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Der Reichskanzler und feine neue Wirtschaftspolitik.
Was der Reichskanzler den Bauern bringen will.
In der badischen Kammer der Standesherren hat vor einiger Zeit Freiherr von Göler eine warme Rede gehalten über den Nothstand der Bauern und den Rückgang der Landwirthschast in Baden. Um klar zu zeigen, wie auch bei der rationellen Landwirthschast der Ertrag aus Grund und Boden in den letzten Jahren ungeheuer abgenommen habe, führte er an, daß die Domänenverwaltung, also die Verwaltung der dem Staat gehörigen Ländereien in Baden im Jahr 1876 noch eine Einnahme von 9 Millionen gehabt habe, dagegen im Jahr 1879 nur noch eine Einnahme von 6ffz Millionen. Dieser Rückgang stehe im Einklang mit der Erfahrung eines jeden Grundbesitzers ; die Landwirthe haben in den letzten Jahren einen Ausfall ihrer Einnahmen von 15—20 Prozent gehabt und seien bereits bis aufs Aeußerste auf das Sparen angewiesen. Eine Folge dieser Roth, welche auf der Landwirtschaft liege, sei die große Ueberschuldung. Die richterlichen Einträge und Pfandurkunden seien in Baden von 36 Millionen im Jahr 1870 auf 72 Millionen im Jahr 1879, also in 9 Jahren bereits ums Doppelte gestiegen; und dazu kommen noch eine Menge Schulden, welche nicht gerichtlich eingetragen sind, so daß also die wahre Schuldenmasse noch eine viel höhere Summe ergeben würde. Aus diesem Nothstand der Landwirthschast ergeben sich noch weitere Folgen, nemlich einmal die Vernachlässig- ungdes Feldbaus, weil vielfach sowohl die Mittel, als der Muth zur Arbeit fehlen, und fürs andere die Zunahme der Auswanderung. Diese hat sich im ganzen Deutschen Reich nach der Reichsstatistik im Jahr 1881 fast ums Doppelte gegen das Vorjahr gesteigert; im Jahr 1880 wanderten nemlich nach überseeischen Ländern 106,190 Deutsche aus, im Jahr 1881 dagegen 210,547, so viel, wie in keinem der 10 vorangegangenen Jahre. — Mit diesen wenigen Zahlen ist deutlich bewiesen, daß dein Bauernstand Hilfe geschafft werden muß; man darf nicht sagen: Es wird schon wieder besser werden, wenn einige gute Jahre kommen. Vielmehr muß statt mit solchem Trost mit andern Mitteln der Landwirthschast aufgeholfen werden, wenn nicht noch mehr Elend entstehen soll. Wenn man vollends bedenkt, daß die Zahl der landmirthschaftlichen Arbeiter in Deutschland etwa 4'/z Millionen Köpfe beträgt, und diese 4>/x Millionen Köpfe fast alle Familienhäupter sind, daß also derjenige Theil der Bevölkerung im Reich, welcher vom landmirthschaftlichen Erwerb sich nährt, etwa auf 20 Millionen Seelen sich beläuft, — wenn man das bedenkt, so muß jedermann zu der Erkenntniß kommen, diesem Nothstand unsrer bäuerlichen Bevölkerung muß um jeden Preis abgeholfen werden, wenn nicht das ganze deutsche Reich zu Schaden kommen soll, denn wie eng der Wohlstand der Bauern mit dem Wohlstand der übrigen Bevölkerung zusammenhängt, das weiß jeder Handwerksmann und Kaufmann in Stadt und Land. Wie ganz anders geht Handel und Gewerbe nach einer guten Ernte, nach einem guten Herbst! Da läßt der Bauer „schaffen" bei den Gewerbsleuten, er „kramt", er läßt bauen — kurz: hat der Bauer Geld, so haben auch Handwerker und Krämer Geld; hat der Bauer keins, so verdienen jene auch wenig. Wie eine gedeihliche Entwickelung der Landwirthschast zum Wohlstand des ganzen Reiches unbedingt nöthig ist, sieht man ferner daran, daß die Werth-Summe der Bodenerzeugnisse in Deutschland jährlich 5 Milliarden Mark beträgt! Kommt aber die landwirthschaftliche Bevölkerung in ihrem Vermögensstand herunter, so vermag sie auch nicht mehr so viel Kapital auf Grund und Boden zu verwenden; und wenn sie nicht mehr so viel oder wohl noch mehr als seither in den Boden stecken kann, dann kommt auch weniger heraus, und ist einmal ein Gut auf diese Weise heruntergekommen, so verliert es auch an Werth; der Ertrag des Bodens und der Kapitalwerth des Bodens nehmen ab. — Der wichtigste landwirthschaftliche Anbau ist nun aber der Getreidebau und dieser muß dem Bauern gesichert werden, auch aus dem Grunde, damit unser Vaterland nicht durch Bezug von fremdem.Getreide von andern Ländern allzu abhängig wird. Wers versteht, der sagt: Eine Regierung hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Nation in dem, was zum Leben am allernöthigsten ist, möglichst unabhängig von andern Ländern sei. Zu den nöthigsten Lebensbedürfnissen aber -gehört doch gewiß das Brot. Also muß unsere Regierung dafür sorgen, daß in deutschen Landen womöglich soviel Brotfrüchte gebaut werden, als
wir zu unsrem Unterhalt bedürfen. Wenn dies erreicht werden soll, so müßten auf einer Fläche, welche jetzt 14 Centner liefert, fernerhin 15 Cent- ner erzielt werden. Sachverständige behaupten, es wäre eine solche Steigerung durch Beschaffung künstlichen Düngers, durch Verbesserung der Dung- stütten, durch Vertiefung der Ackerkrum und durch Beschaffung besseren Saatgutes, rc. wohl noch zu erreichen. Aber zu alledem braucht der Landwirth Geldmittel; also muß ihm vorher seine Arbeit lohnender gemacht werden. In keinem Fall aber darf die Regierung ruhig zusehen, daß die seither mit Brotsrüchten bebaute Fläche sich noch mehr verringert; dieser Gefahr aber treiben wir nach den Erfahrungen der letzten Jahre entgegen. Im Anfang der 60er Jahre wurden von der Gefammtackerfläche des preußischen Staates mit Brotfrüchten 58 Prozent angebaut: Im Jahr 1878 waren es nur noch 503/4 Prozent; ebenso ist es in Bayern; daselbst wurden im Jahr 1878 um 100,000 Hektar weniger als im Jahr 1866 mit Brotfrüchten angepflanzt. Wir sehen, in den letzten Jahren sind wir in der Brotfrage immer mehr vom Ausland abhängig geworden und unsere landwirthschaftliche Bevölkerung ist immer ärmer geworden. — Diesem ganzen Nothstand will der Reichskanzler nun abhelfen und hat dies z. B. schon gethan durch den Getreidezoll. Dadurch soll dem Bauern es möglich gemacht werden, die Konkurrenz mit dem ungarischen, russischen und nordamerikanischen Weizen zu bestehen; auch soll unser deutsches Reich durch den Getreidezoll davor bewahrt werden, daß es nicht in eine solch schädliche Abhängigkeit von fremden Ländern gerathe, wie dies zum Beispiel bei England bereits der Fall ist. Dort nimmt der Getreidebau immer mehr ab und hat sich seit 1874 um 800,000 Acres vermindert, also in 6 Jahren um 20 Prozent; ginge es dort so weiter, so wäre es in 25 Jahren mit dem Getreidebau in England aus, England besäße kein eigenes Brot inehr! Es wird ja nicht so weit kommen. Aber doch ist der Grundbesitz in England schon furchtbar entwerthet und die englischen Grundbesitzer gehen einer immer größeren Noch entgegen. — Dem gegenüber thut unsere Regierung nur ihre Schuldigkeit, wenn sie den Bauern schützen will durch den Getreidezoll. Es ist aber auch nothwendig, daß die Grund- und Bodensteuer etwas erleichert wird und es wird sich bei der nächsten Wahl in unfern württembergischen Landtag darum handeln, daß die bäuerliche Bevölkerung Männer in die Kammer wählt, welche dafür einstehen werden, daß die auf Grund und Boden umzulegende neue Steuerquote eine leichtere werde als sie seither war. Daran möge unsere Landbevölkerung bei der Abgeordnetenwahl dieses Jahres ja fein sich erinnern! Endlich ist es auch nöthig, daß der Bauer für feinen Betrieb Geld zu billigen Zinsen erhalte, und so von den Wucherern los komme. Hiefür sind als erprobte Mittel die sogenannten bäuerlichen Darlehenskassen sehr zu empfehlen.
Was aber der Bauer immer im Auge behalten muß, ist die Aufrechterhaltung des Getreidezolls. Durch diesen hat Bismarck dem Bauern zu helfen gesucht und hat ihm auch bereits in etwas geholfen. Es wäre nur die Frage, ob der Getreidezoll nicht noch ein höherer sein könnte und sollte. Den: Einwurf, daß durch den Getreidezoll das Brot vertheuert werde, halten wir nur gegenüber, daß die durch den Zoll entstehende Vertheuerung auf das Pfund Brot nicht einmal >/g Pfennig beträgt; daß also nicht sowohl der Getreidezoll als vielmehr die Spekulanten das Brot vertheuern und daß eine kleine Vertheuerung immer noch besser ist, als wenn ein Stand verarmt, der inehr als >/z der ganzen Bevölkerung des deutschen Vaterlandes ausmacht, und von dessen Gedeihen, wie wir oben zeigten, auch das Gedeihen der übrigen Stände abhängig ist. —
Tages'Neuigkeiten.
Stuttgart, 3. Juni. In Pracht der Pferde kann der Zirkus W ulff den Vergleich mit jeden: ähnlichen, auch dem berühmtesten Institute ausnehmen. Ob er aber in Bezug auf Abrichtung von einem andern erreicht wird, ist eine Frage, die man bestimmt verneinen kann, insbesondere wenn man, wie gestern erstmals Gelegenheit geboten war, den Glanz dieser Dressur sozusagen in einer knapp zusammengedrängten Uebersicht vor Augen gestellt bekommt. Gestern wurden die besten Pferde in der Hohenfchule und in der Freiheit vergeführt, und nicht zum Geringsten gehörte zu sehen, wie eine junge Dame, Frl. Nelly Carcowsky, Elevin, den Kommandeur so sauber und korrekt in der hohen Schule zu führen verstand. Den Glanzpunkt
Wahrscheinlich aber bedürfen wir deren jetzt nicht. Sie werden es erleben, Ihre Rache an dem größten Schurken auf Gottes Erdboden, dem grausamen und heimlichen Mörder Ihres Kindes, Blount Aymar, befriedigt zu sehen.
Nichtswürdiger, schrie eine donnernde Stimme.
Das Gebüsch bog sich raschelnd auseinander, eine eiserne Faust erfaßte ihn an der Kehle und im nächsten Augenblick stürzte er schwer zur Erde.
Mörder! schrie Juda Murdock, sich mühsam wieder aufraffend.
Er zog eine Pistole aus seiner Brusttasche, und hielt sie dem Angreifer entgegen. Aber in demselben Augenblick wurde sie aus seiner Hand in den Brunnen geschleudert.
Während dessen hatte Juda Murdock ihn erkannt. Er fuhr zurück.
Cyrill?
Ja, Schurke! — Ich bin Cyrill. Ich kam zu rechter Zeit, meine Rache an dir zu nehmen. Elende Memme und Mörder, wie hast Du Dich unterstanden, Deine teuflische Lüge in Betreff meines Vaters zu ersinnen?
Und ihn mit seiner kräftigen Faust packend, zerrte er ihn nach dem Brunnen zu.
Hülfe! Hülfe! kreischte Juda.
Dies Alles war das Werk weniger Sekunden gewesen. Der alte Ford stand starr vor Erstaunen. Jetzt eilte er Juda zu Hülfe.
Lassen Sie ihn los rief er Cyrill umfassend.
Aber in demselben Augenblick stieß Cyrill ihn rücklings zu Boden. — Hüten Sie sich, zwischen ihn und mich zu treten!
Ich will ihm beistehen, rief der Alte mit zitternder Stimme. Lassen
Sie ihn gehen! Ihres Vaters Sache steht schlecht genug. Es wird ihm nichts helfen, wenn Sie seinem Beispiele folgen, der Brunnen hat schon Blut genug zu verantworten.
Seine Worte durchdrangen Cyrill mit Eiseskälte.
Alter Mann, hüten Sie sich! Die Beleidigung wider meinen Vater schreit nach Rache, und ich bin ein Verzweifelter.
Auch ich bin das! rief der Alte. Sehen Sie mich an. Seit dreißig Jahren habe ich auf diesen Tag geharrt. Gott hat mir zuletzt den'Mörder meines Kindes offenbart.
Wer ermordete Ihr Kind ?
Blount Aymar!
Das ist eine Lüge! schrie Cyrill.
Es ist wahr — so wahr ein Gott im Himmel lebt.
Reizen Sie mich nicht mehr, ich warne Sie! rief Cyrill. Und in demselben AugenblM hob er Juda MurSock in die Luft, als wenn derselbe ein Kind wäre, und hielt ihn über die Cisterne.
Sprich Dein letztes Gebet, sagte er, denn Deine Stunde ist gekommen.
Gnade! Gnade! rief Juda.
Halt! schrie Ford mit solchen: Nachdruck, daß Cyrill sich umwandte.
Für Ihren Vater gibt es noch einen Ausweg, sagte er. Wer kann wissen, ob er nicht verurtheilt wird. Aber wenn Sie selbst einen Mord begehen, so wird seine Freisprechung von keinem Werth für ihn sein. Denken Sie an ihn, und gebieten Sie ihrer Raserei Einhalt!
Diele Worte schienen Cyrill's Wahnsinn zu beruhigen. Er setzte Juda Murdock zur Erde, aber hielt ihn noch fest. (Forts, folgt.)