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der That überraschend und dürften wohl selten sich anderweitig so günstig wiederfinden; es ergeben die trigonometrischen Höhenmessungen bei einem genau beobachteten mittleren Wasserdrücke von 60,83 Meter zwischen dem Wasserspiegel in den Hochbehältern und der Fontänen-Mundstückoberkante in der Neckarstraße, eine absolute Sprunghöhe des Wassers von ge­nau 46,5t Meter oder nahezu 163 w. Fuße, somit eine erheblich größere Strahlhöhe, als angenommen war. Die Strahldicke beträgt hiebei 9 Centi- meter oder voll 3'/z. engl. Zolle. Die große Fontäne im K. Schloßgarten hier besitzt eine Strahldicke von 3 engl. Zollen bei einer Strahlhöhe von rund 16 Metern oder 56 w. Fußen.

Wildbad, 30. April. Wildbad rüstet sich zum Empfang seiner Gäste. Noch sind die Arbeiten nicht ganz vollendet, welche die alte Haupt­straße ihrer jüngeren Schwester, der schönen König-Karlstraße, ähnlich ge­stalten sollen, doch schreiten dieselben rüstig vorwärts und bald wird es ver­wirklicht sein das Ideal unseres verehrten Stadtvorstandes: Wildbad im neuen Gewandte,Neu Wildbad"! Neu Wildbad heißt auch die neueste Komposition des Kapellmeisters Kühner. Ein schwungvoller Marsch, Stadt­schultheiß Bätzner gewidmet, dazu bestimmt, beim Beginn der Produktionen unserer, um 2 Mitglieder verstärkten Kurkapelle gespielt zu werden.

Oberst v. Glaser in Ludwigsburg macht bekannt, daß er im Fahr 1881,82 aus gesammelten Cigarrenspitzen 201 80 H er­

löst und dazu Gescheute von 841L 18 H erhalten hat. Damit wurden 37 arme Konfirmanden beschenkt und erfreut. In Neu - Ul m wollte zu Ende voriger Woche ein Unteroffizier der 11. Kompagnie des 12. Jnf.-Regts. von seinem Zimmer in der Kaserne aus mit einem Zimmerstutzen dem eben vorübergehenden Dienstmädchen des Bezirksarzts Dr. Model einen neuen irde­nen Hafen von beträchtlicher Größe aus den Händen schießen, traf jedoch nicht den Hafen, sondern die Hand des Mädchens. Untersuchung ist einge­leitet und der Thater sitzt hinter Schloß und Riegel. In Ul m geht das Gerücht von einer wegen Mordverdachts vorgenommenen Verhaftung. Vor 4 Jahren wurde die Leiche eines Mannes Namens Echter aus der Donau gezogen, und es waren Anzeichen vorhanden, die einen gewaltsamen Tod mög­lich erscheinen ließen, namentlich war das plötzliche Verschwinden des Bruders des Verstorbenen zu konstatiren. Dieser Bruder ist nun nach vierjähriger Abwesenheit wieder hierher zurückgekehrt und wurde am Freitag in Haft genominen. Letzten Donnerstag Nachmittag wurde inDettingen u. T. ein Zigeuner verhaftet und an das Gericht eingeliefert, welcher einen ruhig seines Wegs fahrenden Knecht zwischen Owen und Brucken mit Steinen und einem Prügel bewarf und ihn schließlich noch mit einem Revolver gefährlich bedrohte; der Verhaftete schien betrunken Zu sein. Das schwarze Gesindel macht sich gegenwärtig durch sein häufiges Erscheinen namentlich bei der Landbevölkerung, wo nicht immer der genügende polizeiliche Schutz vorhanden ist, sehr lästig.

Ulm, 1. Mai. Am Samstag vor 8 Tagen begab sich eine hiesige Frau, deren Mann voriges Jahr heimlich nach Amerika ging, mit ihrem 3jährigen Knaben von Haus weg und ließ dort 2 Kinder im Alter von 9 Monaten und 2 Jahren zurück, die Frau gab an, sie werde nach Blaubeuren fahren. Am Freitag langte nun von Antwerpen die Nachricht an, sie habe sich nach Amerika eingeschifft, man möge ihr verzeihen und sich der zurück­gebliebenen Kinder annehmen.

Am 24. ds. Mts. ereignete sich in einem Steinbruche im Fallthal (Rheinpfalz) ein gräßliches Unglück. Drei Steinbrecher waren da­selbst mit Steinbrechen beschäftigt, bohrten ein Loch und füllten es mit Pulver aus. Vergeblich bemühten sie sich, das letztere mit einer Ruthe, die weg­brannte, zu entzünden, und bohrten schließlich weiter. Da fiel ein Feuer­funken in das Pulver, dasselbe explodirte und nahm die Steinbrecher sammt Steinen mit in die Luft. Dem einen wurden die Gedärme aus dem Leibe gerissen, so daß er, nach Hause gebracht, verschied. Der andere ist blind ge­worden , das rechte Auge wurde ihm vollständig aus dem Kopfe herausge­rissen und das linke ebenfalls durch Steinsplitter schwer verletzt. Seine Ge­sichtszüge sind so entstellt, daß er schwer erkenntlich ist. Auch der Dritte ist schwer verletzt und werden auch die beiden letzten kaum am Leben erhalten werden können.

Die Hamburger Nachr. melden: Etwa 450 aus Rußland ver­triebene Juden trafen in Hamburg gestern ein, um nach Amerika befördert zu werden. Wie es heißt, wird sich die Gesammtzahl der vorerst zu beför­dernden Emigranten auf 17,000 beziffern. Es werden schon in den nächsten Tagen weitere Trupps erwartet.

Per transatlant. Telegraph. Die Postdampfer Nürnberg und Kronprinz Fried. Wilhelm, welche am 12. und 14. April von Bremen abgingen sind wohlbehalten am 29. ds. in Baltimore, letzterer in New-Aork angekommen.

Prag, 30. April. Der Strike im nordböhmischen Braunkohlen­gebiet ist ein allgemeiner geworden. Man streikt von Brüx bis Aussig; die Werke von Dux, Teplitz, Karbitz, u. s. w. feiern. Seit gestern erstreckt sich das Streikgebiet bis Komotau. Gleichzeitig wird die Lage immer ernster. Die Ruhe wurde zwar bisher noch nirgends erheblich gestört, doch ist die Stimmung der Arbeiter, die fest und unerschütterlich auf ihren, nunmehr ge­steigerten Forderungen beharren, eine besorgnißerregende. In Karbitz fand gestern eine Versammlung unter freien: Himnrel statt, bei der über 1000 Arbeiter anwesend waren. Ein Arbeiter ermahnte zur Ausdauer und sagte: 6 Millionen Fabrikarbeiter stehen hinter uns. Die Arbeiter verlangen u. A.: Abschaffung der Arbeitsbücher, der Legitimation, der Geldstrafen, Errichtung von Fachschulen, unentgeltlichen Unterricht. Weiber mit Stöcken'jbewaffnet, durchziehen die Stadt und hindern die Schlichtlohnarbeiter, einzufahren. Aus Brüx meldet man, daß jeder Zug Bergarbeiter bringe, die angesichts der Gensdarmerie und Jäger sich ruhig verhalten, und die Stadt wieder ver­lassen. Ordonnanzen und Bedeckungsmannschaften gehen ab und zu, die Gensdarmerie säubert die Straßen und verhindert jede Ansammlung. Der Kohlenmangel der dortigen Fabriken macht sich bereit» fühlbar.

Ruf zum Turue«!

Die letzten 20 Jahre brachten dein deutschen Turnwesen einen neuen, vorher kaum geahnten Aufschwung. Seit 1861, dem Jubeljahre des fünfzig­jährigen Bestehens des volksthümlichen deutschen Turnens, haben Männer, Jünglinge und Knaben die stärkenden Leibesübungen wieder ausgenommen.

Das Turnen, eine Zierde der deutschen Volkserziehung, hat als Unter­richtsgegenstand Eingang in die Schulen gefunden und bietet der deutschen Lehrerwelt ein reiches Arbeitsfeld reines Jugendleben ist da, wo das Schulturnen in richtigen: Geiste betrieben wird, durch die Turnübungen zu­rückgegeben. Es gilt nunmehr für die Lehrer und für die Eltern, die Jugend auf dem durch die Behörden vorgezeichneten Wege zum Turnplätze, zur Stätte der rechten Jugendheimat, zu führen, sie im frohen Spiele und in frischer Leibesübung zu bilden und ihr deutschen Jugendsinn zu bewahren.

Es muß eine erhebende Aufgabe des Lehrers sein, diesen Unterrichts­gegenstand so zu gestalten, daß er den Geist eines fröhlichen Treibens, das Gefühl gesteigerter Kraft und Sicherheit und das Bewußtsein jugendlicher Kraft und Gewandtheit mit sich führt.

Aber auch die deutschen Turnvereine sind als Pioniere des Schulturnens rüstig vorangegangen und haben durch die Pflege des Turnens, durch Ver­anstaltung rechter und echter Volksfeste, auf welche die deutsche Nation mit Stolz und Begeisterung hinblickte, und welche die deutschen Jünglinge aus allen Gauen zusammenführten, auch ihrerseits dazu beigetragen, das Gefühl der Zusammengehörigkeit All-Deutschlands zu hegen und zu pflegen und Deutschland in erneuter Gestalt erstehen zu lassen.

Nicht allein während der Knaben- und Jünglingsjahre soll das Turnen als körperliches Erziehungs- und Bildungsmittel, als Gegengewicht gegen einseitige Geistesbildung in Anwendung kommen, nein, nur dann kann das Turnen seine vollen Segnungen entfalten, wenn es für das ganze Leben ge­übt wird, erst dann bewährt es seinen vollen Lohn:Eine gesunde Seele im gesunden Körper!"

Auch dem ausgebildeten Körper sind durch geregelte turnerische Be­wegungen Kraft, Geschmeidigkeit und Gewandtheit zu erhalten gegen die körperverbildenden und versteifenden einseitigen Bewegungen des Berufes.

Vielerorts bestehen Jugendabtheilungen, um die der Schule entwachsene Jugend aufzunehmen; Männerabtheilungen, in denen die Blüte der Jugend auf den Turnplätzen sich Kraft und Gewandtheit für den Kampf des Lebens erwirbt; und endlich Altersriegen, die auch für das gereiftere Alter geeignete Uebungen bieten.

Mögen die goldenen Worte des unvergeßlichen Ernst Moritz Arndt in Erfüllung gehen:

Daß die edle Turnkunst bleibe und bestehe, daß sie wachse und blühe durch alle Orte und Gaue des geliebten Vaterlandes im ernsten, strengen, männlichen deutschen Sinn, in christlicher Milde und Frömmigkeit, in warmer Liebe und Treue gegen alles Edle, Gute, Treue und Vaterländische, daß wir nicht in jene nichtige Weichlichkeit, Faulheit und Zierlichkeit versinken, wodurch vor uns so viele Völker mit ihrer Freiheit und mit allen edlen und hohen Künsten und Tugenden vergangen sind." (W. Ldztg.)

Vermischtes.

Ein Zollkuriosum ist glücklich wieder beseitigt. Schinken werden hinfort wieder Schinken und keine Baumwolle sein, selbst wenn sie in Baum­wolle eingewickelt aus Amerika eingehen. So hat nach der Weserzeitung der Finanzminister entschieden und die Provinzial-Steuerdirektion in Hannover hat auch bereits dem entsprechende Anweisungen erlassen.

Das Münchener Aquarium ist wieder in vollem Glanze erstanden. Die durch die Ausschwefelung und durch den Brand verursachten Zerstörungen sind ergänzt und die dabei zu Grunde gegangenen Thiere durch andere ersetzt und vermehrt. Die berüchtigte Brillenschlange (ohne Giftzähne), welche so viel Unglück und einen Gesammtschaden von etwa 30,000 Mark angerichtet hat, ist in einem großen Glase auf einem Säulen­fuße zu sehen mit der Unterschrift:Die theuerste Schlange der Welt!",

Wozu die Zipfelmützen gut sind, erfuhr dieser Tage der Landmann Vogel in Hadermannsgrün bei Hof. Er besserte sein Dach aus und hörte es verdächtig klirren, als er einen Schlag gegen die Verschalung führte. Nun hieb er noch kräftiger d'raus los und zum Vorschein kamen . drei Zipfelmützen. Zwei waren ganz voll von Kronenthalern und die dritte halbvoll. Der Großvater Vogel hatte immer die Kronenthaler sehr lieb gehabt und gesammelt, und als 1866 die Preußen in die Gegend kamen, da hatte er seine Lieblinge in aller Stille unters Dach versteckt; als aber die Preußen kaum abgezogen waren, da hatte ihn der Schlag gerührt und er hatte sein Geheimniß mit ins Grab genommen.

Jeder Arzt auf de»: Arzt-Kongreß in Wiesbaden mußte auf seinen Nachbarn beim Commers einen Vers machen. Die Reihe kam an Einen der neben dem famosen Privatdozenten Zülzern saß. Da stund er aus und sagte:

Ich finde keinen Reim auf Zülzern

_ Die deu tsche Sprach' ist viel zu hülzern!

Der Materialismus vor dem Forum desSitten- gesetzes. Vortrag von I. Stern in Stuttgart, Rabbiner, Preis 30 Pfg. Stuttgart 1882. Verlag von W. Kohlhammer.

Der Materialismus, den der durch seinen Kamps gegen den Mucker bekannte Autor vor das Forum des Sitteng.setzeS ladet, ist der praktische Materialismus, die Ilcber- schätzung deS Geldes als hauptsächliche Quelle dcS GmckS, die tolle Jagd nach Reichthum, der M am m o ni S m u S. In überaus anziehender, mit Poesie nnd Humor reich gewürz­ter Ausführung wird diesem Hang unserer Zeit der Prozeß gemacht und eS wird in über­zeugender Weise der Nachweis geliefert, daß ee kein wahres Glück gibt, ohne die Arbeit, daß nicht der Reichthum, wohl aber die ernste redliche Arbeit der menschlichen Seele ächte und dauernde Befriedigung gewähren kann. Allen wahren Freunden des BolkS und der Arbeiterkreise sei die im besten Sinne populäre Schrift zur Verbreitung empfohlen, da sie ganz besonder« geeignet ist, von jener krankhaften Sucht nach rasch und mühelos erwor­benen Reichthümern zu heilen und Lust und Liebe zur Berufsarbeit einzustößen.