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dort, indem sie ein Hinterthürchen zum Eintritte benutzten; allein man vermochte nicht, die Glücksspieler, unter denen auch professionsmäßige Kümmelblättchen-Spieler vermuthet wurden, zu fassen. Die häufigen Revisionen hatten nichts weiter zur Folge, als daß die Hinterthüre geschloffen wurde und die Gesellschaft größere Vorsicht bei ihren Zusammenkünften anwendete. ES wäre eine Ueberraschung wohl kaum geglückt, wenn man nicht einen tzausburschen, der nach und nach 600 und feine Uhr im Spiel verloren, und einen Bäcker, der 136 verspielt hatte, aufgelrieben und vernommen hätte. Die Vernehmung förderte 18 Namen von Mitgliedern, welche der Spielergesellschaft angehören, zu Tage und ist gegen dieselben eine Untersuchung bereits angestellt worden. — Börsengeschäfte haben wieder einmal einen Beamten in's Gefängniß gebracht. Der Kas- sirer der Frankfurter Bank — ein Mann von 34 Jahren — machte seit einigen Monaten Börsengeschäfte, setzte dabei sein Vermögen zu, und um noch eine Differenzschuld zu decken, vergriff er sich an dem Gelds der Bank und entnahm aus Geldpacketen etwa 2700 »kt. Der Verlust wurde entdeckt und heute ist der Kasstrer in's Gefängniß abgeführl worden.
Dresden, 14. Dez. Die Gesammtsumme der Studirenden an der Leipziger Universität im diesjährigen Winterhalbjahre beträgt 3409, von welchen 1270 sächsische Staatsangehörige sind. Vor einigen Jahren hatte Leipzig selbst Berlin überflügelt, das jetzt indessen über 5000 Studirende zählt. — Das 400jährige Stadtjubiläum des allen Bergoctes Schneeberg ist unter allen möglichen IFeierlichkeiten, bei welchen die Bergleute die Hauptrolle spielten, am 9. ds. Mts. vollzogen worden.
Berlin, 20. Dez. Zur Unterstützung der von dem Ringtheaterbrand Betroffenen bewilligte Kaiser Wilhelm sünfzehntausend Mark.
Wien. 18. Dez. Ein Statthallereierlaß verbietet den Theatern, zwei Vorstellungen an einem Tage zu geben. Die von Laube eingeführten Nachmittags-Vorstellungen unterbleiben deßhald fortan. — Nach einer neuesten Zusammenstellung der Verunglückten und Vermißten beläuft sich die Gesammtzahl derselben auf 620, wovon 286 Leichen aufgesunden sind. Von den übrigen 334 vermißten Personen sind noch 80 bi» lOo zweifelhaft. d. h es ist noch nicht konstaurt, daß sie gerade seil dem Unglücks- abende abgängig sind. Es könnte also sein, daß sich der Verlust an Menschenleben auf 520 bis 510 stellen würde; dies aber als Minimum.
Wien, 20. Dez. Der Kaiser erschien heute Vormittag im Hofburgtheater. um auch hier wie gestern m der Hojopec sich zu überzeugen, daß alle Verfügungen getroffen, um toe Gefahr von den Theaterbesuchern sernzuhalten. Lm Eingänge des Theaters erwärmen den Kaiser Fürst Hohenlohe, Graf Taaffe, Statthalter o. Possinger, Baron v. Hvsmann, Direktor Hildebrandt und Vicebürgermeffter Uhl. Der Monarch besichtigte alle Räumlichkeiten und ordnete im Abschnitt der Bühne und des Zuschauerraums Vermehrung und Erweiterung oer Ausgänge an, sowie den Bau von Treppen und Abschaffung der zwei letzten Sitzreihen der vierten Gallerte. Nach längerer Besichtigung verließ der Karser das Theater. In den nächsten Tagen tritt bei der Hoslhealermiendanz eine Kommission zusammen, um über alle Aenderungen, in der Oper und im Burglhealer schlüssig zu werden.
Prag, 20. Dez. T»e Verhaftung der Sozialdemokraten am Sonntag Abend erfolgte in einer Versammlung des Arbeitervereins. An derselben nahmen auch zwei sozialdemokratische Agitatoren aus Leipzig und Dresden theil. Revolutionäre Lieder wurden gesungen und revolutionäre Toaste ausgebracht, alsdann wurden 18 Personen von anwesenden geheimen Polizisten verhaftet. In der Wohnung der Verhafteten, welche oem Gerichte zum Verhör übergeben wurden, sind verbotene Zeitschrisken, Bücher und Briefe vorgefunden worden.
Paris, 18. Dez. Die Negierung hat, nachdem sie sich darüber mit der deutschen Botschaft benommen, die Vorstellungen des Lohengnn, welche im Itlöütre Ü68 Kations durch eine deutsche G-s,Uschast gegeben werden sollten, verboten. — Paul Bert, der den öffentlichen Unterricht unter sich hat. betreibt nicht allem sehr eifrig die militärische Organisation aller Schulen (alle Franzosen sollen vom 12. Jahre an militärisch etngeubr werden) sondern er läßt jetzl einen Gesetzentwurf ausarbei'.en, dem zufolge dis jungen Burschen der Gemeinden nach ihrem Austritt aus den Elementarschulen in Bataillone sonnt« werden und fo die mitüärische Instruktion von 15—20 Jahren erhalten, wo sie in die Armee eimreien müssen. Außerdem wird eine Spezialschule gegrünret, in weicher die militärischen Jnstrul- lenre sür die Schulen gebildet werden.
— Ueber das Schicksal des in dem Ballon Saladin am L-amstag unweit Bridporl in das offene Meer htnausgelragenen Parlamentsmitglieds P o- welt hören wir. daß der franz MaruiemiNlster in Paus Nachricht erhalten hat, daß ein Fischer von Tersigny am Kanal, Powell m oen Luftballon verstrickt gefunden habe.
Petersburg. 20. Dez Der jetzl hier weilende Generaigouverneur von Ost-Sibirien, General Anulschin, übervrachre dre Nachrrchr, daß daS nn Jahr 1877 verloren gegangene Dampjschrff „Janelle" von der nord- amerikanischen (von Bennel ausgestalteien) Polarexpevmon j.tzt aufgesunden Aid der Mannschaft Hilfe geleistet worden sei
Philadelphia, 2. Dez. Der Nachlaß des meuchlerisch ermordeten Präsidenten G ars»eld erweist sich als viel bedeutender, als man vermulhel hatte. Außer dem eleganten Hause in der Siadr Washington und seiner Farm ist auch das bewegliche Elgentyum des Verstorbenen gerichtlich aus 100 000 Toll, abgeschätzt. Die durch die lange Krankheit erwachsenen Unkosten und die Auslagen des Leichenbegängnisses werden ohne Zweifel vom Kongreß gedeckt werden. E» scheint demnach kein Grund für eine Pension für seine Wittwe vorzuliegen. Frau Lincoln, die Wilkwe des ebenfalls ermordeten Präsidenten Lincoln oagegen soll sich, da sie fortwährend krank ist, in Nolh befinden, das heißt, dre vom Kongreß bewrlltgte Pension von 3000 Doll, jährlich foll mcht ausreichen und es soll nun der Kongreß um Erhöhung ihrer Pension angegangen werden, was unzweifel
haft bewilligt werden wird. — Fürst Bismarck hat dem deutschen Hospital in Philadelphia LOO geschenkt. Dieses schöne Geschenk wurde von dem Vorstand dankend angenommen. Da« so wohlthätige Institut kann solche Zuschüsse sehr wohl brauchen.
Vermischtes.
— (Das erbende Leipzig.) Wie kürzlich der sächsische Staat der Erbe einer reichen Leipziger Dame, so war bereits im vorigen Jahre die Stadt Leipzig Erbin eines ihrer Bürger eines Herrn Grassi, geworden. Nach den jetzt zur Veröffentlichung gelangten Rathbeschlüffen hat der Rath zunächst 60,000 von dem Erbe dazu verwendet, um das Gewandhaus- Orchester um 20 Stellen für pensionsberechtigte Musiker zu vermehren, weiter hat er der Direktion der Gewandhaus-Conzerte zur Errichtung des neuen von Schmieden (Berlin) entworfenen ConzerthauseS eine Beihilfe durch Gewähr eines zinslosen Darlehens von 400,000 »kL zukommen lasten und endlich sollen etwa 1,200,000 zur Erbauung eines „Grasfi-Muse- ums" Verwendung finden, in welchem zunächst das sehr reichhaltige Völker- Museum wie das Kunstgewerbe-Museum ihre Aufstellung erhalten sollen.
— Malepartus oder Fuchsbau heißt die neuste Kneipe in Berlin. Sie hat ihren Namen von Reincckes Fuchs Residenz Malepartus. Die Wände sind geschmückt mit Kaulbachs Bildern aus Goethes Reinecke Fuchs und stellen die Abenteuer Reineckes dar und besonders schön, wie der Fuchs den Hühnern predigt. Dis ganze Einrichtung sammt Trinkgefäfsen ist altdeutsch, auch das Bier ist alt? —
— Die tollsten gesellschaftlichen Erscheinungen begleiten die politischen. In Steinsdors (Amtsgericht Burgebrach) wurde die Wirthin Anna Marie Krug einstimmig zum Bürgermeister gewählt und zwei junge Mädchen wurden Beisitzerinnen, man sagt wegen ihrer Thätigkeit bei den Wahlen. In Slegaurach wurde die Frau eines Zieglers Beigeordnete. So berichtet B. N. N.
— Bei der in Gr.-Als leben stattgefundenen Treibjagd wurden 671 Stück sette Hasen erlegt. Ein Jäger hatte das seltene Jagdglück 81 Stück Hasen zu erlegen. Die Hasen wurden an einen Händler mit 2 Mark 30 Pfennig pro Stück verkauft.
— Aus London. Geschäfts-Schwindel. Augenblicklich blüht hier eine Schwindelei, die ihrer Neuheit halber möglicherweise auch Deutschland heimsuchen könnte, vor welcher daher bei Zeiten gewarnt wird. Respektable Privatleute eryallen von einer Londoner Firma je ein Original- loor ohne jede Bemerkung. Nach ca. 3 Wochen geht Jedem der Auser- wählten eine gedruckte Loosungsltste zu, die ihm anzeigt, daß seine Nummer ein schönes, nach neuestem Geschmack eingerahmtes Oelgemätde, (welches einen Werth von 160 bis 200 habe) gewonnen habe. Das betr. Bild steht gegen Bezahlung des Looses cM 20 zur Verfügung. So plump diese Falle ist, so fallen doch viele Unerfahrene, die für wenig Geld möglichst viel haben wollen, 'rein. Der Werth der Bilder übersteigt nicht 50 L bis i c/tL und rechnet man für den Rahmen noch ca. 2 hinzu, so sieht man, daß das Geschäft ein lohnendes ist.
— (Aus der Reichshauptstadt.) Am Samstag wurde die Probefahrt auf der elektrischen Bahn am Charlottenburger Bahnhofe der Berlin-Charlottenburger Pferdebahn nach dem Spandauer Bock unternommen. Die Probefahrt soll gut ausgefallen sein Diese Probefahrt betreffend erfährt übrigens die Nat.Z., daß es sich hiebei um den Anfang von Versuchen handle, die einige Zeit hindurch fortgesetzt werden, um besonders die Einflüsse, welche die winterliche Jahreszeit, Schneestürme, Eisbildungen rc. aus oder an den Lciiungsdrähten ausüben, sestzustellen. Es kommt vr. Siemens bei dieser Anlage vor Allem daraus an, die neue Methode zur Fortbewegung von Eisenbahnwagen durch die elektromagnetische Kraft gründlich zu erproben. Während nach der bisher von vr. Siemens angewandten Methode der elektrische Strom von den Schienengeleisen der Bahn nach dem Wagen geleitet wurde geschieht die Vermittlung der treibenden Kraft nach dem neuen Verfahren vermittelst einer Lokomotive en miniature, welche auf der über dem Geleise hergestellten Drahtleitung läuft.
— Experimente zur Einführung der Elektrizität als Triebkraft auf größeren Eisenbahnstrccken stehen in Aussicht. Präsident Billard von der Northern Pacific Eisenbahn hat dieser Tage mit Edison einen Kontrakt abgeschlossen, auf Grund besten Edison im nächsten Jahre die Leistungsfähigkeit seiner elektrischen Lokomotiven auf einer 50 Meilen langen Bahnstrecke in Minnesota erproben soll. Billard hat, wenn der Versuch günstig ausfälll,' eine stipulirke Summe für die Strecke zu zahlen. Edison hat mehr als genügendes Kapital, um das Experiment zu machen, und soll seines Erfolges sicher sein.
— (Radikales Mittel gegen Trunksucht.) Dr. Juris, der ehemalige Arzt des Versorgungshauses in Wien berichtete in vec letzten Sitzung des Docloren-Collegiums über ein probates Verfahren, welche« er zur Heilung der Trunksucht an zwei Pfründnern erfolgreich anwendete. Er ließ nämlich die Betreffenden in das Korrektionsspital überführen, wo sie vierzehn Tage bleiben mußten und strenge bewacht wurden. Während dieser Zeit bekamen die zwei Pfründner, welche wiederholt von der Polizei wegen Trunksucht bestraft waren, keine Speise und kein Getränk, die nicht mit einer Quantität fuselhaltigem Branntwein versetzt waren. Das Wasser, der Wein, die Milch, die Suppe, das Fleisch, ja selbst die Medikamente und das Bettzeug derselben wurden mtt Branntwein imprägnirt. Am ersten Tage lachien die Patienten über diese Cur, aßen und tranken Alles gern, am zweiten Tage wurde ihnen der Branntweingeruch zu viel, am dritten Tage ekelten sie bereits die Speisen und baten flehentlichst, man möge sie vor jedem Branntweingeschmack verschonen. Doch mußten sie unter den größten Entbehrungen durch vierzehn Tage diese Cur durchmachen. Seither nahm keiner derselben auch nur einen Tropfen Branntwein mehr.