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gutzumachen vermöge. Herr von Frey einet antwortete: Er sei nicht im Widerspruch mit seinen früheren Erklärungen. Die englische Allianz sei nothwendig für Frankreich. Die Flotte sei nach Alexandrien zum Schutz der dortigen französischen Kolonie gesandt worden; dazu habe man sie. Frankreich müsse an das europäische Concert appelliren, weil es nicht die Macht habe, die Frage definitiv allein zu regeln. Ein solcher Versuch wäre wahnsinnig. Das europäische Concert sei die Bürgschaft einer friedlichen Lösung. Die Politik der Abenteuer, die inan der Regierung empfehle, würde kein französisches Kabinet auszuführen wagen. (Beifall.)
England.
London, 31. Mai. Der „Daily Telegraph,, läßt sich aus Paris melden, Freycinet habe die Absicht, die ägyptische Frage durch türkische Einmischung lösen zu lassen, völlig aufgegeben, weil der Sultan und Arabi Hand in Hand arbeiten; er beabsichtige jetzt, eine europäische Konferenz zu berufen, um für England und Frankreich ein europäisches Mandat zu erwirken.
Tages-Neuigkeiten.
Wildbad, 31. Mai. Ein Unglücksfall ereignete sich gestern in der Nähe der Herrnhilse bei der Herstellung des Grabens zu der vom Rennbach in die Stadt zu führenden Wasserleitung. Beim Graben stieß man auf Felsen, welche gesprengt werden mußten. Von zwei geladenen Minen gieng nur eine los. Die Arbeiter glaubten, es haben sich Beide entladen und gierigen zu der zweiten hin, als plötzlich die Explosion erfolgte. Der 50jährige Wurster von Calmbach, Vater von 4 Kindern, erhielt dabei bedeutende Verletzungen am Kopf und linken Bein. Das rechte Auge, in welches zwei Steine eingedrungen waren, mußte herausgenommen werden, das linke, gleichfalls verletzt, hoffen die Aerzte retten zu können. Zwei weitere Arbeiter erhielten ebenfalls Verletzungen, welche aber nicht bedeutend sind. — Beim Abgraben des alten Kirchhofs wurde der Grundstein einer Kapelle zu Tage gefördert, in welchem ein „ewiges Licht" und 3 silberne Münzen mit der Jahreszahl 1521 enthalten waren.
Gmünd, 31. Mai. Das Gewitter von gestern Abend gieng leider nicht ohne großen Schaden vorüber. Der Sturm entwurzelte viele Obstund Waldbäume und drückte die maste Winterfrucht zu Boden. Schwerer litten von Hagelschlag: Großdeinbach, Wustenrieth, Ützstetten, Göggingen, Holzhausen und Eschach, namentlich aber Lindach, Täserroth, Muthlangen und Wetzgau. Letztere Orte sind um so mehr zu bedauern, als so oft in den letzten Jahren die Hoffnungen auf gesegnete, reiche Ernten daselbst vernichtet wurden.
Friedrichshafen, 28. Mai. Ein hiesiger Dampfbootheizer, der in letzter Zelt Spuren von geschwächtem Geiste zeigte, begab sich gestern Nachmittag auf sein Zimmer, nahm einen großen Hammer und begann sich die Hirnschale einzuschlagen. Der Schall der Schläge drang bis in den untern Stock und als die Hausbewohner herbeieilten, fanden sie den bedauerns- werthen Menschen im Zimmer stehend inmitten von Blutlachen und sich fortwährend mit dem Hammer starke Schläge ertheilend. Die Hirnschale soll gegen 20 Risse und Löcher zeigen. Ob der Arme am Leben zu erhalten ist, kann nicht gesagt werden.
— Vom See. Am Pfingstmontag, Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr, waren die gemüthlichen Kaffeetrinker auf der Terrasse des Jnselhotels in Konstanz Zeugen einer aufregenden Szene. Vom See her, der von vielen kleinen Ruderkähnen belebt war, erschollen plötzlich jammervolle Hilferufe. Bald erkannte man, daß dieselben von einer oder zwei Personen herrührten, die ziemlich weit draußen an einem kleinen Nachen im Wasser hingen. Sofort stieß ein Boot von der nahen Anlänbe ab, von einem Frauenzimmer kräftig und sicher geführt. Man sah dasselbe dem Unglücksnachen sich nähern und bald umkehren. Nach kurzer Zeit landet es unter der Terrasse und lud eine triefende junge Frauensperson aus, während der ebenfalls triefende junge Mensch, der Genosse der verunglückten Spazierfahrt, in seinem Nachen am Schlepptau hinten nachgezogen wurde. Bewundernd und glückwünschend umstanden bald alle Anwesenden die jugendliche Heldin, die Retterin zweier Menschenleben. Es war Wilhelmine, die 18jährige Tochter des Schiffsmeisters Xaver Miez von Konstanz.
Landwirthschaftliches.
Bei dein Umstande, daß unsere Landwirthe sich nach und nach daran gewöhnen, zur Sicherung und Erhöhung ihrer Erndteerträge sich künstlicher Dungmittel zu bedienen und zu diesem Zwecke vorzugsweise große Quantitäten gedämpftes Knochenmehl verwenden, wird es Viele interes- siren, die Resultate von zwei Untersuchungen zu erfahren, welche in jüngster Zeit von der landw. Versuchsstation in Hohenheim mit 2 aus dem hiesigen Bezirke eingeschickten, aus 2 verschiedenen Fabriken stammenden Knochenmehl-
Es hat hienach
Knochenmehl aus
der Fab-
Knochenmehl aus der Fab-
rik der Aktiengesellschaft
rik der Gebr. Lichtenberger
in Reutlingen:
in Heilbronn
Feuchtigkeit
5,9 °/o
Feuchtigkeit
8.3 o/g
Organische Substanz*)
19.1 „
Organische Substanz*)
28,9 „
Sand rc.
18,5 „
Sand
1,6 „
Knochenerde rc.**)
56,5 „
Knochenerde**)
61.2 „
100,0
100,0
*) darin Stickstoff
2 ^ 0 /
*) darin Stickstoff
2,8 "/,
**) » Phosphorsäure
17.6 .
, Phosphorsäure
24,2 .
Garantirt waren: Stickstoff 3 „
Garantirt waren: Stickstoff 3 „
Phosphorsäure 20 „ Phosphorsäure 22
Das Reutlinger Knochenmehl ist mit etwa V 4 seines Gewichts mit Sand, Ziegelmehl, Torfasche rc. vermischt, und ist sein Werth bei einem Verkaufspreise von 8 40 L auf 7 berechnet, während das Heil-
bronner Knochenmehl rein und unvermischt ist und keine Veranlassung zu einem Abzüge an dem Verkaufspreise von 8 50 H gibt.
Die Landwirthe des Bezirks mögen hieraus ersehen, wie richtig es ist, die erkauften künstlichen Dungmittel einer Untersuchung zu unterwerfen, welche in Hohenheim kostenfrei ausgeführt wird. Sie mögen zugleich aber auch beachten, daß, wenn sie von einer sich etwa ergebenden Minderwerths- Bestimmung der Fabrik gegenüber Gebrauch machen wollen, hiezu die einfache Einsendung einer Probe nicht genügt, sondern daß zu diesem Zwecke sofort nach Empfang der Waare aus verschiedenen Säcken ein richtiges Durchschnittsmuster unter Zuziehung eines Zeugen zu nehmen, 3 Glasflaschen oder Blechbüchsen von ca. 1 Pfd. Inhalt davon zu füllen, zu versiegeln und die eine Probe an die landw. Versuchsstation in Hohenheim, die zweite an die Fabrik einzusenden, die dritte aber zu einer etwaigen Schieds - Analyse auszubewahren ist. Diese oder ähnliche Vorschriften werden von allen Düngerfabriken gemacht, welche sich unter die Kontrole der Versuchsstation in Hohenheim gestellt haben, und empfiehlt sich deren genaue Beachtung für alle diejenigen, welche sich vor Schaden bewahren wollen.
Calw.
Ean^rvirl^ekaUicker Rezir^sverein.
Nach der bestehenden Vorschrift haben die Vereinssekretäre pünktlich auf den 19. Juni das pro 1. Juli richtig gestellte Verzeichniß der Mitglieder des landw. Vereins nach Stuttgart einzusenden. Etwaige Anmeldungen zum Eintritt in den Verein wollen daher spätestens bis 9. Juni bei dem Unterzeichneten gemacht werden, und erhalten neue Mitglieder sodann das landw. Wochenblatt vom 1. Juli an durch die Post ins Haus geliefert. Spätere Anmeldungen können für dieses Jahr nicht mehr berücksichtigt werden. Abmeldungen sind erst im Dezember einzureichen. Calw, 2. Juni 1882. E. Horlacher, Secr.
Kgl. Standesamt Calw.
Vom 28. Mai bis 1. Juni 1882.
Geborene.
24. Mai. Max, Sohn des Franz Schlichter, Gärtners.
Getraute
27. Mai. Eberhardt Robert Oskar Dieterich, Kaufmann, Sohn des j- Victor Dieterich, Kameral-Verwalters mit Christiane Friederike Scheuerte, Tochter des Rudolf Scheuerte, Wollwaarenfabrikanten.
29. „ Wilhelm Heinrich Schlaich, Schuhmacher, Sohn des Jakob Ludwig Schlaich,
Schuhmachers, mit Anna Maria Reichert, Tochter des j- Joh. Michael Reichert, Fuhrmanns.
29. „ Georg Gottlob Giebenrath, Fuhrmann und Wittwcr mit Rosine Katharine
Morr, Tochter des Josef Mörk, Schuhmachers.
Lebewohl, murmelte er, Schauplatz der reinsten Freuden, der Liebe und des Glücks! Da liegt meine Vergangenheit — wo ist meine Zukunft! Wird die dunkle Wolke vorüberziehen und mir die Rückkehr gestatten, oder wird sie sich weiterwälzen und sich in einem Ungewitter entladen, das mein ganzes Leben zerstört? O, wenn dies nur ein wenig, nur eine Stunde später gekommen, dann wäre Leila die Meinige gewesen, und selbst das Unglück hätte uns nicht mehr trennen können. Aber jetzt müssen wir von einander scheiden, und wer verinag zu sagen, ob wir uns je Wiedersehen dürfen!
Das Schiff fuhr in die See hinaus, und ward bald von den breiten Meereswogen gehoben. Der Wind wehte heftig, und die Wellen brausten stürmisch. Die Scene stimmte mit seinem Innern, und die Schrecknisse der Natur zogen ihn ein wenig von den finstern Bildern der über ihm schwebenden Sorge ab. Er wagte es nicht, an seinen Vater zu denken, aber es hielt schwer, seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben. Sie kehrten immer wieder zu demselben Gegenstände zurück, und seine Phantasie führte ihm seinen Vater vor Augen als einen Gefangenen, in Sorge und Leid, bedroht von den schrecklichen Schuldbeweisen und vom Schwerte der Gerechtigkeit, das über seinem Haupte hing.
Wie es auch komme, Eins bleibt mir gewiß! und das ist meine Rache an Juda Murdock.
Die Leute an Bord des Schoners kannten sein Mißgeschick, und ehrten es. Die Ueberfahrt ging rasch von Statten und um Mitternacht trat er an der Werste von Walton aus Land.
Rings war Dunkel und Stille. Der Mond ging eben auf und warf
ein mattes Licht auf die Scene. Kein Licht schimmerte aus den Fenstern, denn Jedermann war zur Ruhe gegangen. Mit gedrückter Seele schlug er den Weg nach seinem Hause ein.
Das alte Haus stand schwarz und finster vor ihm, als wenn die leblose Masse das allgemeine Mißgeschick theile.
Mich soll verlangen, dachte er, ob irgend Jemand drinnen ist.
Mit zitternder Hand zog er die Hausglocke. Das Echo gab den Klang voll und klar zurück, aber keine Antwort erfolgte. Wieder und wieder klingelte er, aber lange vergebens. Zuletzt hörte er zu seiner Freude Schritte den Flur entlang kommen.
Wer ist da? fragte eine Stimme.
Ich — Cyrill.
In demselben Augenblick ward die Thür geöffnet, und Cyrill sah die alte Haushälterin erscheinen. Sie blickte ihn mit unbeschreiblicher Betrübniß an und sagte:
Ach.Master Cyrill, das ist ein bitterer Tag für uns Alle!
Ist mein Vater — ? Er konnte nichts weiter sagen.
Sie haben ihn fortgeführt, sagte sie, und noch nicht wieder frei gegeben.
Cyrill senkte sein Haupt und trat langsam und traurig ins Haus. Er that keine weiteren Fragen, sondern wanderte schwermüthig umher, indem er kaum wußte, was er thun sollte. Er konnte seinen Vater diese Nacht nicht sehen, denn die Kerkerpforten wurden um diese Zeit nicht geöffnet. Er mußte bis zum Morgen warten und die dazwischen liegende Zeit, so gut er konnte, verbringen.
(Fortsetzung folgt.)