete mit einem Schlage die kaum erwachten Hoffnungen der Tochter, daß sie in gräßlicher Enttäuschung zurücktaumelte.
„Ich war ein Thor," sprach er, mehr zu sich selbst als zu seinem
Opfer, „daß ich nicht bedachte-." Er verschloß die Waffe wieder,
während Irma mit angsterfüllten Augen jede seiner Bewegungen verfolgte.
— „So wird es ohne Aufsehen geschehen." -
Irma erbleichte und sank gelähmt in einen Sessel. Ihr Vater hatte aus einem Fach des Schreibtisches ein Fläschchen genommen , von dein er einige Tropfen in ein Glas goß, das er dann bis zur Hälfte aus der daneben stehenden Karaffe mit Wasser füllte. Seine Hand zitterte keinen Augenblick, fest hielt dieselbe das Glas zwischen den Fingern und reichte es dem Mädchen hin. „Trink!" sprach er rauh und hielt die tödtliche Flüssigkeit dicht vor die Augen der Tochter.
Irma rührte sich nicht.
„Trink!" wiederholte er heftiger und drückte das Glas selbst in die Hand der Tochter.
Die weißen, weichen Finger des Mädchens umfaßten das Gesäß, einen Augenblick schien es, als wolle sie unter der furchtbaren Last des Augenblicks zusammenbrechen, die Hand mit dem Glase zitterte heftig, allein auch sie konnte stark sein. Mit einer raschen Bewegung erhob sie sich von ihrem Sitz — wohl war ihr Antlitz bleich, nur auf den Wangen brannten zwei kleine, rothe Flecken, das dunkle Auge loderte in verzweiflungsvoller Glut, der Busen senkte und hob sich in heftiger Bewegung — ihre Hand war fest
— die Oberfläche des Wassers in dem Glase zeigte kaum eine leise Bewegung. Irma hob das Glas und setzte es an die Lippen, ihr Auge war
fest auf den Vater gerichtet — wird sich das Vaterherz nicht erbarmen, wird es nicht nachgeben und der Tochter verzeihen? Wird der Vater sein schönes, blühendes Kind so mitleidlos vor seinen Augen Hinsterben lassen?
Der Graf sah ruhig den Bewegungen seiner Tochter zu, als sei das Getränk in dem Glase reines Wasser und nicht gemischt mit Tod bringendem Gifte, das sie eben im Begriff war, zu trinken — eine Helle Röthe empörten Gefühls schoß in Jrma's Antlitz auf, im nächsten Moment flog das Glas zersplitternd gegen die Marmorbekleidung des Kamins, während die Flüssigkeit sich über den Teppich ergoß. Ehe der Graf, der dies nicht erwartet, recht gesehen, war Irina aus dem Zimmer verschwunden.
Er war wirklich verblüfft, der Mann, der in seinem ganzen Wesen das Gepräge unerschütterten Gleichmuths und strenger Kälte zur Schau trug aber nur einen Augenblick. Er machte eine Bewegung nach der Thür, doch nicht, um seiner Tochter nachzueilen — der stolze Mann hatte noch nie Anlaß zu irgend einem Eklat gegeben — , er zog die Klingel und befahl dem eintretenden Diener, den Inspektor Ferenc auf der Stelle vor ihn zu rufen. Der Diener verbeugte sich und gieng, den Befehl des Herrn pünktlich auszuführen, kein Zug in dem strengen Gesicht des Mannes, kein noch so leiser Ton der Stimme hatte jenem verrathen können, welche Erregung in seinem Herrn koche. Er dachte, es gelte die Besprechung einer geschäftlichen Angelegenheit. Nach wenigen Minuten bereits stand Ferenc vor seinem Herrn. Der Graf hatte sich mit dem Rücken gegen das Fenster gelehnt und blickte dem Eintretenden voll in das Gesicht.
(Fortsetzung folgt.)