Nro. 103.

Amts- unä

Intelligenz ölatt für äen Äezir^.

57. Jahrgang.

Samstag, den 2. September L882.

Abonnementspreis halbjährlich 1 ^ 80 L, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 L, sonst in ganz

Württemberg 2 -H 70 L.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.

Die EinrückungSgebühr beträgt 9 L für die vier^ spaltige Zeile oder deren Raum.

Auf dasCalwer Wochenblatt"

werden für den Monat September wieder von sämmtlichen K. Postämtern, Postexpeditionen und Postboten Bestellungen angenommen. Für hier kann täglich bei uns selbst abonnirt werden, wozu freundlichst einladet

äie Relation unä Expedition äe8Eatwer Mo^en^uÜ8.

Amtkieke Mekranntmackungen.

Calw. An die Ortsvorsteher.

Zum Zweck einer Berichterstattung an das Kgl. Ministerinm des In­nern sind im Laufe der nächsten Woche, spätestens bis zum 9. September d. I., das den Rechnungsakten pro 1880.81 anliegende Steuerabrech­nungsbuch und dessen summarische Berechnung, soweit solche sich nicht aus Anlaß der Rechnungsstelle pro 1881/82 in Händen der Herrn Verwalt. - Aktuare befinden, hieher einzusenden.

Calw, den 1. September 1882.

K. Oberamt.

F l a x l a n d.

Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 30. Aug. Die für heute angesetzte Herbstparade über die vereinigten Garden hat, trotzdem durchaus kein Kaiserwetter war, - dennoch stattgefunden. Kurz vor 11 Uhr langte in halboffenem Wagen die Prinzessin Wilhelm mit ihrer Schwester Karoline Mathilde auf dem Tempelhofer Felde an. Unmittelbar hinterher kam Kaiser Wilhel m. Keinen Wind und Wetter scheuend, saß der oberste Kriegsherr, neben sich den Adjutanten, Major v. Plessen, im offenen Wagen, lächelnd über die etwas verwunderten Gesichter der Menge, die den Kaiser in der That nicht erwartete. Auf dem Kreutzberg angelangt, warf der Kaiser schnell den Man­tel ab und bestieg sogleich sein Paradepferd, auf dem er in bewundernswer- ther Rüstigkeit, nach Begrüßung der Mitglieder des königl. Hauses unter ' Vorritt von 2 Adjutanten auf den rechten Flügel der Truppenaufstellung sprengte, woselbst er vom Generallieutenant v. Kleist, welcher für den General v. Brandenburg die Parade befehligte, den Frontrapport entgegennahm. Ueber den dem Prinzen August von Württemberg bewil­ligten Abschied meldet das Militär-Wochenblatt als das eigentliche Amtsor­gan folgendermaßen:Se. Königl. Hoh. der Prinz August von Würt­temberg, General-Oberst von der Kavallerie, ist auf sein Gesuch um Ver­setzung in den Ruhestand von der Stellung als kommandirender General des Gardekorps und von den Funktionen als Oberbefehlshaber in den Marken entbunden worden. Se. Kgl. Hoheit verbleibt st I» Suite des 1. Garde- Regiments z. F. und des Garde-Kürassier-Regiments, sowie in dein Verhält- niß als Chef des Posen'schen Ulanen-Regiments Nr. 10 und wird auch ferner in den Listen der aktiven Generalität der Armee geführt. Wie der Kreuzztg. von heute berichtet wird, hat Graf v. Brandenburg die Nacht gut zu­gebracht. Sein Befinden ist ein den Verhältnissen nach günstiges; Fieber hat er gar nicht. Das durch die Berufung des Grafen v. Brandenburg zur Führung des Gardekorps erledigte Kommando der Gardekavalleriedivision hat dem Vernehmen nach der bisherige Kommandant von Berlin, General­major v. Winterfeld I., erhalten.

England.

London, 31. Aug. Die heutige Meldung der Daily News, daß zwischen Arabi und Wolseley Friedensunterhandlungen (durch Vermittlung von Sultan Pascha und dem ehemaligen Gouverneur von Zagasiy) begonnen hätten, wird im Ministerium Hierselbst noch nicht bestätigt.

London, 31. Aug. Das Arsenal zu Woolwich hat Ordre erhalten, sofort 36 Belagerungsgeschütze verschiedenen Kalibers und 1136 Artilleristen nach Egypten zu senden. Eine Depesche der Daily Chronicle aus Port- Said vom heutigen zufolge suchte Arabi um einen achttägigen Waffenstillstand nach. General Wolseley lehnte dies ab und bot ihm einen eintägigen Waf­fenstillstand an.

Türkei.

Konstantinopel, 30. Aug. Nachdem Lord Dufferin die letzten Weisungen bezüglich der Militärkonvention erhalten, begab sich, derselbe auf die Pforte, wo er 2 Stunden lang verweilte. Es scheint,

die Verhandlungen haben wieder begonnen. Schließlich entfernte sich Lord Duf­ferin, ohne irgend etwas zu beenden. Gestern Abend erneuerten die griechi­schen Truppen den Angriff auf Karali-Dervent, wurden jedoch zu­rückgeworfen. Heute Morgen begannen die Griechen den Kampf wieder mit verstärkten Streitkräften und Artillerie; der Ausgang ist unbekannt.

Aegypte n.

Alexandria, 30. Aug. 3 Transportschiffe sollen morgen mit der schottischen Brigade nach Ismailia abgehen. General Wood übernahm den Oberbefehl über die Truppen in der Umgegend von Alexandria.

Rußland.

Petersburg, 31. Aug. Der Regierungsbote meldet: Während ein politischer Gefangener im Saratow'schen Gesänguißgarten am 28. Aug. Abends promenirte, hielt an der Gefängnißmauer ein Wagen mit zwei Pas­sagieren, worauf der Gefangene dem ihn begleitenden Aufseher Sand in die Augen warf und der eine Paffagier den Aufseher mittelst Revolverschüffen tödtlich verwundete. Der Gefangene entkam über die Mauer in den Wagen, welcher eiligst davonfuhr. Eine Volksmenge verfolgte denselben und nahm die Verbrecher fest; einer derselben ist in Folge von Mißhandlungen der Volksmenge gestorben, die beiden anderen wurden, durch Polizei und Militär geschützt, verhaftet. Die Untersuchung wurde eingeleitet.

Der 2. September 1870.

(Eingesandt.)

Mit leider blutigen, aber desto unauslöschlicheren Lettern hat sich dieser Tag in die Geschichte zweier Reiche eingegraben. Dort über den Vogesen bricht eine Macht zusammen, die bislang gewohnt war, in der europä­ischen Disharmonie tonangebend zu sein; für Deutschland aber war es ein tausendfacher Weckruf zur Wiederbelebung des nationalen Geistes, der mit der Enthauptung des letzten Hohenstaufen verschwand und nur zur Zeit der höchsten Noth, welche Napoleon I. in unsere Gauen brachte, aufflammt, um alsbald nach geschehener Niederwerfung des Eindringlings wieder in den Schlaf des Gerechten zu verfallen. Allerdings geschah dieses Wiedererwachen auf Kosten vieler Opfer und manches Herz wird heute noch mit bitterem Wehe jener Tage gedenken, an welchen so viele tapfere Söhne unseres Vaterlandes mit ihrem höchsten Gut das zu schaffen suchten, was mit einem Schlage der Wunsch von Nord und Süd war: ein Deutsches Kaiserreich. Von jeher aber ist es das Schicksal der Nationen gewesen und wird es auch fürderhin sein, daß sie zur Erlangung ihrer Größe harte Kämpfe zu bestehen haben. Darum dürfen und sollen wir uns heute nichts destoweniger freuen, daß dieser Tag endlich für Deutschland angebrochen ist, nicht Diejenigen zu vergessen, die das Werk, für dessen Gelingen sie ihr Blut auf den Gefilden Sedans verspritzten, nicht mehr schauen können. Weisen wir hauptsächlich unsere Heranwachsende Generation ein in die Bedeutung dieses Tages, lassen wir an ihrein Geiste jene bangen aber zum höchsten Ruhme Deutschlands endenden Stunden vorüberziehen, damit namentlich durch sie die Pfeiler her­angezogen werden, die zur Erhaltung unseres heutigen Deutschen Reiches unumgänglich sind. Verhehlen wir uns ja nie, welchen Feind im Westen wir uns gerade durch 1870 wieder aufs Neue geschaffen haben.

Die fünfzig gerüsteten Jahre Moltkes sind kaum zum vierten Theil vorüber und fast scheint es, daß der übrige Bruchtheil nicht so ruhig ver­laufen wird, denn gerade in der letzten Zeit konnte man deutlich erkennen bis zu welchem Grad der Haß gegen alles Deutsche in dergeheiligten Stadt Paris" und mit ihr in ganz Frankreich gediehen ist, werden doch einfache Briefbotenaffairen zu den frechsten Herausforderungen heraufgebauscht. Nicht die Friedliebe der Franzosen hat uns zwölf Kahre Gewehr bei Fuß erhalten, sondern es ist lediglich die Furcht und nur diese, ähnliche oder noch größere Niederlagen wie 1870 erleiden zu müssen. Von welchem Geiste sind denn die meisten französischen Ministerien beseelt? Transparente sind es, hinter welchen Gambetta immer wieder deutlich zu erkennen ist. Die grancle nation hängt ihre Geschicke fast ausschließlich an einen Mann, der zur Zeit höchster Bedrängniß seines Volkes sich über Nacht zum Millionär herausgebildet hat, der endlich die Zügel der Regierung ergreifend, sich als politischer Dilettant, als diplomatische Null erwiesen hat und dessen ganze gepriesene Thätig- keit sich in den Satz:Gambetta e'est I» revancbe" zusammenfaffen läßt. Solcher Nachbarn erfreuen wir uns im Westen und im Osten. Scobeleff hat zwar sein thatendurstiges Leben in stark erotisch angehauchter Gesellschaft beschlos­sen, Jgnatieff ist gestürzt, das System beider aber, der Deutschenhaß, ist geblieben. Mag auch der Träger der russischen Krone von den friedliebendsten Absichten geleitet sein, es können Ereignisse eintreten, bei dem Vorhandensein derer sich ein Rencontre kaum umgehen läßt; oder ist der Ausgang der orientalischen Frage sliss englischer Ueberfall in Egypten zu ahnen? L.