57. Jahrgang.

Nro. 136.

Amts- unä Intekkigenzbkatt für äen Aezir^.

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Samstaa, den 1 8. November 1882. die Post bezogen im Bezirk 2 30 L. sonst in ganz

' Württemberg 2 <0

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.

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Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 15. Nov. Die Prov.Korr. enthält einen Artikel über die Thronrede, der wesentlich eine Umschreibung der letzteren ist. Beach­tung verdient jedoch folgende Stelle: Die Schäden, welche bei den Klassen der 4 untersten Stufen hervortreten, sind so große, die Wirkungen dieser Erhebung so überaus nachtheilige, daß wenigstens die Staatsregierung die Verantwortung nicht übernehmen zu können glaubt, die unabweisbare Ab­hilfe noch länger hinauszuschieben. Aus diesem Grunde und da die Auf­hebung der einmal bewilligten Steuererlasse nicht in Frage koinmen kann, ebensowenig aber eine der beabsichtigten Aufhebung jentsprechende Erhöhung der bestehenden direkten Steuern nach der auf den eingehendsten Erwägungen beruhenden Ueberzeugung der Staatsregierung bei der gegenwärtigen Lage der Verhältnisse angängig erscheint, so muß ein einstweiliger Ersatz in anderer Weise gefunden werden. Es liegt in der Absicht, dies dadurch zu erreichen, daß der Vertrieb einer Reihe von Massenartikeln des Verbrauchs mit einer der Gewerbesteuer nachgebildeten Steuer belegt wird, welche sich innerhalb der durch die Reichsverfassung der Landesgesetzgebung gewiesenen Schranken hält. Dem Reiche wird sodann die Aufgabe zufallen, auf eine rationellere Besteuerung dieser Artikel im Wege einer wirklichen Verbrauchssteuer Bedacht zu nehmen. Hierdurch und durch die von einer solchen rationell ausgebildeten Steuer zu erwartenden Erträge wird nicht nur die erwähnte, provisorisch aufzuerlegende Landessteuer erübrigt, sondern es wird auch dem Ziele näher gekommen werden können, den Einzelstaaten aus dem Ueberflusse des Reiches die Mittel zur Befriedigung ihrer durch eigene Einnahmen nicht zu deckenden Bedürfnisse zuzuführen. Weiterhin wird betont, daß ungeachtet der Einschränkung der Staatsausgaben aus die noth- wendigsten Bedürfnisse außerordentliche Deckungs mittel um­somehr in Anspruch genommen werden müßten, als den Mehreinnahinen aus den Betriebsverwaltungen ein sehr erheblicher Ausfall der Einnahmen aus den Gerichtskosten gegenüberstehe.

England.

London, 16. Nov. Aus Kairo wird gemeldet, daß der im Prozesse Arabi als Belastungszeuge vernommene Suleiman Daoud vor der Unter- suchungskommifsion sehr wichtige Geständnisse gemacht haben soll. Sulei­man behauptet, nur auf direkten Befehl Arabi's hin die Brandlegung in Alexandrien angeordnet zu haben, er will mehrere Male zu Mahmud Ali gesandt worden sein, um diesem im Aufträge Arabi's anzuempfehlen, des sicheren Erfolges halber die Stadt an mehreren Stellen zu gleicher Zeit an­zünden zu lassen. Am 12. Juli habe ihm sodann Arabi den gemessenen Befehl ertheilt, den Khedive zu ermorden, aber erst auf mehrfache Wieder­holung des Befehles hin und nur als ihm Arabi den Vorwurf der Feigheit gemacht habe, sei er mit einigen Begleitern nach dem Ramleh-Palaste geeilt. Daß der Auftrag nicht zur Ausführung gekommen, sei Sultan Pascha zu Verdanken, der ihn (Suleiman) unterwegs zur Umkehr bewogen, um Arabi nochmals über den Mordbefehl Vorstellungen zu machen. F. I.

TagesNeuigkeiten.

Vermöge Höchster Entschließung vom 25. Oktober haben Seine Königliche Majestät die erledigte evangelische Pfarrei Genkingen, Dek. Reutlingen, dem Stadtpfarrer Denk in Liebenzell, Dek. Calw, gnä­digst übertragen.

4V6. Stuttgart, 15. Nov. In Sachen der Handwerkerbank findet heute Abend nochmals eine Versammlung statt, um die Interessen der Genossenschaften zu berathen und den Stand der Sache darzulegen.

Das Postbuch für Württemberg, welches im vorigen Jahre mit 140 Seiten Text ausgegeben worden ist, ist soeben für das Jahr 1883 mit einem um >/^ Bogen erweiterten Inhalte (160 Seiten stark) wieder erschienen. Neben zahlreichen Berichtigungen und Nachträgen enthält das Festbuch zwei ganz neue umfassende Abschnitte: Zusammenstellung der Bestimmungen über die Annahme und Beförderung der Telegramme mit Gebührentarif und die Bedingungen für die Benützung der allgemeinen Telephonanstalt. Der Preis des an den Postschaltern, sowie durch Vermittlung der Briefträger und Landpostboten zu beziehenden höchst empfehlenswerthen und praktischen Buchs ist trotz des größeren Umfangs der alte 1 c/1L pr. Exemplar geblieben.

Stuttgart, 16. Nov. Ein Unfall, der gestern Abend in der Hoppenlaustraße vorsiel, gibt den Anlaß, um eine strengere Handhabung der Straßenpolizei hinsichtlich des Wagenverkehrs zu Litten. Die Büchsenstraße herab, die Schloßstraße hinauf und um die Ecke

stürmten vor 7 Uhr Wagen an Wagen zur Liederhalle, während Hunderte zu Fuß sich durchdringen mußten, um zu dem Konzert Sarasates zu gehen. Ein Herr hatte eine Reihe der kommenden Wagen abgewartet und wollte eben von der Hypothekenbank gegen das Rieth'sche Haus über die' Straße gehen, als er von einer gleichfalls im Trab von der Liederhalle her kommenden Kutsche erfaßt, zur Seite und auf den Boden geworfen wurde. Im selben Augenblick, als der Kutscher Hop hop rief, war schon der Stoß erfolgt. Glücklicherweise kam der Betroffene noch mit kleineren Verletzungen und dem Schrecken davon. Aber, so muß man fragen, warum darf solch gefährliches Nennen der Wagen mitten im lebhaftesten Fuß ver­kehr stattfinden? Bestehen keine spezielle Verbote oder warum wurden sie nicht gehandhabt? Vor einem Jahr, während der Ausstellung, war in den Straßen eine bestimmte Stelle bezeichnet, von wo an zu den Eingängen nur im Schritt gefahren werden durfte. Eine ähnliche Vorschrift für größere Konzert-, Ball- u. f. w. Lokale für die betr. Abende würde jedes Unglück fern halten. An Theaterabenden sollte für Zu- und Abfahrt vom Theater bis in die Königsstraße, an besuchten Abenden zwischen der Lieder- h alle und dem Ausgang der Büchsenstraße hin und her unbedingt nur im Schritt gefahren werden dürfen, während jetzt z. B. auch vom Theater aus die Wagen im gestreckten Trab über die Königsstraße herüber, oder zu und von der Liederhalle zu fahren pflegen. Aehnlich am Königs­bau- u. f. w. An solch belebten Abenden, wie der gestrige in der Liederhalle müßte ein Posten an der Kreuzung der Schloß- und Hoppenlaustraße über Einhaltung des Verbots durch alle Wagen', feien es Droschken oder Herr- fchaftswagen, unnachsichtig w a ch'e n. Wir bitten im Interesse der öffentlichen Sicherheit dringend um eine solche spezielle Verfügung und ihre strenge Handhabung.

Biberach, 14. Nov. Heute Vormittag war der verheirathete Schleifer I. Maier von hier mit Schleifen von Werkzeugen beschäftigt. Hiebei zersprang der durch Wasserkraft getriebene Stein und traf den Maier so mit Wucht, daß dieser sofort eine Leiche war. Der so gräßlich verun­glückte Manu hinterläßt in dürftigen Verhältnissen eine Wittwe und vier unmündige Kinder.

Biebrich, 16. Nov. Das Wasser des Rheins hat seinen höchsten diesjährigen Stand überschritten; dasselbe steigt immer noch. Die Schifffahrt wurde e i n g e st e l l t.

Ravensburg, 14. Nov. Ein in einem hiesigen Hopfengarten be­schäftigter Arbeiter wurde gestern bei Umlegung einer Drahtanlage von einer Stange so schwer auf den Kopf getroffen, daß er nach qualvollem kur­zem Leiden verschied. Der Unglückliche hinterläßt eine Frau und vier un­versorgte Kinder.

Würzburg, 12. Nov. Gestern Nacht 1 Uhr entstand in der Dampf-Roßhaar-Spinnerei des Herrn Abt in Kitzingen unter Einwirkung des gerade herrschenden Sturmes ein fürchterlicher Brand, der in wenigen Augenblicken in den riesigen Vorräthen an Haaren und ähnlichem Material so große Dimensionen annahm, daß an Löschen gar nicht zu denken war. Die Wuth des Feuers veranlaßte die Polizei sogar, die Rettung be­sonders werthvoller Materialien zu verbieten, weit offenbar Gefahr für das Leben jedes sich Nähernden vorhanden war, die Feuerwehr wurde auch nicht eininal rechtzeitig allarmirt, weil am Marktthurme nicht Sturm geläutet wer­den konnte. Die Gebäulichkeiten waren sehr leicht construirt und so giengen die Schuppen und Lager, sowie die ausgedehnten Spinnsäle binnen kurzer Zeit in Rauch auf. Der Brandschaden ist auf ca. 60,000 geschätzt; die Vorräthe und Gebäude waren jedoch bei der Leipziger Versicherungsgesellschaft assecurirt, so daß eigentlich für den Besitzer, Herrn Abt, der gerave in der Nacht von einer Geschäftstour zurückkehrle und seinen Besitz in Flammen sah, nur die, allerdings empfindliche Störung des Betriebes zu beklagen ist. Menschenleben gingen nicht zu Grunde, aber die ganze Gegend litt unter dem ganz unausstehlichen Qualme der brennenden Haarstoffe.

M ü n ch en, 13. Nov. Von Seiten der Petroleum bohrwerk s- gesellschaft Tegernsee gelangte folgendes Telegramm nach Mün­chen:Sonntag Abend 9 Uhr gerieth auf dem Petroleumbohrwerk am Te­gernsee auf eine bis jetzt nicht ermittelte Weise ein eisernes feuerfestes P e t- roleumbassin in Brand. Hierdurch entwickelte sich ein sehr inten­sives Feuer. Durch die schon bei der Anlage getroffenen Vorsichtsmaßregeln wurde nur der rückwärtige Theil des Bohrthurmes in Mitleidenschaft gezo­gen, jedoch so wenig beschädigt, daß der Betrieb in diesem Bohrthurme höch­stens auf einige Stunden gestört wurde. Durch die hohe Lage des Bohr­werkes, sowie durch die enorme Leuchtkraft des hiesigen Petroleums war das Feuer weithin sichtbar und waren die Feuerwehren der ganzen Umgebung