Nro. 3.
57. Jahrgang.
Amts- um! IntekkigenMutt für äen ^ezirli.
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Samstag, den 7. Januar 1882 .
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Politische Nachrichten
Deutsches Reich.
Berlin, 4. Jan. Ueber den Neujahrsempfang des Staatsministeriums durch den Kaiser berichtet die „Provinzial-Correspondenz": Der Kaiser sagte in seiner Ansprache, die Verstimmung in Preußen sei umsoweniger zu begreifen, als doch ein Blick auf Europa Jedermann belehren müsse, wie gut verhältnißmäßig unsere Zustände seien. — An den Hirtenbrief des Bischofs von Fulda anknüpfend, erinnert die „Prov.-Corr.", daß die Wiederbesetznng des Bischofsstuhls lediglich durch das Juligesetz von 1880 möglich geworden sei und daß ohne jenes Gesetz selbst die wohlwollendste Verständigung zwischen Papst und König unwirksam geblieben wäre. Sie erinnert ferner, daß die Gesetzvorlage wegen Abänderung der Maigesetze theil- weise an dem Widerspruche gerade der katholischen Partei gescheitert sei. Die Regierung, welche das Gesetz selbst in seiner Verstümmelung aufrecht- bielt, hoffe bei ihren weiteren Schritten zum kirchlichen Frieden auch die aufrichtige Unterstützung der Vertreter der katholischen Bevölkerung zu finden; auch sie würden durch Geduld und Vertrauen die Erreichung des gemeinsamen Ziels erleichtern helfen. — Die „Prov.-Corr." bezeichnet den l4. Januar als Termin für den Zusammentritt des Landtags und nennt neben dem Etat eine kirchenpolitische Vorlage, Verstaatlichung mehrerer Bahnen, die Kreis- und Provinzialordnung für Hannover als Hnuptberatbungsgegen- stände der Session.
Berlin, 5. Jan. Nach einer römischen Meldung der „National- Zeilung" stellte Iacobini an die katholischen Mächte die Anfrage, ob im Falle, daß der Papst gezwungen werde, ins Exil zu gehen, die bei ihm akkreditirte Diplomatie Ordre erhalten werde, ihm dahin zu folgen und ob die Mächte die verlassenen päpstlichen Paläste unter Kollektivschutz nehmen und eine Kollektivgarantie für deren Unverletzlichkeit leisten würden. Auf die erste Frage hatten die interpellirten Negierungen hypothetisch bejahend, auf die zweite ausweichend geantwortet. — Gegenüber dem gestrigen Artikel der „Provinzial-Korrespondenz" schreibt die „Germania": Das katholische Volk weiß den Werth der diskretionären Vollmachten zu schützen und verlangt stets Revision der Maigesetze, keine Uebergabe an die Gnade der Regierung. — Die „Nordd. Allg. Ztg." weist darauf hin, daß Oberpräsident v. H o r u 74 Jahre alt sei und sein fünfzigjähriges Jubiläum gefeiert habe. Ob in solchem Falle ein Beamter den dienstlichen Obliegenheiten noch gewachsen sei, darüber könnten lediglich er selbst und seine Vorgesetzten ein Urtheil fällen.
München, o. Jan. Inder zweiten Kammer fand die zweite Lesung des Gesetzentwurfes betr. Bestrafung der Konkubinates statt. Luthardt und Genossen beantragen die Bestrafung vom Antrag der Polizeibehörde abhängig zu machen. Nach längerer Diskussion wird dieser Antrag mit 81 gegen 53 Stimmen angenommen. Hiernach hängt von der Polizeibehörde es ab, unter welchen Voraussetzungen sie die Strafeinschreitung veranlassen will und geht dieser Antrag weiter als der Regierungsentwurf beabsichtigte.
Straßburg, 4. Januar. Der Etat der Straßburger Tabaks- Manufaktur wurde von der Kommission nach achtstündiger Berathung angenommen. Die Annahme in Plenum gilt als zweifellos.
Frankreich.
Pari s, 3. Jan. Wenn man sich aus den Artikeln, welche die Pariser Blätter dem Jahresübergang widmen, eine Vorstellung von der gegenwärtigen Stellung des Ministeriums Gambetta und von dein Ansehen seines Führers bilden wollte, so müßte das Urtheil so ungünstig als möglich aus- f«llen. Wir halten dafür, daß die Blätter die Farben 'zu stark auftragen; aber immerhin bleibt das allgemeine Konzert mißvergnügter Stimmen bedenklich für die neue Regierung. In den politischen Kreisen, in den Salons, mag man hören, wohin man will, überall unfreundliche Urtheile über Gam- betta; kaum hie und da ein schüchternes Wort der Vertheidigung. Das Alles wü^de dem Ministerium einen baldigen Sturz verheißen, wenn irgend Jemand eme Ahnung davon hätte, was an die Stelle dieses Kabinets zu setzen. Aber da im Laufe der Jahre die Idee der französischen Republik sich gewisserinaßen in Gambetta verkörpert hat, so verknüpft sich mit dem Gedanken an den Sturz des Mannes eine Ahnung der schlimmsten Folgen, die Furcht vor einem politischen Krach, der Alles aus den Fugen reißen müßte. Darin hauptsächlich beruht jetzt die Stärke Gambetta's. Mau hat das Gefühl, datz die Kammern mit ihm wirthschaften müssen, selbst wenn sie nicht mit chm zufneden sind, und so ist Alles in Allein das Loys der Regierung nicht so jchkmm, als es nach den besagten Jahresbetrachtungen er
scheinen könnte. — Heute soll die zweite Plenarversammlung der Senatswähler des Seinedepartements stattfinden. Der Major Labor- döre hat vom Kriegsminister die Erlaubniß erhalten, nach Paris zu kommen und er wird sich in der heutigen Versammlung den Wählern vorstellen. Alan muß abwarten, ob sein persönliches Auftreten ihm vortheilhaft sein, oder ob er sich nicht einen Theil der Wähler entfremden wird.
— Pariser Blätter unterhalten ihre Leser mit der Fabel, die deutsche Regierung habe in Erfahrung gebracht, daß man im französischen Ministerium des Auswärtigen beunruhigt sei über die neuen militärischen Arbeiten, welche bei Straßburg, Metz, St. Eloi und allgemein längs der ganzen Ostgrenze Frankreichs stattfinden, und habe demzufolge den Botschafter in Paris beauftragt, Gambetta eine aufklärende Note über diesen Gegenstand zu überreichen. Hiezu bemerkt die „Els.-Lothr.-Ztg.": „Von irgendwelchen Grenzbefestigungen ist auf deutscher Seite an keiner Stelle die Rede, während dagegen von französischer Seite in dieser Richtung seit längerer Zeit vielfache Notizen vorliegen. Von Seiten der deutschen Regiernng ist über die letzteren ebensowenig eine Aufklärung verlangt, wie über die — nicht vorhandenen — deutschen Arbeiten gegeben worden."
England.
London, 5. Jan. Die „Times" mißbilligt die Idee einer englischfranzösischen Intervention in Egypten. Eine verfrühte Landung fremder Truppen würde in gegenwärtiger Lage Egyptens nicht zur Ruhe, sondern zu Ruhestörungen führen und leicht Verwickelungen verursachen, deren Ende nicht abzvsthen sei.
Rußland.
Petersburg, 2. Jan. Der Haß gegen Deutschland hat sich in letzter Zeit in vielen Zeitungsartikeln, die in Wuth gegen die Deutschen das Möglichste leisteten, Luft gemacht. In Verdächtigungen und giftigen Ausfällen gegen den westlichen Nachbar, dessen mächtige Stellung Neid und Bosheit erregt, suchen sich die Preßorgane den Rang abzulaufen. Und weshalb diese Ausbrüche? Da man sich angesichts der Konfusion im Innern nicht mehr zu rathen und zu helfen weiß und das Gefühl hat, daß jeder Augenblick die Kunde von einer nihilistischen Explosion bringen kann, so fordert man zu einer Diversion nach Außen auf und zwar gegen den Sündenbock Deutschland. Am lautesten schreit Katkoff in der „Moskauer Zeitung". Ein europäischer Krieg, meint er, sei das beste Mittel zur „Hebung des Nationalgeistes" und zur Verscheuchung der inneren Unruhen, die in dem Berliner Vertrage ihren Ursprung haben. Der Leichtsinn dieses Nationalrussen geht so weit, daß er gar nicht die Möglichkeit annimmt, Rußland könne unterliegen, und daß er sich nicht fragt, wie sich die Dinge im Innern Rußlands gestalten würden, wenn der frevelhaft herausbeschworene Krieg für Rußland unglücklich enden würde! Am Schlüsse des Artikels heißt es: „Die aufrührerischen Zustände in Rußland waren nach der Rede des Kaisers im Moskauer Kreml gleichsam wie vom Erdboden verschwunden, der Nationalgeist hob sich, während genau mit dem Abschluß des Berliner Kongresses der Nihilismus und die Revolution von 'Neuem das Haupt erhoben. Tie Ermordung des Generals Mesenzoff ereignete sich einige Wochen nach der Unterzeichnung des Berliner Traktats." — Man thut gut, solche Artikel sich zu merken; sie zeigen, wessen sich Deutschland von gewissen, leider ziemlich verbreiteten Kreisen des russischen Volkes zu versehen hat. Man predigt dort ungescheut den Krieg gegen den westlichen Nachbar, aus keinem anderen Grunde, als weil man dadurch die Verlegenheiten im Innern los zu werden glaubt. Deun daß beim Berliner Kongreß Rußland durch die Hilfe des Fürsten Bismarck immerhin noch manches herausgeschlagen hat, was ihm ohne diesen Beistand entgangen wäre, das ist zum öfteren gesagt und zur Evidenz bewiesen worden. Die Deutschenfresser in Rußland haben aber ein Interesse daram,stnese Wahrheit nicht blos zu verhüllen, sondern gerade das Gegentheil zu behaupten, nämlich daß Rußland durch Deutschland um die Früchte seiner Anstrengungen betrogen worden sei.
Ein Korresp. der K. Ztg. meldet aus Petersburg, 2. Jan.: In Moskau sind in den letzten Tagen Verhaftungen hochwichtiger Art vorgenommen worden. — Alle Gerüchte über die angeblich erschütterte Stellung Ignatiews sind unwahr. Die Differenzen zwischen ihm und dem Großfürsten Wladimir sind vorläufig ausgeglichen. — Nach einer neuen Polizeivorschrift haben die Hauswirthe der Polizei sofort Anzeige davon zu machen, wenn einer der Einwohner nicht zu Haus genächtigt hat. Unterlassungen werden mit Geldstrafe bis zu 50 Rubel geahndet.
Türkei.
— Wie die „polit. Corresp." aus Kairo meldet, ist daselbst Prinz Heinrich von Preußen inkognito unter dem Rainen eines Grafen v. Berg -
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