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daß es einstweilen nicht vergessen darf, „wem es sein Ungemach verdankt", und daß es „unter den gegenwärtigen Verhältnissen" zu seinem Bedauern noch gezwungen ist, die Erhaltung des Friedens zu wünschen."
Frankreich
Paris, 20. Dez. Vach einer Meldung der „Agence Havas" beabsichtigt die Regierung nicht. bei den Gesandtschastrposten in Athen und Ispahan Stellenwechsel vorzunehmen und Desprez, welcher an eine Demission gar nicht denke, abzuberufen.
England.
Gegen die englische Regierung wird seitens der Tories die Anklage erhoben, daß ihre Herrschaft in Irland vollständig zusammen gebrochen sei. Sie habe nach und nach zu jedem Hilfsmittel, das irische Volk zu versöhnen, zu beruhigen und zufrieden zu stellen, ihre Zuflucht genommen. Sie habe gedroht und geschmeichelt, sie habe abwechselnd versucht, dasselbe zu bestechen und einzuschüchtern, aber Alles sei fehlgeschlagsn; Mißlingen sei das Resultat aller ihrer Bestrebungen. Die llabeas cc>rpu8- Akte sei suSpendirt und die Landakte in Kraft getreten; trotz alledem werde dem Gesetze Verachtung und Widerstand entgegengesetzt und weder Leben noch EigenthE seien sicher. Gewaltthätigkkiten. Meuchelmord und Brandlegungen behielten die Oberhand. 23 Verbrechen der gröbsten und gewaltsamsten Art seien allein aus der abgelaufenen Woche zu verzeichnen. Wenn diese Schreckenswirthschait so fortgehe, werde Irland für das britische Reich verloren gehen. Die Toryblätter fordern den Rücktritt der radikalen Mitglieder des Kabinets, welche sich jeder energischen Maßregel entgeger- stemmen.
Türkei
K o n st an t i n o p e l, 13 Dez. Aus Anlaß der wohlwollenden Aufnahme, welche die Mitglieder der außerordentlichen türkischen Botschaft zur Ueberbringung des Verdienstordens an Kaiser Wilhelm in Berlin gefunden haben, lud der Großherr am vorigen Sonntage die Mitglieder der deutschen I Botschaft zur Tafel, drückte bei dieser Gelegenheit dem deutschen Geschäftsträger v. Hirschfeld seine besondere Befriedigung au» und fügte hinzu, daß er diese Verstärkung der freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland als eine Bürgschaft des Friedens und als das Ende der Leiden und Mißstände betrachte, unter denen die Türkei bisher ges mzt habe.
Amerika.
Washington, 18. Dez. Der Senat bestätigte die Ernennung BrewsterS zum Generaladvokaten. In der Nepräsentantenkammer wurde eine Bill eingebracht, welche Attentate gegen den Präsidenten mit der Todesstrafe bedroht.
Tages-Neuigkeiten.
Herrenberg, t7. Dez Die hiesigen Jagdpächter hatten gestern wieder eine ergiebige Jagd. Es wurden dabei 3 Hirsche sowie 2 Füchse erlegt.
Vom Oberamt Maulbronn, 15. Dez In Sternensels .wurde heute eine 61jährige Frau wegen Verdachts absichtlicher Töatung ihrer Enkelin, eines 6 Monate alten Kindes, in Hast genommen. Das Kmd, das immer gesund gewesen war, starb über Nacht. Dem Leichenschauer erschien der Fall verdächtig. Auf seine Anzeige erfolgte eine gerichtliche Untersuchung, zu welcher Obermedizinalrath v. Hölder von Stuttgart herdeigerufen wurde. Es wurde erhoben, daß das Kind durch Erstickung seinen Tod gefunden habe und wahrscheinlich Gewalt angewendet worden sei. Außer der Großmutter, welche über das arme Geschöpf, ein uneheliches Kind ihrer Tochter, von jeher ärgerlich war, befand sich niemand in jener Nacht in der Nähe des Kindes.
Göppingen, 19. Dez. Ter gewesene Ncciser Weihmüller in Hohenstaufen, der mir seiner Frau vor 5 Wochen bei voller Gesundheit die diamantene Hochzeit feierte, ist gestern plötzlich gestorben, nachdem er Tags zuvor seine wenige Tage früher verstorbene Frau halte beeidigen lasten.
Gingen, a. B. 17. Dez. In einem Steinbruche unserer bayrischen Nachbargemeinde Wittislingew wurde eine Art Gruft und in der
selben das Skelett eines Menschen und mehrere goldene und bronzene Schmuck- gegenstände mit Inschriften gefunden. Wenn auch die Resultate der Untersuchungen und die Entzifferung der Inschriften noch nicht endgiltig festgestellt sind, so läßt sich doch jetzt schon mit großer Wahrscheinlichkeit angeben, daß die Schmuckgegenstände einer Dame angehö:ten, auf deren jungfräulichen Stand nicht nur die Inschriften, sondern auch die am Fundorte vorhandene Opferschale Hinweisen Ueber das Alter des gefundenen Schmuckes ist deß- halb eine verlässige Angabe erschwert, weil manche Gegenstände nach Form und Behandlung des Materials in eine sehr frühe Zeit zurückverweisen, während einige Panzerringe durch die Art ihrer Zusammenfügung einer späteren Periode angehören dürften Die auf den Gegenständen angebrachte, äußerst fein gearbeitete Ornamentik ist nach dem Urtheile der Kenner im altdeutschn Stile gehalten, wodurch die anfängliche Vermuthung, die Gegenstände seien römischen Ursprungs, hinfällig wird. Dem Besitzer dieser doppelt kostbaren Gegenstände wurden bereits 2000 geboten; da derselbe aber die 3fach größere Summe zu erhalten hofft, ist an einen Kaufabschluß oder an die Erwerbung der Fundes durch ein Museum vorderhand nicht zu denken.
Konstanz, 17. Dez. Für den ziemlich erheblichen Minderertrag des diesjährigen Felchenfangs sind die Fischer am Bodensee einigermaßen entschädigt worden durch den Gangfischsang, der seit 20 Jahren nicht mehr so reichlich ausgefallen ist, wie in diesem Spätjahr. Das günstige Ecgebniß desselben darf hauptsächlich der miloen Witterung und dem nicht zu niedrigen Wasserstand zugeschriebsn werden. Der Preis der Bvdensee-Gangfische ist gegenwärtig 15, 20, 25 pr. 109 Stück. — Letzter Tage gelang es einem im Jnselhotel logirenden Kurgast, Herrn General z. D. v. K, in einem Badkabinet der Seebadanstalt des JnselhotelS mit dem Tellereisen eine prächtige Fischotter einzufanqen. Das Thier, ein Prachtexemplar, halte eine Länge von etwa 1 Mir. und wog 17>/z Pfund.
Nürnberg, 11. Dez. Schon seit geraumer Zeit waren 'der Gen- drrmerie verschiedene abendliche Zusammenkünfte in der Nähe der Sradl ausgefallen. Eines Abends 9 Uhr überraschte die Gendarmerie eine Zusammenkunft im Wirthshause zu Höfen und fand Leute jeden Alters und Geschlechts, und es ergab sich, daß man in den Beisaal einer Mormonen- Gemeinde. die sich hauptsächlich aus den umliegenden Ortschaften rekrutirt, gerathen war, an deren Spitze ein Vorarbeiter der Zentralwerkstätten steht, während die geistige Leitung einem gewissen Kanon aus Utah odiiegt. Uebrigens soll diese Gemeinde, die nahezu an 100 Köpfe zählt, sich entschlossen haben, im nächsten Jahre in das Heimathlanv des Mormonen- thums auszuwandern. — Das Unternehmen der Maschinen-Gesellschaft Augsburg, auf dem Ausstellungsplatz eine natürliche Eislaufbahn zu errichten, ist definitiv gesichert. Zweck des Unternehmens ist, einerseits dem Publikum eine Kurzweil zu bieten und gleichzeitig die aufgestellten Eismaschinen obiger Gesellschaft in ihrer Leistungsfähigkeit prüfen zu können.
Lus der bayrischen Rheinpfalz, 17. Dez. Der Land- r ath der Pfalz, dessen Sitzung nach etwa l4tägigec Dauer vor Kurzem geschloffen wurde, hat u. A. zwei Anträge an die kgl. Regierung zu stellen beschlossen, welche auch in weiteren Kreisen Beachtung verdienen: der eine verlangt, daß geeignete gesetzliche und administrative Maßregeln herbeige- sührt werden zur wirksamen Bekämpfung des Vaganlenthums; der andere richtet, unter Protest gegen den wider die Zivilehe gerichteten Beschluß der Mehrheit der bayer. Abgeordnetenkammer, die Bitte an die Krone, jenen Beschluß „in jeder Art und Werse ablehnend zu bescheiden." Der letztere Antrag wurde nur mit Stimmenmehrheit angenommen. — Vor einigen Tagen wurde ein gewisser Gödel aus Neustadt a/H., welcher vor einem Jahr aus dem Kaiserslautener Gejängniß und bald darauf aus der Navensburgsr Gefangenenanstalt entwichen war, in der Schweiz ausgegriffsn und wieder noch Kaiserslautern gebracht, wo er zunächst eine 5jährige Zuchthausstrafe zu erstehen hat; dann wird er wieder nach Ravensburg abgeliefert.
Frankfurt a. M., 17. Dez. Schon seit Monaten hatte die Polizei Verdacht geschöpft, daß sich in eine: hiesigen allbekannten, jedoch nicht sehr renommirteu Wirthschaft allabendlich eine Gesellschaft Hazardspieler zusammenfinde. Unve:mu!het erschienen die Organe der Sicherheitspolizei oft
gespannt auf diese Auseinandersetzung. „Sie haben eine Unterredung mit Ihrer Frau gehabt," fuhr der Rath fort. Richard stieß einen tiefen, tiefen Seufzer aus. „Die Unterredung verlor sich in einen furchtbaren Zank. Sie verließen Ihre Frau im höchsten Zorne und als Fräulein Dora un- milteibar nach Ihrem stürmischen Abgänge das Zimmer Ihrer Frau betrat, da fand sie diese als blutige Leiche am Boden. Sie werden einsehen, daß Ihnen alles Leugnen der Thal nichts hilft, da Sie dieses Meffer, womit ersichtlich die Schnitte im Halse vollsührt sind, zurückgelossen haben; was Sie zur Milderung Ihres Vergehens sich selbst vorzusprechen belieben, das hält gegen vie Gesetze nicht Stich!"
Von Moorhagen hatte den letzten Theil der Auseinandersetzung mit ganz wredergewonnener Fassung angehört und seine hohe schlanke Gestalt, die vorher wie genickt erschien, würdig in Haltung gebracht. Ein Lächeln sonderbarer Art zuckte über sein männlich hübsches Antlitz als er erwieberte:
„Und ich scheine Ihnen wirklich der Mann, zu dem man sich solcher Thal versehen kann?"
„Nein, von Moorhagen." entgegnele der Beamte fest. „Ich zweifelte, ich wurde noch zweifeln, wenn Ihr Betragen. Ihre Verstörtheit mir nicht Gründe zum Verdacht an die Hand gegeben hätten."
Richard sah ihn freundlich an. „Zweifeln Sie immerhin, bester Herr, zweifeln Sie so lange, bis es klar und unumstößlich gewiß vor Ihren Augen steht: Richard von Mooihagen ist ein elender Mensch, der seine Hand gegen seine schwache Frau auLstrkckle, um sie zu morden! Aber, so lange Sie dies nicht bewiesen vor sich sehen, mein Herr, so lange bitte ich, mich als einen Ehrenmann zu betrachten, der Ihnen sein Ehrenwort gibt, baß er
nickts von der Verwundung der Frau Leopoldine von Moorhagen weiß, daß er nicht begreift, wie sein Meffer bei der Leichs gesunden werden konnte und daß er nicht mit einem Gedanken das Leben dieser Dame gefährdet hat! Diese Erklärung gebe ich dem Beamten. Herr Ctiminalrach, und ich verlange, daß sie den Eingang zu dem UnlersuchungSprozeffe bildet, der wahrscheinlich über mich verhängt werden wird. U-brigens ersuche ich Sie, wenn Ihre Beamtenpflicht es erlaubt, jeden Schritt dazu zu vertagen bis Frau Leopoldine im Stande ist, selbst Auskunft über den Vorfall zu geben. Nicht wahr. Sie sagten vorhin, Leopoldine würde wieder gesund werden?"
Der Rath bejahete es, aber stellte eine mögliche Gefahr nicht in Abrede, Er schien sichtlich umgestimmt zu von Moorhagen's Gunsten, seitvem der junge Mann wieder zu seiner gewöhnlichen ruhigen Entschlossenheit zu- rückqekehrt war. Nachdem er noch einige Worte mit demselben gewechselt und ihm auch gesagt hatte, daß er mit dem Arzte hinausfahren und wo möglich sofort eine Aufklärung suchen werde, schied er mit neuerwachtem Vertrauen von seinem jungen Freunde.
„Erschweren Sie mir mein Amt nicht, von Moorhagen," sprach er, nochmals in der Thür umwendend, „lassen Sie mich nicht bereuen, daß ich der Stimme der Freundschaft gehorcht und nicht die ganze Schwere meiner Amtspflicht, die-Slcherung ihrer Person heischte, entwickelt habe. Verlassen Sie die Stadt nicht."
„Besorgen Sie nichts," entgegnete Richard gelaffen, „ich werde selbst meine Wohnung nicht verlassen, damit die Hand der Gesetzoertreter mich greifen kann, wenn sie will."
(Fortsetzung folgt.)