Uro. 7l.

57. Jakr^

Amts- unl! Inteüigenzbkatt sür llen Kezir^.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 L für die vicr- spaltige Zeile oder deren Raum

Dienstag, den 20. Juni L882

Abonncnientsprcis halbjährlich 1 ^ 80 L, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 L, sonst in ganz

Württemberg 2 ^ 70 L.

Ämtkicüe Ke^aantmackungen.

Calw. A» die Ortsvorsteher.

Unter Bezugnahme auf die oberanitliche Bekanntmachung vom 6. v. M. (Wochenblatt Nr. 54) werden die Ortsvorsteher sämmtlicher Landge­meinden daran erinnert, daß sämmtliche die B e r u f s st a t i sti k be­treffenden Akten und Zusammenstellungen nach 8 13 der Min.-Vers, vom 2 April d. I., (Reg.-Bl. S. t57 ff.) längstens bis zum 22. Juni hier einzukommen haben.

Die Versendung geschieht als portopflichtige Dienstsache, also ohne Aufklebung der Bezirkspostwerthzeichen.

Den 18. Juni 1882.

K. Oberamt. F l a x l a n d.

Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

Reichstag.

Sitzung Freitag 10. Juni. Der Reichstag hatte am Freitag eine Tagesordnung von 26 Gegenständen. Eine Korrektur der Beschlüsse zur letzten Zolltarif-Novelle ward ohne Debatte angenommen. Eine längere Debatte ergab dagegen der Antrag des Bundesraths, den Reichstag vom 19. Juni bis 30. November d. I. zu vertagen, doch wurde dieser An­trag unter mehrseitiger Verwahrung, mit dieser Ausnahme eine Präzedenz für die Zukunft zu schaffen, angenommen. Recht lebhaft ging es auch bei der Berathung der Interpellation des Abg. G r i l l e n b e r g e r her, der sich über zudringliche polizeiliche Verfolgung der socialdemokratischen Mitglieder des Hauses beschwerte und wissen wollte, ob-die preußische, oder die Reichsregierung diese Ueberwachung angeordnet und was die letztere even­tuell dagegen zu thun gedenke. Der Bundes-Kommissar von Bötticher erwiderte, daß die Reichs-Regierung diese Ueberwachung nicht angeordnet, auch von einer Anordnung derselben durch die preußische Negierung keine Kennt- niß habe und sich daher auch über Maßnahmen dagegen noch nicht habe schlüs­sig machen können. Erst wenn die behaupteten Thatsachen amtlich außer allem Zweifel gestellt seien, lasse sich etwas dagegen thun, und sie stelle dem sozial-demokratischen Abgeordneten anheim, doch einmal die Person eines sol­chen Vesolgers festzustellen und sich dann bei seinem Vorgesetzten darüber zu beschweren. Abg. Lasker findet es eines Abgeordneten unwürdig, ihm zuzumuthen, sich auf der Straße mit Polizeiagenten herumzuschlagen, um diese dingfest zu machen. Der Abg. Günther (Berlin) tritt ihm hierin bei, ebenso der Abg. Froh m e, der das Kapitel der polizeilichen Belästigung seiner Freunde noch bedeutend erweitert. Hierauf folgten Wahlprüfungen. Das Haus erklärte die Wahl des Abg. Hempel (3. Wahlkreis Bromberg) für ungiltig und ersuchte den Reichskanzler um Beweiserhebung über die da­bei vorgekommenen Gesetzwidrigkeiten; ebenso in Betreff der Wahl des Abg.

Hänel (Kiel), die beanstandet wird. Die Wahl des Abg. Rickert (Dan­zig) wird für gültig erklärt, die des Abg. Lenzmann (Arnsberg) bean­standet. Abg. Or. Dohrn theilt mit, daß gegen Weihnachten verschie­dene Wahlakten aus dem Hause verschwunden und theilweise nicht wieder in das Haus gelangt seien. Die Akten seiner Wahl habe er zu Weihnachten bei der kgl. Regierung zu Stettin gefunden, noch ehe sie zur Kenntniß des Hauses gekommen. Abg. v. Kleist - Retzow beantragt nach diesen Wahl­prüfungen das Haus überhaupt zu vertagen. Auf Befürwortung durch Windthorst beräth das Haus aber noch den Antrag der Elsässer, in ihrem Landesausschusse den nur französisch Sprechenden das Verlesen deut­scher Reden, ausnahmsweise auch die französische Sprache, zu gestatten. Der Entwurf wird angenommen. Das Haus beschließt, sich nunmehr bis zum Herbst zu vertagen. Schluß 5 Uhr.

S. M. KanonenbootHabicht" 5 Geschütze, Kommandant Kor­vettenkapitän Kuhn, ist am 14. Juni cr. in Malta eingetroffen und hat in­zwischen, wie schon gemeldet, die Ordre erhalten, sich nach Alexandrien zu begeben.

England.

London, 15. Juni. Oberhaus. Graf Granville, dem Marquis v. Salisbury antwortend, sagt: Nach einem Telegramm aus Alex­andria von gestern war die Stadt ruhig. Die Truppen scheinen ihre Pflicht zu thun. Viele Europäer sind auf die Panzerschiffe geflüchtet. Salis­bury tadelt heftig die Unthätigkeit der Flotte und der Regierung und be­dauert die ungenügende Auskunft bezüglich der zum Schutze des Lebens und Eigenthums der Angehörigen ergriffenen Maßregeln. Granville sagt, Salisbury deute nicht an, welche Maßregeln er ergriffen zu sehen wünsche, außer daß England von Frankreich sich lossage, auf andere Mächte sich nicht verlasse und die Flotte zurückziehe, die Regierung werde aber nicht zu Schrit­ten sich drängen lassen, welche sie für schädlich und den Europäern für ver- hängnißvoll erachte.

Aegypten.

Alexandria, 15. Juni. Alle Generalkonsuln mit Ausnahme des französ., der nächstens erwartet wird, sind in Alexandria angekommen. Die Panik dauert fort; die europäischeKolonie fordert einmüthig das Einschreiten türkischer Truppen, indem sie neue Unruhen und Niedermetzelungen fürchtet, wenn eine andere (westmächtliche) Einschreitung versucht wird. Der griech. Generalkonsul kündigt das baldige Eintreffen 2 griechischer Kriegsschiffe an, um die griech. Staatsangehörigen, welche Egyp­ten verlassen wollen, einzuschiffen. Auch derfranzös. Generalkonsul Sien- kiewics kündigt die Ankuft eines französischen Transportschiffes zu gleichem Zwecke an.

R u tz l a n

In Kronstadt fand ein M il i t är k r a w a l l statt; derselbe brach wegen einer geringfügigen Veranlassung zwischen Matrosen und Fest- ungsartilleristen los, nahm aber durch Zufluß des müßigen Militärs so starke

§ Feuilleton.

Die mysteriöse Schrift

oder

Ein r 81 hs c 1 haf 1 e s Verbreche n.

Amerikanische Criminal-Novclle. Nach dem Englischen des H. L. Lengs erd.

(Fortsetzung.)

15. Kapitel.

Die zur Gerichtssitzung anberaumte Zeit rückte näher, aber jeder Tag vermehrte Cyrill's Qualen. Von seines Vaters Unschuld überzeugt, mußte er sehen, wie die Herzen seiner Mitbürger sich, bei der furchtbaren Anhäuf­ung aller Arten von Beweisen gegen ihn, mehr und mehr von ihm abwandten. Jedes Wort seiner Ueberredung mit seinem Vater hatte sich seiner Seele eingeprägt, und er beschäftigte sich unaufhörlich mit dem Versuch, das Ge­heimnis zu ergründen. Aber das Licht war zu schwach, und er fand es unmöglich. Dann durchforschte er alle Papiere seines Vaters, in der Hoff­nung, irgend einen Leitfaden zu diesem Labyrinth zu finden. Er fand All und Jedes, nur nicht was er suchte. Kein Brief, kein Andenken von Emilie Ford. Kein Merkmal war vorhanden das ihm Aufschluß hätte geben können, wo sein Vater in jener bedeutsamen Nacht gewesen. Wäre er weniger fest von seines Vaters Unschuld überzeugt gewesen, er Hütte zweifelhaft werden können; so schlimm aber die Sachen standen, sein Glaube blieb unerschüttert.

Er brachte beinahe seine ganze Zeit in seines Paters Zelle zu. Hier

bemüthen sie.sich, in wehmüthiger Unterredung sich die Zeit zu vertreiben. Blount zeigte sich fortwährend ruhig und gefaßt wie immer. Er sprach von dem Wechsel der öffentlichen Meinung als sehr natürlich unter so außer­gewöhnlichen Umständen, er beklagte nur, daß es unmöglich sei, die Gemüther des Volkes zu beruhigen. Er begriff nicht minder Juda Murdock's bittere Feindschaft, aber er erwähnte seiner sehr selten.

Jeden Morgen wurden dem Gefangenen die Zeitungen gebracht, und er sah den Unwillen gegen ihn mit jedem Tage heftiger werden. In einem Blatt standen mehrere Artikel gegen die Todesstrafe, und dies war augen­scheinlich der letzte Versuch von Blount's Freunden, ihn zu retten. Sie hofften nicht mehr auf seine Freisprechung, sie bemühten sich nur, ihn vor der äußersten Strenge des Gesetzes zu beschirmen. Aber das Gesetz ließ sich nicht umstoßen, und obgleich mitunter wohl ein überführter Verbrecher begnadigt und seine Strafe gemildert wurde, so mußte doch Blount nur zu gut, daß sein Fall ein zu peinlicher war, als daß er auf Begnadigung hoffen durfte.

Während dessen harrte Leila in schmerzlicher Spannung auf Nachricht von Eyrill. Jeder Tag schlich ihr langsam in Sorge, Angst und manchmal in Verzweiflung hin. Tausend Befürchtungen peinigten sie. Anfangs redete sie sich ein, daß Blount von keiner Gefahr bedroht sei; aber nach und nach erhielt ihre Furcht die Oberhand, und eine schreckliche Vorahnung des Schlimmsten überzog ihre Seele mit dem schwärzesten Schatten. Sie hatte in den Zeitungen von den ersten Entdeckungen gelesen, und wußte, welche Beweise gegen Blount Vorlagen, und obgleich sie sich Blühe gab, dieselben auf jede mögliche Weise zu deuten, so ward es ihr doch schwer, die Furcht daß Blount schuldig sein könne, ganz von sich fern zu halten.